
Nominee 1998
Unverschmutzbare Werkstoffe
Weitere Details
Lebensläufe
Prof. Dr. Wilhelm Barthlott
- 22.06.1946
- geboren in Forst, Baden-Württemberg
- 1953 – 1968
- Schule, Abitur in Bruchsal
- 1968 – 1973
- Studium der Biologie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
- 1972
- Diplom
- 1973
- Promotion
- 1974 – 1980
- Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Systematische Botanik und Pflanzengeographie der Universität Heidelberg
- 1981
- Habilitation an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
- 1982 – 1985
- Professur an der Freien Universität Berlin
- seit 1985
- Professur an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Direktor am Botanischen Institut und des Botanischen Gartens
- seit 1991
- Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaft und Literatur zu Mainz
- seit 1997
- Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften
- seit 1997
- Gründungssekretär eines nationalen Sekretariats der UNESCO-Kommision
- seit 1998
- Mitglied des Nationalkomitees „Mensch und Biosphäre“
Ehrungen:
- 1997
- Karl Heinz Beckurts-Preis für wirtschaftlich innovative Grundlagenforschung
Kontakt
Projektsprecher:
Prof. Dr. Wilhelm Barthlott
Botanisches Institut und Botanischer Garten Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität
Meckenheimer Allee 170
53115 Bonn
Tel.: +49 (0) 228 / 73 25 26
Fax: +49 (0) 228 / 73 31 20
Web: www.botanik.uni-bonn.de
Pressekontakt:
CREAVIS
Dr. Bernhard Schleich
Gesellschaft für Technologie und Innovation mbH
Paul-Baumannstraße 1
54764 Marl
Tel.: +49 (0) 2365 / 49 94 83
Fax: +49 (0) 2365 / 49 71 10
E-Mail: b.schleich@creavis.de
Web: www.creavis.de
Beschreibung der Institute und Unternehmen zu ihren nominierten Projekten
Nie mehr Autowaschen - ein kräftiger Regenguß läßt das Gefährt wieder richtig erstrahlen. Gebäudefassaden, die Regen und Tau, irgendwelchen aggressiven Niederschlägen ausgesetzt sind, bleiben strahlend sauber, Verglasungen, Dächer, Sonnenreflektoren, selbst Gartenmöbel - das alles bedarf keiner besonderen Pflege mehr. Illusion, nicht mehr als eine - zwar faszinierende - Vorstellung? Keinesfalls, das alles wird in kurzer Zeit äußerst praktische Realität sein.
Nach dem Vorbild der in mindestens 50 Millionen Jahren durch Versuch und Irrtum der Evolution entstandenen Lotus-Oberflächen, können wir heute erste sogenannte „biomimetische“, also die Natur nachahmende und sich selbstorganisierende Werkstoffe produzieren. Einige von ihnen übertreffen das natürliche Muster - sie haben vollkommen ultraphobe Eigenschaften. Das heißt: nicht nur Wasser, sondern auch Öl rollt von der Oberfläche ab, jede Verschmutzung - selbst Dieselruß - kann durch Regen oder einfaches Besprühen mit Wasser abgewaschen werden.
Dieses Prinzip, ursprünglich der Selbstreinigungsmechanismus vieler Pflanzen und Tiere, wurde von uns nach seiner Entdeckung „Lotus-Effekt“ genannt. Bereits in den siebziger Jahren war uns aufgefallen, daß bestimmte Pflanzenoberflächen (z.B. Kohlblätter, Kapuzinerkresse, oder optimal bei der Indischen Lotusblume) nicht nur extrem unbenetzbar mit Wasser, sondern auch vollkommen schmutzabweisend sind. Für die Botanik war dies neu - aber erst durch die intensive Beschäftigung mit der Funktion biologischer Grenzflächen zeichnete es sich seit 1990 ab, daß sich dahinter überraschenderweise ein bislang unbekannter physikalischer Effekt verbarg: Durch ihre „Mikrorauhigkeit“ in elektronenmikroskopischer Dimension ist die Kontaktfläche mit den Schmutzpartikeln so gering, daß selbst an sich vollkommen wasserabweisende Substanzen durch Wassertropfen abgewaschen werden können. Als Beispiel: Tropfen von Alleskleber (z.B. UHU) rollen von solchen Oberflächen ab.
Das Phänomen schien jeder Erfahrung der physikalischen Chemie und allen Lehrbuchauffassungen zu widersprechen; entsprechend schwierig gestaltete sich die Publikation unserer Forschungsergebnisse.
Zentrale Vorgänge in der Natur und Technik spielen sich an Grenzflächen ab; in ihrer Komplexität sind sie oft nicht berechenbar und auch nicht nachformbar. Eine solche biologische Grenzfläche ist die cuticulare Oberfläche von Pflanzenblättern, jene dünne Grenzschicht, über die beinahe jede Interaktion zwischen dem lebenden Organismus und seiner Umwelt abläuft. Pflanzenoberflächen erweisen sich strukturell als außerordentlich kompliziert und - vergleichbar molekularen Daten - hervorragend geeignet, Verwandtschaftsbeziehungen zu rekonstruieren. Biodiversität, Systematik und Evolution der Blütenpflanzen waren deswegen zunächst Schwerpunkte unseres seit 1973 laufenden Projektes botanischer Grundlagenforschung. Methodisch wurden vorwiegend hochauflösende Raster-Elektronenmikroskope und neuerdings die Atomic Force Microscopy eingesetzt.
Dabei haben wir dann gelernt und zeigen können, daß diese unglaublich komplizierten regelmäßigen Mikrostrukturen banale, durch Selbstorganisation entstehende Kristallmuster oder selbstorganisierende Strukturen sind. Das war die erste Erkenntnis und es stellte sich die Frage, ob sich das Ganze nicht auch selbstorganisierend industriell herstellen und damit für den Alltag nutzen läßt. Es erwies sich als technisch prinzipiell möglich: Lotusblumen und Autolacke - diese interdisziplinäre Vision rückte in greifbare Nähe.
Nach der Einleitung eines Patentierungsverfahrens wurden 1995 die ersten Industriekooperationen vereinbart; Kooperationspartner in den Anwendungsbereichen Speziallacke, feste Polymere, Gebäudefassaden und Dachziegel arbeiten inzwischen mit hohen Personal- und Sachmittelkapazitäten an der Umsetzung.
Einer der Partner ist die CREAVIS Gesellschaft für Technologie und Innovation mbH. In diesem Unternehmen ist die Oberflächentechnologie eines der strategischen Forschungsprojekte. Bei CREAVIS rechnet man fest mit der kurzfristigen Markteinführung von Produkten mit selbstreinigenden Oberflächen. Bereits jetzt läßt sich erkennen, daß die innovativen Werkstoffe mit vollkommen neuartigen Eigenschaften unzweifelhaft erhebliche wirtschaftliche Relevanz besitzen.
Informationen und Kontakt zum Deutschen Zukunftspreis unter:
Internet: www.deutscher-zukunftspreis.de
Das Vorschlagsrecht zum Deutschen Zukunftspreis obliegt den führenden deutschen Einrichtungen aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie Stiftungen.
