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Preisträger 2022

Die Grundlagen des Lebens erforschen

Die Grundlagen des Lebens erforschen – ein neuartiges Mikroskop für die schonende 3-D-Abbildung lebender Zellen 

Dr. rer. nat. Thomas Kalkbrenner (Sprecher)
Dr. rer. nat. Jörg Siebenmorgen
Dipl.-Phys. Ralf Wolleschensky
Carl Zeiss Microscopy GmbH, Jena

(v.l.n.r.) Dipl.-Phys. Ralf Wolleschensky, Dr. rer. nat. Thomas Kalkbrenner,
Dr. rer. nat. Jörg Siebenmorgen

Ein großer Teil des Wissens darüber, wie sich das Leben entwickelt hat, wie seine biologischen Prozesse ineinandergreifen, wie Krankheiten entstehen und wie sie sich behandeln lassen, ist der modernen hochauflösenden Fluoreszenzmikroskopie zu verdanken. Sie basiert auf der Wechselwirkung von Laserlicht mit bestimmten Biomolekülen, denen sich dadurch detailreiche Informationen über organische Strukturen und deren Dynamik entlocken lassen. Doch die findige Methode hat auch einen großen Nachteil: Sie beeinflusst und schädigt die untersuchten Organismen – das schränkt ihre Anwendungsmöglichkeiten drastisch ein. Wie lässt sich dieses Dilemma auflösen?

Dr. Thomas Kalkbrenner, Dr. Jörg Siebenmorgen und Ralf Wolleschensky haben ein neuartiges Mikroskop-System geschaffen, mit dem das gelingt. Das System eröffnet völlig neue Perspektiven für die Forschung in Biologie, Medizin und Pharmakologie, indem es die sogenannte Gitter-Lichtblatt-Mikroskopie mit einer Reihe innovativer optischer Techniken verknüpft. Dadurch werden empfindliche lebende Proben bei der mikroskopischen Untersuchung vor einer Schädigung durch das verwendete Laserlicht geschützt. Zugleich fanden die Nominierten einen Weg, um die komplexe Technik auf einfache Weise nutzbar zu machen.

Das ermöglicht eine breite Palette bislang undenkbarer Anwendungen. Von der Innovation profitieren sowohl die biologische und biomedizinische Grundlagenforschung als auch die Suche nach neuen Ansätzen zur Diagnose oder Behandlung von Krankheiten. Thomas Kalkbrenner ist Teamleiter und Lead Architect R&D Special 3D bei Carl Zeiss Microscopy, Jörg Siebenmorgen ist Entwicklungsprojektleiter im Bereich Advanced Development, Ralf Wolleschensky leitet den Bereich Advanced Development.

Die hochauflösende, dreidimensionale Bildgebung per Fluoreszenzmikroskopie hat bereits eine Menge zur Entschlüsselung der Geheimnisse des Lebens beigetragen. Bei dieser Methode wird eine organische Probe, etwa ein Verband menschlicher Körperzellen, zunächst mit einem Biomarker präpariert und anschließend mit Laserlicht einer bestimmten Wellenlänge bestrahlt. Das Licht regt die Biomarker-Moleküle zum Leuchten an: Es entsteht sogenanntes Fluoreszenzlicht. Aus seiner Verteilung lassen sich vielfältige Informationen über biologische Vorgänge auf winzigem Maßstab gewinnen, etwa im Inneren einer Zelle.

Allerdings: Das Laserlicht, dem die biologische Probe ausgesetzt ist, kann sie schädigen - biologische Strukturen und Prozesse verändern sich oder werden gar zunichte gemacht. Die Forscher sprechen dabei von Phototoxizität. Sie kann zu einer falschen Interpretation der unter dem Mikroskop gewonnenen Aufnahmen führen. Untersuchungen lebender Systeme über einen längeren Zeitraum hinweg sind vielfach gar nicht möglich. Das setzt den Erkenntnissen, die sich durch die Fluoreszenzbildgebung gewinnen lassen, enge Grenzen. Hinzu kommt, dass dieses Limit umso rigoroser wirkt, je mehr Feinheiten man betrachten will.

Dieses Hemmnis hat das nominierte Team mit dem neu entwickelten System aus dem Weg geräumt. Dazu setzten die Nominierten zunächst auf die erst seit rund 15 Jahren bekannte Technologie der Lichtblatt-Mikroskopie, die für Modellorganismen aus der Entwicklungsbiologie verwendet wird: Dabei sind die Ebene, in der die Probe beleuchtet wird, und die Detektionsrichtung des Fluoreszenzlichts senkrecht zueinander orientiert. Es wird nur der Teil der Probe beleuchtet, der sich gerade im Fokus befindet, was die Strahlenbelastung des unter dem Mikroskop betrachteten Objekts erheblich reduziert. Die Gesetze der Optik verhindern jedoch die Übertragung dieser Technologie auf die Zellbiologie: Fokussiert man die klassischen Strahlen stärker, um sehr dünne Lichtblätter für subzelluläre Auflösung zu erreichen, werden die Strahlen auch kürzer und man hat gar kein Lichtblatt mehr. Es mussten also nichtklassische Strahlformen zum Einsatz kommen, die sehr dünne und zugleich lange Lichtblätter erlauben – die sogenannten Lattice Lightsheets oder Gitter-Lichtblätter. Sie zu erzeugen ist jedoch sehr aufwändig, weshalb die Nominierten neue Konzepte für eine automatische Herstellung dieser Lichtblätter entwickelten.

Damit lassen sich hochaufgelöste mikroskopische Aufnahmen mit exzellenter Bildqualität erstellen – und das über mehrere Stunden oder gar Tage hinweg, ohne das untersuchte Objekt zu beeinträchtigen. So lassen sich selbst sehr feine Details innerhalb von Zellen untersuchen und Veränderungen verfolgen.

Der breite Einsatz dieses Verfahrens erfordert aber noch eine weitere Innovation: Zellen werden in Gefäßen mit Glasböden kultiviert, beispielsweise in Petrischalen. Um sie in einem Lichtblattmikroskop verwenden zu können, müssen die Objektive schräg durch den Glasboden schauen – aufgrund der dabei auftretenden Bildfehler für ein herkömmliches hochauflösendes Mikroskop-Objektiv eine unlösbare Aufgabe. Daher entwickelte das Team eine einzigartige Mikroskop-Optik, die diese Bildfehler für beliebige Probengefäße korrigieren kann – selbst wenn deren Dicke variiert. Diese technologischen Innovationen wurden in ein kompaktes System integriert, welches sich in vorhandene Laborumgebungen einfügen und sich ohne spezielle Vorkenntnisse bedienen lässt.

Das ZEISS Lattice Lightsheet 7 wurde Ende 2020 am Markt eingeführt. 2021 wurde das System durch eine verbesserte und mit zusätzlichen – etwa für die Krebsforschung wichtigen – Funktionalitäten ausgestattete zweite Produktgeneration ergänzt. Es ist das bislang einzige kommerziell verfügbare System, dass eine dreidimensionale Bildgebung per Fluoreszenzmikroskopie an lebenden Proben mit sehr hoher Auflösung über Tage oder gar Wochen hinweg ermöglicht. Seine besonders einfache Handhabung prädestiniert das System für die Anwendung sowohl für den Einsatz in Labors an Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen als auch bei Unternehmen, etwa aus der Pharmaindustrie. Die auf Basis der Innovation zu erwartenden neuen Erkenntnisse lassen unter anderem auf eine schnellere und zielgerichtetere Entwicklung neuer medizinischer Wirkstoffe hoffen.

Wegen der Konkurrenzlosigkeit der neuen Technologie geht ZEISS davon aus, einen großen Teil des relevanten Marktes erreichen zu können. Und das Potenzial für die neuartige Technik könnte künftig noch deutlich wachsen. Hintergrund ist die Forschung an sogenannten Organoiden: aus Stammzellen gezüchteten Zellverbänden, die ähnliche Eigenschaften haben wie menschliche Organe. Daran lassen sich Funktion und Erkrankungen beispielsweise von Leber, Niere oder Gehirn auf eine neue Art – und ohne Tierversuche – erforschen. Auch die Suche nach pharmakologischen Wirkstoffen erhält dadurch neue Perspektiven. Das ZEISS Lattice Lightsheet 7 kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Hinzu kommt ein weitreichender – und finanziell kaum zu beziffernder – Nutzen für Gesellschaft und Gesundheitssystem, indem neue Diagnosemöglichkeiten für viele Krankheiten geschaffen werden.

Das Vorschlagsrecht zum Deutschen Zukunftspreis obliegt den führenden deutschen Einrichtungen aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie Stiftungen. Das Projekt „Die Grundlagen des Lebens erforschen – ein neuartiges Mikroskop für die schonende 3-D-Abbildung lebender Zellen“ wurde vom Deutschen Patent und Markenamt eingereicht.

Bundespräsident Frank Walter Steinmeier überreicht am 26. Oktober 2022 den Deutschen Zukunftspreis an eines der drei nominierten Teams.

Das Problem ist aber, dass die Fluoreszenzmikroskopie durch die erforderliche Laseranregung die Probe schädigen kann. Das „Leben“, die lebenden Zellen, die man untersuchen und deren Funktion man verstehen will, werden also durch diese Beobachtung nachhaltig verändert oder gar geschädigt. Da setzt unsere Innovation an: Wir haben ein neuartiges Mikroskopsystem entwickelt, welches das verhindert und damit eine wesentliche Beschränkung der Fluoreszenzmikroskopie eliminiert."

Dr. rer. nat. Thomas Kalkbrenner

Fragen an die Nominierten

Ihre Innovation ist eine technische mit dem hohen Anspruch, damit die Grundlagen des Lebens erforschen zu können – ein neuartiges Mikroskop für die schonende 3-D-Abbildung lebender Zellen. Das Ganze ist im Bereich der Lebenswissenschaften angesiedelt. Was steht im Zentrum der Lebenswissenschaften und in welchem Umfeld werden solche Innovationen gebraucht?

Dr. Thomas Kalkbrenner
Unter den Lebenswissenschaften versteht man neben der Biologie auch verwandte Bereiche wie Medizin, Biochemie oder Pharmakologie. Das unserer Innovation zu Grunde liegende Verfahren ist die Fluoreszenzmikroskopie. Man kann sagen, dass keine Innovation oder neue Forschung im Bereich der Lebenswissenschaften heute ohne sie denkbar wäre. Nicht umsonst wurde die Entwicklung der fluoreszenten Proteine mit dem Nobelpreis für Chemie 2008 ausgezeichnet. Das Problem ist aber, dass die Fluoreszenzmikroskopie durch die erforderliche Laseranregung die Probe schädigen kann. Das „Leben“, die lebenden Zellen, die man untersuchen und deren Funktion man verstehen will, werden also durch diese Beobachtung nachhaltig verändert oder gar geschädigt. Da setzt unsere Innovation an: Wir haben ein neuartiges Mikroskopsystem entwickelt, welches das verhindert und damit eine wesentliche Beschränkung der Fluoreszenzmikroskopie eliminiert. Ein weiterer, wesentlicher Teil der Innovation besteht darin, dass dieses System als einziges Lichtblattmikroskop Standardprobenträger verwenden kann, die in der Zellbiologie eingesetzt werden. Damit wird es auch attraktiv für Pharmakologie und Wirkstoffscreening. Es gibt zum Beispiel im Moment einen sehr starken Trend für die Wirkstoffforschung sogenannte Organoide zu verwenden. Das sind, wenn man so will, kleine Modell-Organe, an denen sehr effizient Wirkstoffe getestet werden können; sie beschleunigen also die Wirkstoffentwicklung und können Tierversuche ersetzen. Sie sind aber auch sehr lichtempfindlich, sie leiden stark unter der Fotoschädigung. Man hat mit diesen Organoiden also ein hohes Potential, verschiedenste Wirkstoffe zu überprüfen. Es muss aber sichergestellt sein, dass durch die Beobachtung die Prozesse in den Zellen nicht beeinflusst werden. Damit passen sie genau zu den Schlüsseleigenschaften unseres Systems.

Was passiert normalerweise unter dem Fluoreszenzmikroskop?

Dr. Thomas Kalkbrenner
Bei der Fluoreszenzmikroskopie verwendet man entweder synthetische Farbstoffe oder fluoreszierende Proteine, die von den Zellen selbst erzeugt werden. Sie können durch Licht einer bestimmten Wellenlänge angeregt werden und emittieren dann Licht in einer anderen, längeren Wellenlänge. Dieses Licht wird dann detektiert, und das Schöne daran ist, dass diese Fluoreszenzmarker gezielt an Zielstrukturen gekoppelt werden können. Es ist die einzige Methode, mit der man Dynamik und Interaktion bestimmter Bausteine einer Zelle untersuchen kann, denn man weiß genau, welcher Baustein der Zelle mit welchem Farbstoff markiert ist.

Ihre Innovation basiert auf einem Prinzip, das als „Lichtblattmikroskopie“ bekannt ist. Was ist darunter zu verstehen?

Ralf Wolleschensky
Die klassische Fluoreszenzmikroskopie verwendet nur ein Objektiv für die Abbildung der Probe, also sowohl für das Beleuchten als auch für die Abbildung. Bei der Lichtblattmikroskopie sind die beiden Aufgaben getrennt: Es gibt ein eigenes Objektiv für die Anregung und ein weiteres Objektiv für die Detektion der Probe, und diese beiden Objektive stehen senkrecht zueinander. Der entscheidende Vorteil ist, dass man nun mit dem Beleuchtungslicht – dem Lichtblatt – nur dahin leuchtet, wo das Detektionsobjektiv auch in diesem Moment hinschaut. Allein dadurch wird die Belastung der Probe signifikant reduziert. Das ist schon länger bekannt, konnte aber bisher nur bei großen Objekten eingesetzt werden.
Das „Lattice Lightsheet“ ist nun die Transformation dieses Lichtblattkonzepts auf kleine Proben wie einzelne Zellen. Um das zu ermöglichen, mussten wir gleich an mehreren Stellen mit den klassischen Konzepten der Mikroskopie brechen.

Welche Probleme bzw. konkreten Lösungen ergaben sich auf diesem Weg?

Dr. Jörg Siebenmorgen
Zunächst brauchen wir für die Lichtblattmikroskopie an Zellen besonders dünne Lichtblätter, die aber gleichzeitig möglichst lang sein sollen. Mit klassischen Laserstrahlen, sogenannten Gauß-Strahlen, kann das nicht erreicht werden: Je stärker man sie fokussiert, desto kürzer werden sie. Man muss die Strahlformung also anders vornehmen. Wir erzeugen mit einem Lichtmodulator ganz spezielle Strahlenmuster, die dann in der Probe zu einem langen und sehr dünnen Lichtblatt werden – das sind die sogenannten Lattice Lightsheets.
Es war zusätzlich eine große Herausforderung, diese komplexe Strahlformung so zu realisieren, dass sie je nach Anwendung verschiedenste Lichtblätter in unterschiedlichen Farben ohne Justage nur per Mausklick zur Verfügung stellt.

Ralf Wolleschensky
Die zweite große Herausforderung liegt in der Probe selbst: Der Anwender muss seine Proben in für die Zellbiologie gängigen Probengefäßen ohne Einschränkung untersuchen können. Zellen werden typischerweise in Petrischalen oder Multiwell-Platten kultiviert; sie wachsen dabei in einer Nährlösung auf einem Deckglas. Man muss sie also von unten durch das Deckglas hindurch beobachten. Für unsere Lichtblattanordnung bedeutet das nun aber, dass beide Objektive schief durch das Deckglas hindurchschauen müssen. Und das funktioniert mit einem normalen Mikroskopobjektiv aufgrund der dabei entstehenden, extremen Bildfehler nicht. Es ist ein bis dato ungelöstes optisches Problem. Was wir entwickelt haben, also schräg durch ein Deckglas schauen zu können, hat in der Mikroskopie noch keiner gemacht und auch keiner für möglich gehalten, nicht einmal der Nobelpreisträger Prof. Eric Betzig.
Das Team hat verschiedenste Ansätze untersucht, die wir immer wieder aufs Neue nach Leistungsfähigkeit und Kosten bewertet haben – und zum Teil wieder verworfen haben. Letztendlich haben wir mit speziellen Freiformelementen im Objektiv die ideale Lösung gefunden.

Man braucht also keine speziell für das System ausgelegten Probengefäße?

Dr. Thomas Kalkbrenner
Nein, das haben wir von Anfang an von uns gefordert, denn nur dann ist der breite Einsatz dieses Systems möglich. Aber das ist nicht trivial, denn es gibt für die Deckgläser in den Laborgefäßen Spezifikationen, nach denen sie eine Abweichung von ihrer Nenndicke von plus/minus 15 Mikrometer haben dürfen. Aber bereits zwei bis fünf Mikrometer Abweichung von der Nenndicke würde unsere optische Abbildung schon wieder drastisch verschlechtern. Das heißt, Veränderungen in dieser Größenordnung muss unser System zusätzlich ausgleichen können – es musste also eine adaptive Lösung sein.
Und so ist ein völlig neuartiges Objektiv mit verstellbaren Freiformelementen entstanden, das diese Aufgabe erfüllt – es liefert hochauflösende Aufnahmen vom Inneren von Zellen, als ob das Deckglas gar nicht vorhanden wäre.

Eine weitere Herausforderung liegt in der Probenpositionierung. Wir haben jetzt einen Bruch in der Geometrie des normalen Mikroskops: Das Lichtblatt, das schräg in der Probe steht, das andere Objektiv schaut senkrecht auf diese schräge Bildebene. Für den bildgebenden Scanvorgang muss die Probe durch diese optische Anordnung durchbewegt werden. Dies muss wiederum mit einer sehr hohen Präzision passieren, denn davon hängt letztlich die Auflösung ab. Es wird eine Sequenz von Bildern eingezogen, die nachher zu dem 3D-Volumen verrechnet werden. Wenn nicht zu jedem Zeitpunkt das Bild an der richtigen Stelle aufgenommen wird, kommen nachher auch Fehler in diese 3-D-Darstellung. Da wir den Kunden aber auch den Einsatz sogenannter Multiwell-Platten ermöglichen, die fast 12 cm groß sind, muss das Positioniersystem die Genauigkeit auf Nanometerskala über Verfahrbereiche von mehreren Zentimetern ermöglichen – keine leichte Aufgabe.

Das Hauptproblem aus Anwendersicht ist aber die Fotoschädigung der Zellen, wodurch die Ergebnisse möglicherweise nicht korrekt, nicht vergleichbar, sind?

Dr. Jörg Siebenmorgen
Es ist sogar so, dass bestimmte Experimente gar nicht möglich sind. In einem High-End- Fluoreszenzmikroskop klassischer Art wird die Probe mit der tausendfachen Intensität unserer Sonne beleuchtet – z. T. sogar noch deutlich mehr. Wenn wir am Strand liegen, bekommen wir einen Sonnenbrand schon von „einer“ Sonne. Jetzt kann man sich vorstellen, was passieren kann, wenn eine Zelle der Intensität von tausend Sonnen ausgesetzt wird: Die internen Abläufe können verändert werden, sie kann nachhaltig geschädigt werden oder auch sterben.
Die Effekte der Fototoxizität, also was durch die Lichteinstrahlung passiert, sind komplex und da ist auch noch nicht alles verstanden. Aber wenn man die Grundlagen des Lebens erforschen will, muss man sie vermeiden. Und das Lattice Lightsheet bietet die bislang beste Möglichkeit dafür.

Das heißt, dass sich die Zellen durch das neue Prinzip, die neue Anordnung des Lichts, nicht gestört fühlen und diese Fototoxizität nicht auftritt?

Dr. Thomas Kalkbrenner
Die Effekte werden um Größenordnungen reduziert, so dass der Anwender überhaupt erst in die Lage versetzt wird, sein spezifisches Experiment unter die Schädigungsschwelle des jeweiligen Organismus zu bekommen.
Wir haben das durch Experimente überprüft, die mehrere Tage lang abliefen. Dabei konnten wir feststellen, dass sich nach einer Zellteilung die Tochterzellen und auch die Enkelzellen geteilt haben. Das ist ein starker Indikator dafür, dass die Zellen nicht durch die Beobachtung geschädigt wurden. Aber viel überzeugender und befriedigender sind die Daten unserer Kunden aus verschiedensten Bereichen, die fast immer mit der Aussage verknüpft sind: „Dieses Experiment war mit keinem anderen Mikroskopsystem möglich“.

Ein wichtiges Thema für die Konstruktion der Innovation sind Langzeitexperimente. Welche Aspekte sind da zu beachten?

Ralf Wolleschensky
Tatsächlich ist das System für Messungen über Stunden und Tage ausgelegt. Ein Problem dabei ist die sogenannte Immersion: Bei hochauflösenden Mikroskopobjektiven wird zwischen der letzten Linse und der Probe eine Flüssigkeit eingebracht, um die Auflösung zu steigern. Diese Situation haben wir hier auch; wir haben ein sogenanntes Wasser-Immersionssystem, das Immersionsmedium ist also Wasser. In der Laborumgebung verdunstet das natürlich mit der Zeit, daher braucht man eine automatisierte Wassernachführung. Das haben wir realisiert, indem wir in den kleinen, optisch ungenutzten Teil der Frontlinse unserer Optik ein Loch gebohrt haben, durch das das Wasser automatisch nachgeführt werden kann.

Dr. Thomas Kalkbrenner
Grundsätzlich haben wir versucht, diese Plattform mit einem sehr hohen Automatisierungspotential zu versehen. Das gilt für die Probenpositionierung selbst und auch für die Einstellung der Deckglasdicke, aber auch in Bezug auf die Neigung der Deckgläser. Die Probenträger sind ja Verbrauchsmaterialien, wir haben keine Kontrolle darüber, wie eben sie in Bezug auf das Probengefäß sind. Wir müssen damit rechnen, dass eine leichte Verkippung entsteht. Unser Probenpositioniersystem muss solche Abweichungen ausgleichen können.
Noch ein Aspekt ist dabei wichtig: Die Bildgebung findet in einem verkippten Koordinatensystem statt. Die Nutzer sind aber gewohnt, das Mikroskopbild in der Ebene des Deckglases zu sehen, also parallel zum Deckglas. Wenn er jetzt auf einen schrägen Schnitt schaut, findet er sich zunächst nicht zurecht. Daher werden die Rohdaten schnell in das gewohnte Deckglas-Koordinatensystem transformiert, damit die Anwender sich leicht orientieren und die relevanten Probenbereiche identifizieren können.

Das waren viele Entwicklungsschritte, die dann in das Produkt mündeten. Wann kamen die ersten Geräte auf den Markt?

Dr. Thomas Kalkbrenner
Das war Ende 2019/Anfang 2020, im Rahmen eines Early Customer Programms: Wir haben neun Systeme gefertigt, die ab dann im Monatstakt an ausgewählte Kunden geliefert wurden. Wir haben damals noch in einem kleinen Team gearbeitet, es gab noch keine Fertigungslinie, die das schneller hätte übernehmen können. Dabei ist deutlich geworden, dass diese Plattform eine völlig neue auch für ZEISS ist. Und der Sprung von null auf hundert bei dieser neuen Plattform, die von allen bisher dagewesenen Mikroskopansätzen abweicht, war eigentlich zu groß. Deswegen haben wir diesen Schritt über die Kleinserie gewählt. Und sehr viel dabei gelernt.

Dr. Jörg Siebenmorgen
Die ersten beiden Systeme haben wir beide noch mehr oder weniger allein aufgebaut. Wir standen hier in der Fertigung, haben die Kollegen eingewiesen und dabei sehr viel gelernt, wie wir das Ganze in eine Serie überführen könnten, welche Arbeitsschritte erforderlich sind.
Diese Erstkunden waren weltweit verteilt. Für uns war es wichtig, dass wir mit ihnen sehr eng zusammenarbeiten. Die vielen Rückmeldungen haben wir in das spätere Produkt einfließen lassen. Dabei sollte ein möglichst breites Applikationsspektrum, alle Facetten der Anwendungsmöglichkeiten für das Gerät abgedeckt werden. Und es sollten Kunden sein, die in ihrem Umfeld führend sind.

Ralf Wolleschensky
Wir hatten in dem Projekt auch den Nobelpreisträger Eric Betzig vom Janelia Research Campus. Er hatte einen Aufbau ausgearbeitet, wo er bereits eine Lichtblattbildgebung mit subzellulärer Auflösung realisiert hatte. Die Einschränkung war, dass er mit klassischen Optiken von oben in die Probe hineintauchen musste und damit Kontakt zur Probe hatte, was potentiell zu Kontaminationen führen kann. Zudem, was eine große Einschränkung bezüglich der Probenformate bedeutet, gab es nur ein sehr kleines Bildfeld, was man für die Bildgebung nutzen konnte. Mit diesem Aufbau und in Kooperation mit verschiedenen Anwendern weltweit, sind hochkarätige Publikationen in „Science“ und „Nature“ entstanden. Damit war in der Community letztlich bekannt, dass diese Art der Lichtblatt-mikroskopie mit subzellulärer Auflösung wirklich spannende, neue Perspektiven eröffnet. Was aber fehlte, war der inverse Ansatz, mit dem man durch das Deckglas hindurchschauen kann. Wir sind auf die einzelnen Forschungsgruppen zugegangen und haben mit unserem Ansatz eine sehr positive Resonanz gefunden.

Die Wissenschaft haben Sie überzeugt, wie war es denn im eigenen Haus mit Ihrer Idee? War oder ist das nicht die Ablösung der herkömmlichen Produktlinien?

Ralf Wolleschensky
Auf der einen Seite gab es Skepsis: Braucht es eine weitere Plattform? Und auf der anderen Seite auch die volle Unterstützung. Das Potential der Technologie war über die Publikationen aus dem Betzig-Labor ja sehr greifbar. Da war etwas Spannendes, das mussten wir uns unbedingt ansehen. Wir haben ein dediziertes Team geformt mit dem Auftrag, kaskadiert vorzugehen und dabei das Risiko zu minimieren; d. h. nicht gleich das Produkt zu entwickeln, um dann festzustellen, es ist nicht genau das, was der Kunde braucht. Deshalb haben wir Zwischenschritte wie das Early Customer Programm getätigt.

Dr. Jörg Siebenmorgen
Es gab auch Skepsis, ob der Komplexität des Systems, ob der vielen neuen Technologien, die da eingebaut werden, ob es überhaupt funktionieren kann, diese Bildgebung in dieser Qualität umzusetzen. Das konnten wir über die Kleinserie auflösen. Im Nachhinein betrachtet, war es der richtige Weg.

Ralf Wolleschensky
Am Ende waren enorme Investitionen nötig, um eine solche Plattform serienreif zu machen. Das musste wohlüberlegt und mit entsprechender Resonanz vom Markt untersetzt sein.

Wie groß war dieses Team am Anfang? Wie hat sich das aus der Keimzelle entwickelt?

Dr. Thomas Kalkbrenner
Die Keimzelle war wirklich klein. Zur Zeit der Kleinserie hatte das Kernteam so etwa fünfzehn Leute. Irgendwann muss natürlich die Fertigungslinie etabliert werden, KollegInnen von angrenzenden Gewerken wie z. B. Einkauf, Vertrieb und Service kommen dazu, Applikationsspezialisten, Marketing usw.

Die Fertigung geht in dezidierten Arbeitsschritten vonstatten, gehören dazu besondere Qualitäten der Mitarbeiter?

Dr. Thomas Kalkbrenner
Es braucht sehr viel Erfahrung mit der Justage von Optiken. Auch da war die Kleinserie sehr hilfreich. Die ersten Prototypen haben wir noch selbst justiert, die Kleinserie dann aber gemeinsam zwischen Entwicklung und Produktion gebaut und so den Fertigungsprozess etabliert.

Ralf Wolleschensky
Eines der Elemente, in dem sehr viel Know-how drinsteckt, ist das Objektiv. Und das wird am Ende von Feinmechanikern aufgebaut und justiert. Da werden auch Prüfmittel verwendet, die nicht frei erhältlich sind, sondern die hier im Konzern geschaffen wurden und die auch nur ZEISS hat. Das Produkt braucht am Ende also Spezialisten in den einzelnen Fachgebieten.

Gibt es Wettbewerber?

Dr. Thomas Kalkbrenner
Es gibt Wettbewerber, die im Prinzip die Lightsheet-Mikroskopie auch mit der subzellulären Auflösung anbieten. Die Einschränkung liegt aber immer in der Probenpräparation in Standard-Probengefäßen und damit in der breiten Verwendbarkeit – die ist nur bei unserem System gegeben. Es gibt dann noch weitere Eigenschaften, wo unser System besser ist, wie z. B. die Größe der abbildbaren Bereiche, Automatisierung, einfache Bedienbarkeit, zusätzliche nicht-fluoreszente Kontrastverfahren usw.
Zusammengefasst kann man ganz klar sagen, dass es kein weiteres System mit all den beschriebenen Eigenschaften auf dem Markt gibt.
Dafür gibt es mehrere Hürden. Das eine ist der Patentschutz, zum anderen hängt unsere Lösung sehr eng mit den Fertigungstechnologien für die Herstellung der optischen Elemente, die diese Art der Bildgebung ermöglichen, zusammen. Und die, gepaart mit der Mikroskopie, gibt es nur in der Zeiss Gruppe.

Was kostet ein solches Gerät eigentlich? Und wo sehen Sie das Marktpotenzial?

Ralf Wolleschensky
Die Geräte kosten ähnlich viel wie ein gut ausgestattetes Einfamilienhaus. Derzeit ist das adressierte Marktsegment noch stark die Grundlagenforschung an Universitäten und Forschungsinstituten. Das Schöne ist aber das Potential dahinter. Es gibt erste Vertriebsprojekte mit Firmen aus der Wirkstoffforschung. Der Forschungsmarkt ist schon sehr gut, aber sobald wir über High Content Screening reden, ist das ein ganz anderer Markt und da wollen wir hin.
Hier geht es. auch um die sogenannten „Omics-Technologien“, Screens von Proteinlandkarten oder von Transkripten in Zellen. Solche Transkript-Verteilungen werden beispielsweise in der personalisierten Medizin analysiert. Dafür braucht es diese Screens. Man nimmt von einem Patienten verschiedene Zellen, verteilt sie auf Töpfchen in einer Multiwell-Platte, probiert verschiedene Wirkstoffe aus und entscheidet dann, welcher am besten wirkt. Und das sind Anwendungen, die am Ende nur mit unserem Gerät wirklich möglich sind, weil nur das die dafür notwendige Probenschonung mitbringt.

Dr. Thomas Kalkbrenner
Was das Potential angeht, sind wir außerdem dabei, unser System mit der Einzelmolekül-basierten Superauflösungsmikroskopie, die 2014 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, zu kombinieren. Dabei geht es nicht nur um das Auflösen von Strukturen, sondern um das Verfolgen und die Interaktion einzelner Moleküle. Und eigentlich passt diese Art der Superauflösungsmikroskopie perfekt zu unserem Lattice Lightsheet.
Damit löst man ein ganz großes Problem der Superauflösungsmikroskopie, die heutzutage durch dasselbe Objektiv beleuchtet und detektiert. Das führt dazu, dass diese speziell zu präparierenden Fluoreszenzmoleküle, die für dieses Superauflösungsverfahren gebraucht werden, ober- und unterhalb der Bildebene, wo man sie betrachtet, auch schon „verbraucht“ werden und so für die 3-D-Bildgebung nicht mehr zur Verfügung stehen. Und das Problem ist mit einem Schlag gelöst, denn bei der Lattice Lightsheet-Mikroskopie leuchten wir nur in die eine Ebene, die wir betrachten. Das passt perfekt zusammen. Wir haben schon einige Spezialsysteme verkauft, die genau das ermöglichen.

Welchen direkten Nutzen hat das, was Sie entwickelt haben, für die Allgemeinheit?

Dr. Thomas Kalkbrenner
Infektionskrankheiten sind ein wichtiges Thema. Wenn man hier neue Erkenntnisse gewinnen will, muss das am lebenden System untersucht werden. Als Beispiel nehme ich jetzt mal nicht COVID, obwohl auch Kooperationspartner bereits daran forschen. Aber eine Gruppe erforscht mit unserem System zum Beispiel den Malaria-Parasiten. Laut WHO gab es im Jahr 2020 weltweit schätzungsweise 241 Millionen Malariafälle und 627000 Malariatote. Etwa drei viertel von ihnen sind Kinder unter fünf Jahren – das ist ein nicht gelöstes Problem. Die Forschungsgruppe dort hat mit unserem System nicht nur den Prozess des Eindringens dieses nur 1µm großen Parasiten in eine lebende Blutzelle aufgenommen. Sie haben auch erstmals verschiedene Stadien dieses superkomplexen Parasitenkreislaufs live und in 3-D untersucht und dabei feststellen können, dass durch das Ausschalten bestimmter Proteine der Übergang von einem ins nächste Stadium nicht stattfindet. Dort könnten dann Wirkstoffe ansetzen. Und auch da steht ganz klar die Aussage der Forscher: Das war vorher nicht möglich! Seit das publiziert wurde, steht dort das Telefon nicht mehr still, viele Forscher kommen mit neuen Ideen für dieses alte Problem, weil plötzlich eine Tür aufgegangen ist mit neuen Möglichkeiten.

Jetzt wollen wir noch etwas über Sie persönlich erfahren – das Team besteht aus drei Physikern. Was hat Sie eigentlich bewogen, Physik zu studieren? Würden Sie es wieder tun? Und ist es eine Empfehlung für einen jungen Menschen heute?

Dr. Thomas Kalkbrenner
Ich würde tatsächlich dieses Studium wieder auswählen, rückblickend auf jeden Fall. Damals im Studium war das nicht immer so, für mich hat das bei der Diplomarbeit mit dem konkreten Arbeiten an experimentellen Systemen im Labor angefangen, Spaß zu machen. Wenn jemand Interesse in diese Richtung hat, würde ich es vor allem deshalb empfehlen, weil es einen sehr breiten Hintergrund liefert, ein sehr breites Spektrum an Fähigkeiten und man muss sich nicht so früh festlegen, was man dann damit macht. Auch bei mir war lange die Frage, in welche Richtung will ich denn eigentlich? So habe ich auch öfters das Gebiet gewechselt, von der Quantenoptik über Rastersondenmikroskopie zur Biophysik. Und abgesehen davon, dass das alles interessant ist, hilft es mir auch für meine Tätigkeit hier – denn Innovation findet eher zwischen als innerhalb von Fachgebieten statt.

Dr. Jörg Siebenmorgen
Ich war immer schon Physik-interessiert, schon in der Schulzeit und habe mich dann entschlossen, Physik zu studieren. Die ersten Semester, als die eher langweilige Physik wie Mechanik Inhalt war, habe ich durchaus gezweifelt, ob das das Richtige ist. Interessant wurde es, als wir endlich die Freiheit hatten, zu wählen, wie man seine Schwerpunkte setzen wollte. Da hat es dann angefangen, Klick zu machen. Optik hat mich eigentlich im Grundstudium überhaupt nicht interessiert. Dann habe ich Laserphysik bei einem sehr guten Professor erlebt und meine Diplomarbeit bei ihm gemacht. Das hat mich wirklich fasziniert. Während der Diplomarbeit habe ich viel über Optik und Laser gelernt, was mich schließlich dazu gebracht hat, in diesem Bereich bleiben zu wollen. Letztendlich habe ich mich bei ZEISS beworben: quasi direkt vom Studium über die Doktorarbeit zum Lattice Lightsheet.

Ralf Wolleschensky
Physik war schon in der Schulzeit interessant. Was mich immer wieder fasziniert hat, ist, Dinge wirklich zu verstehen, wie sie funktionieren, wie man damit interagieren und was man an neuen technischen Lösungen oder Ideen generieren kann. Und da gehört ja auch ein Stück weit das Basteln dazu, eine Sache, die ich als Hobby sehr gern mache. Was mir nicht so gut im Studium gefallen hat, war die theoretische Physik, aber experimentelle Physik, die hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Ich kann mich der Aussage von Thomas Kalkbrenner nur anschließen: Die Physik ist sehr breit aufgestellt. Man kann aus meiner Sicht sehr verschiedene Wege im beruflichen Umfeld einschlagen. Ich glaube, dass Optik in Zukunft eine sehr große Rolle spielt, gerade im Umfeld der Diagnostik, auch in der Verbindung jetzt mit den Lebenswissenschaften. Und es gibt sehr einfache Beispiele wie Smartwatches, da ist viel Optik drin, mit Algorithmik verknüpft und auch hier gibt es viel Potential. Das ist auch das, was mich antreibt, solche neuen Dinge mitgestalten zu können.

Sie drei haben eine lange berufliche Vita bei ZEISS. Was bindet Sie hier? ZEISS ist ein Traditionsunternehmen, das immer wieder durch Innovationen heraussticht. Woraus kommt diese innovatorische Kraft des Hauses?

Dr. Thomas Kalkbrenner
Was mich hier bindet, sind die spannenden Aufgaben. Ich habe den größten Teil meines ZEISS-Daseins im Advanced Development, also in der Vorlaufentwicklung, verbracht und das ist sehr spannend. Es macht mir Spaß, Probleme mit Ziel auf eine Anwendung zu lösen. Das ist genau das, was wir hier tun. Und das Tolle ist, dass dabei der Kontakt zur wissenschaftlichen Welt nicht verlorengegangen ist, weil unsere Endkunden dort zu finden sind. Und da schließt sich der zweite Teil der Frage an, nämlich der Spagat zwischen Traditionsunternehmen und Innovation. Das kann vielleicht auch manchmal ein Widerspruch sein, aber eigentlich ist die Tradition die Basis und das starke Fundament für Innovation: Es gibt hier im Haus über Jahrzehnte gewachsene Technologien und Know-how, das seinesgleichen sucht. Das als Basis für Innovation und neue Ideen nutzen zu können, ist eine besondere Möglichkeit. Es gibt, glaube ich, nicht viele Orte auf der Welt, wo das so möglich ist.

Ralf Wolleschensky
Die Vernetzung mit den Endanwendern auf der einen Seite und andererseits mit den Universitäten und Instituten zusammenzuarbeiten, um neue Ideen zu generieren und diese gemeinsam zu formen, so dass ein spannendes Produkt für den Endanwender rauskommt, das ist das, was es aus meiner Perspektive sehr, sehr spannend macht.
Das ist, was wir im Advanced Development auch vorrangig betreiben, von der Idee über das Formen der Idee bis zum Funktionsnachweis.
Zusätzlich ist es für mich persönlich spannend, dass sich der Bereich so extrem schnell entwickelt. In der Mikroskopie, das ist das Geschäft, womit Carl Zeiss vor 175 Jahren gestartet ist, hat sich in den ersten 100 Jahren nicht so richtig viel getan. In den 20 oder 25 Jahren, die ich hier im Unternehmen bin, war das, was die Entwicklung getrieben hat, die Bildverarbeitung, die 3-D-Bildgebung, am Ende die Generierung nicht nur von 3-D-, sondern auch 4-D-, 5-D-Daten, womit man Filme generiert und den biologischen Präparaten beim Leben zuschauen kann. Das ist das, was das Arbeitsgebiet aus meiner Sicht so interessant macht, und es haben sich nicht nur eine Methode, sondern in den letzten Jahren die verschiedenen Hochauflösungsmethoden ausgebildet. Diese Vielfalt auf der einen Seite, Anwendungen auf der anderen Seite an technischen Lösungen, wo wir dann entscheiden müssen: Was ist das beste Match? Und wie formt man am Ende die Produkte? Das ist das, was es für mich spannend macht und warum ich hier die Arbeit so mag.

Wie war das bei Ihnen? Sie sind direkt nach Studium und Promotion in dieses spannende Projekt eingestiegen?

Dr. Jörg Siebenmorgen
Ja, ich habe ganz am Anfang, als es noch keine Ideen für das Lattice Lighsheet gab, damit angefangen und es hat sich über die Jahre weiterentwickelt, ist immer konkreter, immer besser geworden. Als wir mit Eric Betzig in Kontakt traten und gesehen haben, dass wir auf dem richtigen Weg sind und mit der Grundlagenforschung an den Unis mithalten, hat das sehr motiviert. Man hat gesehen, wie das Projekt einfach immer reifer wurde. Und wenn am Ende dann ein so fantastisches Gerät rauskommt, ist es einfach stark! Und das andere ist die Art und Weise, wie wir bei Advanced Development im Team arbeiten, welche Freiheiten wir haben, dass wir Schwerpunkte aussuchen, Ideen einbringen können. Die Freiheiten, die wir haben, dass nichts starr vorgegeben ist, sondern: Ja, probiere mal, mal schauen, was passiert. Und das ist gut.

Letzte Frage
Was sind Ihre persönlichen Auszeiten oder Motivationen, wenn es nicht um Mikroskope geht? Was gibt es denn sonst noch in Ihrem Leben?

Ralf Wolleschensky
Was ich gerne mache, um den Kopf frei zu kriegen, ist, in den Bergen unterwegs sein entweder zu Fuß oder mit dem Mountainbike, das auch in der Gruppe.

In der Gruppe basteln Sie an dem Mikroskop-Thema dann weiter?

Ralf Wolleschensky
Basteln ja, aber an Modellflugzeugen und solchen Dingen.

Dr. Thomas Kalkbrenner
Das ist bei mir im zweiten Teil ähnlich, ich entdecke alte Hobbys wieder, auch wenn nicht so viel Zeit neben Familie und Beruf bleibt. Ich habe in meiner Jugend schon viel Modellbau betrieben und dieses Getüftel, glaube ich, hat mir auch geholfen einen langen Atem und eine hohe Frustrationsschwelle zu entwickeln, wenn mal etwas schiefgeht oder nicht funktioniert. Ich habe aber früher auch viel Musik gemacht und vor zwei Jahren wieder angefangen Oboe zu spielen.

Dr. Jörg Siebenmorgen
Bei mir sind es, ich würde sagen, zwei Dinge: Ich koche sehr gerne und dann bin ich offen für verschiedenste Gerichte aus der ganzen Welt. Das verknüpfe ich dann auch gerne mit Reisen: Wo war ich noch nicht? Wo gibt es leckeres Essen? Und mit jedem Sightseeing kann man auch neue Eindrücke gewinnen, was man noch kochen kann. Das andere ist wie bei den Kollegen das Basteln. Es ist dann einfach das Nerdige des Physikers.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Lebensläufe

Dr. rer. nat. Thomas Kalkbrenner

29.04.1971
geboren in Überlingen
1990
Abitur am Dietrich-Bonhoefer-Gymnasium Überlingen
1991 - 1997
Studium der Physik an der Universität Konstanz, Abschluss: Diplom
1998 - 2002
Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Konstanz
1998 - 2002
Promotion am Lehrstuhl von Prof. J. Mlynek in der AG Prof. V. Sandoghdar an der Universität Konstanz
2002 - 2003
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Physikalische Chemie an der ETH Zürich, Schweiz
2003 - 2006
Wissenschaftler am FOM-Institut AMOLF, Amsterdam, Niederlande
2006 - 2008
Projektleiter Optische Systeme bei der CyBio AG, Jena
2008 - 2020
Projektleiter und Technologiespezialist im Advanced Development der Carl Zeiss Microscopy GmbH, Jena; Schwerpunkte: Superresolution Microscopy, Kamerabasierte Systeme, Lichtblattmikroskopie
Seit 2021
Principal in der Fachlaufbahn bei ZEISS
Seit 2021
Teamleiter und Lead Architect R&D der Produktlinie Special 3D

Ehrungen und Auszeichnungen

1998-2000
Carl-Zeiss-Schott Promotionsstipendium
2009
ZEISS Innovationspreis Sonderpreis Superresolution Microscopy
2014
R&D 100 Awardfür Elyra P1 mit 3D Superresolution
2021
ZEISS Innovationspreis in der Kategorie Leading Edge Technology für das ZEISS Lattice Lightsheet 7
2021
Als Teamsprecher nominiert für den Thüringer Innovationspreis in der Kategorie „Licht und Leben“

Publikationen

 
Diverse fachbezogene Publikationen und Vorträge auf Tagungen und Symposien

Patente

 
396 Patentanmeldungen in 71 Patentfamilien

Dr. rer. nat. Jörg Siebenmorgen

30.07.1979
Geboren in Pasewalk
1999
Abitur am Kreisgymnasium Bargteheide
2000 - 2007
Studium der Physik an der Universität Hamburg, Abschluss: Diplom
2007 - 2010
Promotion am Institut für Laserphysik in der AG Prof. G. Huber an der Universität Hamburg
2010
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Laserphysik der Universität Hamburg
Seit 2011
Projektleiter und Technologiespezialist im Advanced Development der Carl Zeiss Microscopy GmbH, Jena; Schwerpunkte: Lichtblattmikroskopie
Seit 2018
Senior in der Fachlaufbahn bei ZEISS
Seit 2019
Entwicklungsprojektleiter ZEISS Lattice Lightsheet 7

Ehrungen und Auszeichnungen

2007-2010
Promotionsstipendiumdes DFG Graduiertenkollegs 1355
2021
ZEISS Innovationspreis in der Kategorie Leading Edge Technology für das ZEISS Lattice Lightsheet 7

Publikationen

 
Diverse fachbezogene Publikationen und Vorträge auf Tagungen und Symposien

Patente

 
166 Patentanmeldungen in 37 Patentfamilien

Dipl.-Phys. Ralf Wolleschensky

15.10.1972
geboren in Jena
1991
Abitur an der Spezialschule Carl Zeiss in Jena
1992 - 1998
Studium der Physik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Abschluss: Diplom
1995 - 1996
Auslandsstudium an der University of Essex, Colchester, UK
Kurs: Master of Physics, final year
1998 - 2000
Technologiespezialist im Bereich Mikroskopie, Carl Zeiss Jena GmbH
Schwerpunkte: optische 3-D-Fluoreszenzmikroskopie
2000 - 2009
Entwicklungsprojektleiter Carl Zeiss Microscopy GmbH, Jena
Seit 2009
Leiter Advanced Development, Carl Zeiss Microscopy GmbH, Jena
Seit 2009
Senior Principal in der Fachlaufbahn bei ZEISS

Ehrungen und Auszeichnungen

1996 – 1997
Förderstipendium der Carl-Zeiss-Schott Förderstiftung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
1998
Fakultätspreis der Friedrich-Schiller-Universität Jena für die beste Diplomarbeit des Studienjahres
2004
Nominiert für den Deutschen Zukunftspreis „Preis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation“

Publikationen

 
Diverse fachbezogene Publikationen und Vorträge auf Tagungen und Symposien

Patente

 
687 Patentanmeldungen in 255 Patentfamilien

Kontakt

Koordination und Pressekontakt

Beatrice Weinberger
Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Corporate Brand and Communications
Carl Zeiss AG
Carl-Zeiss-Promenade 10
07745 Jena
Tel.: +49 (0) 3641 / 64 23 35
Mobil: +49 (0) 151 / 74 40 09 65
E-Mail: beatrice.weinberger@zeiss.com
Web: www.zeiss.de

Team-Sprecher

Dr. Thomas Kalkbrenner
Teamleiter R&D Special 3D
Zeiss Research Microscopy Solutions
Carl Zeiss Microscopy GmbH
ZEISS Gruppe
Carl- Zeiss-Promenade 10
07745 Jena
Tel.: +49 (0) 3641 / 64 25 34
Mobil: +49 (0) 171 / 38 52 019
E-Mail: thomas.kalkbrenner@zeiss.com
Web: www.zeiss.com/microscopy

Beschreibung der Institute und Unternehmen zu ihren nominierten Projekten

Die Grundlagen des Lebens erforschen – ein neuartiges Mikroskop für die schonende 3D-Abbildung lebender Zellen

Spätestens seit Robert Koch 1882 erstmals das Tuberkulose-Bakterium beobachtet hat, steht das Mikroskop im Zentrum von Forschung und Entwicklung neuer Therapien und Medikamente. So sind neue Erkenntnisse in den Lebenswissenschaften heutzutage undenkbar ohne die vergrößernde Abbildung der kleinsten Einheiten des Lebens wie Zellen und Bakterien. Gerade in den vergangenen Jahren haben Zellbiologie, Krebsforschung und Pharmakologie enorme Fortschritte erzielt – sie alle basieren auch auf Daten, die von Fluoreszenzmikroskopen geliefert wurden. Wem es gelingt, die Mikroskopie zu verbessern, der verbessert deshalb auch den medizinischen Fortschritt als Ganzes. In diesem Sinne ist Dr. Thomas Kalkbrenner, Dr. Jörg Siebenmorgen und Ralf Wolleschensky und ihrem Team mit der Entwicklung des ZEISS Lattice Lightsheet 7 eine Revolution der Fluoreszenzmikroskopie geglückt.

Lebende Zellen werden durch die Beobachtung geschädigt
Das Problem, mit dem Wissenschaftler bei der Untersuchung lebender Zellen mit Fluoreszenzmikroskopen konfrontiert sind, liegt in der Beleuchtung: die Intensitäten der verwendeten Laserstrahlung sind um den Faktor 1000 (und mehr) höher als die der Sonne – die Lichtquelle, an die sich das Leben auf unserer Erde angepasst hat. Es überrascht also nicht, dass diese intensive Beleuchtung lebende Zellen nachhaltig schädigen oder gar töten kann.

Um dieses Problem zu überwinden, braucht es einen Paradigmenwechsel. Das ZEISS Lattice Lightsheet 7 umfasst gleich mehrere Innovationen, die die Grenzen der Fluoreszenzmikroskopie nachhaltig verschieben und für die Forschung und Entwicklung in den Lebenswissenschaften Neues ermöglichen.

Lattice Lightsheets: Ein einzigartiges Beleuchtungskonzept bändigt Laserstrahlen
Eine entscheidende Verringerung der Photoschädigung wird durch die sogenannte Lichtblattmikroskopie erreicht: Anders als bei allen anderen Mikroskopen wird dabei die Laserstrahlung – in Form eines Lichtblattes – nur in den Bereich eingebracht, der sich im Fokus des Objektivs befindet. Dadurch wird die Strahlenbelastung des Organismus deutlich reduziert. Davon profitieren vor allem Entwicklungsbiologen, die damit auch größere Modellorganismen wie zum Beispiel Fruchtfliegen über lange Zeiträume untersuchen können.

Die Gesetze der Optik verhindern jedoch die Übertragung dieser Technologie auf die Zellbiologie: Fokussiert man die klassischen Strahlen stärker, um dünnste Lichtblätter für subzelluläre Auflösung zu erzeugen, werden die Strahlen auch kürzer – man hat gar kein Lichtblatt mehr.

Als erste Hürde mussten also nichtklassische Strahlformen entwickelt werden, die sehr dünne und gleichzeitig lange Lichtblätter erlauben. Einen Lösungsansatz für dieses Problem hat Professor Eric Betzig mit den sogenannten Lattice Lightsheets entwickelt. Erstmals konnten damit biologische Vorgänge auf subzellulärem Level über Tage hinweg beobachtet werden.

Die Erzeugung und Anwendung dieser speziellen Lichtblätter ist jedoch sehr aufwändig und zeitintensiv, so dass Spezialisten diese Laborsysteme betreiben müssen. Das Team hat diese komplexe Strahlformung noch verbessert und dabei so weit automatisiert, dass Anwender optimale Lichtblätter für ihre jeweilige Anwendung per Mausklick auswählen können.

Der schiefe Blick durchs Glas
Das reicht aber nicht aus für die breite Verwendung dieser faszinierenden Technologie in Forschung und Wirkstoffentwicklung: Zellen wachsen auf Deckgläsern in Kulturgefäßen wie Petrischalen und Multiwellplatten, die aufgrund der speziellen Anordnung der Objektive in einem klassischen Lichtblattmikroskop nicht verwendet werden können. Damit dies gelingt, müsste man von unten schräg durch das Deckglas beobachten – und das ist für ein Mikroskop-Objektiv eine unlösbare Aufgabe, denn die dabei auftretenden Verzerrungen (Bildfehler) verhindern jede Abbildung. Daher wurde eine einzigartige Mikroskop-Optik entwickelt, die mit adaptiven Freiformelementen diese Bildfehler für beliebige Probengefäße korrigieren kann – selbst wenn deren Dicke variiert. Für die Herstellung dieser besonderen optischen Elemente kommen Fertigungstechnologien aus der Halbleiteroptik von ZEISS zum Einsatz.

Dieser optische Kern erlaubt nun erstmals den breiten Einsatz der revolutionären Lichtblatt-Technologie ohne jede Einschränkung in der Probenpräparation. Insbesondere die für die Wirkstoffentwicklung, dem sogenannten „High Content Screening“, so wichtigen Multiwell-Plattenformate werden zugänglich.

Sanft zu lebenden Zellen, schnell und von jedermann bedienbar
All das wurde zu einem einfach zu bedienenden, kompakten System mit hohem Automatisierungspotential entwickelt. Spezielle, aufeinander abgestimmte Workflows stehen in der Software zur Verfügung, um die Rohdaten schnell in ein den Forschern vertrautes Koordinatensystem zu überführen und weiter zu verarbeiten. Anders als herkömmliche Mikroskopsysteme erzeugt das System immer 3D-Daten, und das mit nahezu isotroper 3D-Auflösung und mit mehreren Volumina pro Sekunde. Dadurch fallen Datenraten von bis zu 1.4 Gigabyte pro Sekunde an, die mit einer optimierten Rechner- und Softwarearchitektur aufgenommen, gespeichert und verarbeitet werden.

Die Nominierten und ihr Team haben damit ein Mikroskopsystem entwickelt, das die optischen Eigenschaften der Lattice Lightsheet Laborsysteme übertrifft, sich aber von jedem Wissenschaftler leicht bedienen lässt.

Neue Wissenschaft in der Praxis
ZEISS Lattice Lightsheet 7 ermöglicht durch seine revolutionäre Technik biomedizinischen Forscherinnen und Forschern erstmals in der Praxis, lebende Zellen über Stunden oder gar Tage hinweg in 3D zu beobachten. Sie untersuchen damit beispielsweise, wie lebende Zellen auf bestimmte Wirkstoffe reagieren oder was geschieht, wenn Viren oder Bakterien in Zellen eindringen. Dabei beeindruckt das System nicht nur durch die Probenschonung, sondern auch durch die hohe zeitliche Auflösung. Selbst Prozesse, die weniger als eine Sekunde dauern, können nun in 3D sichtbar gemacht werden.

Zu den Ersten, die ZEISS Lattice Lightsheet 7 getestet haben, gehört Dr. Eric Rentchler von der University of Michigan (USA). „Wir waren überwältigt von dem, was wir sehen konnten“, beschreibt Dr. Rentchler die ersten Eindrücke seines Teams. „Wir haben Phänomene beobachtet, die wir immer noch zu erklären versuchen – etwas Neues, das wir nie zuvor gesehen haben.“ ZEISS Lattice Lightsheet 7 ist somit das einzige kommerziell verfügbare System, das die unerreichte Probenschonung der Lattice Lightsheets für jeden Forscher ohne spezielle Vorkenntnisse zugänglich macht. Damit stellt ZEISS Forschenden aus Biologie, Medizin und Pharmazie ein wertvolles Werkzeug zur Verfügung, um die Geheimnisse und Mechanismen des Lebens und seiner Pathologien zu entschlüsseln und diese Forschung zum Wohle aller nutzbar zu machen.

Ausblick
Nach der Markteinführung Ende 2020 wurde die Plattform bereits weiterentwickelt. Schwerpunkte lagen auf einer weiteren Erhöhung der Aufnahmegeschwindigkeit, Verbesserungen im Datenhandling und noch weitergehender Automatisierung. Im nächsten Schritt soll ZEISS Lattice Lightsheet 7 mit den Verfahren der Superauflösung (Nobelpreis 2014) kombiniert werden. Das Systemkonzept passt perfekt dazu und ermöglicht dann die probenschonende Abbildung auch unterhalb der Auflösungsgrenze optischer Abbildungssysteme.

So wie erst durch die Beobachtung des Tuberkulose-Bakteriums 1882 wirksame Therapien gegen die Erkrankung entwickelt werden konnten, markiert der Einsatz von ZEISS Lattice Lightsheet 7 in der Forschung den Durchbruch für neue Behandlungsansätze in der Zukunft. Biologische Prozesse wie Signalübertragungen, Rezeptor-Interaktionen, intrazelluläre Transportmechanismen oder auch die Infektion einer Zelle durch Bakterien oder Viren, lassen sich über längere Zeiträume beobachten, was zu ganz neuen Erkenntnissen und Therapien führen wird. Zudem ermöglicht das System durch seinen einzigartigen optischen Kern auch den Einsatz von Multiwellplatten und damit das in der Wirkstoffentwicklung so wichtige High Content Screening. Damit rücken auch die sogenannten Organoide buchstäblich in den Fokus: Als kleine, dreidimensionale Modellorgane aus menschlichem Gewebe haben sie ein hohes Potential vor allem in der Krebsforschung und bieten sich als Alternative zur Wirkstoff-Validierung im klassischen Tierversuch an. Sie sind aber auch sehr lichtempfindlich – und damit die perfekte Herausforderung für ZEISS Lattice Lightsheet 7.

„Wir waren überwältigt von dem, was wir sehen konnten. Wir haben Phänomene beobachtet, die wir immer noch zu erklären versuchen – etwas Neues, das wir nie zuvor gesehen haben.“

Dr. Eric Rentchler, University of Michigan

Über ZEISS
ZEISS ist ein weltweit führendes Technologieunternehmen der optischen und optoelektronischen Industrie. In den vier Sparten Semiconductor Manufacturing Technology, Industrial Quality & Research, Medical Technology und Consumer Markets erwirtschaftete die ZEISS Gruppe zuletzt einen Jahresumsatz von 7,5 Milliarden Euro (Stand: 30.9.2021).

ZEISS entwickelt, produziert und vertreibt für seine Kunden hochinnovative Lösungen für die industrielle Messtechnik und Qualitätssicherung, Mikroskopielösungen für Lebenswissenschaften und Materialforschung sowie Medizintechniklösungen für Diagnostik und Therapie in der Augenheilkunde und der Mikrochirurgie. ZEISS steht auch für die weltweit führende Lithographieoptik, die zur Herstellung von Halbleiterbauelementen von der Chipindustrie verwendet wird. ZEISS Markenprodukte wie Brillengläser, Fotoobjektive und Ferngläser sind weltweit begehrt und Trendsetter.

Mit diesem auf Wachstumsfelder der Zukunft wie Digitalisierung, Gesundheit und Industrie 4.0 ausgerichteten Portfolio und einer starken Marke gestaltet ZEISS den technologischen Fortschritt mit und bringt mit seinen Lösungen die Welt der Optik und angrenzende Bereiche weiter voran. Grundlage für den Erfolg und den weiteren kontinuierlichen Ausbau der Technologie- und Marktführerschaft von ZEISS sind die nachhaltig hohen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung. ZEISS investiert 13% seines Umsatzes in Forschungs- und Entwicklungsarbeit – diese hohen Aufwendungen haben bei ZEISS eine lange Tradition und sind gleichermaßen eine Investition in die Zukunft.

Mit rund 37.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist ZEISS in fast 50 Ländern mit rund 30 Produktionsstandorten, 60 Vertriebs- und Servicestandorten sowie 27 Forschungs- und Entwicklungsstandorten weltweit aktiv (Stand: 31.03.2022). Hauptstandort des 1846 in Jena gegründeten Unternehmens ist Oberkochen, Deutschland. Alleinige Eigentümerin der Dachgesellschaft, der Carl Zeiss AG, ist die Carl-Zeiss-Stiftung, eine der größten deutschen Stiftungen zur Förderung der Wissenschaft.

Die Carl Zeiss Microscopy GmbH gehört zur ZEISS Sparte Industrial Quality & Research.


Weitere Informationen unter www.zeiss.de

Das Vorschlagsrecht zum Deutschen Zukunftspreis obliegt den führenden deutschen Einrichtungen aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie Stiftungen. Das Projekt „Die Grundlagen des Lebens erforschen – ein neuartiges Mikroskop für die schonende 3-D-Abbildung lebender Zellen“ wurde vom Deutschen Patent und Markenamt eingereicht.

Bundespräsident Frank Walter Steinmeier überreicht am 26. Oktober 2022 den Deutschen Zukunftspreis an eines der drei nominierten Teams.

Material zum Projekt