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#DZP – Wissenschaftspodcast

Musterkarriere – Karrieremuster? – Interview mit Bastian Nominacher

Hallo und herzlich Willkommen zum Podcast des Deutschen Zukunftspreises. Mein Name ist Michael Bachmann

… und heute sind wir zu Gast bei einem der aktuellen Träger des Deutschen Zukunftspreises. Vor 10 Jahren suchte er mit seinen Kollegen Geldgeber, um ein Unternehmen gründen zu können. Jeder, der damals absagte, muss sich heute mehr als ärgern. Denn das Unternehmen, das dann gegründet wurde, ist heute 2,5 Milliarden Dollar wert. Schön, dass wir hier sein dürfen bei unserem heutigen Gast im Podcast des Deutschen Zukunftspreises, Bastian Nominacher. 

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Als Bastian Nominacher 2019 in Berlin von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Deutschen Zukunftspreis überreicht bekommt, ist er gerade 35 Jahre alt. Acht Jahr zuvor hatte er mit seinen Kommilitonen von der TU München - Martin Klenk und Alexander Rinke - Celonis gegründet. Das Ziel: per Software Kunden dabei zu helfen, Prozesse zu automatisieren und damit zu optimieren. In nur acht Jahren wurde aus Celonis ein internationales Unternehmen, dessen Kundenstamm sich wie das Who is Who globaler Großkonzerne liest. Aus dem Start-Up ist in weniger als einer Dekade ein Unternehmen geworden, das viele als das neue SAP bezeichnen. 

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Frage: Bastian Nominacher – wenn Sie das alles hören – klingt das noch wie ein Traum für Sie? Denken Sie manchmal, das gibt’s ja eigentlich gar nicht? 

Bastian Nominacher: Ja, das ist wirklich eine sehr dynamische Geschichte und Entwicklung. Als wir damals gestartet haben bei mir in der Wohnung, war das, was uns wirklich immer umgetrieben hat, die Begeisterung unserer Kunden und die hat uns eigentlich von Jahr zu Jahr getragen, das weiterzuentwickeln. Dann gab es die verschiedensten Entwicklungen, wie wir weitere Kunden gewonnen und das ganze Thema mit ausgebaut haben. Und deshalb war natürlich auch der Zukunftspreis eine ganz, ganz große Ehre für uns als Gründer, aber auch für das ganze Team als eine Bestätigung, dass die Arbeit, die wir machen auch wirklich eine hohe Relevanz und Anerkennung genießt. 

Frage: Sie haben es gerade schon gesagt: Sie haben damals in Ihrer Wohnung das erste Jahr verbracht. Wie kann man sich das vorstellen?

Bastian Nominacher: Das kann man sich ganz einfach vorstellen: Man trifft sich jeden Morgen, muss noch ein bisschen aufräumen, damit die Kollegen ein schönes Umfeld haben und dann haben wir einfach jeden Tag programmiert. Wir haben uns überlegt, wie wir die Technologie entwickeln können und wie man das Ganze nutzt. Gerade, wenn wir so eine Grundlagentechnologie schaffen oder auch aus der Wissenschaft in die Praxis überführen, müssen wir uns über ganz viele Dinge Gedanken machen: wie sollen das die Anwender nutzen? Was sind die Anwendungsfälle? Wir waren auch viel bei Kunden unterwegs - Alex und ich sind da durch die ganze Republik gefahren, um Kunden "abzuklappern". Und dann gab es auch relativ schnell die ersten Anwender - wie den Bayerischen Rundfunk oder Siemens - wo wir auch einen sehr konkreten Zweck hatten, was dann die Entwicklung auch auf den richtigen Weg gebracht hat – damit man nicht am Anwender vorbeientwickelt.  

Frage: Und so wie sich das gehört, wussten natürlich viele Kunden nicht, dass das zwischen Schlafzimmer und Pizzakartons passierte.

Bastian Nominacher: Am Anfang nicht so ganz (lacht).

Frage: Wann war dann für Sie der Punkt, an dem Sie gemerkt haben: Wir sind aus dem Gröbsten raus, das wird vielleicht was ganz Großes hier?

Bastian Nominacher: Also ein ganz, ganz wichtiger Meilenstein für uns war dann im Jahr 2016 unsere erste externe Finanzierungsrunde. Aber vorher schon haben wir verschiedene große Kunden gewonnen, für die wir auch wirklich relevante Projekte umgesetzt haben. Aber gerade diese externe Finanzierungsrunde damals war ein ganz wichtiger Meilenstein für uns, weil es natürlich eine Bestätigung ist, wenn auch sehr renommierte Geldgeber, die sonst in Facebook oder Dropbox investieren, hier auch den Wert sehen und das dann auch mit einem signifikantem Investment untermauern. 

Frage: Und was ist als Bestätigung in dieser Szene dann entscheidend? Dass das Produkt funktioniert? Dass das Kunden-Feedback gut ist? Oder dass es Investoren gibt, die an Sie glauben?

Bastian Nominacher: Ich glaube am Ende des Tages alles. Für uns ist immer das Wichtigste wirklich der Kunde gewesen. Wir haben uns auch bewusst entschieden, die ersten fünf Jahre ohne externe Investoren zu arbeiten, um uns auf unsere Kunden zu konzentrieren und das mit aufzubauen. Ich denke, das ist wichtig. Es gibt da als Start-up sehr viele Themen, in die man Zeit investieren kann. Unser Fokus war immer auf die Kunden, auf die Partner. Und das schafft natürlich auch die Anerkennung und gewinnt dann im Endeffekt auch Investoren und Mitarbeiter, wenn man sieht, dass die Kunden das nutzen und man ein entsprechendes Umsatzwachstum und spannende Anwendungsfälle hat. Und am Ende des Tages geht es darum, dass man Relevanz hat. Man macht etwas, was auch wirklich für Unternehmen, für Kunden und Anwender von hohem "Impact" ist.

Frage: Und dann gibt es natürlich erste Anerkennungen. Wenn man bei Ihnen ins Foyer kommt, gibt es zwei Vitrinen mit Preisen und da steht dann - unter anderem - auch der Deutsche Zukunftspreis, den Sie 2019 bekommen haben. Welchen Stellenwert hat der für Sie?

Bastian Nominacher: Der hat einen ganz großen Stellenwert. Um es auch korrekt zu beschreiben: Wir haben zwei Vitrinen und dann nochmal eine extra für den Zukunftspreis. Das ist natürlich eine sehr große Ehre. Wir sind stolz auf alle Auszeichnungen, die wir von den verschiedensten Industrieverbänden und Partnerunternehmen bekommen haben. Aber gerade natürlich der Zukunftspreis - als der einzige Preis, den der Bundespräsident vergibt - ehrt uns sehr. Und nicht nur uns, sondern alle Mitarbeiter. Es zeigt einfach, dass das, was wir machen, eine unglaubliche Relevanz hat und dass es sich wirklich lohnt, Grundlagentechnologie aus der Forschung zu holen und in die Praxis zu bringen, um damit Deutschland wettbewerbsfähig zu machen.

Frage: Das Ganze passierte im November 2019, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Ihnen den Preis verlieh. Ich hatte damals die Möglichkeit mit ihm danach zu sprechen - auch über Sie. Da hören wir jetzt mal rein.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Abend der Preisverleihung

"Ja, das ist unglaublich. Ich habe mich mit den jungen Leuten heute Nachmittag kurz unterhalten. Keiner von denen kommt im Grunde genommen - was das Elternhaus angeht - aus dem Fach. Ich habe gerade einen der Väter kennengelernt, der Bäckermeister ist. Also war von zuhause aus keine Orientierung in diese Berufe gegeben. Es sind junge Leute, die vielleicht jung genug waren, den Mut zu haben, ein Unternehmen zu gründen. In einer Zeit, in der sie gespürt haben: da ist viel Wachstum in der Branche möglich und vielleicht zu wenig Angebot, auch zu wenig unternehmerisches Angebot in Deutschland. In diese Lücke sind sie gestoßen, heute nach wenigen Jahren mit über 800 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Und wenn ich es richtig in Erinnerung habe, sind sie mittlerweile in 13 Ländern der Welt präsent - das ist sensationell."

Frage: Das ist sensationell. Der Bundespräsident vor ziemlich genau einem Jahr. War es so – die richtige Idee zum richtigen Zeitpunkt?

Bastian Nominacher: Auf jeden Fall. Ich denke, wir haben da auch von unserer wirklich exzellenten akademischen Ausbildung profitiert und hatten dadurch das Know-how, dass es diese Ansätze gab und sind dann beispielsweise beim Bayerischen Rundfunk darauf gestoßen. Ich glaube, es war sicherlich auch ein bisschen die gemeinsame Team-Konstellation. Wir hatten sehr gute technische Fähigkeiten von Martin und von Alex, aber auch dieses "Branchen - Know-how" von vorherigen Projekten. Und das hat es uns ermöglicht wirklich durchzustarten.

Frage: Und dann hat der Bundespräsident noch den "Bäckerbuben" erwähnt. Das waren Sie.

Bastian Nominacher: Genau, genau! Ich komme aus einer Bäcker-Familie und dieser unternehmerische Hintergrund hilft einem natürlich auch. Zwar ist es eine andere Branche - aber man weiß, dass man sich jeden Tag auf die Kunden fokussieren muss, damit man erfolgreich wird, wenn man so ein Unternehmen betreibt.

Frage: Da muss man dazu sagen: Das ist nicht irgendeine Bäckerei, sondern eine Bäckerei, die es seit 5 Generationen in Forstern, also im Osten von München, gab. 125 Jahre Tradition. Ihr Vater hat das Unternehmen vor einigen Jahren aufgegeben, aufgeben müssen aus gesundheitlichen Gründen. Gab es da niemals von zuhause den Druck, der Sohn müsste das in der 6. Generation eigentlich übernehmen?

Bastian Nominacher: Ja, das ist natürlich eine sehr stolze Vergangenheit. Da bin ich auch stolz darauf, was meine Familie erreichen konnte und wie wir den Ort über so lange Zeit versorgen konnten. Da gab es aber nie einen Druck. Meine Begeisterung für Technologie kommt wirklich von meinem Vater. Als wir klein waren, haben wir immer abends programmiert - damals eine 10MB-Festplatte, die so groß war wie zwei große Bücher. Und daher kam die Passion und seitdem war es eigentlich immer klar, dass meine Begeisterung in einem anderen Bereich liegt. Es tut mir natürlich leid, dass die Bäckerei jetzt nicht fortgeführt werden kann, aber mit Celonis habe ich auch eine ganz gute Passion gefunden, womit ich mich gut beschäftigen kann.

Frage: Haben Sie ins Bäcker-Handwerk irgendwie reinschnuppern können, oder hat das gar keine Rolle gespielt?

Bastian Nominacher: Wenn man natürlich in der Familie aufwächst und wir haben im gleichen Haus gewohnt, hat man geholfen und mitgemacht. Ich bin nicht der beste Bäcker, aber es geht. 

Frage: Was haben Sie als Kind einer Unternehmerfamilie in Ihr heutiges Leben mitgenommen?

Bastian Nominacher: Daraus habe ich viel mitgenommen. Einerseits natürlich die Bedeutung der Kunden. Mir war immer klar, dass man die Kunden überzeugen und jeden Tag gute Qualität liefern muss. Auch eine gewisse Arbeitsethik: es gibt viele Dinge, die einfach erledigt werden müssen, um das alles mit voranzutreiben. Ich glaube, da profitiert man einfach von. Aber eben auch zu verstehen, dass das eigentlich eine Passion sein kann. Es ist ein großes Privileg, ein Unternehmen zu gründen und das zu tun, was man tun möchte. Dies jeden Tag voranzutreiben und Dinge zu gestalten. Das habe ich bei meinen Eltern gesehen und es hat mir imponiert und Spaß gemacht.

Frage: Was in Ihrem Lebenslauf auffällt: Sie werden später für Ihre besonderen schulischen und akademischen Leistungen ausgezeichnet, u.a. als Jahrgangsbester der Wirtschaftsinformatik. Aber Sie haben zuerst einmal den Realschul-Abschluss gemacht. Wie kam es dazu?

Bastian Nominacher: Das kann ich Ihnen gerne erklären. Und zwar war dafür auch meine Passion für Technologie ausschlaggebend. Ich habe nämlich schon neben meiner Schulzeit sehr viel in einem Computerladen/-Unternehmen gearbeitet. Das hat mir einfach so großen Spaß gemacht, dass ich dann die Realschule fertig gemacht haben und zweieinhalb Jahre das Unternehmen vorangetrieben, dort auch viel aufgebaut habe, natürlich auch entsprechend Vertrauen genießen konnte und so meine Passion vorantrieb. Relativ schnell habe ich dann aber gemerkt - gerade auch im Austausch mit meinen Freunden -  dass mich diese technologische und theoretische Basis, was man dann im Bereich der Mathematik und Informatik macht, sehr interessiert. Und so bin ich zurück an die Schule und habe mein Abitur nachgemacht, um dann auch zu studieren. 

Frage: Aber dieser Zwischenweg hat Sie trotzdem geprägt.

Bastian Nominacher: Ja, das war eine sehr wichtige Erfahrung  gerade, wenn ich auch meine Unternehmerzeit betrachte. Einerseits technologisch - in der Frühphase der Digitalisierung, das alles zu verstehen und viele Technologien selbst zu erlernen, aber andererseits auch mit vielen Unternehmen zusammen zu arbeiten. Ich kann mich noch an Kunden und große Speditionsunternehmen, denen wir bei der Digitalisierung geholfen haben, erinnern. Und davon habe ich sicher auch später bei Celonis profitiert, weil ich wirklich ein voll umfängliches Verständnis der gesamten Technologiebasis, wie Unternehmen arbeiten, entwickelt habe. 

Frage: Und es zeigt auch, dass Karrieren nicht immer geradlinig verlaufen müssen, sondern durchaus auch mal einen Knick haben können. Sie haben heute ein Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern, für die Sie als Co-CEO verantwortlich sind. Worauf schauen Sie bei der Auswahl?

Bastian Nominacher: Das ist ein ganz wichtiges Thema und da haben wir damals bei Beginn von Celonis ein unglaubliches Augenmerk drauf gelegt. Das ist ja eigentlich einer unserer Kernwerte: "Celonis - the best team wins". Ich habe mich damals sehr stark eingebracht und mache das heute immer noch, was ca. 30-40 Prozent meiner Zeit ausmacht. Es sind mehrere Aspekte: einerseits ist es natürlich der "kulturelle Fit". Ein neuer "Celonaut" muss zum Team passen, es muss Spaß machen. Wir stecken da viel Zeit rein, und achten eben darauf, dass es diesen kulturellen Fit gibt und dass wir gemeinsam gut zusammenarbeiten können. Aber natürlich sind es auch die fachlichen Fähigkeiten, wir sind sehr ambitioniert bei Celonis. Ich glaube, das ist auch einer der Gründe, warum wir uns so schnell entwickeln – weil wir wirklich die besten Talente aus den verschiedensten Bereichen erreichen. Und das sind die Aspekte, auf die wir schauen und versuchen, neue Celonauten zu gewinnen.

Frage: Und wie finden sie das raus, ob jemand dazu passt oder nicht?

Bastian Nominacher: (lacht) Es gibt natürlich eine gewisse Intuition, die man nutzen kann. Aber mittlerweile haben wir dafür sehr strukturierte Prozesse: wie wir die Kandidaten bewerten, wie wir ihnen entsprechende Challenges geben, auch auf verschiedenen Levels. Gerade wenn wir natürlich im sehr großen Stil neue Mitarbeiter einstellen, werden auch unsere Mitarbeiter, die neue Mitarbeiter einstellen dürfen, entsprechend trainiert. Es ist auch für uns Gründer ganz wichtig, damit wir das weiter geben können. Und ich glaube, da muss man immer weiterhin wachsam sein und aufpassen, dass man bei der Bewertung keine Fehler macht. Denn das Hauptthema, wenn man eine Organisation aufbaut, ist, dass man gute Leute braucht, die diese Mission ausfüllen und sich damit beschäftigen. Ich habe beispielsweise - und meine Mitgründer auch - die ersten fünf bis sechs Jahre jeden Donnerstag von 8.00 bis 20.00 Uhr jede Stunde ein Interview gemacht, um dies einfach sicher zu stellen. Da ging es erst einmal nur um den "kulturellen Fit", um dieses Team aufstellen zu können. Ich bin da wirklich stolz auf die Celonauten und ich denke, dass wir das alles ohne diese exzellente Basis an Mitarbeitern nicht geschafft hätten.

Frage: Welche Skills, welche Fähigkeiten muss ein Mitarbeiter von morgen mitbringen?

Bastian Nominacher: Ich glaube, darauf gibt es keine pauschale Antwort, weil wir uns in der heutigen Arbeitswelt in einem unglaublich dynamischen Umfeld bewegen. Es gibt eine sehr hohe Geschwindigkeit und einen hohen Wandel, und auch eine gewisse Art von Ambiguität, weil sich natürlich gerade durch die Technologie, aber auch durch andere Themen - wie beispielsweise gerade die COVID-Pandemie - viele Dinge ständig ändern. Das heißt, man benötigt vor allem eine Grundmotivation und Grundintelligenz, aber besonders auch eine hohe Anpassungsfähigkeit, sie weiter zu entwickeln. Es bleibt nicht statisch. Wenn ich jetzt allein mein Berufsfeld anschaue, dann gibt es Technologien, mit denen ich vor zehn Jahren noch gearbeitet habe, die mittlerweile komplett obsolet sind. Und jetzt kommen wieder neue Themen auf und man muss sich daran wieder anpassen und weiterentwickeln können.

Frage: Nicht jeder schafft das bis dahin. Sie machen sich für Bildungsgerechtigkeit stark und haben ein Programm ins Leben gerufen, das "Celonis Aspire" heißt. Ein Fond, um Jugendlichen den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Wie kam es zu dieser Idee?

Bastian Nominacher: Da spreche ich sehr gerne drüber. Inspiriert wurde das wirklich durch unseren persönlichen Hintergrund. Wenn wir Gründer uns überlegen, was unsere Ressource anfangs war, was wir zu Verfügung hatten, dann war es einfach eine exzellente Ausbildung, die wir genießen durften und von der wir wirklich zehren konnten. Wir haben ja eigentlich eine Grundlagentechnologie aus der Wissenschaft in die Praxis überführt und haben ein gewisses Netzwerk aufbauen können - zwar nicht von Kunden, aber von unseren ersten Mitarbeitern. Beispielsweise einer unserer ersten Mitarbeiter hat mich - während ich noch meine Masterarbeit schrieb - bei einem Casting mit über 100 Teilnehmern durch seine Leitung bei den verschiedenen Experimenten sofort überzeugt. Und das ist wirklich eine Basis von der wir zehren konnten und das möchten wir weitergeben. Ich bin auch der festen Überzeugung - da spricht der CEO und Unternehmer aus mir - dass es den "höchsten Hebel" gibt. Wenn wir wirklich Gerechtigkeit und Wohlstand für die Menschen schaffen würden, dann kann oder will Bildung dafür am meisten ermöglichen. Und diese Idee steht eigentlich hinter "Aspire".

Frage: Und sie wurde dann auch realisiert durch Geld des Deutschen Zukunftspreises. Sie haben 250 000€ damals gewonnen (das ist das Preisgeld, das mit dem Preis verbunden ist) und haben es dann verdoppelt auf 500 000€. Wie funktioniert das jetzt, wie wird das verteilt?

Bastian Nominacher: Gerade der Zukunftspreis hat dafür eine sehr gute Grundlage gelegt. Deshalb haben wir uns dafür entschlossen, das auch nochmal zu verdoppeln, es aufzusetzen und eben mit den Ressourcen unserer Celonauten zu kombinieren. Wie funktioniert das jetzt? Ganz einfach. Wir sind ja ein Start-up, das heißt wir werden schnell, pragmatisch, effizient auch diese Themen umsetzen. Wir ermöglichen jungen Menschen, die sich mit Bildungsträumen bei uns bewerben können, dies zu fördern. Das sind kurze, knackige Bewerbungen, für jemanden, der sich in seinem Bildungsthema weiterentwickeln will und dies aus gewissen Gründen nicht kann. Dafür haben wir ein entsprechendes Bewerbungsverfahren und eine Jury, die das auswählt, und vor allem auf die Wirksamkeit und den Effekt achtet, weil es natürlich immer mehr Anfragen als Förderungsmöglichkeiten gibt. Und dann ermöglichen wir einerseits durch die finanzielle Unterstützung, aber andererseits auch durch die Begleitung unserer Celonauten, die als Coaches und Mentoren helfen, auch wirklich die Projekte voranzutreiben und genau diese Bildungsträume Realität werden zu lassen. 

Frage: Wobei Geld einfach eine Rolle spielt. Und wenn das Geld nicht vorhanden ist, dann ist das einigen versperrt. Wie hat sich Ihr Verhältnis zum Geld verändert?

Bastian Nominacher: Als Unternehmer müssen wir natürlich ständig Entscheidungen über Ressourcen treffen, jeden Tag. Gerade wenn man in einem so schnell wachsenden Unternehmen tätig ist. Und ich glaube es ist einfach wichtig, es als eine Ressource zu begreifen. Ich kann heute einen neuen Mitarbeiter anstellen, ich kann mir eine neue Hardware anschaffen oder eine neue Marketing-Maßnahme. Ich glaube, da muss man einerseits sehr rational agieren, gerade in einer großen Organisation. Aber man muss sich auch bewusst werden, welche Verantwortung damit verbunden ist, was man damit schaffen kann und dass natürlich auch viel dahinter steckt. Wenn wir heute Mitarbeiter einstellen, dann haben die meisten Familien. Wir haben zum Beispiel auch ein ganzes Ecosystem an Lieferanten und Partnern und wenn das - beispielsweise gerade jetzt in der COVID-Pandemie - ausfällt und wir von unseren Lieferanten nichts mehr beziehen, wirkt sich dies natürlich auch auf deren Mitarbeiter aus. Und ich glaube, da ist es wichtig, sich dieser Verantwortung bewusst zu sein, aber eben auch zu wissen, dass Geld am Ende ein bisschen abstrakt ist und eben eigentlich nur ermöglicht, Dinge umzusetzen. 

Frage: Ich hatte vorhin die Zahl genannt: 2,5 Milliarden Euro - so sagen Experten - ist Ihr Unternehmen inzwischen wert. Hat man da auch als Finanzmathematiker noch einen Bezug zu solchen Summen?

Bastian Nominacher: (lacht) Das sind natürlich schon sehr große Zahlen und es ist schwierig, das dann greifbar zu machen in der realen Welt. Andererseits ist es natürlich auch ein tolles Zeichen, dass wir etwas umsetzen was wirklich hochgradig relevant und wichtig ist und das spiegelt sich dann auch in den Unternehmensbewertungen wider. Und diese hohe Bewertung ermöglicht uns dann wiederum viele Themen zu verwirklichen, wie beispielsweise eine Übernahme, die wir kürzlich gemacht haben. Das macht Spaß, weil es wirklich etwas bewegt. Es ist eigentlich das Gleiche, was wir mit unseren Bildungsträumen erreichen wollen: dass Menschen Dinge verwirklichen, die vorher unmöglich waren und wird dafür einen kleinen Anschub geben, so wie wir das damals durch unsere Ausbildung erhalten haben.

Frage: Sie sind mit Mitte 30 schon auf dem Gipfel angekommen. Was sind Ihre Ziele?

Bastian Nominacher: Da gibt es noch sehr viele Möglichkeiten. Einerseits haben wir mit Celonis schon sehr viel erreicht, worauf ich auch stolz bin. Aber wenn man unseren Markt anschaut und wo wir technologisch gerade stehen, gibt es noch sehr viel mehr, was man vorantreiben könnte. Wir haben beispielsweise letzte Woche unsere nächste technologische Generation des "Celonis Execution Management Systems" vorgestellt - unglaublich spannend. Eine Technologie, die eigentlich jedem Unternehmen ermöglicht, die sogenannte "execution capacity" zu maximieren und bestmöglich alle Prozesse ausführen zu können. Und da stecken wir unsere ganze Energie rein diese Vision zu realisieren und voranzutreiben. Gleichzeitig macht es auch Spaß, die ganzen Entwicklungsgeschichten unserer Celonauten - die beispielsweise als Praktikant angefangen haben und jetzt ganze Abteilungen leiten - zu beobachten und wir versuchen hier auch persönlich etwas zurück zu geben. Einerseits über unsere "Academic Alliance", wo wir sehr stark die Forschung hervorholen - das "Aspire-Programm" haben wir schon angesprochen - und andererseits auch über die Förderung von Start-ups. Da macht es Spaß, Dinge voranzutreiben und es ist ein ganz guter Ausgleich, wenn man sich auch mit anderen Gründern austauscht, die gerade zwei oder drei Mitarbeiter haben. Das sind dann andere Herausforderungen als bei einem Unternehmen wie Celonis, wo wir 1000 Mitarbeiter haben und natürlich auf einem ganz anderen Grad der Skalierung und der Internationalität agieren.

Frage: Zu den Ur-Celonauten gehören auch Martin Klenk und Alexander Rinke, Ihre zwei Co-Founder seinerzeit. Wie hat sich Ihr Verhältnis in den letzten Jahren verändert?

Bastian Nominacher: Das Gründerteam ist natürlich sehr wichtig und eine ganz grundlegende Basis für unseren Erfolg. Einerseits kennen wir uns sehr gut und können uns vertrauen. Andererseits haben wir ein sehr komplementäres Skill-Set: Martin ist bei uns der technologische Visionär, Alex ist eher der Stratege, der sehr stark die Kommunikation und Organisation vorantreibt. Wir sind jeden Tag im Austausch, haben verschiedene Meetings - während COVID natürlich auch über Zoom. Wir haben eine laufende WhatsApp-Gruppe, in der ständig die strategischen Themen besprochen werden. Und das macht mir auch persönlich großen Spaß, das alles als Team ständig voranzutreiben und zu wissen, dass man sich bedingungslos aufeinander verlassen kann.

Frage: Freundschaft?

Bastian Nominacher: Auf jeden Fall! Die bestand schon vorher und wird natürlich dann noch tiefer, wenn man so stark zusammen arbeitet. Das Erlebte schweißt zusammen, wenn wir beispielsweise viele Nächte gemeinsam programmiert haben, mit all den Herausforderungen. In einem Unternehmen gibt es natürlich Erfolge und auch Misserfolge - das schafft eine ganz tiefe Verbindung. 

Frage: Gibt es die Wohnung der ersten Tage immer noch?

Bastian Nominacher: Die gibt es noch, ja. 

Frage: Ich habe mal gelesen, dass Sie keine Zeit hatten, umzuziehen.

Bastian Nominacher: Genau, ich bin erst vor kurzem umgezogen. Gerade durch COVID musste man viel mehr von Zuhause arbeiten. Es ist nur eine Ein-Zimmer-Wohnung und ich brauchte ein dediziertes Arbeitszimmer. Aber die Wohnung gibt es und ist - wie man so schön sagt - immer noch "nostalgische Basis".

Michael Bachmann: Bastian Nominacher, vielen Dank für das Gespräch.