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Nominiert 2025

Kraftpaket fürs Klima

Kraftpaket fürs Klima – Fernverkehr-Lkw mit Wasserstoff elektrisch betreiben

Christoffer Uhr (Sprecher)
Kai Weeber
Pierre Andrieu

(v.l.n.r.) Kai Weeber, Christoffer Uhr, Pierre Andrieu

Die Zukunft unserer Mobilität ist elektrisch. Daran gibt es kaum Zweifel. Aber wie erreichen wir eine fossilfreie Mobilität möglichst flächendeckend für alle Fahrzeugarten und Mobilitätsanwendungen? Hier gibt es nicht nur eine Antwort, denn die Bedarfe in der Mobilität sind unterschiedlich. Beim Pkw setzt sich das batteriebetriebene Fahrzeug mehr und mehr durch. Die Reichweiten werden beständig größer, die Ladezeiten dagegen immer kürzer. Doch wie sieht es beim Schwerlastverkehr auf langen Strecken aus? Batterien für den Schwerlasttransport sind schwer und sperrig, die Ladezeiten für den wartenden Lkw-Fahrer lang. Kann hier die Batterie den Diesel verdrängen? Oder gibt es da noch andere Wege?

Dipl.-Ing. Christoffer Uhr, Dipl.-Ing. Kai Weeber und Dipl.-Ing. Pierre Andrieu sind sich sicher: Ja, es gibt einen anderen Weg, denn sie sind ihn gegangen. Konsequent, zielgerichtet und erfolgreich. Sie haben ein Brennstoffzellen-Antriebssystem entwickelt, ihr Fuel Cell Power Module, das aus Wasserstoff Strom erzeugt und es ermöglicht, einen schweren Lkw elektrisch und emissionsfrei zu betreiben, ohne Einschränkungen bei Reichweite oder Nutzlast für Transportgüter.

Um zu verstehen, wie das Team die Technik zu einem echten Langstrecken-Gamechanger gemacht hat, hilft es nachzuvollziehen, wie eine Brennstoffzelle funktioniert. Eine Brennstoffzelle kann durch Verbrauch eines Brennstoffs elektrischen Strom erzeugen. Allerdings findet keine Verbrennung statt, sondern eine elektrochemische Reaktion.

In der Brennstoffzelle oxidiert der Brennstoff und wandelt dabei seine chemische Energie in elektrische Energie um. Verwendet man dafür Wasserstoff, oxidiert dieser mit Sauerstoff aus der Luft zu reinem Wasser. So lässt sich in einer Brennstoffzelle elektrische Energie ohne Flamme und ohne Kohlendioxidausstoß erzeugen. Ein Fahrzeug mit einer Brennstoffzelle fährt also genauso elektrisch wie ein batteriebetriebenes Fahrzeug. Nur dass die gespeicherte Energie nicht in einer Batterie steckt, sondern im mitgeführten Wasserstoff.

Aber wenn die Brennstoffzelle nur die Batterie ersetzt, warum entwickelt man eine aufwändige Brennstoffzelle und verwendet nicht die vorhandene Batterie-Technologie? Zum einen ist das Brennstoffzellen-System weniger abhängig von kritischen Rohstoffen und geopolitischen Veränderungen. Zum anderen liegt das an dem „Scale-up“. Ein Lkw benötigt deutlich mehr Leistung als ein Pkw. Er braucht daher eine wesentlich größere Batterie, und das macht es problematisch: Denn eine größere Batterie wird schnell sehr schwer. Auch bei batteriebetriebenen Pkw macht die Batterie einen großen Teil der Fahrzeugmasse aus, hier ist das Gesamtgewicht jedoch nicht ganz so relevant. Bei einem Lkw ist das Gewicht allerdings zentral, denn es entscheidet über die Wirtschaftlichkeit, da ein Lkw zusammen mit seiner Ladung maximal 40 Tonnen wiegen darf. Je schwerer das Fahrzeug selbst, umso weniger Ladung kann es aufnehmen und desto weniger wirtschaftlich ist es im Betrieb. Stellt man nun einen Brennstoffzellen- und einen vergleichbaren batteriebetriebenen Lkw auf die Waage, zeigt sich: Der Lkw mit der Brennstoffzelle ist rund vier Tonnen leichter, ein zentrales Argument für die Brennstoffzelle. Ein 40-Tonnen-Brennstoffzellen-Lastzug kann also rund 10 Prozent mehr Nutzlast transportieren als ein batteriebetriebener Lkw – das sind Welten in der kosten- und effizienzgetriebenen Speditionsbranche. Hinzukommt, dass das Betanken eines mit Wasserstoff betriebenen Lkw wesentlich schneller geht als das Laden einer entsprechend großen Batterie.

Viel spricht also im Vergleich für den Betrieb eines Lkw mit Wasserstoff. Doch damit ist die Geschichte nicht zu Ende, hier fängt sie erst an. Einen wasserstoffbetriebenen Antrieb zu bauen war für die drei Nominierten mehr als nur eine Batterie durch eine Brennstoffzelle zu ersetzen. Das Team hat daher nicht nur die Brennstoffzelle entwickelt, sondern einen ganzen Antriebsstrang mit vielen fein abgestimmten Komponenten und einer komplexen Regelung, die allen Wettern und Temperaturen von der Sahara bis zur kanadischen Polarluft trotzen kann und sich daher für jede Langstrecke der Welt eignet.

Das Herzstück des von dem Team entwickelten Antriebs ist das Brennstoffzellen-System. Es sitzt dort, wo in einem herkömmlichen Lkw der Motor verbaut ist. Der Wasserstoff für die Brennstoffzelle wird aus Tanks entnommen, die unter einem Druck von 700 bar stehen. Gleichzeitig wird über mehrere Turboverdichter Luft in die Brennstoffzelle gedrückt. Nun oxidiert die Brennstoffzelle, die aus mehreren hunderten gestapelten Zellen besteht, den Wasserstoff mittels eines Platinkatalysators mit dem Luftsauerstoff zu Wasser, wobei elektrische Energie entsteht. Diese Energie treibt entweder direkt den Elektromotor an oder wird in einem kleinen Akku zwischengespeichert. Der Motor wird dann zusätzlich aus diesem Akku gespeist, wenn Lastspitzen auftreten. Das gewährleistet, dass im Lkw immer die benötigte Leistung bereitgestellt wird. Da die geforderte Motorleistung eines Lkw stark schwankt, je nachdem ob beschleunigt oder gebremst wird, ob es bergauf oder bergab geht, kann die Brennstoffzelle so möglichst gleichmäßig arbeiten. Das Zusammenspiel wird durch eine komplexe Regelung ermöglicht und ist feinste Ingenieurarbeit, in der Jahre der Entwicklung stecken.

Mit ihrem Team und Automobilpartnern haben Christoffer Uhr, Kai Weeber und Pierre Andrieu so einen völlig neuen Antrieb für Lkw im Schwerlastverkehr entwickelt, der emissionsfrei, leise und wirtschaftlich fährt – elektrisch mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle. Mehr noch: Die drei Nominierten haben bei der Entwicklung ihres Fuel Cell Power Modules auch die skalierbare Serienfertigung mitgedacht sowie das Recycling wichtiger Komponenten und Materialien. Heute wird ihr Brennstoffzellen-System in Stuttgart und im chinesischen Chongqing in Serie gefertigt. Weltweit sind bereits mehrere tausend Lkw mit der Lösung des Teams auf der Straße.

Politische Voraussetzung für die flächendeckende Nutzung ist die Bereitstellung von idealerweise grünem Wasserstoff. Wasserstoff ist kein Bodenschatz, sondern kann zum Beispiel durch Elektrolyse erzeugt werden: Man verwendet dafür elektrischen Strom, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Während man bei batteriegetriebenen Fahrzeugen nur die elektrische Energie bewegt, sind beim Wasserstoffbetrieb mehrere Umwandlungsschritte notwendig: Elektrischer Strom aus Erneuerbaren Energien wird für die Elektrolyse genutzt, der produzierte Wasserstoff wird im Lkw über die Brennstoffzelle wieder zu elektrischer Energie und treibt den Elektromotor an. Im Gegensatz zum batteriebetriebenen Fahrzeug treten mehr Verluste auf – die Umwandlung elektrischer Energie zu Wasserstoff und dann wieder in elektrische Energie. Dies wird am Wasserstoff gern kritisch gesehen. Warum er dennoch ein Energieträger der Zukunft ist, erklärt sich aus den Emissionen. Denn der Wirkungsgrad eines Prozesses ist vor allem dann von Bedeutung, wenn der Prozess insgesamt Emissionen verursacht. Dann ist es wichtig, diese zu reduzieren, also einen besseren Wirkungsgrad zu erzielen. Bei grünem Wasserstoff steht der Wirkungsgrad nicht im Fokus, da der gesamte Prozess von der Erzeugung bis zum Verbrauch ohne Abgabe von Schadstoffen und Emissionen geschieht. Wenn Wasserstoff an den Tankstellen, wie in den EU-Gesetzen verankert, flächendeckend verfügbar ist, wird Wasserstoff ein ebenbürtiger Ersatz für fossile Brennstoffe und ideales Speichermedium für regenerativ erzeugte Energie aus zum Beispiel Wind und Sonne.

Das Team hat mit seiner Innovation einen Bereich der Mobilität neu gedacht, der aktuell fast vollständig von der Verwendung von Dieselöl abhängt. Die drei Nominierten leisten so einen wichtigen Beitrag zu einer CO2-freien Mobilität. Im Mosaik der Energiewende ist ihre innovative Ingenieurleistung eine wichtige Ergänzung zu batteriebetriebenen Antrieben. Um bei dem Bild der Straße zu bleiben: Es ist ein mehrstreifiger Ausbau auf dem Weg in eine emissionsfreie Zukunft.

Alle Anwendungen, die eine lange Betriebszeit erfordern, hohe Lasten transportieren müssen oder eine schnelle Betankung brauchen, sind prädestiniert für unser System. Dazu gehören etwa Busse, Gabelstapler, aber auch stationäre Generatoren, die zum Beispiel im Katastrophenschutz oder in Rechenzentren eingesetzt werden können.

Christoffer Uhr

Fragen an die Nominierten

Was war der Startpunkt des Innovationsprozesses?

Christoffer Uhr
Für mich begann es mit den Verhandlungen mit unserem Pilotkunden aus den USA, um eine Brennstoffzelle für dessen Lkw in Serie zu entwickeln. Das war 2020 und damit auch der Startpunkt für die Zusammenarbeit zwischen Bosch als Großunternehmen und einem Start-up. Bosch steht für hohe Qualität in Millionenstückzahlen, während Start-ups auf kurze Sprints setzen. Diese damaligen Gegensätze durfte ich auf Seiten von Bosch moderieren, da wir Prozesse an die gemeinsame Entwicklungsgeschwindigkeit anpassen mussten. Termindruck war prägend für mich.

Kai Weeber
Mein Kontaktpunkt in der Forschung mit dem Thema Brennstoffzelle war schon einige Jahre früher, um 2014 herum, als Elektromobilität mehr und mehr in den Fokus gerückt ist. Die Frage, die wir uns gestellt hatten, war, ob reine batterieelektrische Mobilität für alle Anwendungsfälle ausreicht. Die Automobilindustrie stand vor der Aufgabe, für neue Antriebskonzepte auch die Infrastruktur durchdenken zu müssen. Umfangreiche, globale Infrastrukturstudien haben relativ früh gezeigt, dass reine Batterielösungen für Schwerlast-Lkw, Fernverkehr und Gütertransport große Herausforderungen auch in der Infrastruktur mit sich bringen. Daher haben wir von 2015 an die Forschung intensiviert und bei Bosch die Brennstoffzelle für den Einsatz in der Mobilität vorbereitet.

Pierre Andrieu
Ich stieß ungefähr sechs Monate nach Christoffer hinzu. Meine Aufgabe war es, die internen und externen Spezifikationen umzusetzen. Das umfasste die Entwicklung von Mustern, die Vorbereitung der Industrialisierung vom Musterbau bis zur Serienfertigung sowie die Koordination aller beteiligten Bosch Bereiche und die Sicherstellung, dass alle über tausend spezifischen Komponenten termingerecht zur Verfügung standen. Es war eine komplexe Projektleitung für ein komplexes System.

Welches grundsätzliche Problem löst Ihr Produkt, für das es vorher keine Lösung gab?

Christoffer Uhr
Wir machen den Waren- und Güterverkehr mit Lkw auf der Langstrecke lokal emissionsfrei und leisten damit einen wichtigen Baustein zur Eindämmung des Klimawandels. Wasserstoff ist als Energieträger unverzichtbar für die klimaneutrale Welt und das richtige Element zur Nutzung Erneuerbarer Energien, da es in großen Mengen gespeichert und transportiert werden kann. Dies ist ein Vorteil gegenüber der Batterie-Elektromobilität, besonders für den Transport über Ländergrenzen hinweg. Für den Schwerlastverkehr bietet Wasserstoff erhebliche Vorteile: schnellere Betankungszeiten im Vergleich zum Laden einer Batterie, Reichweiten von bis zu tausend Kilometern wie bei der Nutzung von Dieselmotoren und eine geringere Gewichtseinbuße der Nutzlast im Vergleich zu rein batterieelektrischen Antrieben – rund vier Tonnen weniger. Das macht unsere Lösung attraktiv für den Schwerlasttransport.

Kai Weeber
Unsere Lösung reduziert zudem die im Vergleich zu Batterien hohe Rohstoffabhängigkeit. Das ist ein wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit, da weniger Bergbau für Kobalt oder Lithium nötig ist.

Wie entstand die initiale Idee für dieses Produkt?

Christoffer Uhr
Bosch beobachtet ständig die Märkte sowie aktuelle und zukünftige Bedarfe und leitet daraus ab, wie neue Produkte aussehen müssen. Wir haben batterieelektrische Antriebe, Wasserstoff-Motoren und Brennstoffzellen systematisch verglichen. Für den Schwerlastverkehr bietet die Brennstoffzelle etwa 20 Prozent Effizienzvorteil gegenüber einem Wasserstoff-Motor sowie Vorteile bei Gewicht und Betankungszeit gegenüber Batterie-Lkw. Sie ist also die beste Lösung.

Wie begegnen Sie der Kritik an der Effizienz der Brennstoffzelle im Vergleich zur Batterie?

Christoffer Uhr
Jedes Mal, wenn Energie gewandelt wird, entstehen Verluste. Deshalb sollten wir überall dort, wo wir elektrische Energie direkt nutzen können, dies auch tun. So ist der batterieelektrische Antrieb für Pkw genau der richtige Weg, da hier Reichweiten und Gewichtsbeschränkungen weniger problematisch sind. Es gibt jedoch Anwendungsfälle – vor allem auch in der Mobilität –, bei denen die direkte Nutzung nur mit Einschränkungen umsetzbar ist. Hierzu zählt unter anderem der Schwerlastverkehr. In solchen Fällen wiegen die Nutzungseinschränkungen schwerer als Effizienzverluste aus der Umwandlung von Energie.

Kai Weeber
Wir betrachten die CO2-Emissionen über die gesamte Lebensdauer des Produkts. Hier zeigt sich, dass die CO2-Emissionen trotz der geringeren Effizienz nicht höher sind als im Gesamtlebenszyklus eines batterieelektrischen Antriebs. Deshalb ist die Effizienz während der Nutzungsphase nicht so bedeutend. Es kommt auf den CO2-Ausstoß von der Herstellung über die Nutzung bis zum Recycling an.

Haben Sie beobachtet, dass andere Projekte im Schwerlastverkehr mit Brennstoffzellen gescheitert sind?

Christoffer Uhr
Wir sind die Ersten, die ein Brennstoffzellen-Antriebssystem speziell für Fernverkehrs-Lkw in Serie fertigen. Außerdem sind weltweit bereits mehrere tausend Lkw mit unserem Fuel Cell Power Module auf der Straße. Ein Anbieter aus Asien nutzt eine kleinere, modifizierte Pkw-Brennstoffzelle in einem Kasten-Lkw bis 27 Tonnen Gesamtgewicht, der nach unserer Erkenntnis im Betrieb Einschränkungen bei Reichweite und Höhenbetrieb aufweist. Ein europäisches Joint Venture zweier Lkw-Hersteller verfolgt einen ähnlichen Ansatz wie wir, dimensioniert für Schwerlastfahrzeuge, nimmt sich aber mehr Zeit und plant Flottenversuche im nächsten Jahr.

Kai Weeber
Einige Start-ups mit guten Ansätzen sind wieder verschwunden, da die Komplexität des Systems eine gewisse Unternehmensgröße und Beherrschung verschiedener Technologien erfordert. Die Frage ist nicht, wer scheitert, sondern wer das System zuerst beherrscht und auf den Markt bringt. Das ist uns gelungen.

Ihr Anspruch war ja gleiche Reichweiten und Komfort wie ein Diesel-Lkw, ohne Einschränkungen.

Pierre Andrieu
Genau, wir erfüllen die gleichen Spezifikationen wie für einen Verbrenner – ohne Kompromisse.

Kai Weeber
Spediteure im Fernverkehr bevorzugen eindeutig ein Fahrzeug, das wie ein Diesel-Lkw betrieben werden kann, gegenüber einem, das alle 400 Kilometer für mehrere Stunden geladen werden muss.

Das klingt nach einem sehr komplexen System. Wenn man an Brennstoffzellen denkt, denkt man oft an die Einzelkomponente. Sie liefern ein Gesamtsystem. Was bedeutet das genau?

Kai Weeber
Wir liefern ein Antriebssystem, unser Fuel Cell Power Module. Das ist ein Komplettsystem mit einer Schnittstelle zum Lkw, das nur Wasserstoff und Luft als Input benötigt, sowie Strom als Output liefert – neben Abwärme und Wasser als Überbleibsel. Es enthält die Brennstoffzelle selbst, beziehungsweise mehrere hundert davon zu einem Stack gestapelt, und alle zugehörigen Komponenten wie Lüfter, Kompressoren, Befeuchter, Sensoren und Steuergeräte. Durch unsere Entwicklung aus einer Hand erreichen wir eine hohe Qualität und Lebensdauer des Systems. Zudem spart es dem Lkw-Hersteller Entwicklungsaufwand und beschleunigt die Markteinführung. Hersteller können das System nehmen und in ihre Lkw einbauen, dort, wo normalerweise der Dieselmotor sitzt.

Pierre Andrieu
Unsere Rolle ist die eines Systemintegrators. Wir haben das Know-how für alle Komponenten und können sie optimal im Gesamtsystem aufeinander abstimmen. So erzielen wir hohe Robustheit und Effizienz über die gesamte Lebensdauer.

Eine Brennstoffzelle liefert Strom und Wärme. Wird die Wärme genutzt?

Christoffer Uhr
Ja, die Abwärme kann genutzt werden, um den Fahrgastraum des Lkw zu heizen. Im Winter ist das ein großer Vorteil.

Ist das System auch für andere Anwendungen denkbar, nicht nur für Lkw?

Christoffer Uhr
Absolut. Alle Anwendungen, die eine lange Betriebszeit erfordern, hohe Lasten transportieren müssen oder eine schnelle Betankung brauchen, sind prädestiniert. Dazu gehören etwa Busse, Gabelstapler, aber auch stationäre Generatoren, die zum Beispiel im Katastrophenschutz oder in Rechenzentren eingesetzt werden können.

Kai Weeber
Die Brennstoffzelle ist eine ideale Lösung für Anwendungen, bei denen Batterien heutiger Technik zu schwer wären oder die Reichweite nicht ausreicht. Im Schienenverkehr gibt es bereits Prototypen, auch für Schiffe sind unsere Module denkbar.

Wo haben Sie die Module zuerst eingesetzt? Bei welchen Kunden oder Testanwendungen?

Christoffer Uhr
Der erste Kunde war ein US-Start-up. Die ersten Module wurden im Frühjahr 2021 für Testfahrzeuge geliefert. Parallel dazu haben wir auch mit anderen Lkw-Herstellern in Europa und Asien Gespräche geführt sowie Muster für Prototypen geliefert, die zum Teil heute auf der Straße sind.

Was war die größte technische Herausforderung bei der Entwicklung des Fuel Cell Power Modules?

Pierre Andrieu
Die größte Herausforderung war, die einzelnen Komponenten in ein kompaktes, robustes und langlebiges System zu integrieren, das den harten Bedingungen im Lkw-Betrieb standhält – von großer Hitze bis zu extremen Vibrationen. Die Kühlung war ein zentrales Thema.

Kai Weeber
Auch die Systemsteuerung war extrem komplex. Das Fuel Cell Power Module muss sich je nach Einsatzfall unterschiedlich verhalten: in der Wüste anders als in den Alpen. Wir mussten Algorithmen entwickeln, die das System intelligent steuern, um maximale Effizienz und Lebensdauer zu erreichen. Die Anbindung an die Fahrzeugsteuerung war auch eine große Aufgabe.

Christoffer Uhr
Die Skalierung von Laborversuchen auf Industriemaßstab war ebenfalls nicht zu unterschätzen. Was im Labor funktioniert, muss dann auch in der Serienproduktion zuverlässig sein. Wir haben viele Tests und Simulationen durchgeführt, um hohe Robustheit zu gewährleisten.

Kann man sagen, dass es sich um eine Art modularen Baukasten handelt, den Sie anbieten?

Christoffer Uhr
Ja, genau. Wir bieten verschiedene Fuel Cell Power Module an, die sich in Leistung und Größe unterscheiden und je nach Anwendung skaliert werden können. Das ermöglicht unseren Kunden eine hohe Flexibilität. Wir haben in Bamberg eine Brennstoffzellen-Fertigung aufgebaut. Die Kernkomponente, der so genannte Stack, wird dort gefertigt. Das Fuel Cell Power Module wird dann in Stuttgart-Feuerbach montiert. Wir haben die Produktion bewusst in Deutschland angesiedelt, um unser Know-how zu sichern, hohe Qualitätsstandards zu gewährleisten und perspektivisch Arbeitsplätze zu sichern.

Pierre Andrieu
Die Produktionsprozesse entsprechen dem Automotive-Standard und sind auf Qualität optimiert. Das ist ein großer Vorteil gegenüber kleineren Akteuren, die oft alles noch mit Handarbeit fertigen.

Welche Rolle spielt die Verfügbarkeit von Wasserstoff-Infrastruktur für den Erfolg?

Kai Weeber
Die Verfügbarkeit von Wasserstoff, idealerweise grünem Wasserstoff, und einer entsprechenden Tankstelleninfrastruktur ist entscheidend für den Markthochlauf. Wir arbeiten eng mit Partnern in der Energiebranche zusammen, um den Aufbau dieser Infrastruktur zu beschleunigen. Es ist ein Henne-Ei-Problem: ohne Fahrzeuge keine Tankstellen, ohne Tankstellen keine Fahrzeuge. Aber die Politik unterstützt den Aufbau – auch wenn wir uns mehr Tempo wünschen würden.

Christoffer Uhr
Wir sehen uns als Teil eines Ökosystems und engagieren uns in Initiativen wie Hydrogen Europe und im Hydrogen Council, um die Infrastruktur voranzutreiben. Nicht nur das: Bosch bietet technische Lösungen entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette – von der Erzeugung über die Speicherung bis hin zur Nutzung. Bosch investiert viel, um den Wandel hin zu einer Wasserstoff-Wirtschaft zu beschleunigen.

Gab es unerwartete Hürden?

Christoffer Uhr
Die Lieferkettenprobleme während Corona und ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine waren große Hürden, die zu Engpässen und Verzögerungen führten.

Pierre Andrieu
Die Zusammenarbeit mit Kunden in verschiedenen Regionen der Welt mit unterschiedlichen Anforderungen war ebenfalls komplex. Wir mussten unsere Lösungen anpassen und gleichzeitig einen Standard beibehalten.

Ist die Brennstoffzelle die Zukunft für den Lkw-Verkehr?

Christoffer Uhr
Ja, absolut. Für den Schwerlastverkehr und Langstreckentransport ist die Brennstoffzelle die beste Lösung. Batterien heutiger Technik sind zu schwer und die Ladezeiten zu lang.

Kai Weeber
Wasserstoff ist der Energieträger der Zukunft. Er ermöglicht eine flächendeckende Dekarbonisierung nicht nur des Transportsektors und bietet die notwendige Flexibilität für die Speicherung Erneuerbarer Energien. Wir sehen eine Ko-Existenz von Batterie- und Brennstoffzellen-Antrieben im Lkw.

Inwiefern spielt das Thema Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit bei Ihrem Produkt eine Rolle?

Christoffer Uhr
Das ist ein zentrales Thema. Wir haben das System von Anfang an so konzipiert, dass es langlebig ist und die Komponenten am Ende ihres Lebenszyklus recycelt werden können. Zum Beispiel gewinnen wir Edelmetalle wie Platin, die in der Brennstoffzelle verwendet werden, zurück und verwenden sie wieder.

Kai Weeber
Kreislaufwirtschaft ist ein Muss für zukünftige Produkte. Wir arbeiten eng mit Recyclingspezialisten zusammen, um sicherzustellen, dass unsere Module nachhaltig sind. Auch der digitale Zwilling – also ein datenbasiertes Abbild des Fuel Cell Power Module im virtuellen Raum – hilft uns, die Lebensdauer zu optimieren, das System sinnvoll weiterzuentwickeln und den Ressourceneinsatz zu minimieren.

Glauben Sie, dass die Politik ausreichend viel tut, um die Wasserstoffwirtschaft voranzutreiben?

Christoffer Uhr
Die Politik hat die Chancen des Wasserstoffs erkannt und ist grundsätzlich auf dem richtigen Weg. Beschlossene Maßnahmen wie der Bau des Wasserstoffkernnetzes in Deutschland und Europa oder die Umsetzung der Alternative Fuels Infrastructure Regulation (AFIR) müssen konsequent weiterverfolgt werden.

Kai Weeber
Es ist wichtig, dass die Politik eine klare und langfristige Strategie für Wasserstoff entwickelt, um Investitionssicherheit zu gewährleisten und Rahmenbedingungen für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu schaffen. Wir brauchen ein schnelles Handeln, um die Klimaziele zu erreichen.

Was sind die nächsten Schritte für das Fuel Cell Power Module?

Pierre Andrieu
Wir arbeiten intensiv daran, die Serienproduktion hochzufahren und die Kosten weiter zu senken. Das gelingt am besten, indem wir Skaleneffekte über die Fertigung hoher Stückzahlen erzielen. Wir wollen das Fuel Cell Power Module für eine breite Palette von Anwendungen verfügbar machen.

Christoffer Uhr
Wir entwickeln das System kontinuierlich weiter, um die Effizienz zu steigern und die Leistung zu optimieren. Es gibt noch viel Potenzial für Innovationen im Bereich Brennstoffzellen. Da sind wir ganz vorne dabei.

Kai Weeber
Genau, schon heute halten wir mehr als 2.000 Patente im Bereich Brennstoffzelle. Unsere Forschung konzentriert sich bereits auf die nächste Generation von Brennstoffzellen-Stacks und die Integration neuer Materialien, um die Leistungsdichte und Lebensdauer weiter zu erhöhen.

Wenn Sie auf die letzten Jahre zurückblicken, was ist besonders in Erinnerung geblieben oder was möchten Sie noch teilen?

Christoffer Uhr
Für mich war die Arbeit an diesem Projekt eine unglaublich intensive und spannende Zeit – und sie ist es immer noch. Die Zusammenarbeit mit so vielen verschiedenen Bereichen und Disziplinen bei Bosch und externen Partnern bleibt herausfordernd, ist zugleich aber auch sehr bereichernd. Es ist ein tolles Gefühl, an etwas zu arbeiten, das wirklich einen Unterschied für Umwelt und Gesellschaft machen kann. Ich bin stolz auf das, was wir als Team erreicht haben, und auf die positive Resonanz, die wir erhalten.

Pierre Andrieu
Die Komplexität des Projekts und die Notwendigkeit, ständig neue Lösungen zu finden, waren enorm. Es gab viele Momente, in denen wir an unsere Grenzen gestoßen sind, aber der Teamgeist und der Glaube an die Technologie haben uns immer wieder angetrieben und die richtigen Lösungen finden lassen. Es ist faszinierend zu sehen, wie aus einer Idee ein reales Produkt wird, das die Welt verändern kann. Das ist eine unvergessliche Erfahrung.

Kai Weeber
Die Transformation der Industrie hin zu nachhaltigen Lösungen ist eine riesige Aufgabe, und ich bin dankbar, daran mitarbeiten zu können. Es geht nicht nur um Technologie, sondern auch um die Veränderung von Denkmustern. Die positive Resonanz auf unsere Arbeit zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es ist ein Privileg, an einer Zukunft mitzuarbeiten, in der Energie regenerativ und verfügbar ist. Ich bin optimistisch, dass wir die Herausforderungen meistern werden.

Was machen Sie, wenn Sie sich nicht mit der Forschung beschäftigen oder mit den täglichen Arbeiten an Ihren neuen Produktfeldern. Was nutzen Sie, um sich zu entspannen?

Pierre Andrieu
Also ich jogge sehr gern und sehr lang, also Halbmarathon und auch in den Bergen. Und ich spiele Tischtennis in einer Mannschaft. Wir sind dieses Jahr aufgestiegen und spielen nächstes Jahr in der Landesliga.

Kai Weeber
Ich habe ein E-Bike als Mountainbike und wohne hier ein bisschen außerhalb von Stuttgart. Das heißt, wenn ich in die eine Richtung fahre, bin ich relativ schnell in Stuttgart. Wenn ich in die andere Richtung fahre, kommt der Nordschwarzwald, wo man dann auch ganz passable Strecken mit dem Mountainbike fahren kann. Insbesondere solche, die man früher mit dem puren Mountainbike nicht gefahren wäre, weil es zu anstrengend gewesen wäre [lacht].

Christoffer Uhr
Ich habe tatsächlich am Wochenende ein Heavy-Metal-Festival sausen lassen, weil ich am Montag fit aussehen wollte [lacht]. Ansonsten spiele ich Tennis, auch in einer Mannschaft. Und mit der Familie gehe ich gern wandern, Gipfel erklimmen. Interessanterweise machen da meine Kinder immer noch mit, aber nur, wenn es steil ist. Das macht allen Spaß und es ist schön, wenn man das als Familie machen kann.

Vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Details

Lebensläufe

Dipl.-Ing. Christoffer Uhr

24.12.1969

Geboren in Jugenheim (Kreis Bergstraße)

1990 – 1995

Studium Allgemeiner Maschinenbau an der TH Karlsruhe

1995 – 2001

Entwicklungsingenieur Reihenpumpe und Common-Rail Pumpe, Robert Bosch GmbH, Stuttgart

2001 – 2006

Gruppenleiter Entwicklung Common-Rail Injektoren, Robert Bosch GmbH, Stuttgart

2006 – 2011

Abteilungsleiter Rail- und Injektorentwicklung, Robert Bosch AG, Linz (Österreich)

2011 – 2012

Produktmanager Common-Rail Injektoren, Robert Bosch GmbH, Stuttgart

2012 – 2020

Bereichsleiter Common-Rail Injektorentwicklung, Robert Bosch GmbH, Stuttgart

2020 – heute

Bereichsleiter Entwicklung Brennstoffzelle und Elektrolyse, Robert Bosch GmbH, Stuttgart

Patente

2000 – heute

5 Patentanmeldungen, davon 2 zum 10.07.2025 aktiv

Veröffentlichungen

2018

„Erneuerbare paraffinische Kraftstoffe – Vorreiter für E-Fuels?”, 2. Internationale Konferenz „FEV Zero CO2 Mobility“ in Aachen

2018

„Common-Rail Injektoren für Pkw- und Nfz-Dieselmotoren“, Dieselmotoren-Handbuch

2022

„Markteinführung des ersten Brennstoffzellensystems von Bosch”, 43. Internationales Wiener Motor Symposium

2022

„Heavy-Duty-Brennstoffzellensystem von Bosch – das Kraftpaket für Fernverkehrs-Lkw”, 31. Aachen Kolloquium Nachhaltige Mobilität

Weitere Aktivitäten

2025

Vorlesung „Power Solutions für CO2-neutrale Energieträger", FKFS Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren, Stuttgart

2024/2025

Vorträge an Gymnasien in Bruchsal zum Thema „Wasserstoff-Wirtschaft“

Dipl.-Ing. (FH) Kai Weeber

19.02.1970

Geboren in Leonberg (Kreis Böblingen)

1987 – 1991

Ausbildung Informationstechnologie, Siemens AG

1991 – 1993

Zivildienst

1993 – 1997

Studium Elektrotechnik Fachrichtung Regelungstechnik, Hochschule Heilbronn

1997 – 2000

Ingenieur für Fahrdynamikregelsysteme, Robert Bosch GmbH, Schwieberdingen

2001 – 2007

Projektleiter Fahrerassistenzsysteme, Robert Bosch GmbH, Leonberg

2007 – 2011

Gruppenleiter Systementwicklung Insassenschutzsysteme, Robert Bosch GmbH, Schwieberdingen

2011 – 2014

Forschungsgruppenleiter Wasserstofftechnologien, Robert Bosch GmbH, Schwieberdingen

2015 – heute

Portfolioleiter Chemical Energy Converters, Forschung und Vorausentwicklung, Robert Bosch GmbH, Renningen/DE, Wuxi/CN, Sunnyvale/US

Patente

2000 – heute

57 Patentanmeldungen, davon zum 10.07.2025 22 Patente aktiv

Veröffentlichungen (Auswahl)

2018

„Changes in Power Generation And Distribution And The Role of SOFC“, EFCF, Luzern

2020

„Solid Oxide Fuel Cell In a Changing Energy Landscape“, TU München

2021

„Die Bedeutung der mobilen Brennstoffzelle im Kontext der Energiewende“, Future Mobility Kongress, Stuttgart

2022

„Markteinführung des ersten Brennstoffzellensystems von Bosch”, 43. Internationales Wiener Motor Symposium

2023

„Hydrogen Economy: Electrolysis & Fuel Cells for Stationary and Road Based Applications”, VDI Forum, Ulm

Weitere Aktivitäten

 

Mitglied des Wasserstoffbeirats des Landes Baden-Württemberg
Kuratoriumsmitglied des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg, ZSW
Auditor nationaler Forschungseinrichtungen

Dipl.-Ing. Pierre Andrieu

17.01.1978

Geboren in Sainte Catherine-Les-Arras, Frankreich

1998 – 2001

Studium Allgemeiner Maschinenbau / Produktionstechnik an der École d’ingénieur ENSIAME – Universität Valenciennes, Frankreich
Master-Abschluss in Betriebswirtschaft, Unternehmensführung, Universität Valenciennes, Frankreich

2001 – 2006

Entwicklungsingenieur Pumpe-Düse-Einheit, Robert Bosch GmbH, Rommelsbach

2011

Zertifizierung „Project Management Professional“ (PMP), Project Management Institut (PMI)

2006 – 2012

Projektleiter Entwicklung Common-Rail Injektor, Robert Bosch GmbH, Stuttgart

2013 – 2018

Plattform Projektleiter Entwicklung Common-Rail Injektor, Robert Bosch GmbH, Stuttgart

2018 – 2021

Gruppenleiter Entwicklung Common-Rail Injektor für Kundenprojekte in Europa, Robert Bosch GmbH, Stuttgart

2021 – heute

Projekt- / Abteilungsleiter für Plattform- / Kunden-Projekte Brennstoffzelle, Robert Bosch GmbH, Stuttgart

Patente

2010

WO2010000507A1 – Magnetventil, Kraftstoffinjektor und Verfahren zur Herstellung

Auszeichnungen

2022

Bosch Innovation Award für Fuel Cell Power Modul (FCPM)

Kontakt

Koordination und Pressekontakt

Jörn Ebberg
Robert Bosch GmbH
External Communications
Postfach 10 60 50
70049 Stuttgart
Mobil: +49 (0) 172 / 57 31 347
E-Mail: Joern.Ebberg@de.bosch.com
Web: www.bosch.com

Sprecher

Christoffer Uhr
Robert Bosch GmbH
Power Solutions
Postfach 30 02 20
70442 Stuttgart
Mobil: +49 (0) 172 / 81 89 628
E-Mail: Christoffer.Uhr1@de.bosch.com
Web: www.bosch.com

Beschreibung der Institute und Unternehmen zu ihren nominierten Projekten

Kraftpaket fürs Klima – Fernverkehr-Lkw mit Wasserstoff elektrisch betreiben

Der Klimawandel ist weltweit die größte Herausforderung unserer Zeit. Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO2) verursachen die zunehmende Erwärmung der Erde. Neben Industrie und Gebäuden gehört der Straßenverkehr zu den Hauptverursachern von CO2. Zugleich ist der Waren- und Gütertransport auf der Straße das Rückgrat der Weltwirtschaft und nimmt weiter zu. Das Bosch-Entwicklerteam Christoffer Uhr, Kai Weeber und Pierre Andrieu hat mit dem Fuel Cell Power Module (FCPM) – zu Deutsch: Brennstoffzellen-Antriebssystem – eine Lösung für den CO2-freien Betrieb von Lkw mit Wasserstoff entwickelt, die weltweit zum Einsatz kommen kann.

Das FCPM wandelt Wasserstoff und Sauerstoff auf Basis der sogenannten PEM-Technik, Protonen-Austausch-Membran, in Strom. Damit kann ein 40 Tonnen schwerer Lkw souverän elektrisch betrieben werden. Übrig bleibt neben Abwärme nur reines Wasser – keine Schadstoffe, kein CO2. Das Antriebsmodul ist so konstruiert, dass es in den Bauraum eines Lkw passt, wo bisher der in mehr als 95 Prozent aller Nutzfahrzeuge genutzte Dieselmotor verbaut ist. Das ist vorteilhaft und kostengünstig für Lkw-Hersteller. Sie können auf vorhandene Fahrzeug-Plattformen zurückgreifen.

Auch Spediteure und Logistiker profitieren. Denn das FCPM erlaubt ihnen den Einsatz eines Lkw wie sie es von der Diesel-Technik gewohnt sind: hohe Robustheit und Lebensdauer des Systems ein Fahrzeugleben lang, kurze Betankungszeiten mit Wasserstoff von rund 20 Minuten für hohe Reichweiten von bis zu 1000 Kilometern. Hinzukommt ein nahezu flüsterleiser Betrieb ohne Vibration sowie die Gewissheit, alle heutigen und künftigen Klimavorgaben einhalten zu können.

Das Herz des Antriebssystems sind die Brennstoffzellen. Auf den ersten Blick wirken diese eher unscheinbar. Sie sind in etwa nur so groß wie ein Standard-Briefumschlag und wiegen weniger als 100 Gramm. Um jedoch ein schweres Nutzfahrzeug anzutreiben, werden mehrere hundert Brennstoffzellen benötigt. Diese werden in einem Stapel, dem sogenannten Stack, miteinander verbunden – und sorgen für eine elektrische Gesamtleistung von mehr als 100 Kilowatt. Je nach Anforderung sind in einem Brennstoffzellen-Antriebssystem zwei Stacks verbaut, sodass sich eine Systemleistung von über 200 Kilowatt ergibt.

Beim FCPM hat Bosch auf das Wissen aus jahrzehntelanger Forschungs- und Entwicklungsarbeit von Komponenten für den Antriebsstrang zurückgegriffen. Das Vorentwicklungsprojekt zum heutigen Antriebsmodul hat bereits 2014 gestartet. Und Bosch nutzt auch sein geballtes Fertigungs-Know-how. So soll auch langfristig mehr als die Hälfte der Wertschöpfung im eigenen Haus entstehen, und der Sondermaschinenbau von Bosch deckt mehr als 50 Prozent der Fertigungsausrüstung ab. Ein Wissenstransfer erfolgt etwa auch bei Montage-, Prüfungs-, Beschichtungs- und Laserschweißtechnik. Bestehend aus mehr als tausend Einzelteilen und mit rund 500 Kilogramm Gewicht ist das FCPM das komplexeste System, das Bosch in seiner fast 140-jährigen Historie je entwickelt hat. Die Serienfertigung ist Mitte 2023 in Stuttgart-Feuerbach sowie zeitlich etwas nachfolgend im chinesischen Chongqing gestartet. Bei der Fertigung mobiler Brennstoffzellen-Systeme kommt unter anderem das Highspeed-Laserschweißen zum Einsatz. Das eingesetzte Verfahren stammt aus der Injektor-Produktion. Damit werden in jedem Stack 1,2 Kilometer an Schweißnähten wasserstoffdicht gemacht – das gibt es so nur bei Bosch.

Neben dem Stack enthält das System viele weitere Komponenten, darunter unter anderem ein Wasserstoff-Dosierventil, eine Wasserstoff-Rezirkulationspumpe sowie einen elektrischen Luftverdichter, die Wasserstoff beziehungsweise Luftsauerstoff in die Brennstoffzellen befördern. Dort kann eine Reaktion der Moleküle erfolgen – und somit elektrische Energie entstehen. Der Strom treibt zum einen direkt den Elektromotor des Fahrzeugs an, zum anderen wird er in einer Pufferbatterie gespeichert. Im Gegensatz zu den schweren Energiespeichern in rein batterieelektrischen, schweren Nutzfahrzeugen wiegt die Batterie in einem Brennstoffzellen-Lkw deutlich weniger. Insgesamt ist ein schwerer Lkw mit Brennstoffzellenantrieb rund 4 Tonnen leichter als ein vergleichbares Nutzfahrzeug mit Batterietechnik nach heutigem Stand – das wirkt sich positiv auf die zur Verfügung stehende Nutzlast des Lkw aus. Nicht zu vergessen: Anders als bei Batterien kommen beim Bau des FCPM kaum kritische Rohstoffe zum Einsatz.

Weltweit ist das FCPM bereits in mehreren tausend Lkw auf der Straße. Vor allem in Europa und Nordamerika hängt der weitere Hochlauf von den politischen Weichenstellungen für den raschen Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft ab. Die im Betrieb befindlichen Systeme fahren derweil Daten für die weitere Entwicklung ein. Das FCPM existiert nämlich zweimal: real sowie als Digitaler Zwilling im virtuellen Raum. Damit erhebt Bosch gezielt Informationen zu unter anderem Temperatur, Druckverlauf, Verschleiß – und zieht daraus wichtige Erkenntnisse, die bereits in die Entwicklung der zweiten Generation eingeflossen sind.

Das FCPM ist nicht nur eine Automotive-Komponente. Es ist ein Baustein für die dringend benötigte Wasserstoff-Wirtschaft. Solange weltweit Handel betrieben, Waren und Güter über Ländergrenzen und Kontinente hinweg transportiert werden, braucht es einen chemischen Energieträger. Aus Sicht von Bosch ist Wasserstoff dafür prädestiniert. Wasserstoff lässt sich überall klimaneutral herstellen, er kann überschüssige erneuerbare Energie speichern und lässt sich transportieren – per Pipeline, Schiff oder Lkw.

Auch Schiffe können mit dem FCPM angetrieben oder etwa Rechenzentren mit regenerativem Strom versorgt werden. Bosch nutzt die für das FCPM entwickelte Technik der Protonen-Austausch-Membran auch für andere Lösungen. So hat das Unternehmen das Prinzip der Brennstoffzelle umgekehrt. Statt aus Wasser- und Sauerstoff Strom zu erzeugen, bietet das Unternehmen auch Technik für Elektrolyseure an, die aus Wasser und erneuerbarem Strom Wasserstoff herstellen – klimaschonend, ganz ohne CO2.

Über die Bosch-Gruppe
Die Bosch-Gruppe ist ein international führendes Technologie- und Dienstleistungsunter-nehmen mit weltweit rund 418 000 Mitarbeitenden (Stand: 31.12.2024). Sie erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2024 einen Umsatz von 90,3 Milliarden Euro. Die Geschäftsaktivitäten gliedern sich in die vier Unternehmensbereiche Mobility, Industrial Technology, Consumer Goods sowie Energy and Building Technology. Mit seiner Geschäftstätigkeit will das Unternehmen übergreifende Trends wie Automatisierung, Elektrifizierung, Digitalisierung, Vernetzung sowie die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit technologisch mitgestalten. Die breite Aufstellung über Branchen und Regionen hinweg stärkt die Innovationskraft und Robustheit von Bosch. Mit seiner ausgewiesenen Kompetenz bei Sensorik, Software und Services ist das Unternehmen in der Lage, Kunden domänenübergreifende Lösungen aus einer Hand anzubieten. Zudem setzt Bosch sein Know-how in den Bereichen Vernetzung und künstliche Intelligenz ein, um intelligente, nutzerfreundliche und nachhaltige Produkte zu entwickeln und zu fertigen. Bosch will mit „Technik fürs Leben“ dazu beitragen, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern und natürliche Ressourcen zu schonen. Die Bosch-Gruppe umfasst die Robert Bosch GmbH sowie ihre rund 490 Tochter- und Regionalgesellschaften in mehr als 60 Ländern. Inklusive Handels- und Dienstleistungspartnern erstreckt sich der weltweite Fertigungs-, Entwicklungs- und Vertriebsverbund von Bosch über fast alle Länder der Welt. Basis für künftiges Wachstum ist die Innovationskraft des Unternehmens. Bosch beschäftigt weltweit rund 87 000 Mitarbeitende in Forschung und Entwicklung an 136 Standorten.

Das Unternehmen wurde 1886 als „Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik“ von Robert Bosch (1861–1942) in Stuttgart gegründet. Die gesellschaftsrechtliche Struktur der Robert Bosch GmbH sichert die unternehmerische Selbstständigkeit der Bosch-Gruppe. Sie ermöglicht dem Unternehmen langfristig zu planen und in bedeutende Vorleistungen für die Zukunft zu investieren. Die Kapitalanteile der Robert Bosch GmbH liegen zu 94 Prozent bei der gemeinnützigen Robert Bosch Stiftung GmbH. Die übrigen Anteile halten eine Gesellschaft der Familie Bosch und die Robert Bosch GmbH. Die Stimmrechte liegen mehrheitlich bei der Robert Bosch Industrietreuhand KG. Diese hat die durch den Firmengründer Robert Bosch testamentarisch verfügte Aufgabe, für den langfristigen Bestand des Unternehmens und speziell für dessen finanzielle Unabhängigkeit zu sorgen.

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