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Nominiert 2025

Sehkorrektur für Millionen Menschen

Sehkorrektur für Millionen Menschen – ultrakurze Lichtimpulse ermöglichen minimal-invasives Augenlaserverfahren

Dr. Mark Bischoff (Sprecher)
Dr. Gregor Stobrawa
Dirk Mühlhoff

(v.l.n.r.) Dirk Mühlhoff, Dr. Mark Bischoff, Dr. Gregor Stobrawa

Sehen – für viele von uns ist es der wichtigste Sinn. Über unsere Augen erfassen wir die Welt, finden Orientierung, reagieren auf Gefahren und erleben Schönheit. Unsere Augen sind wahre Meisterwerke der Evolution – und doch: Milliarden Menschen sind kurz- oder weitsichtig, manche sogar stark fehlsichtig. Viele brauchen Unterstützung, damit sie das Potenzial ihrer Augen nutzen können. Brillen und Kontaktlinsen helfen – doch sie können als hinderlich oder unangenehm empfunden werden. So ist der Gedanke, das Auge selbst und damit das Sehen nachhaltig zu korrigieren, weder überraschend noch neu. Aber was muss eigentlich am Auge korrigiert werden, damit Menschen ohne Hilfsmittel scharf sehen können?

Im Idealfall ist unser Auge ein fein abgestimmtes optisches System, das mit Präzision funktioniert: Licht gelangt zunächst auf die Hornhaut des Auges, durchdringt dann die Linse und wird schließlich auf die Netzhaut projiziert. Dort wandeln die Sehzellen das Licht in Nervenimpulse um. Diese Impulse werden über den Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet, das die Informationen verarbeitet und in ein vollständiges Bild übersetzt. Stimmt die Geometrie des Auges nicht – weil der Augapfel etwa zu lang für die Krümmung der Hornhaut ist – entsteht ein unscharfes Bild. Brille oder Kontaktlinse gleichen das aus. Aber kann Fehlsichtigkeit auch minimalinvasiv und dauerhaft behoben werden?

Dr. rer. nat. Mark Bischoff, Dr. rer. nat. Gregor Stobrawa und Dipl.-Phys. Dirk Mühlhoff haben gemeinsam mit ihrem Team der Carl Zeiss Meditec AG genau das geschafft: Sie haben das minimalinvasive Verfahren der Lentikelextraktion und die dafür erforderliche hochpräzise Technologie entwickelt und damit die Augenlaserchirurgie revolutioniert.

Das vom Team entwickelte minimalinvasive Lentikelextraktionsverfahren ist heute die Alternative zur bekannten Laser-in-situ-Keratomileusis (LASIK): Beim LASIK-Verfahren wird mit einem chirurgischen Messer oder einem medizinischen Femtosekundenlaser ein sogenanntes „korneales Flap“ erzeugt. Dabei wird die oberste Schicht der Augenhornhaut teilweise gelöst und wie ein Deckel (engl. Flap) zur Seite geklappt. Mit einem zweiten medizintechnischen Gerät – dem Excimerlaser – wird in der darunterliegenden Schicht Gewebe abgetragen, das Flap anschließend zurückgeklappt und so die Brechkraft der Hornhaut korrigiert.

LASIK ist ein sicheres Verfahren. Durch den Flap-Schnitt werden jedoch viele oberflächliche Nerven durchtrennt, was die Sensibilität der Hornhaut vermindert, weshalb der Lidschlagreflex nicht mehr so gut funktioniert. Das kann zum „Trockenen Auge“ führen. Zudem wächst das Flap nie wieder fest an und kann noch lange Zeit nach der Operation durch mechanische Belastung (z. B. Augenreiben) verschoben werden.

Hier setzt die Innovation des Teams neue Maßstäbe, denn es hat das Verfahren und die dafür notwendige Technologie noch einmal ganz von vorne gedacht. Das Ergebnis: Ein Femtosekundenlaser-Keratom, das mit einem Gerät alle Schritte der Augenlaserkorrektur ermöglicht. Das Entwicklerteam kombinierte hierzu einen Femtosekundenlaser mit einer Hochleistungsoptik und einer modernen Computersteuerung. Das Medizingerät ist in der Lage, das zu entnehmende Gewebe ohne Verletzung der Oberfläche und innerhalb von weniger als 10 Sekunden im Inneren der Hornhaut präzise zu separieren und wie eine perforierte Briefmarke für die Entnahme vorzubereiten. Doch wie kann etwas im Inneren separiert werden, ohne die Oberfläche zu verletzen?

Das gelingt dank eines speziell dafür von ZEISS entwickelten Hochleistungsobjektivs und einer äußerst leistungsfähigen Laserstrahlsteuerung. Diese Technologie ermöglicht die sehr präzise Fokussierung von intensiven, aber extrem kurzen Laserpulsen im Inneren der Augenhornhaut, ohne die Oberfläche zu verletzen. Diese ultrakurzen Laserimpulse sind einige 100 Femtosekunden lang, also kürzer als ein Millionstel einer Millionstel Sekunde. Während dieser extrem kurzen Zeit beträgt ihre Leistung etwa ein Megawatt. Zum Vergleich: Das entspricht der Strahlungsleistung von 100.000 LED-Lampen und damit zweimal der Lichtleistung der Münchner Allianz Arena – ultrakurz und konzentriert auf einen Punkt, der 100-mal kleiner ist als der Durchmesser eines menschlichen Haars. Eine so präzise Fokussierung an jedem Raumpunkt der Hornhaut hat vorher noch niemand geschafft!

Durch die präzise Aneinanderreihung von Millionen solcher Fokuspunkte im Raum separiert der vom Team entwickelte, medizinische Femtosekundenlaser VISUMAX® ein linsenförmiges Gewebevolumen – das sogenannte Lentikel. Zunächst die Rückseite, dann die Vorderseite des Lentikels. Patientinnen und Patienten sehen und spüren davon nichts, denn die Wellenlänge des Laserlichts liegt im infraroten Spektralbereich. Im letzten Schritt erzeugt das Lasergerät eine zwei Millimeter kleine Inzision, durch die die Chirurgin oder der Chirurg das Lentikel entnimmt. Die Hornhautvorderseite ändert dadurch ihre Form und das bewirkt die beabsichtigte Brechkraftkorrektur – sicher, präzise und ohne Flap, also ohne unnötige Schnitte in der Augenhornhaut. Nebenwirkungen wie die des „Trockenen Auges“ werden deutlich verringert und das Risiko einer Flap-Verschiebung durch mechanische Einwirkung ist praktisch ausgeschlossen.

Die von ZEISS entwickelte Technologie basiert auf dem Chirped Pulse Amplification Prinzip (CPA), für das Donna Strickland und Gerard Mourou im Jahr 2018 den Nobelpreis für Physik erhalten haben. Dem Team um Mark Bischoff, Gregor Stobrawa und Dirk Mühlhoff ist es erstmals gelungen, das CPA-Prinzip in der Augenheilkunde so anzuwenden, dass man für eine Fehlsichtigkeitskorrektur ausschließlich einen medizinischen Femtosekundenlaser braucht. Das von ihnen entwickelte Lentikelextraktionsverfahren ist inzwischen unter dem Namen SMILE® weltweit bekannt.

Vom Projektstart bis zur klinischen Zulassung des Behandlungsverfahrens in Europa hat es zehn Jahre gedauert. Seitdem hat die SMILE® Technologie die refraktive Chirurgie weltweit revolutioniert. Inzwischen praktizieren Chirurginnen und Chirurgen in mehr als 80 Ländern das mininmalinvasive Lentikelextraktionsverfahren. ZEISS ist auf dem Gebiet der Lasersehkorrektur heute Weltmarktführer und erzielt damit jährlich mehr als eine halbe Milliarde Euro Umsatz. Mehr als 300 Kolleginnen und Kollegen in Jena und Berlin entwickeln und produzieren die medizinischen Lasergeräte und sterilen Verbrauchsgüter.

Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht den enormen Bedarf für die Technologie: Jedes Jahr erreichen weltweit mehr als 50 Millionen Menschen mit korrekturbedürftiger Fehlsichtigkeit das Erwachsenenalter. Für diese Menschen, deren Anteil durch verschiedene Faktoren weltweit zunimmt, birgt die Innovation des Teams eine große Chance auf unbeschwertes Sehen und damit eine Verbesserung ihrer Lebensqualität.

Es erfüllt mich mit Stolz, zu wissen, dass wir die Augenlaserchirurgie revolutioniert haben und unzähligen Menschen zu besserem Sehen verhelfen konnten.

Dr. Mark Bischoff

Fragen an die Nominierten

Sehkorrektur für Millionen Menschen – ultrakurze Lichtimpulse ermöglichen minimalinvasives Augenlaserverfahren

Seit wann gibt es die Möglichkeit, Fehlsichtigkeit mittels Laser zu korrigieren?

Dirk Mühlhoff
Die Idee, Fehlsichtigkeit durch Gewebeentnahme in der Hornhaut zu korrigieren, reicht weit zurück und wurde bereits in den 1960ern ausprobiert. Excimerlaser kamen etwa Ende der 1980er Jahre zum Einsatz. Sie ermöglichten die Photorefraktive Keratektomie, kurz PRK. Auf diese erste Generation der Augenlaserkorrektur folgte die Laser-in-situ-Keratomileusis, kurz LASIK, die durch Schmerzfreiheit und schnelle Heilung populär wurde.

Gregor Stobrawa
Bei LASIK wird eine Hornhautlamelle, das sogenannte Flap, präpariert und zur Seite geklappt. Dieses Flap wurde ursprünglich mit einem mechanischen Messer, dem sogenannten Mikrokeratom, geschnitten. Obwohl ein Präzisionsinstrument, war es eine Quelle für Komplikationen, denn mitunter kam es zu Abweichungen bei der Dicke des Flaps, was einen Sicherheitsfaktor darstellen konnte. War es dicker als beabsichtigt, konnte die Stabilität der Hornhaut beeinträchtigt sein. Hier kam erstmals der Femtosekundenlaser ins Spiel, der diese Lamelle als „Flap-Schneider" präziser erzeugen konnte.

War das der Impuls für Ihren Innovationsprozess?

Dirk Mühlhoff
Ja, der erste Impuls kam durch Studien zum femtosekundenbasierten Flap-Schneiden. Es wurde klar, dass sich eine neue Technologie für die Augenchirurgie entwickelte, die mehr Potenzial bot. Anfänglich gab es jedoch große Skepsis, besonders aus kommerzieller Sicht: Ein mechanisches Mikrokeratom kostete $50.000, während ein Femtosekundenlaser eines Start-ups $500.000 kostete und auch pro Augenbehandlung teurer war. Nur Wenige glaubten an den kommerziellen Erfolg.

Mark Bischoff
Der Durchbruch der Femtosekundenlaser für das Schneiden des Flaps gelang durch die wahrgenommene und objektive Sicherheit. Mechanische Messer konnten Flap-Dicken nur begrenzt genau herstellen, was zu Komplikationen führen konnte. Femtosekundenlaser hingegen konnten Flaps extrem präzise schneiden, was einen objektiven Sicherheitsgewinn darstellte.

Allerdings hatten frühe Femtosekundenlaser andere Nebenwirkungen wie post-operative Lichtempfindlichkeit der behandelten Augen, da die Technologie noch nicht ausgereift war. Die Laserpulse waren zu lang und die Fokussierung unzureichend, was zu hoher Strahlungsbelastung und Entzündungen führen konnte.

Gregor Stobrawa
Uns war klar, dass wir das besser machen mussten.

Welche spezifischen Unterschiede in der Funktionsweise, den physikalischen Prinzipien und den Anwendungsbereichen bestehen zwischen Femtosekundenlasern und Excimerlasern?

Dirk Mühlhoff
Excimerlaser arbeiten mit ultraviolettem Licht, das oberflächlich absorbiert wird, wodurch Material verdampft. Dies funktioniert wie eine optische Fräse und ist sehr gut, aber nicht für Schnitte im Inneren des Hornhautvolumens. Um im Volumen zu schneiden, benötigt man Infrarotlicht, das transparent durch die Hornhaut dringt.

Gregor Stobrawa
Die Lösung ist, einen Femtosekundenlaser zu verwenden. Der Vorteil liegt in der extrem kurzen Pulsdauer von Femtosekunden (10-15 Sekunden). Obwohl einzelne Infrarot-Photonen wenig Energie haben und normalerweise nicht absorbiert werden, können bei hoher Leistungsdichte im Fokus viele Photonen gleichzeitig wirken. Dies führt zur „Multi-Photonen-Absorption" – einer Interaktion, die nur im Laserfokus stattfindet und dort die chemischen Bindungen auflöst.

Mark Bischoff
Diese hohe Leistungsdichte durch ultrakurze, fokussierte Laserimpulse führt jeweils zu einem „optischen Durchbruch", der das Material auflöst und ein kleines Gasbläschen erzeugt. Die einzelnen Gasbläschen werden in Linien aneinandergereiht und diese Linien dann zu Schnittflächen. So kann man im Inneren der Hornhaut Gewebe trennen, ohne die Oberfläche oder die Umgebung zu beschädigen.

Gregor Stobrawa
Jede dieser Schnittflächen besteht aus Millionen von Mikroexplosionen, die einen perforierten Rand erzeugen, ähnlich wie bei einer Briefmarke. Zwischen zwei solchen Schnittflächen entsteht ein linsenförmiges Volumen, das sogenannte Lentikel, das chirurgisch entfernt werden kann. Hornhautgewebe ist zwar transparent, aber extrem fest, sodass selbst eine wenige Mikrometer dünne Schicht stabil bleibt.

Warum ist es Ihnen gelungen, ein solches Lentikel zu schneiden?

Gregor Stobrawa
Das gekrümmte Patienten-Interface war eine wichtige Neuerung, um ein Lentikel präzise ausschneiden zu können. Es ermöglichte die exakte dreidimensionale Positionierung im Gewebe und die extrem genaue Ansteuerung der Laserpulse. Hier spielte die Stärke von ZEISS in der Optik-Technologie eine entscheidende Rolle, die den Bau des optischen Systems für unseren VISUMAX® Femtosekundenlaser ermöglichte.

Mark Bischoff
Wichtig ist, dass bei dem Lentikelextraktionsverfahren alle notwendigen Schnitte von hinten nach vorn erzeugt werden, weil sonst die Gasbläschen den Laserstrahl behindern. Deshalb wird der Zugangsschnitt, durch den das Lentikel chirurgisch entfernt wird, vom Femtosekundenlaser zuletzt erzeugt.

Sie haben also nicht nur einen Flap-Schneider entwickelt, sondern ein völlig neues Verfahren für die Augenlaserchirurgie?

Dirk Mühlhoff
Richtig, und es begann mit der Entwicklung von FLEx, dem ersten Verfahren der Lentikelextraktion. Es war eine LASIK-Imitation per Femtosekundenlaser, bei der Flap und Lentikel bereits in einem Zug geschnitten wurden: Das Flap wurde geöffnet, das Lentikel abgelöst und das Flap wieder geschlossen.

Wir näherten uns dann mit immer kleinerem Öffnungsschnitt iterativ dem jetzigen Verfahren der Lentikelextraktion, die durch eine sehr kleine Inzision erfolgt. Heute verdrängt SMILE® die LASIK zunehmend, denn als minimalinvasives Verfahren verkürzt es den Prozess für Arzt und Patient und verringert Komplikationen. Obwohl chirurgisch anspruchsvoller, wird SMILE® für die Möglichkeit, Fehlsichtigkeit minimalinvasiv zu korrigieren, von Ärztinnen und Ärzten geschätzt.

Was waren die Herausforderungen während des Innovationsprozesses?

Mark Bischoff
Die technische Herausforderung lag nicht nur in der Idee, sondern in der Umsetzung, die präzise Optik, kurze Laserpulse und exakte Ansteuerung erforderte. Aber es gab auch organisatorische Herausforderungen: Es gab interne Widerstände, da viele glaubten, die Technologie würde niemals präzise genug sein. Es wurde auf die etablierte Excimerlaser-Technologie von ZEISS verwiesen und die scheinbar unzureichende Präzision früherer Femtosekundenlaser.

Dirk Mühlhoff
Trotz dieser Skepsis konnten wir ab 2002 Ressourcen für ein Entwicklungsprojekt gewinnen. Wir kamen gut voran, aber das Projekt war komplexer als alle bisherigen. Einen Wendepunkt gab es 2005, als wir vor der Entscheidung standen, das Projekt aus Kostengründen einzustellen. Wir entschieden uns, das Konzept einem Arzt, Dr. Jon Dishler aus Denver, USA, vorzustellen.

Sollte er die medizinische Machbarkeit oder die kommerzielle Nutzbarkeit bewerten?

Dirk Mühlhoff
Beides. Er sollte beurteilen, ob niedergelassene Ärzte das System anschaffen würden, basierend auf schnellerer Behandlung und Patientensicherheit. Als etablierter Refraktivchirurg kannte er den Markt. Wir zeigten ihm in unserem Labor, wie er Lentikel, die mit unserem VISUMAX® Femtosekundenlaser und unserer SMILE® Technologie erzeugte wurden, aus Modellaugen extrahieren konnte. Nach zwei Tagen in Jena verabschiedete er sich mit den Worten: „Thank you, Dirk. Today I saw the future." Das war das grüne Licht für die Weiterführung unseres Projekts.

Ärzte konnten Sie offensichtlich überzeugen. Doch wie stand ZEISS selbst zu dieser neuen Technologie? Waren die Teams skeptisch, obwohl man seit den 1990er Jahren schon im Bereich Augenlaserchirurgie aktiv war?

Dirk Mühlhoff
In den 2000er Jahren schrumpfte der Markt für Augenlaserchirurgie, besonders in den USA, dem damals größten Markt. Excimerlaser wurden zwar verkauft, aber wenig genutzt. Nur relativ wenige Menschen mit Fehlsichtigkeit entschieden sich für eine Laseroperation. ZEISS hatte einen modernen Excimerlaser im Portfolio, hatte weltweit einen Marktanteil von weniger als zehn Prozent und war zudem vom schrumpfenden Markt betroffen. Die Skepsis gegenüber der Femtosekundenlaser-Technologie war groß, nicht zuletzt auch, weil sie ein Risiko für das eigene Geschäft mit Excimerlasern darstellte. ZEISS scheute sich, eigene Produkte zu kannibalisieren.

Gregor Stobrawa
Es wurde intern oft die Frage gestellt, ob diese neue Technologie überhaupt gebraucht wird, ob sie ausreichend Präzision bietet und mehr kann, als Flaps zu schneiden. Wir hatten in dieser Zeit viele Diskussionen und oft stand die Fortführung des Projekts auf der Kippe. Doch wir haben es immer wieder geschafft, den Vorstand zu überzeugen, den nächsten Schritt zu gehen.

Dirk Mühlhoff
In der zweiten Hälfte der 2000er Jahre wuchs die Akzeptanz, als immer mehr Studien die sehr gute Reproduzierbarkeit der Femtosekundenlaser-Flaps belegen konnten. Es gab eine regelrechte „Femto-Manie" und viele refraktive Augenkliniken wollten einen Femtosekundenlaser haben. Das war der Impuls für ZEISS, die Technologie zu adaptieren und für das Schneiden von Flaps für LASIK-Behandlungen einzusetzen.

Was waren die Limitierungen der LASIK-Methode, die mit Ihrer Technologie überwunden werden konnten?

Dirk Mühlhoff
Die für die Femto-LASIK benötigte Kombination von Femtosekunden- und Excimerlaser im OP war komplex, teuer und langsam. Als Entwicklerteam waren wir überzeugt, dass das Herausschneiden eines Lentikels mit unseren technischen Möglichkeiten der richtige Ansatz war, weil das Lentikel minimalinvasiv unter der Oberfläche erzeugt werden und allein durch eine minimale Inzision extrahiert werden konnte. Mit unserer Technologie versuchten wir, den Excimerlaser überflüssig zu machen.

Was sind die konkreten Vorteile dieses minimalinvasiven Verfahrens?

Mark Bischoff
Es bietet postoperative Vorteile: Die Hornhaut bleibt biomechanisch stabiler als bei LASIK, wo der Flap anschließend nie vollständig zusammenwächst und sich durch größere mechanische Belastung, wie etwa Augenreiben, verschieben kann. Außerdem werden sehr viel weniger Nerven durchtrennt. Das erhält die Sensibilität der Augenhornhaut und der Lidschlagreflex wird kaum beeinträchtigt, was zu weniger trockenen Augen führt. Die zwei Millimeter kleine Inzision der SMILE® Technologie ist groß genug für die Chirurgen, um das Lentikel zu entfernen, aber klein genug für eine gute Heilung.

Dirk Mühlhoff
Der ZEISS VISUMAX mit ZEISS SMILE macht Menschen von Brillen und Kontaktlinsen unabhängig, wie frühere Laserverfahren auch schon. PRK war schmerzhaft und hatte eine lange Heilungsdauer. LASIK war besser, aber man braucht zwei Lasergeräte, einen Femtosekunden- und einen Excimerlaser. Dadurch war der Prozess langsamer und fehleranfälliger. Unsere Technologie ist die Lösung: Nur ein medizinischer Femtosekundenlaser, kein Flap, bessere biomechanische Stabilität der Hornhaut, weniger trockene Augen, schnelle Heilung ohne Schmerz. Diese Vorteile waren entscheidend für den Durchbruch von SMILE®. Eine Chirurgin fasste es einmal so zusammen: „SMILE® ist wie PRK ohne Schmerzen und wie LASIK ohne Flap.“

Wie kam die Idee auf, den Excimerlaser ganz zu ersetzen und direkt das Lentikel zu entfernen?

Mark Bischoff
Die Idee entstand erstmal nur auf dem Papier und war zunächst bloße Theorie. Parallel zur Entwicklung des Flap-Schneiders haben wir das bereits beschriebene FLEx Verfahren entwickelt. Das war der erste Innovationsschritt. Wir stellten uns aber von Beginn an die Frage, ob wir das Flap überhaupt zur Seite klappen müssen.

Gregor Stobrawa
Unser Gedanke war: Wenn wir den Excimerlaser komplett weglassen wollen, müssen wir mit dem Femtosekundenlaser das Lentikel erzeugen und entfernen können. Die Erkenntnis war: Dann brauche ich den Flap vielleicht gar nicht. Das war der Game-Changer. Wir waren überrascht, wie einfach sich das Lentikel durch eine kleine Inzision in der Hornhaut entfernen lässt. Es faltet sich dabei einfach zusammen, so wie ein Tuch, das durch einen Ring gezogen wird. Die klinischen Vorteile dieses minimalinvasiven Vorgehens, das sich dann als SMILE® etablierte, wurden uns und anderen erst später bewusst.

Wer war die treibende Kraft hinter dieser Entwicklung?

Dirk Mühlhoff
Es war eine Gruppe von wenigen Leuten, darunter die drei, die hier sitzen. Die Idee entstand im Team.

Mark Bischoff
Die Idee der Lentikelextraktion war zwar da. Aber, wie bereits angedeutet, erforderte die Bereitschaft zur Umsetzung intern viel Überzeugungsarbeit. Wir mussten beweisen, dass die Technik präzise genug ist und es für SMILE® einen Markt gibt.

Gab es einen Moment, in dem Sie dachten, es sei unmöglich?

Dirk Mühlhoff
Ja, oft! Immer wieder gab es Herausforderungen, die so groß schienen, dass wir kurz davor waren, aufzuhören.

Mark Bischoff
Als wir beispielsweise feststellen mussten, dass unsere Prototypen für Kontaktgläser beim Ansaugen an Patientenaugen den Augeninnendruck so sehr erhöhten, dass die Patienten das Fixationslicht nicht mehr sehen konnten. Auf das Fixationslicht muss der Patient schauen, damit das Auge für die Laserkorrektur korrekt ausgerichtet ist.

Gregor Stobrawa
Für einfache Flap-Schneider unserer Wettbewerber war ein so hoher Augeninnendruck kein Problem, für unsere Anforderungen der Lentikelextraktion aber schon. Wir kamen dann auf die Idee, die Saugstruktur für die Vakuumfixation ganz fein zu strukturieren und das hat prima funktioniert.

Dirk Mühlhoff
Eine weitere Herausforderung war, dass das Auge beim Andocken an das Lasergerät verformt wird. In der verformten Hornhaut muss das Lasergerät das Lentikel so erzeugen, dass es im natürlichen Zustand des Auges die korrekte Form hat.

Mark Bischoff
Die Lösung ist, im angedockten Auge eine falsche Form zu schneiden, damit es hinterher richtig wird. Es war gar nicht so einfach, eine mathematische Transformation für diese Deformation zu finden.

Wie ging es nach der erfolgreichen technischen Lösung weiter? Wie konnten Sie den Markt von Ihrer Innovation überzeugen?

Dirk Mühlhoff
Unsere Herausforderung war es, ein technisch überlegenes, aber teureres Gerät gegen einen etablierten Marktführer zu positionieren. Unsere Femtosekundenlaser-Technologie war besser, der Schritt hin zum vollständigen Ersatz des Excimerlasers ist jedoch groß gewesen. Doch die Akzeptanz für SMILE® wuchs langsam, aber stetig. Ärztinnen und Ärzte konnten durch klinische Daten von den Vorteilen unseres minimalinvasiven Verfahrens im Vergleich zur LASIK überzeugt werden.

Gregor Stobrawa
Gerade die klinische Anwendung war dabei der Schlüssel. Ärzte wie Walter Sekundo, Marcus Blum, Jesper Hjortdal, die Ärztin Rupal Shah und viele andere haben maßgeblich zur Akzeptanz beigetragen. Sie haben die Vorteile von SMILE® für Patientinnen und Patienten herausgearbeitet und publiziert.

Mark Bischoff
Es war ein langwieriger Prozess, da die Investitionen in die Technologie sehr hoch waren. Wir mussten Schritt für Schritt beweisen, dass die Technologie funktioniert und es sich lohnt. Positive Rückmeldungen von Chirurginnen und Chirurgen der ersten Stunde waren dabei entscheidend.

Was war die größte technische Herausforderung bei der Entwicklung des VISUMAX®?

Gregor Stobrawa
Die größte Herausforderung war, das System so präzise zu machen, dass es den hohen Anforderungen der Augenheilkunde gerecht wird. Wir mussten die Fokusgröße auf unter drei Mikrometer reduzieren, um einen sauberen Schnitt zu ermöglichen. Das erfordert extrem leistungsfähige Optiken.

Dirk Mühlhoff
Eine weitere große Herausforderung war die Schnittfläche selbst. Jedes Lentikel hat eine Unterseite und eine Oberseite, die beide korrekt sein müssen, um nach der Entnahme eine optimale Korrektur der Sehkraft zu gewährleisten. Bei der Entwicklung mussten wir sicherstellen, dass die Laserpulse so platziert werden, dass die Schnittflächen möglichst glatt sind, ohne störende Unebenheiten. Das erreichten wir durch eine hohe Frequenz der Laserpulse und eine präzise Positionierung in drei Dimensionen.

Mark Bischoff
Die Herausforderung bestand auch darin, das Gerät so benutzerfreundlich wie möglich zu gestalten. Ärzte sind weder Physiker noch Ingenieure. Das System musste einfach zu bedienen sein und die Prozedur automatisch ausführen, damit sich Chirurginnen und Chirurgen auf die Operation konzentrieren können.

Das Gerät ist heute erfolgreich auf dem Markt. Gab es seitdem weitere große Innovationen?

Dirk Mühlhoff
Die größte Innovation war die Entwicklung von SMILE®. Zuerst gab es FLEx, wo noch ein Flap geschnitten wurde. Dann kam SMILE® – zuerst für Kurzsichtigkeit, dann auch für die Korrektur der Weitsichtigkeit.

Gregor Stobrawa
Wir haben das System kontinuierlich optimiert, sowohl die Hardware als auch die Software. Die Behandlungszeiten sind kürzer geworden und alle Laserschnitte sind heute in 10 Sekunden gemacht. Die Weiterentwicklung von SMILE® ist ein fortlaufender Prozess, der auf den klinischen Erfahrungen und den Rückmeldungen von Ärztinnen und Ärzten basiert. Ein ganz wesentlicher und noch junger Innovationsschritt war die Ausweitung des Verfahrens für die Behandlung der Weitsichtigkeit. Das erforderte eine ganz neue Formgebung des Lentikels und war auch klinisch nochmals sehr anspruchsvoll.

Welche weiteren Entwicklungen sehen Sie in der Augenlaserchirurgie?

Dirk Mühlhoff
Die Zukunft liegt in der noch feineren Anpassung der Behandlung an den einzelnen Patienten. Personalisierte Behandlungen, die über die reine Korrektur der Fehlsichtigkeit hinausgehen, sind der nächste Schritt. Das könnte zum Beispiel die Korrektur von höhergradigen Abbildungsfehlern oder die Anpassung an altersbedingte Veränderungen der Augen sein.

Mark Bischoff
Die minimalinvasive Chirurgie wird weiter an Bedeutung gewinnen. Weniger invasive Eingriffe, die eine schnellere Genesung und weniger Komplikationen versprechen, sind das Ziel. Auch die Kombination verschiedener Lasertechnologien für noch präzisere Ergebnisse ist denkbar.

Was bedeutet Ihnen diese Arbeit persönlich?

Gregor Stobrawa
Für mich ist es eine sehr erfüllende Arbeit. Es ist großartig zu sehen, wie die eigene Forschung und Entwicklung dazu beiträgt, das Leben von Menschen zu verbessern. Das Feedback von Patienten, die plötzlich wieder scharf sehen können, ist unglaublich motivierend. Es ist schön, Teil eines Teams zu sein, das etwas so Bedeutendes geschaffen hat.

Mark Bischoff
Es war eine unglaubliche Zeit. Wir haben so viele Herausforderungen gemeistert und immer daran geglaubt, dass wir es schaffen können. Die Teamarbeit war entscheidend, und der Erfolg ist der Lohn für all die harte Arbeit. Es erfüllt mich mit Stolz, zu wissen, dass wir die Augenlaserchirurgie revolutioniert haben und unzähligen Menschen zu besserem Sehen verhelfen konnten. Es ist ein Privileg, an etwas so Sinnvollem gearbeitet zu haben.

Dirk Mühlhoff
Ich blicke mit großer Freude auf die Zeit zurück. Es war eine Pionierleistung, und wir haben bewiesen, dass man mit Mut und Beharrlichkeit scheinbar Unmögliches erreichen kann. Die positiven Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patienten sind enorm. Besonders beeindruckt mich immer wieder, welche sozialen Auswirkungen das Sehen-Können in manchen Regionen der Welt hat. Ich denke da zum Beispiel an die Anwendungen in unzugänglichen Hochgebirgsgegenden Nepals, wo der Verlust der Brille für Menschen dramatische Folgen haben kann, weil diese aufgrund der Infrastruktur und medizinischen Versorgungslage nicht so schnell ersetzt werden kann. Fehlsichtigkeit dauerhaft zu beheben ist für diese Menschen eine Alternative, damit sie autark leben können. Das ist ein Aspekt, der viel tiefer geht als die rein medizinische oder wirtschaftliche Betrachtung.

Was machen Sie eigentlich, wenn Sie nicht an Lasern tüfteln?

Dirk Mühlhoff
Ich liebe es, mit Holz zu arbeiten. Ich baue Möbel, restauriere alte Stücke – das hat etwas sehr Konkretes. Kein Code, kein Display, nur Material und Hand. Außerdem bin ich gern mit dem Rad unterwegs. Bewegung draußen hilft mir beim Denken.

Mark Bischoff
Ich spiele Klavier. Wenn ich spiele, bin ich ganz bei mir und es ist gut für meine Kreativität. Außerdem lese ich viel – auch außerhalb der Technik. Geschichte, Philosophie, Biografien. Das gibt mir neue Perspektiven.

Gregor Stobrawa
Ich gärtnere. Das ist wie Entwicklung, nur langsamer. Man sät etwas, pflegt es, und irgendwann wächst etwas. Außerdem helfe ich meinem Sohn – er studiert Physik. Manchmal sitzen wir abends zusammen über einer Gleichung, und ich merke: Das ist fast wie früher bei uns im Team.

Vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Details

Lebensläufe

Dr. rer. nat. Mark Bischoff

23.03.1972

Geboren in Erfurt

1990 – 1995

Studium der Physik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Abschluss als Diplomphysiker, Schwerpunkt: Laserphysik

1995 – 1999

Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Promotionsstudent am Institut für Optik und Quantenelektronik der Friedrich-Schiller-Universität Jena

2000

Promotion zum Doktor der Naturwissenschaften an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zu Ultrakurzzeitspektroskopie an pflanzlichen Photorezeptor-Proteinen

2000 – 2001

Research Scientist in der Entwicklungsabteilung für Femtosekunden-Faserlaser bei IMRA America, Inc. in Ann Arbor, MI, USA

2001 – 2002

Wissenschaftler am Institut für Optik und Quantenelektronik der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Forschung zu einer laserbasierten Plasmaquelle für EUV-Strahlung

2002 – 2004

Entwickler im Projekt für die Entwicklung des Femtosekunden-Lasersystems VISUMAX und des Lentikelextraktionsverfahrens bei der Carl Zeiss Meditec AG, Jena

2004 – 2006

Projektleiter für die Entwicklung des Femtosekunden-Lasersystems VISUMAX und des Lentikelextraktionsverfahrens bei der Carl Zeiss Meditec AG, Jena

2006 – 2008

Leiter der Systementwicklung für Refraktive Laser bei der Carl Zeiss Meditec AG, Jena

2008 – 2016

Leiter der Forschung und Entwicklung für Refraktive Laser bei der Carl Zeiss Meditec AG, Jena

2016 – 2020

Leiter der Anwendungsforschung für Refraktive Laser bei der Carl Zeiss Meditec AG, Jena

Seit 2021

Leiter des Tissue-Engineering-Teams in der Forschungsabteilung der Carl Zeiss AG in Jena

Patente

 

Mehr als 500 veröffentlichte Patentanmeldungen in mehr als 70 Patentfamilien

Publikationen

 

12 Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften und Fachbüchern

Dr. rer. nat. Gregor Stobrawa

16.08.1974

Geboren in Rudolstadt

1993 – 1998

Studium der Physik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Abschluss als Diplomphysiker, Schwerpunkt: Ultrakurzzeitspektroskopie

1998 – 2003

Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Promotionsstudent am Institut für Optik und Quantenelektronik der Friedrich-Schiller-Universität Jena

2003

Promotion zum Doktor der Naturwissenschaften an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zu Technik und Anwendung eines Impulsformers für ultrakurze Laserimpulse

2003 – 2004

Wissenschaftler am Institut für Optik und Quantenelektronik der Friedrich-Schiller-Universität Jena

2004 – 2007

Entwickler im Projekt für die Entwicklung des Femtosekunden-Lasersystems VISUMAX und des Lentikelextraktionsverfahrens bei der Carl Zeiss Meditec AG, Jena

2007 – 2012

Projektleiter für die Entwicklung des Femtosekunden-Lasersystems VISUMAX und des Lentikelextraktionsverfahrens bei der Carl Zeiss Meditec AG, Jena

2012 – 2016

Leiter der Systementwicklung für Refraktive Laser bei der Carl Zeiss Meditec AG, Jena

2016 – 2023

Leiter des Entwicklungsprogramms für Refraktive Femtosekunden-Laser bei der Carl Zeiss Meditec AG, Jena

Seit 10/2023

Leiter der Workflow-Entwicklung für refraktive und therapeutische Behandlungen bei der Carl Zeiss Meditec AG, Jena

Patente

 

Mehr als 350 veröffentlichte Patentanmeldungen in mehr als 55 Patentfamilien

Publikationen

 

16 Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften und Fachbüchern

Dipl.-Phys. Dirk Mühlhoff

09.09.1970

Geboren in Gummersbach, NRW

1990 – 1996

Studium der Physik an der RWTH Aachen
Diplomarbeit am Fraunhofer Institut Lasertechnik;
Arbeitsgruppe Diodengepumpte Festkörperlaser
Abschluss: Diplom in Physik

1996 – 2002

Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Laborleiter für den Bereich Life Sciences
Carl Zeiss Jena GmbH, Forschungszentrum 
Projekte u.a. in den Bereichen Laser-Scanning Ophthalmoskopie und Faserlaser

2002 – 2010

Verschiedene Positionen im Bereich Forschung/Entwicklung
Carl Zeiss Meditec AG; Bereich Refraktive Chirurgie
Zunächst von 2002-2004 Projektleitung, später Leitung der Entwicklung;
Entwicklung des Femtosekunden-Laserkeratoms VISUMAX und des Behandlungsverfahrens SMILE (Small Incision Lenticule Extraction)

2007 – 2008

Berufsbegleitendes Studium an der Universität Augsburg
Abschluss: Master of Business Administration (MBA)

2010 – 2025

Geschäftsfeldleiter Refraktive Chirurgie
Carl Zeiss Meditec AG
Zulassung und Vermarktung des laserchirurgischen Produktportfolios
Steuerung der klinischen und technologischen Weiterentwicklung u.a.
VISUMAX 800

Seit 2025

Geschäftsführer MLase GmbH
Entwicklung und Herstellung medizinischer Excimer-Laser für Anwendungen in Ophthalmologie und Laser-Atherektomie

Weitere Tätigkeiten

2015 – 2025

AECOS American-European Congress of Ophthalmic Surgery
Member of the European Executive Committee

Seit 2025

Allotex S.P.A.
Development of allogenic collagen implants for the correction of presbyopia
Member of Board of Directors

Patente

 

56 Patentfamilien aus den Bereichen Laser-Scanning-Ophthalmoskopie, Projektionstechnik und Refraktive Laserchirurgie

Kontakt

Koordination und Pressekontakt

Dr. Janine Luge-Winter
Carl Zeiss Meditec AG
Group Communications
Göschwitzerstrasse 51-52
07745 Jena, Germany
Tel: +49 (0) 364 / 12 20 335
E-Mail: janine.luge-winter@zeiss.com
Web: www.zeiss.com/med

Sprecher

Dr. Mark Bischoff
Carl Zeiss AG
Head of CRT-GT, Corporate Research and Technology
Carl-Zeiss-Promenade 10
07745 Jena
Mobil: +49 (0) 151 / 16 77 43 56
E-Mail: mark.bischoff@zeiss.com
Web: www.zeiss.de

Beschreibung der Institute und Unternehmen zu ihren nominierten Projekten

Sehkorrektur für Millionen Menschen – ultrakurze Lichtimpulse ermöglichen minimal-invasives Augenlaserverfahren

Die Augen sind unser wichtigstes Sinnesorgan. Wir können damit Millionen von Farben1 unterscheiden und erkennen Dinge, die unglaublich weit weg sind, wie die Sterne am Nachthimmel oder winzige Details, wie die feinen Muster auf einem Schmetterlingsflügel. Gutes Sehen ist eine Voraussetzung für sicheres Bewegen in der Umwelt und ungehinderte soziale Interaktion. Doch intensives Lesen und Schreiben in Schule und Studium sowie kurze Sehdistanzen beim Umgang mit Smartphone, PC und TV führen in Kombination mit einer individuellen Veranlagung immer häufiger zu Kurzsichtigkeit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen weltweit. Die Korrektur der Fehlsichtigkeit mit Brillen oder Kontaktlinsen ist zwar üblich. Die Abhängigkeit von Sehhilfen kann jedoch auch als störend oder unangenehm empfunden werden – beispielsweise beim Arbeiten mit Schutzbrillen, beim Sport, bei Outdoor-Aktivitäten oder wenn man als älterer Mensch die Lesebrille nicht dabeihat.

Das Team um Dr. Mark Bischoff, Dr. Gregor Stobrawa und Dirk Mühlhoff hat ein Femtosekundenlaser-Keratom (VISUMAX®) entwickelt, das in der Augenhornhaut eines Menschen dreidimensionale Schnitte mit höchster Präzision und bisher unerreichter Geschwindigkeit erzeugt. Dieser medizinische Femtosekundenlaser ermöglicht das ebenfalls vom Team entwickelte chirurgische Verfahren der Lentikelextraktion (SMILE® Technologie), mit dem Augenchirurginnen und -chirurgen eine bestehende Fehlsichtigkeit2 minimal-invasiv korrigieren können.

Augenlaserkorrektur mit ultrakurzen Lichtimpulsen
Erste Ideen und Versuche zur chirurgischen Korrektur von Fehlsichtigkeit begannen bereits in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts und wurden mit der Verfügbarkeit von speziellen medizinischen Lasergeräten zu Beginn der 1990-er Jahre weltweit populär.3 Die Laser in-situ Keratomileusis (LASIK) gilt als das bekannteste Verfahren. Beim ersten Schritt dieser Augenlaserkorrektur wird mit einem chirurgischen Messer oder einem medizinischen Femtosekundenlaser ein sogenanntes „korneales Flap“ erzeugt. Dabei wird die oberste Schicht der Hornhaut, ähnlich einem Deckel (engl. Flap), teilweise gelöst, um anschließend mit einem medizintechnischen Excimerlaser die eigentliche Korrektur der Hornhautbrechkraft an dem darunter liegenden Gewebe durchführen zu können. Das Ziel des Entwicklerteams von ZEISS war es, ein weniger invasives Verfahren mit nur einem Augenlasergerät zu ermöglichen.

Das Entwicklerteam von ZEISS kombinierte hierzu einen Femtosekundenlaser mit einer speziellen Hochleistungsoptik und einer modernen Computersteuerung. Entsprechend der von Chirurginnen und Chirurgen festgelegten Parameter, berechnet und erzeugt das Medizingerät die für die Lentikelextraktion notwendigen Laserschnitte in der Augenhornhaut mit der erforderlichen Präzision: Pro Sekunde werden zwei Millionen ultrakurze Laserpulse (Dauer weniger als ein Millionstel einer Millionstel Sekunde) mit Mikrometergenauigkeit (1 Mikrometer = 1/1000-tel Millimeter) so in der Augenhornhaut positioniert, dass dort alle für das Verfahren erforderlichen Schnitte in weniger als 10 Sekunden erzeugt werden.

Um Bewegungen zu verhindern, wird bei dem Verfahren das Auge zunächst durch ein steriles Kontaktelement mechanisch mit dem Femtosekundenlaser von ZEISS verbunden. Mittels Laser wird dann ein Lentikel im Inneren der Augenhornhaut separiert und anschließend eine kleine Inzision erzeugt. Durch diese Inzision entnimmt die Chirurgin oder der Chirurg das Lentikel, wodurch sich die Krümmung der Vorderfläche der Augenhornhaut verändert und so die Fehlsichtigkeit behoben wird. Die nur wenige Millimeter breite Inzision schließt sich innerhalb weniger Stunden.

Schonende Sehkorrektur für Millionen Menschen
Jedes Jahr erreichen weltweit mehr als 50 Millionen Menschen mit korrekturbedürftiger Fehlsichtigkeit das Erwachsenenalter, womit das Wachstum ihrer Augen beendet ist. Ab diesem Zeitpunkt könnten die meisten von ihnen mit einem laserchirurgische Korrekturverfahren behandelt werden. Der wesentliche Grund, weshalb Menschen von einer laserchirurgischen Behandlung ihrer Fehlsichtigkeit absehen, ist die Sorge vor möglichen Komplikationen und Nebenwirkungen. Für die Lentikelextraktion mit einem Femtosekundenlaser von ZEISS belegen klinische Studien nicht nur eine sehr hohe Genauigkeit der Fehlsichtigkeitskorrektur. Bei dem minimal-invasiven Verfahren werden zudem nur sehr wenige der Nerven in der Augenhornhaut durchtrennt, wodurch die Nebenwirkung des „trockenen Auges“, die bei einem kornealen Flap auftreten können, deutlich reduziert werden. Zudem ist eine mögliche nachträglichen Verschiebung des Flaps durch mechanische Krafteinwirkung (z.B. Augenreiben, Schwimmen) praktisch ausgeschlossen.4,5 Die minimal-intensive Lentikelextraktion ist daher gerade für Berufsgruppen mit hohen Anforderungen an das Sehvermögen aber auch für Menschen mit großer sportlicher Aktivität besonders vorteilhaft.6

Das minimal-invasive Lentikelextraktionsverfahren mit einem Femtosekundenlaser von ZEISS wurde bei einem Menschen erstmals 2007 im Rahmen einer von der Carl Zeiss Meditec AG durchgeführten klinischen Studie in Deutschland realisiert.7 Im Jahr 2011 erfolgte die klinische Zulassung des Lentikelextraktionsverfahren (SMILE® Technologie mit VISUMAX®) in der Europäischen Union und im Jahr 2018 die Zulassung durch die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA). In Europa ist die Lentikelextraktion mit der neusten Generation der Femtosekundenlaser von ZEISS seit 2024 auch für Menschen mit Weitsichtigkeit zugelassen – eine Patientengruppe, bei denen dieses minimal-invasive Behandlungsverfahren zuvor nicht anwendbar war. Weltweit haben Chirurginnen und Chirurgen bis heute mehr als 12 Millionen Augen mit den von ZEISS entwickelten Lentikelextraktionsverfahren und Femtosekundenlaser behandelt.

Über die Carl Zeiss Meditec AG
Die im MDAX und im TecDAX der deutschen Börse gelistete Carl Zeiss Meditec AG (ISIN: DE0005313704) ist einer der weltweit führenden Medizintechnikanbieter. Das Unternehmen liefert innovative Technologien und applikationsorientierte Lösungen, die es den Ärzten ermöglichen, die Lebensqualität ihrer Patienten zu verbessern. Zur Diagnose und Behandlung von Augenkrankheiten bietet das Unternehmen Komplettlösungen, einschließlich Implantaten und Verbrauchsgütern. In der Mikrochirurgie stellt das Unternehmen innovative Visualisierungslösungen bereit. Mit 5.730 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weltweit erwirtschaftete der Konzern im Geschäftsjahr 2023/24 (30. September) einen Umsatz von 2.066,1 Mio. Euro.

Hauptsitz des Unternehmens ist Jena, Deutschland. Neben weiteren Niederlassungen in Deutschland ist das Unternehmen mit über 50 Prozent seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Standorten in den USA, Japan sowie Spanien und Frankreich vertreten. Das Center for Application and Research India (CARIn) in Bangalore, Indien, und das Carl Zeiss Innovations Center for Research and Development in Shanghai, China, stärken die Präsenz in diesen schnell wachsenden Ländern. Etwa 39 Prozent der Carl Zeiss Meditec-Anteile befinden sich im Streubesitz. Rund 59 Prozent werden von der Carl Zeiss AG, einer weltweit führenden Unternehmensgruppe der optischen und optoelektronischen Industrie, gehalten.

Weitere Informationen unter: www.zeiss.de/med

[1] https://www.aao.org/eye-health/tips-prevention/how-humans-see-in-color#:~:text=They%20reflect%20wavelengths%20of%20light,up%20to%2010%20million%20colors.
[2] Myopie bis -10 Dioptrien als auch Hyperopie bis +6 Dioptrien, ohne und mit Astigmatismus bis -5 Dioptrien 
[3] J. I. Barraquer, „Queratoplastia refractiva,“ Estudios e Informaciones Oftalmológicas, Bd. 10, pp. 2-21, 1949.
[4] H. Kobashi, K. Kamiya und K. Shimizu, „Dry Eye After Small Incision Lenticule Extraction and Femtosecond Laser-Assisted LASIK: Meta-Analysis,“ Cornea, Bd. 36, Nr. 1, pp. 85-91, 2016.
[5] A. H. Y. Wong, R. K. Y. Cheung, N. K. Wee, K. C. Shih, T. C. Y. Chan und K. H. Wan, „Dry Eye After SMILE,“ Asia Pac J Ophthalmol (Phila), Bd. 8, Nr. 5, pp. 397-405, 2019.
[6] R. K. Sia, D. S. Ryan, H. Beydoun, J. B. Eaddy, L. A. Logan, S. B. Rodgers und B. A. Rivers, „Visual outcomes after SMILE from the first-year experience at a U.S. military refractive surgery center and comparison with PRK and LASIK outcomes,“ J Cataract Refract Surg, Bd. 46, Nr. 7, pp. 995-1002, 2020.
[7] W. Sekundo, K. Kunert, C. Russmann, A. Gille, W. Bissmann, G. Stobrawa, M. Sticker, M. Bischoff und M. Blum, „First efficacy and safety study of femtosecond lenticule extraction for the correction of myopia: six-month results,“ J Cataract Refract Surg., Bd. 34, Nr. 9, pp. 1513-20, 2008.