Prof. Dr. Michael Uder
Beides sind bildgebende Verfahren. Von allen bildgebenden Verfahren hat die MRT die höchste Weichteilauflösung. Sie macht Dinge sichtbar, die wir mit keinem anderen Verfahren sehen können. Ob Bandstrukturen im Knie, am Meniskus, im Lebergewebe oder Hirngewebe, das alles ist besser und genauer zu sehen als in einem CT. Und eine solche Untersuchung hat, soweit wir das heute wissen, keinerlei negative Auswirkungen auf den Körper. Anders als beim CT mit Röntgenstrahlung gibt es bei der Magnetresonanztomographie keine wirkliche Belastung des Körpers und keine bleibenden Probleme. Auch Kinder, die keine Strahlung erhalten sollten, oder Personen, die allergisch auf Röntgenkontrastmittel sind, kann man mit einem MRT untersuchen. Dabei sind heute selbst Patienten mit metallischen Implantaten oder mit Herzschrittmachern mit der Methode untersuchbar.
Für den Laien: Wie funktioniert die MRT?
Dr.-Ing. Stephan Biber
Ein MRT besteht aus einem großen Magneten. Dieser erzeugt ein statisches Magnetfeld und sorgt dafür, dass die Wasserstoffkerne, die im Wasser des menschlichen Körpers vorhanden sind, ausgerichtet und dann angeregt werden können. Nach dieser Anregung kann man ein Hochfrequenz- bzw. ein Radiofrequenzsignal empfangen. Dieses Signal kann dann mithilfe von Gradientenfeldern kodiert und in ein Bild umgerechnet werden. Das Funktionsprinzip beruht also auf der elektromagnetischen Wechselwirkung zwischen dem System und Wasserstoffkernen im menschlichen Körper.
Das MRT-Verfahren hat eine lange Entwicklung hinter sich. Auch Ihr Unternehmen hat Magnetresonanztomographen von höchster Präzision und Leistung, z. B. mit 7 Tesla (T), das bezeichnet die Magnetfeldstärke des Gerätes, oder weitere auf den Markt gebracht. Jetzt gibt es diese Neuentwicklung, die auf ein anderes Prinzip setzt: MRT „geschrumpft“! Was sind die essenziellen Neuerungen? Was müssen diese leisten, um im Wettbewerb mit den vorhandenen Geräten zu bestehen?
Dr. David M. Grodzki
Die Kernspintomographie gibt es seit gut 40 Jahren in der Klinik und seitdem war es der Trend, dass man technisch mehr, mehr und mehr wollte. Erst kamen Geräte mit einer Feldstärke von 1,5 Tesla, dann 3 Tesla, 7 Tesla und so weiter, es ging immer in Richtung mehr Leistung und Technologie. Wir haben dann gemerkt, dass wir damit der Hälfte der Erdbevölkerung diese medizinische Versorgung allein aus technischen Gründen nicht zukommen lassen können und auch in westlichen Ländern nicht alle Patienten damit erreichen. Diesen Trend wollten wir stoppen. Wir treten einen Schritt zurück und schauen: Was brauchen wir denn konkret, um diese Patienten versorgen zu können und was bedeutet das systemseitig? So sind wir darauf gekommen – erstmalig in der Geschichte der MRT – bewusst ein System zu bauen, was schwächer spezifiziert ist, schwächer als die Geräte, die es davor gab. Damit sind wir diesem Trend entgegengetreten. Natürlich gibt es gute Gründe, weshalb immer mehr Leistung gefordert wurde – man kann damit auch mehr machen. Aber der Anteil der Patienten, die davon profitieren, wird immer kleiner. Denn diese hochtechnischen Geräte haben einige Nachteile und die liegen konkret beim System.
Welche Nachteile sind das?
Dr.-Ing. Stephan Biber
Die Magnetresonanztomographie ist in der bildgebenden Diagnostik eine der größten, teuersten und komplexesten Anwendungen. Das bezieht sich auf den ganzen Lebenszyklus vom Transport und der Installation bis zum Betrieb des Systems. Wir haben es mit Geräten zu tun, nehmen wir nicht 7-Tesla-, sondern die üblichen klinischen 3-Tesla-MRTs, bei denen wir mit sieben Tonnen Gewicht hantieren müssen. Wir brauchen eine Logistik für Helium, um diese Systeme kalt halten zu können, und sie sind mit hohen Kosten und auch mit hohen Anforderungen an das Personal bei der Bedienung verbunden. Die Geräte sind komplex zu bedienen, es sind viele Parameter einzustellen und das ist eine Schwierigkeit, die es uns eben nicht so einfach ermöglicht, die Geräte vom oberen Ende des Produktsegments in neue Märkte zu bringen und damit die Anwendung von MRT zu verbreitern. Es geht also um technische Komplexität und Logistik, um die Kosten. Und es geht um die Qualifikation des Personals. Alle diese Faktoren zusammengenommen erschweren heute den Zugang zur MRT.
Prof. Dr. Michael Uder
Vielleicht darf ich mich der Frage aus meiner Perspektive noch mal nähern: Was haben die großen Tomographen für Nachteile? Als Radiologe hier in Deutschland würde ich sagen – gar keine! In den letzten 30 Jahren wurden unsere MRT-Großgeräte immer besser. Aber sie wurden so entwickelt, als hätten wir überall eine Infrastruktur, wie sie in westlichen Industrieländern zur Verfügung steht. Wir haben ein Stromnetz, das immer Leistung liefert, ein enges Netz an Servicetechnikern, ausgebildetes Personal, das die Geräte bedienen kann. Wir können die Logistik für Helium zur Verfügung stellen. Das war immer die Grundannahme und so wurden Geräte entwickelt. Aber in vielen Teilen der Welt ist diese Grundannahme verkehrt: Dort gibt es all das nicht, worüber wir gesprochen haben. Und deshalb war ein neues System erforderlich.
Wie sind Sie dann vorgegangen, wie hat sich das Ganze entwickelt?
Dr. David M. Grodzki
Letztlich waren es verschiedene Erkenntnisse, die vor ungefähr fünf, sechs Jahren zusammengekommen sind. Dabei sind verschiedenste Aspekte wesentlich, wie Prof. Uder angemerkt hat. Zudem gab es auf technischer Seite viele neue Entwicklungen und letztendlich auch bei uns aus verschiedenen Projekten die Erkenntnis, dass wir de facto mit weniger Leistung eigentlich oft das Gleiche erreichen können, wenn wir Dinge einfach anders denken.
Dr.-Ing. Stephan Biber
Wir hatten uns lange auf ein Thema fokussiert, dass nämlich die Verbreitung von MRT in anderen Märkten rein an den Kosten scheitert. Es gab zu diesem Projekt Vorgängerprojekte, bei denen ein Teil der Ideen, die wir jetzt im Projekt haben, schon angelegt waren, die sich aber sehr stark auf den Kostenfaktor allein konzentrierten. Unterwegs, später auch bei Kundenbesuchen in diversen Ländern, haben wir gemerkt,dass die Kosten nur ein Hinderungsgrund sind und nur die Senkung der Kosten allein uns nicht alle Türen aufschließt, um den Weg in die neuen Märkte zu gehen. Wir brauchen zusätzlich die Möglichkeit, so wie Michael Uder es erwähnt hat, unabhängiger von der Infrastruktur zu werden, und mussten auch das Thema Bedienbarkeit wegen einem Mangel an qualifiziertem Personal adressieren. Erst wenn wir diese Kombination an Themen zusammenbringen, dann entsteht wirklich ein Synergieeffekt, der uns mehr ermöglicht als nur die Kombination dieser Ideen. Dann entsteht wirklich ein Mehrwert, der in unterschiedlichen Ländern entsprechend der Defizite dieser Länder anders wirken kann. In Deutschland haben wir eher das Thema, qualifiziertes Personal zu finden. Infrastruktur ist kein Thema, wir kennen es ja bei uns nicht, dass der Strom zusammenbricht. Da wirken diese Vorteile stärker. In anderen Märkten wirken andere Vorteile stärker, etwa die Themen Infrastruktur, Logistik und Kosten.
Demnach war eine Vielzahl an Parametern zu bedenken. Was kann das neue Gerät?
Prof. Dr. Michael Uder
Ich würde, bevor wir erläutern, was das neue MRT kann, einfach sagen: Alle Probleme, die wir dort thematisiert haben, sind so komplex, dass man nicht einfach durch eine inkrementelle Veränderung des Systems weitergekommen ist. Sondern man muss verstehen: Was hier passiert ist, ist eine radikale Änderung von allem, was wir bislang kannten. Es ist wirklich etwas komplett Neues. Als die Kollegen hier zu mir kamen und gesagt haben, wir bauen ein System mit 0,5 Tesla, das macht genauso gute Bilder wie ein großes, war meine Antwort: Das geht nicht. Die Physik ist überall auf der Welt gleich, auch für Siemens Healthineers. Das ist unmöglich. Und man musste sehr, sehr viele Dinge ändern und an sehr vielen Knöpfen drehen, um nachher doch aus diesem System Bilder herauszubekommen, von denen wir sagen, dass sie so sind, dass wir damit in den allermeisten Fällen medizinisch weiterhelfen können.
Dr.-Ing. Stephan Biber
Es war auch nicht so leicht, Partner wie Prof. Uder zu finden, die diese Idee geteilt haben, so dass man den Weg tatsächlich zusammen gehen konnte. Denn es gibt häufig, auch bei uns im Haus, die Einstellung: Das kann nicht funktionieren, dass wir mit einem System, das eine niedrigere Feldstärke hat und damit verbunden auch eine zu niedrige Bildqualität für den Bereich der Allgemeinen Radiologie ausreichend Qualität erzeugen, um diese Bilder diagnostisch verwenden zu können.
Prof. Dr. Michael Uder
Um zu erklären, wo das Problem liegt: Wenn man mehr Magnetstärke hat, dann entsteht im Magnetresonanztomographen mehr Signal. Wenn man die Magnetfeldstärke verdoppelt, verdoppelt man ungefähr das Signal. Wenn man jetzt von 1,5 Tesla, was wir in der Routine allgemein verwenden, auf 0,5 Tesla reduziert, hätten wir um den Faktor drei weniger Signal. Um dann genauso gute Bilder zu bekommen wie bei einem 1,5-Tesla-Gerät, müsste man nach den Regeln der Physik zehnmal so lange messen. Das heißt, wenn ich bei einer normalen MRT-Untersuchung eine halbe Stunde brauche, müsste der Patient sechs Stunden im Gerät liegen, um dann nachher gleich gute Bilder zu bekommen. Das ist natürlich vollkommen unmöglich.
Das zu lösen, war eine Herausforderung. Wie ist das gelungen?
Dr. David M. Grodzki
Unser Ziel war es, ein Produkt zu entwickeln und es dahin zu bringen, wo es heute noch keine Versorgung mit MRT gibt. Das bedeutet nicht, dass dieses Gerät alles genauso können muss wie unsere Highend-Systeme, die an der Uniklinik ganz spezielle Fragen beantworten. Deshalb haben wir gezielt überlegt, was so ein System denn leisten muss. Das sind die Brot- und Butteranwendungen, die wir auf unseren Einstiegssystemen sehen, aber zum Beispiel keine Forschungsanwendung wie funktionelle Bildgebungen vom Kopf, die beim 7-Tesla-MRT wichtig sind. Die sind für dieses System unwichtig, weil die Ärztegruppe, die dieses System nutzen sollte, nichts damit anfangen würde. Wir haben versucht, genau das zu übersetzen, und zu überlegen: Was bedeutet das für die Anforderungen an das System? Was brauchen wir denn auf Hardware-Seite nicht mehr? Und wie muss das System ausgestattet sein, dass es die Anwendungen, die es können muss, wirklich hervorragend abdeckt?
Und wie wurde es dann ausgestattet?
Prof. Dr. Michael Uder
Wir können alle Basisanwendungen machen. Es muss möglich sein, eine Kreuzbandruptur, eine Meniskusverletzung und auch einen Lebertumor zu diagnostizieren. Man muss nicht die letzte feine Veränderung im Herzen sehen, das wird man auch mit diesem neuen System nicht versuchen. Aber all die anderen Dinge, die 80, 90 Prozent unserer Fragestellungen täglich ausmachen, die muss man mit dem System gut erkennen können.
Dr.-Ing. Stephan Biber
Diese klinischen Anforderungen wollten wir übersetzen und das spiegelt im Prinzip, wie die Zusammenarbeit zwischen uns drei im Team bei der Entwicklung der Magnetom Free Plattform, die aus den Systemen Magnetom Free.Max und Magnetom Free.Star besteht, funktioniert hat: Von Prof. Uder, dessen Sichtweise die klinische Anwendung einbringt, über David Grodzki, der die Themen aus der Physik und der Applikationssichtweise in eine technische Logik übersetzt, die dann eher mein Arbeitsgebiet ist. De facto öffnet diese Einschränkung der Anforderungen das Tor dafür, dass bestimmte Eigenschaften im Produkt, die Feldstärke des Magneten und auch die Feldstärke des Gradientensystems, das ist der größte Energieverbraucher in dem System, deutlich reduziert werden können. Die Hauptfeldstärke und Gradientenfeldstärke, die zum Kodieren der Bildinformationen benötigt werden, sind die Parameter, die wir deutlich verändern können. Das wiederum hat nicht nur auf die Kosten einen Einfluss, sondern gerade bei der Gradientenfeldstärke auch auf den Energieverbrauch des Systems. Damit haben wir auch einen Hebel gefunden, wie wir in Märkten, wo Zuverlässigkeit der Stromversorgung ein Problem ist, den Energieverbrauch reduzieren können. Und das ist auch in westlichen Ländern ein Thema: Wie gehen wir mit dem Thema Nachhaltigkeit um? MRT-Systeme sind bisher energiehungrig und wir haben einen Weg gefunden, das zu reduzieren.
Kommen wir zum Helium, ein Gas, das Anwendungen von der Industrie bis zum Partyaccessoire findet. Dessen Verfügbarkeit ändert sich häufig und damit der Preis. Das Free.Max braucht nur einen Bruchteil dessen, was sonst an Helium notwendig ist. Wie sind Sie denn darauf gekommen?
Dr.-Ing. Stephan Biber
Die Idee, dass man Magnete ohne den Gebrauch von Helium entwickeln möchte, gibt es vermutlich so lange, wie es die MRT gibt, weil Helium, die Verwendung, die Kosten, die Verfügbarkeit von Helium, das Handling von minus 269° C kaltem, flüssigem Helium schon seit Beginn der 80er-Jahre große Herausforderung waren. So gesehen, ist die Idee, Systeme zu entwickeln, die kein Helium mehr enthalten, nicht neu. Wir haben nur bisher keine Lösung dafür gefunden, aber in den letzten Jahrzehnten Schritte in diese Richtung gemacht und konnten den Heliuminhalt der Systeme reduzieren; wir sind in der Größenordnung von mehr als 1.000 Litern auf 300, 400 Liter heruntergekommen. Das löst aber das prinzipielle Problem nicht, dass ein offener Heliumkreislauf vorhanden ist, den man nachfüllen, und dass das System permanent gekühlt werden muss, wenn es kein Helium verlieren soll.
Wir haben im Rahmen dieses Projekts erstmals die Idee und die Technologie entwickeln können, mit der es möglich ist, die supraleitenden Spulen nicht mehr in einem Heliumbad zu betreiben, sondern diese nur noch an ein kleines Gefäß, eine kleine „Thermoskanne“ mit flüssigem Helium anzubinden. Dazu kam das Etablieren einer Kälte- oder Wärmeleitung, muss man physikalisch richtig sagen, zwischen dieser kalten Heliumkanne und den supraleitenden Spulen, die eigentlich gekühlt werden müssen. Der kryotechnische Aufbau dieser Heliumkühlung und der Wärmetransport auf die supraleitenden Spulen ist die Kerninnovation, die hinter den, wir nennen sie, trockenen Magneten steckt. Trocken, weil sie kein oder kaum mehr flüssiges Helium enthalten.
Wie lange hat dieser Teil in der Entwicklung gedauert?
Dr.-Ing. Stephan Biber
Es gab Vorarbeiten, die bis 2012/2013 zurückreichen. Damals wurde versucht, erste Systeme zu entwickeln. Es gab auch einen Prototyp, der dann nicht weitergekommen ist. Das Thema ist erst im Rahmen von diesem Projekt wieder aufgegriffen worden. Grob gesehen war es ein Zeitraum von zehn Jahren ab den ersten Vorüberlegungen, ich würde es noch nicht mal Prototyp nennen, oder Vortests bis zu dem Produkt, das wir jetzt entwickelt haben.
Dr. David M. Grodzki
Das ist auch der Zeitraum, den wir ungefähr für die Bildgebungsseite im benötigt haben.
Das ist ein sehr wichtiger Punkt, denn der Anspruch an Bildqualität ist in den letzten Jahren ganz allgemein enorm gewachsen. Und das gilt besonders in der Medizin?
Dr. David M. Grodzki
Genau, es gab in den letzten 35 Jahren jede Menge technische Entwicklungen, die wesentlich darauf abgezielt haben, schneller zu werden. Wenn man diese aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, kann man sie auch dazu nutzen, bei gleicher oder ähnlicher Geschwindigkeit nicht schneller zu werden, sondern ein besseres Bild zu bekommen. Das nutzen wir teilweise aus.
Eine Grundlage der Kernideen auf Bildgebungsseite unseres Projekts war, dass ich vorher daran gearbeitet hatte, das System leiser zu machen. Wir haben versucht, bei einem bestehenden System so leise wie möglich zu messen, wobei wir die Gradientenfelder zum Kodieren der Bildinformation vorsichtig ausgenutzt haben. Wir sind dabei sehr, sehr weit gekommen und waren erstaunt, wie leise wir vieles machen können. Und dann kam die Überlegung: Was wäre denn, wenn wir den Spieß umdrehen und ein System bauen, das nur noch diese schwachen Spezifikationen hat? Das war der Auslöser, dass wir uns auch von der Bildgebungsseite her gefragt haben, wie können wir in den Techniken, die wir entwickeln, anders denken, um Bilder auf schwachen Systemen gut genug in der geforderten Qualität zu produzieren?
Prof. Dr. Michael Uder
Es war beeindruckend zu sehen, mit wie wenig Gradientenleistung man noch sehr gute Bilder machen kann, die diagnostisch aussagekräftig sind. Und wir waren überrascht, dass das geht. Das war einer der Punkte, von dem aus man weiterentwickeln konnte.
Dr. David M. Grodzki
Es gab seinerzeit eine Diffusionsmessung im abdominellen Bereich, das ist eine Anwendung, die eigentlich extrem starke Gradientenfelder braucht. Wir hatten dann eine Lösung entwickelt, wie man das mit sehr schwacher Gradientenfeldstärke umsetzen kann, und waren selbst erstaunt, auch hier im Kollegenkreis, mit wie schwacher Leistung wir damals die Messungen durchführen konnten.
Dr.-Ing. Stephan Biber
Viele dieser Themen sind Optimierungen und Innovationen, die in einem Zwischenbereich von verschiedenen Disziplinen passieren. Die Applikationsentwicklung bei uns sagt ansonsten: „Mehr hilft mehr.“ Und die Kliniker sehen das tatsächlich... Aber den Grad zu finden, wie viel es braucht, um eine Basisanwendung mit guter Qualität zu unterstützen, erfordert diesen Austausch von beiden Seiten. Und ich glaube, das ist das, was wir in dem Projekt ziemlich einmalig aufgesetzt haben.
Dr. David M. Grodzki
Hier ist ein Vergleich, der es recht anschaulich beschreibt: Mit unseren großen Systemen ist es so, als würde man sechs Tage in der Woche mit einem hochmotorisierten Sportwagen zum Bäcker um die Ecke hin- und zurückfahren. Aber eigentlich wird die Kraft des Wagens nur am siebten Tag benötigt, z. B. um auf der Autobahn im übertragenen Sinne 300 km/h zu machen. Aus klinischer Sicht gibt es tatsächlich diese speziellen Anwendungen, wo man die vorhandene Leistung des Systems, 7 Tesla als Beispiel, wirklich braucht und man ein starkes System haben muss. Wir haben ein System für die sechs Tage „Bäckerbesuch“ davor gebaut, wo man die Grundanwendungen mit viel schwächerer Ausstattung ebenso gut einsetzen kann.
Dieses Gerät hat durch die völlig veränderte Bauweise einen zusätzlichen Komfortvorteil?
Prof. Dr. Michael Uder
Diese Bauart hat es erlaubt, dass es eine sehr große Öffnung gibt. Es ist weltweit das einzige System, das eine 80-cm-Öffnung hat, und das kommt sehr vielen Patienten entgegen. Insbesondere bei der Untersuchung von Kindern hilft es, weil die Kinder keine Angst haben müssen, in der engen Röhre eingezwängt zu sein. Auch viele Erwachsene haben Platzangst und können deshalb nicht im MRT untersucht werden. Wir sind auch in dieser Hinsicht offen geworden für alle Patientengruppen, die vorher keinen Zugang hatten. Sie können mit diesem neuen MRT-System ebenfalls untersucht werden.
Dr.-Ing. Stephan Biber
Technisch hängt diese 80-cm-Röhrenöffnung stark mit der Feldstärke zusammen. Es wäre möglich, 1,5-Tesla- oder 3-Tesla-Systeme mit einer 80-cm-Öffnung zu realisieren. Allerdings wären das extrem aufwendige, große und teure Geräte. Die Tatsache, dass wir auf eine niedrigere Feldstärke gegangen sind, hat es plötzlich ermöglicht, in diesen Designbereich hineinzugehen, ohne dass größere Kompromisse sowohl bei dem Magneten als auch beim Energieverbrauch entstehen. Der Energieverbrauch des Systems steigt mit der fünften Potenz des Durchmessers. Das heißt, allein der Sprung von 60 auf 80 cm würde ein Vielfaches an Energie erfordern. Die Tatsache, dass wir die Feldstärke senken konnten, hat es uns erlaubt, diese Option zu ermöglichen, ohne die Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.
Ihr neues Gerät basiert auf der Reduktion von bisher notwendigen Technologiekomponenten ohne weniger Leistung oder gravierende Darstellungsverluste für die Diagnostik. Diese Umkehrung der Parameter generiert doch auch erhebliche Vorteile in Bezug auf die Nachhaltigkeit der MRT-Technologie?
Dr.-Ing. Stephan Biber
Das eine ist die niedrigere Anforderung an den Heliumverbrauch. Das ist Faktor 500 bis 1.000, den wir einsparen können. Das bezieht sich nicht nur auf Helium, das wir in dem Magneten haben, sondern auch auf das, was sonst beim Transport verloren geht. Das passiert jetzt nicht mehr, da wir den geschlossenen Heliumkreislauf haben. Also eine Einsparung von 500, 1.000 Liter auf nur noch 0,7 Liter. Ein weiterer Aspekt ist der Einsatz von Material, das zeigt sich auf der Waage: Unsere 1,5-Tesla-Systeme wiegen heute in etwa 4,5 Tonnen. Der größte Teil besteht aus Draht und den Teilen, die im Magneten verbaut sind. Mit Magnetom Free.Max sind wir bei 3,1 Tonnen, konnten also über 25 Prozent Materialeinsatz einsparen. Wir haben zudem während der Messung durch die schwächeren Gradienten einen deutlich niedrigeren Energieverbrauch. Momentan ist der Gesamtenergieverbrauch von den neuen Systemen noch in etwa ähnlich zu vergleichbaren Standard-Systemen. Das liegt daran, dass wir bestimmte Energieeinsparungstechnologien, die wir in den herkömmlichen Produktlinien haben, mit dem ersten Release dieses Produktes noch nicht eingebracht haben. Die werden wir vermutlich als Software-Update in den nächsten ein bis zwei Jahren auf den Markt bringen und dann gehe ich davon aus, dass auch diese Gerätegeneration im Vergleich zu den anderen eine Energieeinsparung in der Größenordnung von 20 bis 25 Prozent liefern wird.
Prof. Dr. Michael Uder
Das würde ich gerne mal an den Kosten illustrieren: Wir hatten in der Klinik das Problem, dass eine Reinigungskraft auf den Not-Aus-Knopf des MRT gekommen ist. Dann raucht das Helium innerhalb von Sekunden komplett aus dem System ab und um es wieder mit Helium aufzufüllen, muss man ungefähr 50.000 Euro aufwenden, das Gerät drei bis vier Tage stilllegen, in denen man keine Diagnostik machen und auch kein Geld verdienen kann. Also das sind richtige Probleme.
Dr.-Ing. Stephan Biber
Heute führt der Druck auf denselben Not-Aus-Knopf dazu, dass das System für etwa eineinhalb Tage ausfällt und ansonsten keine Kosten entstehen.
Prof. Dr. Michael Uder
Das war unsere erste Erfahrung mit dem Magnetom Free.Max – total skurril. Wir haben das Gerät an einem Standort in der Klinik installiert, wo es vorher kein MRT gab. Und in der Nacht, ist einer der Haustechniker aus irgendeinem Grund auf die Idee gekommen, die Stromversorgung auszuschalten. Keiner weiß, warum. Am nächsten Morgen kamen wir in den Raum, unser Magnet hatte kein Magnetfeld mehr. Im Normalfall wäre das wirklich die Katastrophe: Das ganze Helium weg. In dem Fall waren die Techniker ganz ruhig, haben gesagt: „Nein, den kühlen wir jetzt einen halben Tag. Dann ist der wieder auf Feld und läuft.“ Das beruht auf dem geschlossenen Heliumkreislauf!
Dr.-Ing. Stephan Biber
Das bringt mich geradewegs zu einem weiteren Punkt: Helium, das ansonsten durch den „Kamin“, das Quench-Rohr in unserer Fachsprache, in Form von 50.000 Euro Kosten nach oben ausgeleitet wird, zeigt eine problematische Anforderung für die Installation auf. Das heißt, man muss dieses kalte Heliumgas, das, wenn es dann verdampft ist, irgendwohin, wo es nicht auf Menschen trifft, ablassen. Es ist bei vielen Installationen ein sehr großes Problem, diese Quench-Rohre zu verlegen. In der Stadt, die dicht besiedelt ist, kann man in einem Gebäude mit noch zehn Stockwerken kein Rohr durch zig Stockwerke Betondecke ziehen. Das ist ein Ausschlusskriterium für ein klassisches System. Kunden, die in angemieteten Gebäuden sitzen, müssen ihren Vermieter Fragen, ob sie Kernbohrungen durch die Decken machen können. Die sagen nein, damit ist an diesem Ort eine Installation nicht möglich. Das Problem, nämlich das Helium absichtlich oder unabsichtlich abzudampfen, ist durch den geschlossenen Heliumkreislauf verschwunden und ermöglicht Installationen an Orten, wo es vorher nicht möglich war.
Prof. Dr. Michael Uder
Konkret wäre das bei uns in der Klink genauso gewesen. Wir haben dieses neue MRT, das wir vor allen Dingen für Kinderuntersuchungen nutzen, in die Kinderklinik gebracht, damit wir keine Transportwege haben und die Kinder direkt wieder auf Intensivstationen gebracht werden können. Dort hätten wir kein „normales“ MRT – also anderer Serien – einbauen können, weil es keine Möglichkeit gab, dort ein Ableitrohr zu installieren. Davon abgesehen hätte der Boden kein größeres MRT getragen. Also aus vielfachen Gründen wieder unser Motto: Wir sind mit diesem Gerät offen geworden, um es auch dort zu installieren, wo es bisher nicht möglich war.
Dr. David M. Grodzki
Stichwort Installation: Das klingt vielleicht trivial, aber unser Gerät ist so ausgelegt, dass er durch Türen gefahren werden kann, die zwei Meter hoch sind. Normalerweise sind die Systeme höher, das heißt, man muss mindestens die Tür ausbauen. Und oft Wände aufbrechen und Baumaßnahmen durchführen, um das Gerät in den Raum zu bekommen. Das ist jetzt viel einfacher geworden. Wir kennen Kunden, wo die Installation eines herkömmlichen MRT früher das Gleiche gekostet hätte wie der Scanner, was eine beachtliche Einschränkung ist. Das alles fällt jetzt weg, jetzt kann man das Geräte auf einem kleinen Roboter durch die Gänge fahren.
Prof. Dr. Michael Uder
Das möchte ich noch einmal deutlich hervorheben: Wenn wir ein bisher angebotenes MRT an einem Ort installieren, an dem vorher keines war, sind die Baukosten höher als die Kosten für die Anschaffung des neuen MRTs. Und das ist ein überaus relevanter Punkt bei einer Entscheidung, überhaupt ein MRT anzuschaffen.
Dr.-Ing. Stephan Biber
Das ist eine der, ich würde sagen, fast einfachsten Innovationen in dem Umfeld. Als wir in der Frühphase des Projekts die Magnetdesigns gesehen haben, haben wir uns gefragt: Wie groß werden die werden? Dann lagen am Anfang, so vor Weihnachten 2016, verschiedene Ideen zwischen 1,90 m und 2,10 m vor. Die klare Entscheidung war, das neue MRT unter zwei Meter zu bringen. Damit kommen wir überall durch. Sobald der Statiker gebraucht wird, um ein Gebäude herzurichten, ist das ein wirklich großes Problem. Und ich frage mich bis heute, warum vor uns keiner auf die Idee gekommen ist, das zu machen. Warum nicht gleich so? Das ist eine der Ideen, wo ich heute rückblickend draufschaue und mir denke: Wenn es jetzt leichter geworden ist, den Magneten durch die niedrigere Feldstärke kleiner zu machen, dann ist es bei einem 1,5-Tesla-Gerät auch nicht völlig unmöglich. Und vermutlich wird man einige der Eigenschaften unseres Produkts auch in zukünftigen Modellen des Unternehmens finden.
Man könnte meinen, dass man die Großgeräte, wesentlicher Umsatzträger des Unternehmens, durch Free.Max nicht mehr braucht? Oder gibt es einen Technologietransfer von klein auf groß?
Dr.-Ing. Stephan Biber
Ja, das war auch im Projekt einer der kritischen Punkte. Es gibt irgendwann den Zeitpunkt der Entscheidung: Machen wir das wirklich oder machen wir es nicht? Wir standen an dem Punkt: Jetzt wird das Projekt entwickelt! Ursprünglich gab es ein kleineres Team und es hat sich abgezeichnet, dass wir den großen Schritt mit der Mannschaft nicht schaffen. Die Frage war: Wollen wir jetzt das zu einem Priorität-1-Projekt für die gesamte Entwicklungsmannschaft machen oder nicht? Das war in den Jahren 2017/2018 nochmal ein kritischer Punkt. Wir haben aber erkannt und auch unser Management überzeugt, dass eine ganze Reihe der Technologien, die wir im Rahmen unseres Projekts entwickeln, nicht nur für diesen Markt hilfreich sind. Die Unabhängigkeit von Helium ist sicher nicht nur in speziellen Märkten ein Vorteil. Es liegt auf der Hand, die Anwendung von Bildrekonstruktionstechniken entweder zur Beschleunigung oder zur Verbesserung der Bildqualität zu nutzen. Wenn man das für 0,5 Tesla entwickelt, wird es dafür Synergien auch bei 1,5 Tesla geben. So ist aus dem Projekt ein Plattformprojekt geworden, nicht nur für dieses Produktsegment, sondern ein Plattformprojekt für unser gesamtes Produktportfolio. Eine Reihe von Eigenschaften und Technologien, die in diesem Projekt entwickelt wurden, werden sich vermutlich in vielen zukünftigen Produkten wiederfinden.
Prof. Dr. Michael Uder
Dazu kann man sagen: Diese KI-basierte Bildrekonstruktion haben wir mittlerweile bei allen unseren MRTs von Siemens Healthineers nachgerüstet. Und alle, die in der Uniklinik laufen, verwenden diese Technologie heute.
Schafft denn diese neue Gerätegeneration auch neue Arbeitsplätze oder ist das „nur“ ein Wechsel im System?
Dr.-Ing. Stephan Biber
Wir erschließen mit der Magnetom Free Plattform andere Märkte, um sie Kunden- und Patientengruppen zur Verfügung zu stellen, die wir bisher nicht erreichen konnten. Konkret ersetzen wir zu einem überwiegenden Anteil nicht andere damit. Daher gehen wir davon aus, dass das für uns auch zu einer größeren Stückzahl führt, die in der Herstellung auch viele Menschen beschäftigt. Nicht nur in der Fertigung, auch in der Entwicklung, aber in erster Linie in der Fertigung entstehen dadurch Arbeitsplätze. Das ist nicht skalierbar: Wenn zehn Leute in so und so vielen Stunden ein Gerät bauen, und wir dann zwei Geräte bauen müssen, braucht man dafür mehr Menschen. In der Entwicklung ist das vielleicht ein wenig anders. Da ist der Aufwand groß, wenn das Gerät entwickelt wird. Danach müssen die Geräte betreut und instandgehalten werden. Aber auch das ist ein Bereich, in dem wir durch das neue Produktsegment, das wir aufgemacht haben, mehr Personal brauchen und rekrutieren.
Was kostet ein Magnetresonanztomograph der neuen Generation im Vergleich zu den bisherigen?
Dr.-Ing. Stephan Biber
Wir können in etwa eine Einsparung von 40 bis 50 Prozent zwischen dem Basissystem des Magnetom Free Systems und einem System mittlerer Ausstattung der bisherigen Standardklasse beanspruchen.
Prof. Dr. Michael Uder
Das sind ja nur die Anschaffungskosten. Für uns in der Klinik sind die Unterhaltskosten genauso wichtig. Ein System, das wir für eine Million kaufen, betreiben wir acht bis zehn Jahre und brauchen im Minimum noch mal eine Million, um den Service und all das, was noch nachkommt, zu bezahlen. Und dadurch, dass man bei den neuen Systemen viel weniger Service braucht, wird man auch im Verlauf, in der Lebenszeit des Geräts nochmal Dasselbe an Geld einsparen.
Welche Marktdurchdringung konnten Sie schon erzielen?
Dr.-Ing. Stephan Biber
Zwei Jahre nach der Markteinführung sind Magnetom Free.Star und Magetnom Free.Max in vielen Ländern weltweit verfügbar und in knapp 40 Ländern installiert, darunter sind Installationen in Brasilien, Indien und Angola. Im Jemen konnte sogar das erste moderne MRT seit über zehn Jahren installiert werden. Auch in Ländern wie Deutschland ist es gelungen, den Zugang zur MRT-Diagnostik zu verbessern: In der Kinderradiologie des Universitätsklinikums Erlangen konnte Magnetom Free.Max aufgrund seines geringen Gewichts in einem Raum nahe der Intensivstation installiert werden, so dass die jungen Patientinnen und Patienten ohne viel Aufwand untersucht werden können. Perspektivisch denkbar sind auch Installationen direkt auf der Intensivstation, um den Betroffenen Transportwege und Wartezeiten zu ersparen.
Wie sieht es mit Wettbewerb aus?
Dr. David M. Grodzki
Also wir sind erstaunt, dass unsere großen Mitbewerber noch nicht in diese Richtung nachgezogen haben. Wenn wir jetzt die großen drei, vier Mitbewerber anschauen, sind wir die Einzigen, die ein System in dieser Richtung anbieten. Es gibt kleinere Hersteller oder auch Start-up-Firmen, die in ähnliche Richtungen gehen, sich aber sehr spezialisieren, zum Beispiel ein Hyperfine, der einen Scanner herstellt, der nochmal um den Faktor zehn geringere Feldstärke hat. Die Anwendung ist nur für den Kopf gedacht. Es soll ein Gerät sein, das man schieben und zum Patienten ans Bett bringen kann. Das kann man bildqualitätsmäßig nicht vergleichen mit dem, was wir jetzt in unserem System anbieten. Dazu kommt die Einschränkung der Anwendung durch die alleinige Bildgebung am Kopf. Bei uns war die Zielsetzung ein Ganzkörpersystem.
Dr.-Ing. Stephan Biber
Zur Wettbewerbssituation muss man aber auch klar sagen, dass wir mit dieser Low-Helium-Technologie nicht die Ersten im Markt waren. Ein Mitbewerber hat ein ähnliches Produkt auf den Markt gebracht, worüber wir zunächst nicht so erfreut waren. Denn zu diesem Zeitpunkt waren wir mit diesem Projekt intensiv beschäftigt. Es ist aber interessant zu sehen, dass die Technologie dort anders eingesetzt wird. Dort ist die niedrige Helium-Technologie ein Premiumfeature geworden. Und man hat es, meiner Meinung nach, versäumt, zu erkennen, dass man mit dieser Low-Helium-Technologie einen neuen Markt eröffnen kann, wo heute MRT nicht verfügbar ist, sondern hat es entgegengesetzt positioniert. Und das ist meiner Meinung nach, auch wenn es technologisch eine Errungenschaft ist, die vor uns da war, eine ziemlich ungeschickte Platzierung dieser Innovation, weil die Innovation nicht wirkt in dem Sinne, wie sie wirken könnte.
Patente schützen vor Wettbewerb? Die gibt es sicher auch für diese Innovation?
Dr. David M. Grodzki
Für das Free.Max System kann man das schwer abgrenzen. Es gibt Kernpatente, die wirklich ganz gezielt für das System angemeldet wurden. Wir haben im Unternehmen aber natürlich auch einen sehr, sehr großen Patentbestand. Technologien wurden für andere Zwecke entwickelt und konnten jetzt – anders gedacht – weiterverwendet werden, so dass kein neues Patent erforderlich war.
Für den Markt gibt es unterschiedliche Angebote des Free Systems mit einer größeren 80-cm- und einer kleineren 60-cm-Röhrenöffnung. Warum?
Dr.-Ing. Stephan Biber
Auch das führt wieder zu unserer Positionierung „Offen für alle“. Wir haben die 60- und die 80-cm-Röhrenöffnungsvariante, weil wir damit unterschiedliche Kundengruppen versorgen können. Wir eröffnen mit den 80 Zentimetern Gruppen einen Zugang, die Probleme mit der Enge der Röhre haben: klaustrophobische Patienten, übergewichtige Patienten oder auch Kinder, die vielleicht von Eltern noch mitbetreut werden, während man sie untersucht. Das Thema Übergewicht ist inzwischen ein sehr großes in westlichen Ländern und in USA. Damit schaffen wir Patientenkomfort. Die 60 Zentimeter zielen dann stärker auf die Märkte ab, die noch kostensensitiver sowohl bei der Anschaffung als auch beim Unterhalt und Energieverbrauch des Systems sind. In ihnen steht die Fragestellung nach Platz für den Patienten nicht so sehr im Vordergrund.
Herr Professor Uder, der Maßstab für den Erfolg des Projekts ist die Zufriedenheit der Medizin mit dem Angebot. Wie sieht es damit aus?
Prof. Dr. Michael Uder
In Erlangen in der Klinik sind wir in einer Luxussituation. Wir haben viele MRT-Geräte, wir haben die besten MRT-Geräte, die es auf der Welt gibt. Und jetzt kommt ein System neu, das viel weniger Leistung hat als alles, was wir bislang hatten. Die Bilder sind nicht so brillant wie bei unseren großen Systemen. Aber für viele diagnostische Fragen sind diese Bilder vollkommen ausreichend! Und unter diesem Fokus muss man das System betrachten. Darüber hinaus wird uns das System, davon sind wir fest überzeugt, in der Zukunft noch viele, viele Möglichkeiten bieten, über die wir heute noch nicht nachgedacht haben. Die Öffnung ist so groß, dass wir beginnen können, in dem Tomographen auch Operationen durchzuführen, einen Eingriff im MRT machen. Das ist eine ganz neue Perspektive, die vielen Patienten helfen wird. Ein wichtiger Faktor sind Untersuchungen an Kindern. Wir „üben“ das mit den Kindern, sie dürfen sich das Gerät am Vortag der Untersuchung anschauen, sich mal auf die Liege legen. Und viele können wir am nächsten Tag untersuchen, ohne dass wir eine Sedierung brauchen. Das Risiko für das Kind ist kleiner, unser Aufwand wird weniger, weil Sedierung auch immer Zeit kostet. Und wir haben auch gar nicht mehr die Anästhesisten zur Verfügung, die wir bräuchten, um Sedierungen zu machen. Auch diese Ressource ist knapp geworden. Also alles in allem ist das sehr vorteilhaft für uns.
Long-COVID ist eines der ganz neuen Felder, die wir uns mit dem MRT eröffnen. Eigentlich ist die Lunge keine Anwendung für eine Kernspintomographie, denn sie besteht fast nur aus Luft in den Lungenbläschen. Luft ergibt im MRT kein Signal, so dass die Lunge bislang eine Region war, die wir im MRT nicht untersuchen können. Mit dieser Niederfeldtechnik können wir auch für die Lunge Aussagen machen: Wir können bei Kindern zwischen denen differenzieren, die keine Long-COVID-Veränderungen bzw. die solche haben.
Dr.-Ing. Stephan Biber
Ähnliches gilt für die Implantat-Bildgebung und die Dental-Bildgebung. Es gibt weitere Felder, in denen die Niederfeldtechnologie klare Vorteile hat. Sie zu explorieren, ist ein Thema für die Zukunft.
Hinter Ihren Arbeiten steht nicht nur der Ehrgeiz, eine technische Innovation zu entwickeln und marktfähig zu machen, sondern damit ist ein Anspruch verbunden, dieses mehrdeutige „Offen für alle“. Was haben Sie sich bei diesem Claim gedacht?
Dr. David M. Grodzki
Wir können Menschen mit unseren bisherigen Technologien nicht erreichen, weil sie für die Orte, das Umfeld, wo sie genutzt werden sollten, nicht geeignet oder zu teuer sind, es gibt verschiedenste Gründe. Das ist, was wir ändern wollen. Wir sind weltweit Marktführer im MRT-Bereich. Und wir sehen es als Auftrag für einen Marktführer, sich auch in solchen Bereichen zu engagieren. Diese Versorgungslücke zu schließen, ist ein wichtiges Thema. Wir haben dafür auch die volle Unterstützung unseres Managements erhalten. Und das war und ist ein sehr wichtiger Aspekt.
Dr.-Ing. Stephan Biber
„Offen für alle“, denke ich, hat mehrere Aspekte. Das eine ist die Zugänglichkeit, die rein physikalische: Können wir die Menschen in die Röhre hineinbringen, tolerieren sie das? Das ist das Thema des USP (Unique Selling Proposition) unserer Entwicklung mit der Öffnung von 80 Zentimetern. Und der andere Aspekt der Offenheit ist es, das Gerät so zu planen und zu konstruieren, dass die Kunden es bei sich installieren, es zu sich bringen können.
Prof. Dr. Michael Uder
Und der dritte Aspekt der Offenheit ist, dass wir allen den Zugang zu dem Gerät und der damit verbundenen Diagnostik geben wollen. Die MRT hat die Medizin revolutioniert, es gibt Erkrankungen, die wir nur mit dieser Methode sehen. Es gibt Veränderungen, die so relevant sind, dass man davon die Therapieentscheidung abhängig machen muss. Und es ist kaum auszuhalten, dass vier Milliarden Menschen auf der Welt, mindestens vier Milliarden, gar keinen Zugang zu dieser Technologie haben, die ihre Medizin verändern, die das Überleben verlängern würde. Und insofern hat die Welt auf dieses System gewartet.
Das gilt demnach für Schwellen- und Entwicklungsländer, ebenso aber auch für unterversorgte Gebiete in der westlichen Welt?
Dr. David M. Grodzki
In westlichen Ländern haben Patienten grundsätzlich einen Zugang, aber oft unter erschwerten Bedingungen wie durch lange Wege oder Wartezeiten für eine solche Untersuchung.
Die Zielsetzung in Schwellen- oder Entwicklungsländern, diese Unterstützung zu geben, ist sehr gut gedacht. Es reicht aber vermutlich nicht, das Gerät aufzustellen, sondern man braucht eine Einweisung und Service. Wie sind Sie da strukturiert?
Dr.-Ing. Stephan Biber
Der erste Punkt ist, dass wir überhaupt erst jetzt in die Lage kommen, in diese Länder die Geräte zu bringen und sie dort installieren zu können. Wir haben ein Beispiel aus dem Jemen, der für über zehn Jahre aus diversen Gründen keine neuen MRT-Systeme gekauft hat: Es ist dort politisch instabil, es gibt keine Möglichkeiten, die Geräte ins Land zu bringen, die Heliumlogistik steht dem im Weg. Als unsere Geschäftspartner dort verstanden haben, was es mit der Magnetom Free Plattform für Möglichkeiten gibt, haben sie schnell gesehen, dass das eine Lösung für ihr Problem ist und daraufhin ein Free.Max gekauft und installiert. Das funktioniert und ist so erfolgreich, dass wir im Jemen jetzt drei weitere neue Geräte einbringen. Der Jemen ist ein Beispiel nicht für ein Entwicklungsland, sondern für ein Schwellenland, das vorher schon MRT-Technologie hatte, die einerseits alt und andererseits auf extrem niedrigem Niveau, was die Abdeckung der Bevölkerung betrifft, war. Dort gibt es aber das Know-how, die Geräte zu betreiben und die entsprechenden Diagnosen erstellen zu können. Es gibt dort auch die Idee, verstärkt mit „Remote Diagnosis“ zu arbeiten, so dass die Bilder gibt dort auch die Idee, verstärkt mit „Remote Diagnosis“ zu arbeiten, so woanders, in den lokalen Zentren oder anderswo, befundet werden. Hier kann Befundung auch als ein Service angeboten werden. Das ist eine Logik, wie das in einem Schwellenland funktioniert. In einem Entwicklungsland ist das schwieriger. Wir haben zum Beispiel in Tansania eine Geräteinstallation, zwölf Stunden westlich von Daressalam. Tansania ist in Afrika eines der Länder, das eigentlich schon eine Grundversorgung etabliert hat, aber dort nur in wenigen Zentren, in zwei oder drei großen Städten. Die neue Installation ist weit im Abseits und hier müssen wir das Problem der Schulung lösen. Daran arbeiten wir gerade. Es gibt Überlegungen, lokale Schulungszentren aufzubauen. Derzeit haben wir ein Schulungszentrum in Ägypten, das verstärkt ausgebaut werden soll, um den Usern aus diesen Ländern die Fähigkeiten zu vermitteln, erst einmal das Gerät benutzen und dann auch die entsprechenden Verfahren anwenden zu können, um diagnostisch mit dem Gerät zu arbeiten.
Dr. David M. Grodzki
Und es gibt auch Online-Schulungen. Das war eine der Zielsetzungen, dass man tatsächlich dort ein System installieren kann und dass das online geschult werden kann.
Wenn man sich als Laie den Weg der Entwicklung von der Forschungsapplikation bis zur Realisierung in Ihrem Haus vorstellt, ist das ein Wettbewerb im eigenen Unternehmen? Verträgt die Innovationskultur im Haus solche unterschiedlichen technologischen Ziele?
Dr. David M. Grodzki
Wir haben immer noch den Luxus, dass es bei uns viel zu viele Ideen gibt, um sie alle umsetzen zu können. Und das ist eine großartige Situation und erhöht extrem den Spaß, hier zu arbeiten. Das geht uns wahrscheinlich allen so. Das erst einmal vorweg. Bei diesem Projekt war es tatsächlich so, dass die technische Herausforderung groß war, aber die Herausforderung, dieses Projekt durch das Unternehmen zu tragen, ebenso groß war. Und jetzt bleibt die Herausforderung, die Radiologen weiter zu überzeugen, dass das tatsächlich alles funktioniert. Intern war es klar, dass wir dieses Projekt nur umsetzen, wenn wir aus diesem kleinen Anfangsstadium heraus die gesamte Organisation mitnehmen können. Also sprich, es war wichtig, dass man die Leute mitnimmt und die Begeisterung der Leute auch verbreitet, die Zweifel auch zerstreut.
Prof. Dr. Michael Uder
Ich glaube, diese Art von Konkurrenz gibt es nicht, denn es war immer klar: Dieses 0,5- Tesla-System, das wird nicht die anderen Systeme ersetzen, denn die brauchen wir auch. Es ist einfach etwas Neues, was dazukommt und die anderen Technologien befruchtet.
Die Zukunft heißt „Digitales und KI“ – das alles verändert sich mit rasender Geschwindigkeit, das gilt auch in der Bildgebung. Werden solche Entwicklungen in die bestehenden Systeme, die im Markt sind, integriert oder passiert das erst später in einem weiteren Entwicklungsschritt?
Dr. David M. Grodzki
Das ist ein fortlaufender Prozess, man kann keine Pause machen, man muss dabei mithalten. Künstliche Intelligenz ist zurzeit eines der ganz großen Themen, bei dem man sich nicht erlauben kann, zu schlafen.
Sie können dann schon ausgelieferte Systeme mit neuer Software nachrüsten?
Dr. David M. Grodzki
Richtig. Wir können bei unseren Kunden installierte Systeme über Software-Upgrades nachrüsten. So kommen diese KI-Neuerungen schnell bei den Patienten an.
Prof. Dr. Michael Uder
Das hat sich in den letzten Jahren extrem entwickelt. Wir haben diese KI-basierten Bildrekonstruktionstechniken zuerst am Magnetom Free.Max gesehen und diese mittlerweile an unseren alten MRTs nachgerüstet. Die Systeme werden offener für so etwas, man kann im Lebenszyklus vieles, was an neuen Entwicklungen kommt, nachrüsten.
Was bedeutet Ihre Arbeit für die Gesellschaft?
Dr. David M. Grodzki
Ich meine, wir sind wahrscheinlich alle drei nicht grundlos im Medizinumfeld. Ich habe mir irgendwann an der Uni überlegt, dass es das wäre, wobei man seine Fähigkeiten als Physiker sinnvoll umsetzen und einen Mehrwert schaffen kann, der letztendlich allen hilft. Das ist wahrscheinlich für uns alle drei ein Antrieb, in dem Umfeld zu arbeiten. Stephan Biber hat in seiner Rolle als Systemarchitekt natürlich auch die ökonomischen Interessen des Unternehmens im Blick, wobei eine Klinik sicher auch immer den wirtschaftlichen Aspekt beachten muss. Wir haben die Möglichkeit, Projekte zu entwickeln, die Menschen wirklich helfen, und bei denen wir auch die Erfolge sehen können. Es ist schön, wenn man nicht für die Schublade entwickelt, sondern am Ende sieht, dass wir damit Patienten erreichen.
Prof. Dr. Michael Uder
Es ist ein wichtiger Aspekt, dass wir so etwas wie Gleichheit herstellen wollen, dass niemand außen vor bleibt, weil man ihm keinen Zugang zu so einer Technologie ermöglicht. Das leistet das Projekt auf jeden Fall für die Gesellschaft: Wir können neuen Gruppen diesen Zugang geben, den sie bisher nicht hatten. Und das ist, glaube ich, die größte Leistung in diesem Projekt.
Dr.-Ing. Stephan Biber
Dem kann ich nicht viel hinzufügen. Dafür nehmen wir im Prinzip das MRT aus dem Premiumsegment der Bildgebung heraus, um es stärker in die Breite zu tragen. Und der weltweite Effekt wird der sein, dass wir das Leben der Menschen durch bessere Diagnostik und die nachfolgende Therapie entscheidend verbessern, indem wir diese Geräte zugänglicher machen.
Prof. Dr. Michael Uder
Der Nachhaltigkeitsaspekt, der mit dem Gerät belegt wird, ist zudem ein wichtiges Thema. Wir alle wissen, dass wir nachhaltiger werden müssen. Und man muss irgendwann einfach anfangen damit! Und auch das leistet das System.
Jetzt wollen wir ein wenig von Ihnen persönlich wissen. Sie beide, Herr Dr. Biber und Herr Dr. Grodzki, sind nach dem Studium in dieses Unternehmen eingestiegen und über eine inzwischen lange Zeit dabei. Herr Dr. Grodzki hat schon gesagt, was seine Arbeit spannend macht und warum er bisher keine andere Option gewählt hat. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Dr.-Ing. Stephan Biber
Das ist relativ ähnlich. Ich komme aus der Hardware-Entwicklung und ich sage oft, dass Hardware-Entwickler einfach strukturierte Menschen sind, die am Ende sehen und anfassen wollen, was sie gemacht haben. Das ist für mich der Antrieb, eher in der Produktentwicklung zu arbeiten, nicht so sehr in der Vorfeldforschung. Hier kann ich, wenn ich Zeiträume von drei bis fünf Jahre überschaue, sehen, was wird aus dem Ergebnis meiner Arbeit? Ich kann das sehen, anfassen und erfahre auch, was sie in der Klinik leistet. Das ist für mich ein wesentlicher Antrieb, in dem Umfeld zu arbeiten. Darüber hinaus ist die Magnetresonanztomographie technologisch extrem vielfältig. Wir nutzen eine hohe Bandbreite an unterschiedlichen Technologien, die das Ganze einfach spannend machen, wie Kryotechnik, Mechanik, Elektronik, Applikation und Klinik, die hier alle zusammenkommen.
Die Medizintechnik ist derzeit DER Innovationstreiber, das ist belegt. Wie sieht denn die Entwicklung Ihres Arbeitsbereiches aus? Haben Sie eine Vorstellung davon, wohin die Entwicklung gehen kann?
Dr.-Ing. Stephan Biber
Ich glaube, dass KI die ganze Medtech-Branche massiv verändern wird. Vielleicht wird die KI in dem Umfeld von Medtech mit den größten Impact haben. Wir sehen an unserem Produkt, wobei es auch einige Jahre her ist, dass es entwickelt wurde und wir erste KI-Anwendungen mit hineingenommen haben. Das zeigt, dass KI einen klaren hineingenommen haben. Das zeigt, dass KI einen klaren Vorteil bringt. Sonst wären wir in punkto Bildqualität nicht so aufgestellt, wie wir das heute sind. Und das ist erst der Anfang dieser Entwicklung.
Prof. Dr. Michael Uder
Jetzt muss ich mal eine Lanze brechen für – die ganze Zeit reden wir über KI – die natürliche Intelligenz. Ich bin seit 20 Jahren hier in Erlangen. Ich bin heute noch genauso fasziniert wie vor 20 Jahren, wie viele helle, kreative Köpfe es bei Siemens Healthineers gibt. Leute, die auf Ideen kommen, auf die vorher noch nie einer gekommen ist. Ich als Radiologe, der das seit vielen, vielen Jahren macht, sage: Faszinierend, dass jemand mal so was gedacht und so was entwickelt hat! Ich bin immer noch fasziniert von eurer natürlichen Intelligenz!
Dr. David M. Grodzki
Wir wissen, dass der Kostendruck im Gesundheitswesen weiter steigen wird. Künstliche Intelligenz ist eine Art, darauf zu reagieren. Das wird weiterhin ein Treiber sein und das beeinflusst uns natürlich auch. Wir sehen auch, dass sich die Märkte verschieben, sich China zu einem unserer wichtigsten Märkte entwickelt; bei 3-Tesla-Geräten ist es schon so. Damit werden sich dann natürlich auch die Anforderungen ändern. Der Kostendruck wird uns stark beschäftigen. Denn wenn wir mit Kunden sprechen, merken wir, dass das immer mehr an Gewicht hat.
Wann haben Sie eigentlich Ihre Liebe zur Technologie entdeckt?
Prof. Dr. Michael Uder
In der Radiologie arbeiten in der Tat zwei Typen: Die einen gehen in die Radiologie, weil sie von der Technik fasziniert sind, und die anderen, weil sie von der Medizin fasziniert sind. Und ich gehöre zu diesem zweiten Typ. Mich hat die Technik überhaupt nicht interessiert, sondern die Medizin. Technik war immer nur ein Werkzeug, um in der Medizin weiterzukommen. Und wenn ich mir Mitarbeiter aussuche, wähle ich fast immer diesen zweiten Typ aus. Man braucht auch gelegentlich den ersten Typ, aber es ist der zweite Typ, der medizingetriebene Typ, dem ich mich näher fühle.
Nun arbeiten Sie aber schon lange mit diesen beiden Technikgetriebenen zusammen. Welche besonderen Erfahrungen resultieren für Sie aus dieser Zusammenarbeit hier?
Prof. Dr. Michael Uder
Wir machen viele Projekte mit unserem Partner vor Ort. Oft sind es Projekte, die auf den ersten Blick uninteressant klingen: Kann ich ein MRT leiser machen und so weiter? Und dann kommen bei solchen Projekten oft völlig andere Dinge heraus und das macht es so interessant. Man muss offen sein: Wir probieren mal was, was auf den ersten Blick vielleicht langweilig klingt. Aber meistens sind es diese Dinge, bei denen dann doch was rauskommt, was total spannend ist, was man nicht erwartet hat. Und das fasziniert mich auch nach 20 Jahren noch!
In der Medizin passiert im Moment sehr viel, die Synergien zwischen unterschiedlichen Bereichen verstärken die Ergebnisse. Das eröffnet doch sicher auch neue Behandlungsmöglichkeiten?
Prof. Dr. Michael Uder
Ja. Die Medizin ist ein Feld, das sich rasant entwickelt und wir sehen ganz neue Möglichkeiten. Wir können heute Erkrankungen heilen, die in den Lehrbüchern, die ich zum Examen hatte, als unheilbar galten. Die Arbeitsfelder in der Medizin verändern sich, es wird neue Fachgebiete geben. Und es wird Dinge geben, die wir nicht mehr tun. Es ist doch bedeutungslos, wenn eine Methode wegfällt, wenn die Medizin feststellt, wir brauchen die nicht mehr, weil wir was Besseres haben. Dann machen wir eben das Bessere.
Und dazu gehört auch diese Verbindung zur Technologie, die Sie in den Zustand versetzt, so etwas zu identifizieren?
Prof. Dr. Michael Uder
Genau.
Eine letzte Frage: Was machen Sie, wenn Sie sich nicht mit MRT oder mit Medizin beschäftigen?
Dr.-Ing. Stephan Biber
Ich beschäftige mich in meiner Freizeit nicht mehr mit Technik, das interessiert mich zu Hause nicht. Ich habe hier alles, was ich an Hightech-Ideen umsetzen möchte; das kann ich in meiner Arbeit tun. Ich mache relativ viel Sport, gehe gern tauchen, laufen und Wildwasserkajakfahren. Und damit ist eigentlich die freie Zeit ganz gut ausgefüllt.
Dr. David M. Grodzki
Meine Kinder sind noch etwas kleiner, das heißt, die freie Zeit ist etwas begrenzter; das wird so langsam besser. Ich versuche auch, viel Sport zu machen. Aber mir geht es anders: Ich beschäftige mich zu Hause auch gerne mit Technik, bastle an dem Rasenmähroboter und kleinen Elektronikteilchen rum. Und das mache ich wirklich gerne.
Prof. Dr. Michael Uder
Also ich muss sagen, ich würde mich auch nicht mit Hightech befassen. Sondern wenn ich mal Zeit habe, befasse ich mich gerne mit Lowtech oder mit Kulturen der Vergangenheit, die so weit weg sind, dass es damals keinerlei Gedanken an Hightech gab.
Vielen Dank für das Gespräch!