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Nominiert 1999

Ultraschnelle Lichtweiche

Ultraschnelle Lichtweiche für Kommunikationsnetze: Lösungen auch für das Internet der Zukunft

Prof. Dr. Hans-Georg Weber (Sprecher)
Dr. Reinhold Ludwig
Stefan Diez
Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik Berlin GmbH, Berlin

(v.l.n.r.) Prof. Dr. Hans-Georg Weber, Stefan Diez, Dr. Reinhold Ludwig

Technisch veraltete Schalterelemente erweisen sich als Hemmnis für die Weiterentwicklung des Internets. Wie lässt sich diese Barriere aus dem Weg räumen?

Hans-Georg Weber, Reinhold Ludwig und Stefan Diez verfolgen diesen Ansatz: Schalter, die nicht, wie bisher üblich, elektrisch, sondern mit Licht arbeiten. Hans-Georg Weber ist Forschungsgruppenleiter am Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik und außerplanmäßiger Professor für Physik an der TU Berlin. Reinhold Ludwig und Stefan Diez sind als Wissenschaftliche Mitarbeiter am Heinrich-Hertz-Institut tätig.

Signalwandlung bremst den Datenstrom

In den weltumspannenden Kommunikationsnetzen wie dem Internet überträgt man die Daten heute meist per Lichtstrahl über Glasfasern. Die Verarbeitung der Daten in den Netzknoten jedoch erfolgt noch immer elektrisch.

Dazu müssen die Daten zuerst von einem optischen in ein elektrisches Signal verwandelt, elektrisch verarbeitet und danach wieder einer Lichtwelle aufgeprägt werden. Da der globale Datenverkehr - stimuliert etwa durch Filme und Animationen, die via Internet übertragen werden - stark zunimmt, erweist sich diese umständliche Signalverarbeitung zunehmend als Hindernis.

Ein viel versprechender Ansatz zur Lösung dieses Problems und damit zu einer effizienteren Nutzung der Übertragungskapazität von Glasfasern, besteht darin, die langsamen elektrischen durch ultraschnelle optische Schaltelemente zu ersetzen. Die nominierten Forscher haben dafür eine neuartige Lichtweiche entwickelt. Sie eignet sich zum Schalten von optischen Signalen in wenigen Pikosekunden (Billionstelsekunden) und soll Daten mit Raten von über 100 Gigabit pro Sekunde verarbeiten.

Hohes Tempo, geringes Rauschen

So kurze Schaltzeiten lassen sich nur realisieren, indem Licht durch Licht geschaltet wird. Die Lichtweiche des Heinrich-Hertz-Instituts besteht dazu ausschließlich aus optischen Komponenten. Ihr Vorteil gegenüber elektrischen Schaltern ist neben der weitaus höheren Verarbeitungsgeschwindigkeit ein deutlich einfacherer Aufbau. Außerdem wird ihre Schaltfunktion nicht vom Datensignal gestört, die Bandbreite bei der Signalverarbeitung ist extrem groß, Rauschen und Übersprechen sind dagegen gering.

In Tests konnten die Forscher zeigen, dass die neue Lichtweiche allen bisherigen Verfahren weit überlegen ist. Sie könnte künftig als sehr kompakte Komponente auf einem optischen Chip integriert werden - was eine kostengünstige Herstellung in großer Stückzahl und viele kommerzielle Anwendungen ermöglichen würde. Die Innovation ist durch zwei Patente abgesichert. Ein Beleg für ihren Erfolg ist die Gründung der LKF-Advanced Optics GmbH, einem Spin-Off-Unternehmen der Berliner Forschergruppe.

Das Vorschlagsrecht zum Deutschen Zukunftspreis obliegt den führenden deutschen Einrichtungen aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie Stiftungen.

Das Projekt "Ultraschnelle Lichtweiche für Kommunikationsnetze - Lösungen auch für das Internet der Zukunft" wurde von der Leibniz-Gemeinschaft vorgeschlagen.

"Im Internet müssen wir innerhalb von Pikosekunden schalten, das ist eine enorm kurze Zeit. Hier kann man nur noch Licht mit Licht schalten."

Prof. Dr. Hans-Georg Weber

Fragen an die Nominierten

Ihr Projekt gehört in einen Bereich, der einer rasanten Entwicklung unterliegt: Der interaktiven Kommunikation.
Bitte skizzieren Sie Ihr Projekt und wie es sich in den Gesamtzusammenhang der Internetentwicklung einfügt.

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Ausgangspunkt für uns ist die Telekommunikation. Wir wollen Nachrichten mit Hilfe der Glasfasertechnik über weite Entfernungen übertragen. Dabei stellt sich das Problem, dass zwar die Nachrichtenübertragung auf der Glasfaser selbst sehr gut funktioniert, dass es aber an den Endstellen, dort wo Daten geschaltet werden müssen, Probleme gibt, da man vom Optischen ins Elektrische umwandeln muss. Das Schalten und Vermitteln der Daten geschieht nämlich noch heute elektrisch. Wir haben uns seit fünf bis sechs Jahren damit beschäftigt, wie man diese Signalverarbeitung im Optischen durchführen - insbesondere - wie man die nichtlineare Optik einsetzen kann, um Schaltprozesse durchzuführen. Es stellt sich jetzt heraus, dass diese Arbeiten auch für das Internet von Interesse sind. Um es noch einmal klar zu sagen: Unser Projekt war nicht von Anfang an auf eine Internetnutzung hin ausgelegt. Wir sehen aber jetzt, dass unsere Arbeiten im Internet gut eingesetzt werden können.

Beim Internet ist es so, dass der Bedarf an Übertragungskapazität zur Zeit derart rasant wächst, dass man sehr bald unsere Techniken einsetzen muss. Vor fünf, sechs Jahren hätte man gesagt, dass wir die optische Signalverarbeitung für die ferne Zukunft untersuchen. Mittlerweile befinden wir uns in dieser Zukunft. Die Lichtweiche wird schon bald gebraucht werden.

Die Lichtweiche ist technisch für den Laien ein hochkomplexer Vorgang. Ganz einfach gefragt: Wie funktioniert das?

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Wenn wir bei einer Lampe Licht einschalten, verbinden wir zwei Drähte. Dabei wird ein elektrischer Kontakt geschlossen und Strom fließt in der Lampe. Das ist ein Vorgang, der sehr langsam ist, weil ein mechanischer Schalter verwendet wird. Im Internet müssen wir innerhalb von Pikosekunden schalten, das ist eine enorm kurze Zeit. Hier kann man nur noch Licht mit Licht schalten. Man hat keine Kontakte mehr, die irgendwie verbunden werden müssen, sondern das Schalten geschieht dadurch, dass man über die Wechselwirkung mit der Materie eine Eigenschaft des Lichtes, z. B. die Phase, ändert und damit das Licht verschiedene Wege gehen lässt.

Dr. Reinhold Ludwig
Für die zukünftige Informationsverarbeitung brauchen wir extrem kurze Schaltzeiten. Das geht natürlich nicht mit der Mechanik, und auch elektronische Schalter sind an ihren Grenzen angelangt. Deshalb müssen neue Wege beschritten werden, indem man die Datenlichtimpulse auf der Glasfaser selbst wieder mit Steuerlichtpulsen schaltet. Wir haben nun eine spezielle Ausführung dieses Schalters mit besonderen Eigenschaften entwickelt.

Was war daran Grundlagenforschung und was würden Sie als Innovation bezeichnen?

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Sie meinen vielleicht: Was ist planbare Forschung und was ist Innovation? Planbare Forschung besteht vielleicht darin, dass wir die herkömmliche Technik verwenden, um gewisse Fragen zu beantworten oder gewisse Ziele zu erreichen. Innovation ist dann die Lösung eines Problems auf einem Weg, der von der herkömmlichen Technik abweicht. Nun konkret zu unseren Arbeiten: Bei der Entwicklung der Lichtweiche gab es mehrere innovative Schritte. Unsere Gruppe hat als erste einen Schalter auf der Basis von Halbleiterlaserverstärkern in einem Interferometer aufgebaut. Andere Gruppen übernahmen unsere Idee und fügten weitere Verbesserungen hinzu. Aufgrund dieser internationalen Arbeiten gab es vor zwei Jahren schon optische Schalter mit einer begrenzten Tauglichkeit. Diese Schalter hatten jedoch ein Problem das darin bestand, dass die zu schaltenden optischen Signale den Schalter selbst beeinflussten. Wir haben dieses Problem gelöst.

Die Entwicklung des Projektes hat sich über eine gewisse Zeit erstreckt. Waren das einzelne Schritte oder ist es ein ständig fließender Prozess gewesen?

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Wir arbeiten seit rund zehn Jahren auf diesem Gebiet. Wir setzen die nichtlineare Optik ein, um Licht durch Licht zu schalten. Der eigentliche Durchbruch, einen guten Schalter zu bauen, gelang im letzten Jahr. Das Konzept für diesen neuen Schalter hatten wir schon ein Jahr zuvor diskutiert. Es war aber zu dieser Zeit technisch nicht zu realisieren.

Stefan Diez
Unser Produkt ist daraus entstanden, dass wir uns lange Zeit mit den fehlerbehafteten Schaltern auseinandergesetzt haben. Über Jahre wurde bei uns von verschiedenen Richtungen an diesen Schaltern gearbeitet. Der Wunsch, die Fehler zu beseitigen, resultierte letztlich aus unserer Unzufriedenheit mit den Störungen dieser herkömmlichen Schalter.

Was ist für Sie Innovation? Welche konkrete Definition ordnen Sie den Begriffen zu: Nicht allgemein, sondern in Ihrem Umfeld, Ihrem Projekt?

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Ich würde den Schwerpunkt auf den schöpferischen Akt legen, in dem jemand die Idee hat und er einen anderen Weg als den herkömmlichen gehen will, um etwas neues zu schaffen.

Stefan Diez
... und dass er idealer Weise damit ein Problem löst.

Prof. Dr. Reinhold Ludwig
Für mich sieht es ein bißchen anders aus. Wir arbeiten schon sehr lange in der Grundlagenforschung. Unter Innovation im engeren Sinne würde ich verstehen, dass es sich um etwas handelt, aus dem ein Produkt resultiert, das man auch verkaufen kann. Von meiner Ausbildung her bin ich Ingenieur. Zunächst einmal habe ich eine Lehre als Elektroinstallateur gemacht und bin dann erst über den zweiten Bildungsweg zur Hochschule gekommen. Damals war es ein gutes Gefühl für mich, wenn ich an einem Haus, dessen elektrische Anlage ich installiert hatte, vorbeikam, wenn das Licht darin brannte und ich wusste, dass ich das möglich gemacht habe. In dem Sinne sehe ich das jetzt auch. Mit dem Begriff Innovation verbinde ich das Produkt, das aus unserer Arbeit resultiert und das der Gesellschaft nutzt. Es gibt hier in der Gruppe viele gute Ideen, die man auch gut in Produkte umsetzen kann.

Stefan Diez
Nur auf das Produkt bezogen würde ich Innovation nicht definieren wollen. Mir erscheint vielmehr der Problembezug sehr wichtig, nämlich, dass eine Innovation ein bestehendes Problem löst, indem man verschiedene Dinge kombiniert oder Neues aus dem Wissen, das man zur Verfügung hat, schafft.

Ähnliche Projekte sind in anderen Ländern relevant. Bitte grenzen Sie das ab, wie ist die Patentsituation.

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Weltweit haben wir heute vielleicht fünf, sechs Gruppen, die auf dem Gebiet der optischen Schalter arbeiten. Wir lernen von den anderen und die anderen lernen von uns. Das ist das normale Geschäft. Irgendwann freut man sich, wenn man die Nase vorne hat. Das Schaltkonzept, das die Störungen der herkömmlichen optischen Schalter beseitigt, das war eine Idee, die hier entstanden ist. Darauf wurde das Patent angemeldet.

Prof. Dr. Reinhold Ludwig
Es ist mittlerweile offengelegt als Patent in Deutschland und ist auch international angemeldet.

Es gehört zu den Bedingungen dieses Preises, dass die Dinge patentfähig sind. Das Internet hat seine eigene Geschwindigkeit, was Entwicklung und Umsetzung angeht. Ist das, was Sie tun, von Dauer oder ist das etwas, was in einiger Zeit überholt ist?

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Im Augenblick versucht die Industrie noch Wege zu gehen, die optische Schalter nicht benötigen. Wir sehen die Anwendung unserer Entwicklung in der nahen Zukunft. Die Industrie forciert noch immer die elektrische Signalverarbeitung, die sie zu sehr hoher Verarbeitungsgeschwindigkeit weiterentwickelt. Aber man weiß, dass es für diese Technik Grenzen gibt. Trotzdem wird mit Recht versucht, eine Technologie, die funktioniert, so weit zu treiben, bis es nicht mehr geht. Unser Konzept beschreibt einen Umbruch. Man schaltet nicht mehr im elektrischen sondern im optischen Bereich. Dieses Konzept steht derzeit gerade an seinem Anfang und wird mit Sicherheit von einiger Dauer sein.

Prof. Dr. Reinhold Ludwig
Eigentlich ist das noch nicht die ganze Antwort. Die elektrische Signalverarbeitung ist letzten Endes klein und intelligent. Photonen sind sehr viel größer als Elektronen und sie sind auch zur Zeit nicht wirklich speicherbar. Deshalb wird man die Funktionalität der Elektronik im Optischen so nicht erreichen können, zumindest ist das nicht absehbar. Da die intelligenten Schaltentscheidungen ohnehin mit Hilfe der Elektronik getroffen werden, versucht die Industrie die Elektronik so weit wie möglich zu treiben. Die nächste Entwicklungsstufe, die in drei, vier Jahren in den Telekommunikationsnetzen installiert werden wird, ist diese elektrische Technik. Aber auf der letzten größeren Tagung in Amerika sind die sehr hohen Bitraten plötzlich explodiert. Damit hat vorher keiner gerechnet. Damit ist natürlich auch klar, dass sehr bald die Elektronik am Ende sein wird. Wahrscheinlich schon mit der Entwicklungsstufe so wie sie jetzt ist, denn die Elektronik beginnt, wenn sie sehr schnell wird, auch sehr teuer zu werden. Und damit ist klar, dass direkte Schaltfunktionen am Datenstrom optisch sein müssen. Aber die Einstellung dieses optischen Schalters wird mit großer Wahrscheinlichkeit nach wie vor elektrisch sein. Denn intelligent ist die Optik bis jetzt nicht. Sie ist ungeheuer schnell und ungeheuer verlustarm. Wir kommen so weit, wie wir mit der Elektrotechnik nie kommen würden, aber intelligente Schaltkreise haben wir in der Optik bisher nicht.

Wenn man es sehr vereinfacht nimmt, ermöglicht Ihre Innovation eine schnellere Datenverbreitung. Was haben wir davon, was ist der gesellschaftliche Nutzen dieser Innovation?

Stefan Diez
Das Internet als solches hat ein sehr großes Potential, die Menschen auf der ganzen Welt mit den Informationen ihrer Wahl zu versorgen. Sie können auf diese Daten zugreifen, so sie über Telefonanschlüsse oder demnächst über Satellitenanschlüsse verfügen. Hier entsteht ein großes Demokratiepotential, so dass im Prinzip Teile der Welt nicht mehr abgeschottet werden können. Dazu sind solche innovativen Technologien notwendig, die es ermöglichen, auf die ungeheuren Datenmengen zugreifen zu können. Das Internet ist sicherlich nur ein Gesichtspunkt. Eine Menge anderer Anwendungen, wie z.B. Telemedizin, sind nur möglich, wenn sehr große Datenmengen zeitlich so schnell übertragen werden können, dass man bewegte Bilder mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung verfolgen kann.

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Das möchte ich auch betonen. Man bringt unseren Schalter immer mit dem Internet in Verbindung, das ist aber nicht die einzige Anwendung. Dieser Schalter ist generell für die Kommunikation der Zukunft geeignet und nicht nur für das Internet.

Ihr Projekt ist ja in einigen Bereichen eine Kooperation Wissenschaft/Wirtschaft, d.h. es gibt also den Spin-off, der Teile kommerziell verwerten soll. Das ist ja für einen deutschen Wissenschaftsbetrieb nicht so üblich. Wie ist die Situation und welche Wechselwirkung gibt es?

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Links neben mir sitzt der Geschäftsführer einer solchen Firma, Herr Ludwig. Die Firma LKF Advanced Optics GmbH ist eine spin-off Firma unserer Arbeitsgruppe. Sie entwickelt und vertreibt optische Pulsquellen. Die Idee zum Aufbau dieser Pulsquelle ist in der Projektabeit entstanden.

Prof. Dr. Reinhold Ludwig
Die Idee war, dass man für die hier am HHI entwickelten Grundlagen einen Adapter braucht, der diese Ergebnisse in verkaufbare Produkte umsetzt. Die Frage ist allerdings, wohin sich die Firma letzten Endes entwickeln soll. Ziel der meisten Firmen ist es, irgendwann mal besonders viele Mitarbeiter einzustellen, Venture Capital aufzunehmen und dann an die Börse zu gehen. Das ist der typische Weg. Wir sind nicht mit dieser Vorstellung gestartet, sondern wir wollten eine kleine Firma aufbauen, die an andere Forschungslabore ganz hochentwickelte Produkte liefert. Im Augenblick stehen wir allerdings gerade an einer Schwelle. Es gibt Anfragen, z.B. über 500 Stück von unseren Lasern. Daraus folgt, dass man die Firma komplett umstrukturieren müsste und ein Qualitätsmanagement einführen müsste. Dann müssen viele Leute eingestellt werden und das bedeutet ein erhebliches finanzielles Risiko. Da stellt sich die Frage: „Soll man oder soll man nicht?“ Unsere Abnehmer haben unter Umständen noch andere Lieferanten. Weiterhin sind wir in einem Zwiespalt, weil sich ein öffentliches Institut mit internen Firmen naturgemäß schwer tut. Das Ziel ist letzten Endes, sich ganz vom Institut zu lösen.

Das ist in den USA anders, dort ist es gang und gäbe, dass jemand an der Uni und parallel in ein, zwei oder drei Firmen aktiv ist oder sich so etwas aus den Instituten heraus entwickelt. Wissenschaft und Wirtschaft, passt das zusammen?

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Das Heinrich-Hertz-Institut gehört nicht zur Universität. Wir haben etwas andere Gesetze als die Universität. Das Heinrich-Hertz-Institut hat sehr viele Kooperationen mit der Wirtschaft. Es fließt auch Geld direkt von der Wirtschaft ins Institut. Sehr wichtig ist die rechtliche Frage, die sich stellt, wenn eine Gruppe von Institutsangehörigen eine Firma gründet und noch weiter am Institut tätig sein will oder sogar die Einrichtungen des Instituts für die Firma nutzen möchte. Bis vor etwa zwei Jahren war eine solche Konstellation nicht möglich. Diese Situation hat sich aber seit etwa zwei Jahren geändert. Heute hat das Institut fünf spin-off Firmen. Die spin-off Firma unserer Gruppe war der Vorreiter dieser Entwicklung.

Es ist faszinierend, was Sie hier entwickeln, wer weiß davon? Der Bundespräsident fordert den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Werden die Leistungen der Wissenschaft ausreichend transportiert?

Prof. Dr. Reinhold Ludwig
Es wird schon transportiert, aber nicht unbedingt in unsere eigene Gesellschaft sondern beispielsweise in die USA. Das ist ganz typisch. Von unserer Gruppe sind auch einige Leute in die USA gegangen, weil das Arbeitsklima dort einfach besser ist. Wenn durch die Öffentlichkeitsarbeit, die im Zusammenhang mit dem Deutschen Zukunftspreis betrieben wird, mehr Leute dazu gebracht werden an den Universitäten z.B. Physik zu studieren, dann wäre das ein signifikanter Erfolg. Aber im Augenblick ist es halt nicht so. Leute in technischen Berufen haben ein ganz anderes Image als z.B. Mediziner. Wir bräuchten dasselbe Sozialprestige, das diese Leute haben, dann würden wir auch mehr Nachwuchs bekommen.

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Wir können nicht dafür sorgen, dass Schüler oder Schülerinnen an die Universität gehen und Physik oder Elektrotechnik studieren. Wir selbst haben überhaupt keine Kanäle, um diesen Personenkreis zu erreichen, außer wenn Medien über uns berichten.

Stefan Diez
Die Verbreitung des Internets und anderer moderner Kommunikationstechniken bis hinein in die Haushalte mag diese Situation ein wenig ändern. Ich denke, dass dadurch mehr Fokus auf die dahinterstehenden Technologien, und nicht zuletzt auf unsere Forschung gerichtet wird als vielleicht noch vor fünf oder zehn Jahren.

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Leider trifft es aber auch zu, dass viele Wissenschaftler - gerade im naturwissenschaftlichen Bereich - wenig Interesse zeigen an die Öffentlichkeit zu treten.

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Wir haben sehr viel zu tun. Wir müssen uns voll auf das konzentrieren, was in unserem Labor untersucht wird. Jede Presseerklärung ist eigentlich eine Störung für uns.

Gibt es für Ihr Team so etwas wie eine formulierbare Motivation, ein gemeinsames Motto?

Prof. Dr. Reinhold Ludwig
Nein, unser gemeinsames Motto ist simpel: neugierig zu sein.

Was verbindet Sie?

Prof. Dr. Reinhold Ludwig
Spielen, neugierig sein auf Sachen, die es noch nicht gibt.

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Diese Bemerkung von Herrn Ludwig muss ich erläutern. Wir stellen Projektanträge und geben darin Forschungsziele an. Wird das Projekt durchgeführt, dann versuchen wir die angegebenen Ziele zu erreichen. Das gelingt uns meistens recht gut. Es gelingt uns auch noch Zeit zu finden, um Fragen nachzugehen, die von den vorgegebenen Projektzielen abweichen. Das nennen wir spielen. Es wird versucht und probiert, um die Neugier zu befriedigen. Unsere Lichtweiche ist aus spielerischer Tätigkeit entstanden und nicht, weil es zuvor geplant oder festgelegt war. Innovation kann man nicht planen. Wir müssen im Labor spielen können. Unsere guten Ergebnisse stammen aus spielerischer Tätigkeit im Labor.

Stefan Diez
Was mir dafür auch sehr wichtig erscheint ist ein Team, in dem eine effiziente Arbeitsteilung vorhanden ist. Es muss nicht jeder alles ganz neu aufbauen. Das Wissen, das durch die Mitarbeiter in der Gruppe vorhanden ist, ist abgreifbar. Die gute Zusammenarbeit aller Kollegen in unserer Gruppe, die das effiziente Arbeiten ermöglicht, schätze ich sehr. Ohne das wäre das „Spielen“ nicht ganz so einfach.

Wie setzt sich denn dieses Team zusammen, wieviel Leute sind das?

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Im Augenblick besteht die Gruppe aus zwölf Mitarbeitern, fünf Physikern, vier Ingenieuren, einem technischen Angestellten und zwei studentischen Mitarbeitern, die ihre Diplomarbeit durchführen. Die meisten meiner Mitarbeiter habe ich über meine Vorlesungen an der Technischen Universität gewonnen.

Wissenschaft ist global. Wie sehen Sie die Grundbedingungen für Projekte wie Ihres in Deutschland und wie sehen Sie das im internationalen Vergleich?

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Wir bekommen unsere Forschungsgelder vornehmlich durch BMBF-Projekte und zu einem geringeren Teil auch durch DFG-Projekte. Wir sind insbesondere vom BMBF immer gut unterstützt worden. Das gilt besonders auch für die Arbeiten zur Lichtweiche. Zum internationale Vergleich: Unser Arbeitsgebiet wird weltweit gut gefördert, weil die Firmen und die staatlichen Stellen die Notwendigkeit dieser Arbeiten erkannt haben. Forschung für das Internet ist heute ein Zauberwort, um an Geldmittel zu kommen.

Prof. Dr. Reinhold Ludwig
Das allgemeine Klima für Innovation in Deutschland würde ich in Relation zu Japan oder USA sehr viel negativer sehen. Ich habe eine Weile in den USA gearbeitet und auch eine Weile in Japan, in verschiedenen Firmen, das Klima ist da völlig anders. Zunächst einmal bezogen auf die gesamtgesellschaftliche Einstellung: In Japan sind die Leute ungeheuer technikbegeistert, sie haben eine positive Einstellung gegenüber Technik. Der Punkt in Deutschland ist, dass Technik hier für zu lange Zeit einen negativen Touch hatte. Es war richtig, dass eine Reihe von Technikgefahren, die die Techniker selbst lange Zeit verharmlost haben von kritischen Leuten öffentlich gemacht worden sind. Nur darf sich dies nicht in einem technikfeindlichen Gesamtklima niederschlagen. Wir müssen ganz klar wissen, dass wir uns die Diskussion um den Umweltschutz nur leisten können, weil wir eine relativ gute Technik haben. Insofern finde ich das Klima in Deutschland negativer, als es in Japan oder USA der Fall ist.

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Es kommt noch hinzu, dass das Arbeiten durch übermäßige Bürokratie unerfreulich wird.

In der Wirtschaft ist es nicht anders. Wenn Sie einen Business-Plan machen und hinterher mit dem Geld haushalten müssen, müssen Sie genauso agieren. Es geht vielleicht ein bißchen leichter und vielleicht reicht die wirtschaftliche Überzeugungskraft, die dahinter steht, aber im Endeffekt ist es ja nichts anderes, Sie müssen sich auch dafür verantworten, was Sie damit machen.

Prof. Dr. Reinhold Ludwig
Wobei das zu trennen ist in Grundlagenforschung zum einen und Vorentwicklung, die hinterher in einem Produkt mündet. Für meine Firma müsste ich ganz klar sagen, natürlich gebe ich kein Geld aus für etwas, von dem ich nicht genau weiß, was herauskommt. Zur Zeit betreiben wir in unserer Gruppe eher Grundlagenforschung. Das Institut aber entwickelt sich von der Grundlagenforschung weg hin in Richtung Predevelopment. Das ist eine Tendenz, die wir von der Gruppe her nicht so gerne sehen. Wir sind der Meinung, dass Predevelopment von Firmen, die Telekommunikation in Deutschland anbieten, selbst betrieben werden soll, weil sie dann auch selbst die notwendige Technologie und die zugehörigen Patente haben. Wir glauben, als öffentliches Institut hat man nicht die Aufgabe, kurz vor der Wirtschaft zu arbeiten, sondern an dem, was vielleicht in fünf bis zehn Jahren kommt.

Gibt es Wünsche oder Forderungen, die Sie an die Politik, an die Gesellschaft haben, um ein Projekt wie Ihres durchzusetzen?

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Ich habe schon gesagt, dass unsere Arbeiten gut gefördert werden. Wir können uns über die Sachmittel nicht beklagen, aber es fehlen uns gute Mitarbeiter. Viel Zeit verlieren wir durch den administrativen Aufwand. Es ist dann besonders frustrierend und auch unwirtschaftlich, wenn die wenigen guten Leute auch noch mit administrativen Aufgaben überhäuft werden.

Prof. Dr. Reinhold Ludwig
Wenn wir an die Gesellschaft Forderungen haben, dann sind es die, dafür zu sorgen, dass die Leute, die für die Zukunft gebraucht werden, hier ein gutes Klima finden und in Deutschland bleiben. Gut ausgebildete Leute sind im Grunde genommen weltweit Mangelware. Diese Leute sind mobil und arbeiten da, wo sie gute Bedingungen finden. Sehr viele Kollegen aus unserem Gebiet wandern nach Amerika ab. Die Leute, die hier arbeiten sollen, sind ein Wert an sich. Diese Leute müssen so ausgebildet sein, dass wir auch noch in Zukunft ein ernstzunehmendes Land auf dem Hochtechnologiesektor sind.

Stefan Diez
Das Universitätssystem in Deutschland ist immer noch sehr schwerfällig. In der Regel gibt es nur die Möglichkeit, fünf Jahre durchzustudieren, bevor man einen Abschluss hat, mit dem man irgendetwas anfangen kann. Fünf Jahre sind eine große Spanne. Man kann zuvor schlecht absehen, was dann gerade gebraucht wird. Physiker und auch Elektrotechniker sind im Moment in der antizyklischen Welle. Wenn Leute gebraucht werden, sind keine da. Ich weiß nicht, ob nicht andere Modelle, wie sie in den USA laufen, mehr Flexibilität geben könnten und dienlicher wären.

Ich würde gerne noch etwas über Sie wissen. Würden Sie, wenn Sie heute noch einmal vor der Wahl stünden, Ihre berufliche Laufbahn wieder so wählen. Und was tun Sie eigentlich, wenn Sie nicht hier sitzen?

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Ich würde wieder Physiker werden. Physik ist eine Grundlagenwissenschaft. Die Inhalte dieses Faches interessieren mich und sie setzen mich in die Lage, Zusammenhänge in der Natur zu verstehen. Mir macht es auch Spaß, mit jungen Leuten zu arbeiten. Es macht Freude, ein Sache zu erforschen, etwas zu verstehen. Außerberuflich lese ich viel, liebe Musik und erfreue mich an dem kulturellen Angebot Berlins. Meine Frau und ich wandern außerdem gern.

Prof. Dr. Reinhold Ludwig
Ich bin mir nicht sicher, ob ich noch einmal denselben Weg beschreiten würde. Wahrscheinlich so nicht. Ich würde zwar auch wieder ein technisches Fach bevorzugen. Wahrscheinlich würde ich im nachhinein nicht noch einmal den Weg über den zweiten Bildungsweg beschreiten. Erst Lehre und dann auf die Universität, das kostet zuviel Zeit, ist zuviel Aufwand. Seit ich meine Firma gegründet habe, bin ich täglich sehr lange im Institut, meistens auch noch sonntags. Außer der Arbeit existiert da praktisch nichts mehr. Ich habe zwei Kinder und da reserviere ich wenigstens den Samstag für meine Familie.

Stefan Diez
Ich bin noch am Anfang des beruflichen Daseins, habe Physik studiert und bin darüber auch sehr glücklich. Das bezieht sich auf die Herangehensweise oder Denkweise, die man während des Physikstudiums vermittelt bekommt und sich aneignet. Diese Flexibilität ermöglicht es einem, sich relativ schnell auch in andere Gebiete hineinzuvertiefen. Von der Physik kann man da ja glücklicherweise in sehr viele Gebiete ausschwärmen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Ich möchte gerne die Gruppe weiterführen in dem gleichen Geiste, wie es im Augenblick der Fall ist.

Prof. Dr. Reinhold Ludwig
Zum einen möchte ich natürlich gerne, dass meine Firma wächst und gedeiht und zum anderen hätte ich gerne mehr Freizeit für meine Familie. Ich würde auch gerne weiter spielerisch experimentieren, weiter Dinge machen, an die bisher keiner gedacht hat. Die Neugier ist immer noch geblieben, das ist das, was für uns hier ganz schön ist. Das man hier in unserer Gruppe, wenn einem was Neues einfällt, dies weitgehend tun kann ohne groß zu fragen. Wir machen das halt dann einfach, ohne das es unbedingt in irgendeine Planung passen muss. Das sind Dinge, die wir nach wie vor gerne tun und auch gerne weiterhin tun würden.

Stefan Diez
Neben persönlicher Gesundheit und Erfüllung in meiner Familie wünsche ich mir auch weiterhin eine spannende Arbeit, zu der man gerne geht. Besonders wichtig sind mir dabei eine gute Zusammenarbeit mit den anderen Kollegen und die Freiheit in verschiedene Richtungen schauen und sich entfalten zu können.

Weitere Details

Lebensläufe

Prof. Dr. Hans-Georg Weber

30.12.1940
geboren in Troppau
1952 – 1960
Gymnasium in Offenbach am Main
1961 – 1968
Studium der Mathematik und Physik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main und der Philipps-Universität Marburg, Staatsexamen
1968 – 1971
Promotion in Physik an der Philipps-Universität Marburg
1972 – 1976
Habilitation in Physik an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
1977 – 1978
Max Kade-Stipendiat an der Stanford University, USA
1979 – 1984
Heisenberg-Stipendiat am Physikalischen Institut der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
seit 1985
Leiter einer Forschungsgruppe am Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik in Berlin
seit 1996
apl. Professor für das Fach Physik an der Technischen Universität Berlin

Ehrungen:

1999
Philip Morris Forschungspreis

Dr. Reinhold Ludwig

14.08.1952
geboren in Lahnstein
1959 – 1967
Schule in Niederlahnstein
1967 – 1971
Lehre als Elektroinstallateur, Gesellenbrief
1967 – 1971
Berufsaufbauschule Lahnstein, Fachschulreife
1971 – 1974
Studium an der Fachhochschule Koblenz, Diplom (FH)
1974 – 1985
Studium an der Technischen Universität Berlin, Diplom (TU)
1975 – 1979
Tutor und Direktoriumsmitglied am Institut für theoretische Elektrotechnik der Technischen Universität Berlin
1979
Freier Mitarbeiter bei Siemens, Berlin
1979 – 1984
Studentischer Mitarbeiter am Institut für Luft- und Raumfahrt der Technischen Universität Berlin
seit 1985
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik in Berlin
1991
Forschungsaufenthalt bei NTT Opto-Electronics Lbs., Atsugi, Kanagawa, Japan
1993
Promotion an der Technischen Universität Berlin
1993
Forschungsaufenthalt bei AT&T Bell Labs., Crawford Hill Lab, Holmdel, N.J., USA
seit 1996
Geschäftsführer der Fa. LKF Advanced Optics GmbH, Berlin
1998
Forschungsaufenthalt im Rahmen des Visiting Research Scholarship Program bei Fujitsu Labs, Kawasaki, Japan

Ehrungen:

1999
Philip Morris Forschungspreis

Stefan Diez

6.12.1969
geboren in Dresden
1976 – 1984
Polytechnische Oberschule in Dresden
1984 – 1988
Spezialschule mathemathisch-naturwissenschaftlich-technischer Richtung „Martin Andersen Nexö“ in Dresden Abitur 1988
1989 – 1992
Studium der Physik an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena und an der Technischen Universität Berlin
1992 – 1993
Als Fulbright-Stipendiat Studium der Physik und Biophysik an der University of Washington, Seattle, USA
1993 – 1996
Studium der Physik an der Technischen Universität Berlin Diplom 1996
1993 – 1996
Studentischer Mitarbeiter am Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik in Berlin
1996
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Optischen Institut der Technischen Universität Berlin
seit 1997
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik in Berlin

Ehrungen:

1997
Newport–Nachwuchsförderpreis
1998
Symposiumspreis der Rank Prize Funds
1999
Philip Morris Forschungspreis

Kontakte

Projektsprecher:

Prof. Dr. Hans-Georg Weber
Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik Berlin GmbH
Einsteinufer 37
10587 Berlin
Tel.: +49 (0) 30 / 31 00 24 43
Fax: +49 (0) 30 / 31 00 26 09
E-Mail: hgweber@hhi.de

Dr.-Ing. Reinhold Ludwig
LKF Advanced Optics GmbH
Mauschbacher Steig 16
13437 Berlin
Tel.: +49 (0) 30 / 40 39 76 81
Fax: +49 (0) 30 / 40 39 76 82
E-Mail: ludwig@hhi.de

Pressekontakt:

Dr. Wolf v. Reden
Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik Berlin GmbH
Einsteinufer 37
10587 Berlin
Tel.: +49 (0) 30 / 31 00 23 30
Fax: +49 (0) 30 / 31 00 26 09
E-Mail: reden@hhi.de

Beschreibung der Institute und Unternehmen zu ihren nominierten Projekten

In heutigen Kommunikationsnetzen erfolgt die Datenübertragung auf Glasfasern im optischen Bereich. Die Datenverarbeitung in den Netzknoten wird jedoch noch immer auf elektrischem Wege ausgeführt. Dazu müssen die Daten zuerst aus dem Optischen ins Elektrische gewandelt, elektrisch verarbeitet und danach wieder ins Optische umgesetzt werden. Da derzeit ein starkes Anwachsen des Datenverkehrs, stimuliert durch das Internet und andere Multimedia-Anwendungen, zu verzeichnen ist, wird die elektrische Signalverarbeitung in den Netzknoten zunehmend zum begrenzenden Faktor in den Kommunikationsnetzen.

Ein vielversprechender Ansatz zur Lösung dieses Problems und damit zur effizienten Nutzung der Übertragungskapazität der Glasfaser besteht darin, die elektrische Signalverarbeitung in den Netzknoten durch ultraschnelle optische Signalverarbeitung zu ersetzen.

Die hier beschriebene Lichtweiche wurde für diese Aufgabe entwickelt. Sie ist für das Schalten optischer Datensignale im Pikosekundenbereich geeignet und soll Daten mit Datenraten von mehr als 100 Gigabit pro Sekunde verarbeiten. Um derart kurze Schaltzeiten zu realisieren, wird das Prinzip des rein-optischen Schaltens eingesetzt, bei dem Licht durch Licht geschaltet wird. An der Verwirklichung derartiger ultraschneller Schaltverfahren arbeiten mehrere internationale Gruppen in Europa (z.B. British Telecom, Alcatel, ETH Zürich), den USA (z.B. Lucent, AT&T, MIT) und Japan (z.B. NTT, Fujitsu, FESTA) mit hoher Intensität. Es gelang diesen Gruppen bisher jedoch nicht, die breite Palette der Anforderungen an einen derartigen Schalter zu erfüllen. Insbesondere stören die optischen Datensignale in allen bisher in Halbleitertechnologie entwickelten Schaltern das Schaltverhalten selbst und erlauben daher keine Kombination von Wellenlängenmultiplex-Technik und Zeitmultiplex-Technik, die für die Bewältigung des erwarteten hohen Datenverkehrs erforderlich ist.

Die am Heinrich-Hertz-Institut entwickelte Lichtweiche besteht aus einem rein-optischen Schalter, einer optischen Pulsquelle und einer optischen Taktrückgewinnung. Der rein-optische Schalter nutzt den nichtlinearen optischen Effekt der Kreuzphasenmodulation in einem optischen Halbleiterverstärker. Mit Hilfe einer Interferometer-Anordnung (z.B. Mach-Zehnder-Interferometer) wird die Phasenmodulation in eine Amplitudenmodulation (Schalten) umgesetzt.

Um die Schwierigkeiten der konventionellen Schalter zu vermeiden, wurde von uns das neuartige Konzept eines Gewinn-Transparenten Schalters eingeführt und zum Patent (DE 198 05 413.0) angemeldet. Bei dem neuen Schalter wird ein optischer Halbleiterverstärker in das Interferometer eingesetzt, dessen Gewinnmaximum bei einer bedeutend kürzeren Wellenlänge als der Wellenlänge der Datenpulse liegt. Damit ist der Schalter für die Datenpulse transparent, da deren photonische Energie unterhalb der Bandkantenenergie des Halbleitermateriales liegt. Der optische Steuerpuls ist dem verwendeten optischen Halbleiterverstärker angepasst. Er induziert eine Gewinnänderung und eine spektral viel breitere Brechzahländerung, die ausreichend ist, um die Datenpulse zu schalten.

Ein weiteres zentrales Element für die Lichtweiche und darüber hinaus für die gesamte optische Übertragungstechnik ist eine vielseitige optische Pulsquelle. Eine solche wurde in der Arbeitsgruppe in Form eines durchstimmbaren, modemgekoppelten Halbleiterlasers mit externem Resonator entwickelt. Diese Pulsquelle findet Einsatz sowohl bei der Erzeugung der optischen Daten- und Steuerpulse als auch bei der Taktrückgewinnung.

Das Gesamtsystem wurde in der Funktion als optischer Schalter und „Sortierer“‘ (Demultiplexer, Add/Drop-Multiplexer) für Datenraten bis 640 Gigabit pro Sekunde getestet. Als weitere Anwendungsmöglichkeit der Lichtweiche wurde der Einsatz als Abtaster von optischen Signalen mit einer Auflösung von weniger als einer Pikosekunde demonstriert. Eine derartige Technik wird speziell zur Qualitätsüberwachung von hochratigen optischen Übertragungssystemen benötigt. Die Lichtweiche hat darüber hinaus das Potential, als sehr kompakte, photonisch integrierte Komponente auf einem optischen Chip realisiert zu werden. Eine kostengünstige Herstellung in großer Stückzahl wäre dann denkbar und würde weitere kommerzielle Anwendungsmöglichkeiten eröffnen.

In allen demonstrierten Anwendungen konnte gezeigt werden, dass die entwickelte Lichtweiche bisher bekannten Verfahren weit überlegen ist und durch ihre neuartigen Merkmale eine Reihe von Applikationen erst möglich macht. Die Vorteile gegenüber elektrischen Schaltern liegen in einer um vieles höheren Verarbeitungsgeschwindigkeit und in einem deutlich vereinfachten Aufbau. Im Vergleich zu bisherigen optischen Lösungen zeichnet sich die Lichtweiche dadurch aus, dass ihre Schaltfunktion unabhängig von der Leistung des optischen Datensignals ist (linearer Schalter) und dass die transmittierten Datensignale durch den Schaltvorgang nicht gestört werden. Zusätzliche Vorteile sind eine extrem große optische Signalbandbreite, geringes Rauschen und geringes Übersprechen. Die große optische Signalbandbreite macht die Lichtweiche insbesondere für kombinierte Zeitmultiplex- und Wellenlängenmultiplex-Systeme vorteilhaft.

Die Lichtweiche ist eine ingenieurwissenschaftliche Innovation, die zu einem Produkt geführt hat, das für die Kommunikationssysteme der Zukunft von großer Bedeutung ist. Die Innovation ist bereits durch zwei Patente abgesichert, die im Besitz des Heinrich-Hertz-Instituts und der Firma LKF-Advanced Optics GmbH sind. Das Interesse an diesem Produkt ist schon jetzt groß, wie weltweite Nachfragen aus Instituten und der Industrie nach Preis und Lieferbarkeit der Lichtweiche zeigen. Die Resonanz auf die Innovation im ingenieur- und naturwissenschaftlichen Umfeld ist durch mehrere eingeladene Konferenzbeiträge über die Entwicklungsarbeiten, durch zahlreiche Veröffentlichungen und durch Hinweise in der nationalen und internationalen Presse belegt. Besonders wird das Interesse der Industrie daran sichtbar, dass die Firma Alcatel für die technologische Entwicklung des rein-optischen Schalters schon jetzt Geld investiert, indem sie ein Projekt am Heinrich-Hertz-Institut finanziert. Im Rahmen dieses Projektes soll der Gewinn-Transparente Schalter als monolithisch integrierter Chip realisiert werden.

Ein weiterer Erfolg der Innovation zeigt sich in der Gründung der Firma LKF-Advanced Optics GmbH, einer Spin-off Firma unserer Arbeitsgruppe. Diese Firma ist am Patent des rein-optischen Schalters beteiligt und vermarktet schon heute eine Teilkomponente der Lichtweiche, die optische Pulsquelle. In Reaktion auf die große Nachfrage an dem innovativen Produkt hat die LKF-Advanced Optics GmbH bereits neue Arbeitsplätze geschaffen.

Da die Anzahl der Aufträge jedoch noch immer die Produktionskapazitäten der Firma übersteigt, ist eine baldige Expansion nicht auszuschließen. Zu den bisherigen Abnehmern der Pulsquelle zählen neben renommierten Forschungsinstituten wie das Massachussetts Institute of Technology (MIT) in Boston (USA) auch namhafte nationale und internationale Telekommunikationsfirmen und Netzbetreiber wie die Deutsche Telekom AG (DTAG), British Telecom (BT) und die japanische Nippon Telephone and Telegraph Corporation (NTT) in Japan.

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Das Vorschlagsrecht zum Deutschen Zukunftspreis obliegt den führenden deutschen Einrichtungen aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie Stiftungen.

Das Projekt „Ultraschnelle Lichtweiche für Kommunikationsnetze - Lösungen auch für das Internet der Zukunft“ wurde von der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz vorgeschlagen.

Nominiert 1999 · TEAM 1