Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarte
Die erste Aufgabenstellung lag darin, dass wir berührungslos Entfernungen messen wollten. Dies wird sehr häufig in der industriellen Praxis verlangt, ist aber auch für den Menschen und seine Bewegungen in der Umwelt wichtig. Das Verfahren, das die Evolution dafür entwickelt hat, ist das Stereosehen oder die Triangulation. Es wird ein optisches Bild erfasst und auf die Netzhaut projiziert. Durch die Projektion geht die gesamte Tiefeninformation des Raumes verloren. Was macht der Mensch, um trotzdem in die Tiefe sehen zu können? Er ist mit zwei Augen ausgestattet, und mit diesen sieht er von zwei Positionen aus das gleiche Bild. Das Gehirn steuert die Augenwinkel bis beide Bilder übereinander liegen und berechnet über Winkel und Augenabstand die Entfernung - etwas anders als bei fixen Stereokameras, weil der Mensch bewegliche Augenpupillen besitzt, mit denen er sehr schnell auf ein bestimmtes Objekt fokussiert. Es gibt in der Evolution noch ein anderes Verfahren, das der Laufzeitmessung. Die Fledermaus sendet Töne aus. Sobald ein Objekt getroffen wurde, kommt ein Echo zurück. Die Echolaufzeit wird von der Fledermaus unbewusst über die Schallgeschwindigkeit als Abstand zum Objekt interpretiert.
Lichtwellen anstelle von Schallwellen kamen in unserer Evolution nicht zum Einsatz. Das liegt daran, dass die Lichtgeschwindigkeit so unglaublich viel größer ist als die Schallgeschwindigkeit - etwa eine Million Mal! Erst der Mensch mit seinen Fähigkeiten, die Naturgesetze zu analysieren und zu verstehen, kann auf dieser Basis ein sogenanntes Laserradar bauen, das heute in der Lage ist, einen Millimeter in der Entfernung aufzulösen, obwohl das Licht so schnell ist, dass es in einer Sekunde siebeneinhalb Mal um den Äquator läuft und für den Millimeter nur 3,3 Pikosekunden benötigt, d.h. 3,3 Mal ein Millionstel einer Millionstel Sekunde! Ich bin durch meine Promotion zu dieser Aufgabenstellung, der Pikosekunden-Impulsmesstechnik, gekommen.
Mit dieser Problematik haben wir uns in den letzten beiden Jahrzehnten beschäftigt. Der Anlass bei mir war: Als Oberingenieur am Institut für Technische Elektronik in Aachen hatte ich die Aufgabe, Gutachten für das BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) zu erstellen. Da gab es ein Projekt, das die Messung von Entfernungen über die Echolaufzeit beinhaltete. Dieses Projekt habe ich nicht nur begutachtet, sondern bin als Projektbegleiter ausgewählt worden und konnte dann auf Grund meiner Erfahrungen im Pikosekundenbereich auch einige Beiträge liefern. Dabei zeigt die Praxis, dass die Problematik doch sehr, sehr anspruchsvoll ist. Nach dem Lichtempfang durch die Photodiode entstehen unvermeidliche Fehler im elektronischen Verstärker auf Grund der eigenen Zeitdrift, der störenden Hintergrundbeleuchtung durch die Sonne und einer extremen Amplitudendynamik des Echolichts durch unterschiedliche Reflexionen und unterschiedliche Abstände.
Nach dem Ruf an die Siegener Hochschule hatte ich einige Ideen, wie man es besser machen könnte, und habe mit einer Mannschaft angefangen, dafür Drittmittelprojekte einzuwerben. Wir machten nur langsame Fortschritte und haben viele verschiedene Ansätze probiert. Das gebräuchliche Referenzverfahren erwies sich als zu ungenau. Die Referenzmessung besteht darin, dass man auf einem zweiten bekannten Lichtweg eine parallele Laufzeitmessung macht, die zum Vergleich herangezogen wird. Über die Differenz der Referenz- und Zielmessung werden die gemeinsamen Fehler eliminiert. Dieses Verfahren wird heutzutage fast überall eingesetzt. Der Aufwand und die Drift sind aber dennoch zu hoch, so dass neue Wege gesucht werden mussten.
Als großer Fortschritt erwies sich der Weg, Messkanal und Referenzkanal zu vereinen, indem die Messphotodiode und die Referenzphotodiode an den gleichen Verstärkereingang gelegt und abwechselnd betrieben wurden. Dadurch entfielen die unvermeidlichen Laufzeitunterschiede zweier getrennter Verstärker. Beide Empfangsdioden wurden abwechselnd ein- und ausgeschaltet. Das hat eine enorme Driftverbesserung gebracht, etwa Faktor 10! Dazu habe ich Patente in den Jahren 1992/93/94 angemeldet. Aber der Aufwand erschien mir immer noch zu hoch. Eigentlich mussten nur noch die getrennten Empfangsdioden für Referenz und Ziel zusammengefasst werden, um auch deren gemeinsame Fehler zu vermeiden: Die Idee hierzu kam 1996 aus heiterem Himmel und bestand aus einer neuartigen Photodiode mit zwei Ausgängen, die im Gegentakt aktiviert bzw. ausgelesen werden: der Photomischdetektor PMD.
Werden die Photoladungen im gleichen Rhythmus der optischen Modulation nach links und rechts geschaukelt und ausgelesen, so steht das gesuchte Ergebnis sofort als Differenzladung zur Verfügung - ohne den großen, teuren und fehlerbehafteten Elektronikaufwand!
Der Trick besteht darin, dass der Takt des Auslesens nach links und rechts mit dem Takt der Lichtmodulation übereinstimmt - bis auf die unbekannte Laufzeitverschiebung, die Unsymmetrien erzeugt. Damit kann sogleich auch das unerwünschte Sonnenlicht unterdrückt werden, da es keine Unsymmetrien erzeugt. Dieses neuartige Bauteil leistet unauffällig die entscheidende Signalvor verarbeitung mit extremer Vereinfachung und höchster Präzision und ist ein Paradebeispiel für die Synergie und Leistungsfähigkeit einer gleichzeitigen Nutzung von Photonen und Elektronik, d.h. der Photonik, die heute als eine der bedeutendsten Schlüsseltechnologien für unsere Zukunft angesehen wird.
Das neue Bauelement PMD kann preiswert in CMOS-Technologie realisiert werden. Über zwei modulierbare Photogates wird der Auslese- oder Schaukelrhythmus bestimmt. 1997 haben wir die ersten Chips in der sogenannten Photogate-PMD-Technologie hergestellt. Diese Versuche haben gezeigt, dass das Prinzip funktioniert. Es folgten noch weitere Entwicklungsschritte - teilweise auch in anderen Technologien - für höchste Auflösung und Reichweite (100 µm Auflösung und km-Messbereich).
Der erzielte Fortschritt hört sich unglaublich an: Das Volumen des Empfangsteils eines solchen Laserradars schrumpft auf etwa ein Millionstel. Somit ist es möglich, einen kompletten optischen Radar-Empfänger auf einem Chip unterzubringen. Man kann den Chip dann zu einer Matrix von Tausenden solcher Empfänger erweitern. In unserer Firma haben wir in einer 3D-Kamera 256 optische Radar-Empfänger integriert. Der PMD-Chip gleicht äußerlich dem Bildsensor einer konventionellen Kamera, stellt jedoch zu jedem Blickpunkt neben der Helligkeit zugleich die Information über die Objektentfernung zur Verfügung. Dieser Schritt von der 2D-Kamera zu einer 3D-Kamera erfordert nur noch eine modulierte Beleuchtung der Szene, die nach dem PMD-Prinzip vom Hintergrundlicht unterschieden wird. Wir stehen jetzt am Anfang einer wirtschaftlich bedeutenden technologischen Entwicklung mit unüberschaubar vielen Anwendungsgebieten. Diese Aussichten zur Verbesserung unserer Industrie- und Verkehrswelt und der menschlichen Arbeits- und Sicherheitsbedingungen sind einfach großartig.
Das klingt jetzt unheimlich einfach. Wie empfinden Sie das in der Rückschau: War es ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess, bei dem es trotzdem zu einem Zeitpunkt X den Moment gab, in dem Sie sagten: Das ist es!
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarte
Im Laufe von fast 20 Jahren wurden stetig und intensiv Verbesserungen gesucht. Irgendwann kam der letzte Schritt zum PMD - eigentlich folgerichtig, aber doch aus heiterem Himmel. Wieso sollte ich eigentlich nicht Ziel- und Referenzphotodiode zusammenfassen, auch wenn es ein solches Bauelement noch nicht gab? Das war’s! Dann habe ich weitergedacht: Wieso nur zwei Ausgänge? Bereits 1996 habe ich eine Art Taumelscheibe für die Ladungsauslese entwickelt, um in der Gaußschen Zahlenebene nach vier Seiten auszulesen. Es ist immer beeindruckend, dass für eine gute technische Lösung auch die Mathematik plötzlich sehr einfach wird.
Ich sagte schon, das klingt ungemein einfach...
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarte
Ist es auch! Es gab eine Situation, die ich nie vergessen werde: Vor einer Demonstrationstafel zum PMD-Prinzip erläuterte ich einem Ingenieur, der jahrelang an Laserradars gearbeitet hatte, die Funktionsweise dieses kleinen, einfachen Bauelements. Nach den Erläuterungen wurde er still und ging davon. Als ich ihn später wieder traf, gestand er: „Herr Schwarte, als ich verstanden habe, wie einfach die PMD-Lösung ist, da ist es mir eiskalt über den Rücken gelaufen“.
So wie hier liegen sicher noch viele unerwartete Lösungen im Photonikbereich. Die optische Übertragung und Informationsverarbeitung besitzen zumeist eine der Elektronik weit überlegene Dynamik, Schaltgeschwindigkeit und Übertragungsleistung. Der Aussteuerbereich einer Photodiode kann bis zu 1:100 Millionen betragen. In der Optik und Photonik war Deutschland einstmals führend und könnte sich wieder eine führende Position erarbeiten.
Sie haben uns jetzt die Entwicklungslinie bis zum Punkt der Innovation dargestellt. Wo geht die Entwicklung hin? Durch Ihr Projekt eröffnet sich ja eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten. Was geschah weiter und wie ist das Team in seiner jetzigen Konstellation zusammen gekommen?
Dr.-Ing. Bernd Buxbaum
Ich bin 1997 im Rahmen meiner Doktorarbeit in die Thematik eingestiegen und beschäftige mich jetzt schon fünf Jahre mit der PMD-Technologie. Das Entscheidende ist, dass wir es geschafft haben, einen ganz grundlegenden Prozess, den man in der Messtechnik und auch in der Nachrichtentechnik immer wieder braucht, in dieses Empfangspixel zu integrieren; und dies zu niedrigen Preisen, weil wir eine Standardtechnologie verwenden.
Die Grundfunktionalität versetzt uns in die Lage, eine große Bandbreite an Anwendungen zu realisieren. Es ist also keine Einzellösung. Zwar ist die 3D-Thematik relativ speziell, aber die Vergleichsmessung, die in jedem einzelnen Pixel realisiert wurde, ist in der Messtechnik generell notwendig. Man kann z.B. auch in der Umweltmesstechnik, in der Spektroskopie, auch in der Kommunikationstechnik PMD-Verfahren anwenden. Der große Vorteil ist die Hochintegration vieler solcher Empfänger auf sehr kleinem Raum. Diese Möglichkeit bietet uns die Optik, weil sie auf sehr kleinem Raum eine extrem hohe Informationsdichte verarbeiten kann. Unser Empfangselement erlaubt uns, das auch kostengünstig zu tun. Wir haben eine sehr grundlegende messtechnische Funktionalität im PMD-Pixel realisiert, somit erklärt sich dann auch die vielfältige Anwendbarkeit und der breite Markt.
Können Sie uns das ein bisschen plastischer erläutern? Worin bestehen im Einzelnen die Anwendungsmöglichkeiten?
Dr.-Ing. Bernd Buxbaum
PMD ist ein Empfänger, der auch extrem schwache Eingangssignale sauber verarbeiten kann, weil er die konventionell vorhandenen Fehlerquellen eliminiert. Wir sehen großes Potenzial für Anwendungen in der 3D-Kamera, aber auch im Wireless-LAN-Bereich, also in drahtlosen Indoor-Kommunikationssystemen. Da kann PMD zukünftig kostengünstige neue Systeme mit erweiterten Funktionalitäten realisieren. Der Funkansatz ist momentan relativ breit in den Markt umgesetzt. Das ist im Wesentlichen damit zu begründen, dass für die User zurzeit Mobilität an erster Stelle steht, der Handymarkt ist nur ein Beispiel. Wir sind aber der Überzeugung, und damit stehen wir nicht allein, dass in Zukunft die Bandbreite, also die Datenmenge, die man übertragen kann, wieder mehr und mehr in den Vordergrund treten wird. Und gerade da bietet PMD eine effiziente Lösung. Wir sind in der Lage, kostengünstig hochparallel Datenkommunikation zur Verfügung zu stellen. Da sehen wir ein großes Marktpotenzial.
Herr Dr. Buxbaum, Sie sprachen von Ihrer Doktorarbeit. Wie hat die Entwicklung der Firma S-TEC, die Sie ja leiten, begonnen?
Dr.-Ing. Bernd Buxbaum
Die Firma ist begleitend zu meiner Doktorandenlaufbahn entstanden, 1997 wurde die S-TEC gegründet. Parallel zu den Projektarbeiten mit der DFG (Deutsche Forschungsgesellschaft) und dem BMBF am Institut und am ZESS (Zentrum für Sensorsysteme), haben wir hier immer versucht, mit Partnern aus der Industrie eine wirtschaftliche Umsetzung vorzubereiten. Allerdings ist für ein Spin-Off-Unternehmen die alleinige Finanzierung über Entwicklungsprojekte mit Dritten langfristig nicht lukrativ. Man muss versuchen, über einen Kapitalgeber in die Position zu kommen, auch eigene Entwicklungsprojekte durchzuführen und mittelfristig Produkte anbieten zu können. Und so ist es im Frühjahr dazu gekommen, dass wir eine Kooperation mit der Audi Electronics Venture GmbH eingegangen sind. In diesem Zusammenhang ist eine neue Gesellschaft entstanden, die PMDTechnologies, welche die Muttergesellschaft der Firma S-TEC ist. Seit Mai des Jahres 2002 gibt es die PMDTechnologies, die in enger Anbindung zum Audi Konzern über die Audi Electronics Venture agiert. Die Zielsetzung der Gesamtgesellschaft ist klar: die breite Umsetzung der PMD-Technologie in den Markt. Dabei haben Torsten Gollewski und ich die Geschäftsfelder auf die beiden Firmen so verteilt, wie es sich in den letzten Jahren durch die Aktivitäten der S-TEC ergeben hat, d.h. die S-TEC bleibt ihren Kooperationspartnern erhalten, begleitet das laufende Geschäft auch in Zukunft und baut es konsequent aus. Die PMDTechnologies konzentriert sich wesentlich auf die Automobil-Sparte und die Umsetzung neuer Technologien, wobei die Synergie zwischen den Firmen allen nutzt.
Sie haben einen Schwerpunkt im Fahrzeug-Bereich. Werden auch andere Bereiche parallel verfolgt?
Dipl.-Ing. (BA) Torsten Gollewski, MBA
Wir von Audi forcieren natürlich eine Konzentration im Automobilbereich. Audi Electronics Venture will aber den Kooperationspartner PMDTechnologies auf keinen Fall darin einschränken, andere Marktsegmente zu erschließen. Ganz im Gegenteil. Wir sind der grundsätzlichen Überzeugung, dass eine Technologie, die aus mehreren Segmenten Anregungen erhält, stabiler wird. Warum sind wir auf PMD gekommen? Für uns im Automobilbereich ist das dreidimensionale Sehen in Echtzeit eine ganz entscheidende Komponente. Ich denke, dass wir in der nächsten Zeit eine Revolution im Automobilbau erleben werden: Autos, die sehen können müssen. Das „sehende“ Auto ist für uns eine Möglichkeit, Kunden Funktionalitäten anzubieten, die vor allem im Bereich Sicherheit vieles leisten. Fahrerassistenzfunktionen, Unfallvermeidung, unfallfreies Fahren sind nur einige Ziele und Visionen, die im Raum stehen. Dazu braucht man eine Technologie, die genau das ermöglicht.
Wir haben in einem Joint Venture mit Prof. Schwarte die PMDTechnologies ins Leben gerufen, um einem ganz entscheidenden Punkt Rechnung zu tragen. Man braucht heute kleinere Firmen, in denen Innovationen wie PMD geboren werden, muss aber der Firma, bzw. der neuen Innovation auch einen Marktzugang bieten. Jetzt wird es natürlich schwierig, wenn ein kleines Unternehmen an eine Audi AG angekoppelt wird. Deshalb kann die Audi Electronics Venture - die technologiegetrieben ist und weniger renditeorientiert - quasi universitäre Innovationen in den Automobilmarkt bringen. Wir sehen mit PMD gerade in der dreidimensionalen Bilderkennung hervorragende Chancen genau das zu machen und sind speziell in den Entwicklungsprojekten sehr eng angebunden.
PMD kann zum Beispiel auch in der Umweltmesstechnik angewandt werden. Die Spektroskopie ist von den Anforderungen der Applikation relativ ähnlich wie die Entfernungsmessung. Man kann jetzt spektroskopische Verfahren mit PMD-Sensoren zeit- und wellenlängenaufgelöst durchführen. Ebenso ist es vorstellbar, diese in der Qualitätskontrolle von Lebensmitteln einzusetzen. In der industriellen Automatisierung können gezielt Stoffe eingefügt werden, die ein gewisses spektroskopisches Verhalten nachweisen, so dass man über ein solches Messsystem preisgünstig für eine komplette Matrix die zeitaufgelöste und wellenlängenselektive Information ermitteln kann. Die Systeme, die es derzeit gibt, sind enorm teuer; sie kosten weit über 50.000 Euro. Wir sind in der Lage, dies in einem Low-Cost-Segment unterzubringen. Es gibt natürlich noch andere Anwendungsgebiete, die Kommunikationstechnik haben wir schon erwähnt...
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarte
Robotik, zum Beispiel.
Dr.-Ing. Bernd Buxbaum
Industrielle Automatisierung im weitesten Sinne. Es ist weiter vorstellbar, autonome Fahrzeuge oder Roboter, auch im privaten Haushalt mit einer solchen Sensorik auszustatten. Was zurzeit Einzug in den Markt findet, sind autonome Robotersysteme zum Staubsaugen, eine attraktive Applikation. Ich denke, wir werden diese Systeme mit PMD-Sensoren in Zukunft noch wesentlich intelligenter und somit leistungsfähiger machen können. Auch hier kommt wieder der Low-Cost-Aspekt zum Tragen. Die Anwendungsgebiete sind extrem vielfältig, denn immer dann, wenn zukünftig eine Umfeldwahrnehmung benötigt wird, sei es im Automobilbereich, sei es in der Robotik, ist eine solche Kamera unersetzbar.
Sie gehen jetzt mit Ihrem Projekt endgültig aus dem Wissenschaftsbetrieb in die industrielle Umsetzung. Das ist ja in Deutschland gar nicht so üblich. Funktioniert das? Wo befinden Sie sich gerade? Stehen Sie gerade auf der Plattform, bereit zum Sprung?
Dr.-Ing. Bernd Buxbaum
Wir sind schon losgesprungen.
Dipl.-Ing. (BA) Torsten Gollewski, MBA
Wenn man aus dem universitären Bereich kommt, ist es zunächst wichtig, eine Firma überlebensfähig zu machen, und das liefern wir von Audi mit dazu. Man braucht kaufmännische Grundlagen, die steuern wir bei.
Wir sind konkret dabei, das 3D-Kameraprinzip in die Serie zu bringen, mit Firmen aus der Automatisierungstechnik, aus der Robotik und dem Consumerbereich. Wir haben die erste Phase des Start-Up´s hinter uns und stehen auf stabilen Beinen.
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarte
Die Antwort auf Ihre Frage sitzt eigentlich mit diesem Team vor Ihnen. Vor fünf Jahren habe ich nicht gewusst, welche Strecke vor mir liegt. Die Vision zu besitzen oder sogar die Machbarkeit dieser Vision nachzuweisen, ist nicht die Lösung. Und das habe ich auch zu spüren bekommen. Um die Vision zu realisieren, sind alle Schritte zu machen: Die Idee, die Ausarbeitung, die Analyse des Potenzials und die industrielle Umsetzung in Produkte.
Die übrige Antwort ist: Man braucht ein sehr leistungsfähiges Team, das sich nicht mit Standardwissen zufrieden gibt, das bereit ist, sich in neue Gebiete einzuarbeiten. Und man braucht eine Kooperation, eine engagierte Firma, vor allem sehr fähige und loyale Geschäftsführer, die es verstehen, mit diesem Team genau diese Schritte durchzuführen. Ebenso braucht man natürlich Kapital, z.B. Venture Capital. Wir haben hier meines Erachtens eine bessere Lösung gefunden: Mit der PMD-Technologie haben wir eine Begeisterung in der Entwicklungs-Abteilung einer Automobilfirma ausgelöst, die sich hier in Herrn Gollewski personifiziert. Er hat es geschafft, den PMD-Virus weiterzugeben, Entscheidungsträger für die Anwendungsvielfalt im Automobil zu begeistern.
Dipl.-Ing. (BA) Torsten Gollewski, MBA
Ich denke, wir haben eine gute Mischung im Team.
Dr.-Ing. Bernd Buxbaum
Man muss zu dem Umfeld hier in Siegen etwas sagen - Prof. Schwarte hat es nicht im Detail erläutert, vielleicht aus eigener Bescheidenheit: Wir sitzen hier im ZESS. Das ist das interdisziplinäre Zentrum für Sensorsysteme des Landes NRW, das von Prof. Schwarte initiiert und unter dem damaligen Ministerpräsidenten des Landes Johannes Rau auf den Weg gebracht wurde. Dieses Zentrum ist einen ideale Plattform für junge Firmen, um aus dem universitären Umfeld rauszugehen, sich schrittweise zu etablieren, anfangs aber auch noch die Peripherie der Hochschule mit zu nutzen.
Wir sind den gleichen Weg gegangen, wie eine Handvoll anderer Firmen in Siegen auch. Die Firma S-TEC wurde zunächst in der Hochschulumgebung gegründet, hat Kontakte aufgebaut und erfolgreich erste Projekte bearbeitet. Mittlerweile besitzen wir eigene Firmenräume. Das gleiche gilt für andere Firmen, die Prof. Schwarte in seinem Umfeld zeitweise als Berater, Gesellschafter oder Geschäftsführer ebenfalls mit auf den Weg gebracht hat. Diese sind heute mit vielen einzigartigen Produkten in Bereichen der Optosensorik und in der Bildverarbeitung am Markt etabliert und haben so den Standort Siegen und das ZESS zu einem der wichtigsten Zentren für optische Sensortechnik in Deutschland und darüber hinaus gemacht.
Es ist für das Projekt symptomatisch, dass Sie versucht haben, direkt an Produkten zu arbeiten. Dies zieht sich durch die gesamte Entwicklung. Das ist anders, wenn man eine Erfindung im wissenschaftlichen Bereich macht, man arbeitet nur an diesem Thema. Hier ist ja offensichtlich immer schon ein Bezug zum Produkt da gewesen. Ist irgendein Schritt dabei aus rein wissenschaftlicher Neugier entstanden?
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarte
Im Vordergrund stand eine konkrete, unbefriedigend gelöste technische Aufgabe. Wenn sich dann nach fast 20 Jahren das Problem plötzlich in Wohlgefallen auflöst, ist das schon fantastisch. Dann löst die Begeisterung Visionen aus und die Arbeit fängt noch mal von vorn an, um diese Visionen umzusetzen. Einige der wichtigsten Anwendungen lagen für mich im Automobilbereich. Es gab eine Zeit mit jährlich fast 17.000 Verkehrstoten in Deutschland. Die Automobilindustrie und die Fahrer haben viel daran geändert. Heute liegt sie bei ca. 7.000. Nach meiner Vorstellung muss das Auto zur Sicherheit selbst dreidimensional „sehen“ können, ähnlich oder besser als der Fahrer, was mit der PMD-Kamera möglich ist. Dann weiß das Fahrerassistenzsystem parallel oder im Voraus, was passiert und kann im Notfall reagieren, falls der Fahrer Fehler macht oder Gefahr droht. Das ist schnell gesagt aber nur in Schritten durchführbar. Doch dahinter steckt eine große Chance nahezu für eine gesamte Industrie, vielleicht mit riesigen Investitionen und Umsätzen und mit vielen vermiedenen Unfällen und Unfalltoten. Eine gleichermaßen große Begeisterung und große Verantwortung hatte mich erfasst. Seitdem sind die Dinge nicht stehen geblieben. Im Gegenteil, das Prinzip, das in diesem ersten Bauelement steckte, ist in unerwarteter Weise noch vielschichtiger anwendbar geworden. Im optischen Bereich konnten Patente für extrem hohe Empfindlichkeiten bis zu km-Abständen angemeldet werden. Heute liegt auch eine Lösung des PMD-Prinzips für Mikrowellen vor. Damit soll ein weiteres BMBF-Verbundprojekt ins Leben gerufen werden. Wir möchten auf der Basis dieses PMD-Prinzips sehr kleine Mikrowellenempfänger mit einer Ladungsschaukel für die Antennenströme anstelle der Photoströme bauen. Damit könnte man ein 3D-Mikrowellenbild für sicheres Fahren auch bei Nebel und Regen aufnehmen. Gleichermaßen habe ich erst in diesem Jahr eine Lösung für den Ultraschallbereich nach dem PMD-Prinzip gefunden. Man wird - nach entsprechender Entwicklungszeit - in Luft und Wasser 3D-Ultraschallbilder aufnehmen können.
Dr.-Ing. Bernd Buxbaum
Wir haben eben über Menschenleben gesprochen und über die Möglichkeit, die die Sensorik bietet, im automobilen Anwendungsbereich Leben zu retten. Die Medizintechnik ist auch ein riesiger Markt, insbesondere weil wir das 3D-System extrem miniaturisieren. Dadurch dass wir viele Empfänger auf sehr kleinem Raum positionieren können, wird dreidimensionale Echtzeit-Endoskopie preiswert möglich. Beispielsweise für Magenspiegelungen, bei denen 3D-Aufnahmen wegen der Größe der Geräte bisher so nicht möglich waren. Ein anderes Applikationsfeld liegt in der Robotik für die Medizintechnik. Der Nutzen des Patienten besteht hier in der höheren Präzision. Menschenleben zu retten ist auch in diesem Umfeld ein Aspekt, den man durchaus sehen sollte.
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarte
Zur medizinischen Anwendung möchte ich noch Folgendes sagen: Bislang wird die Endoskopie mit 2D-Kameras betrieben. Dann muss der Arzt dieses Bild räumlich interpretieren. Die Erstellung eines 3D-Modells kann man heute auch über Tomographie auf dem Computer machen. Mit der üblichen 2D-Kamera bekommt man es jedoch nicht so einfach hin, weil sie keine skalierten Daten, sondern nur Projektionen liefert. Mit der 3D-Kamera fährt man die 3D-Szene ab und erhält alle Daten skaliert. Skaliert heißt: Die Daten sind einander in Position und Maßstab eindeutig zugeordnet, unabhängig vom Kameraabstand. Das Zusammenfügen der verbundenen Teilansichten wird dadurch erheblich vereinfacht.
Lassen Sie uns noch auf das Team kommen. Dazu gehören ja nicht nur Sie Drei. Wie hat dieses Team zusammengefunden, welche unterschiedlichen Qualifikationen gibt es und wie hat das Zusammenspiel all dieser Faktoren gewirkt?
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarte
Es hat sich als sehr erfolgreicher Weg abgezeichnet, in einem Gebäude, im Zentrum für Sensorsysteme, unterschiedliche Fachrichtungen zusammenzufassen. Wir sind darauf angewiesen, dass uns Kollegen anderer Fachgebiete helfen. Es gibt keine Person, die alles beherrscht. Deswegen ist unser Konzept im Sensorik-Zentrum so erfolgreich, und die Projekte haben sehr davon profitiert. Sehr viele Doktorarbeiten wurden durchgeführt, besonders in der Optosensorik und Kameramesstechnik. Nicht nur im Bereich Laufzeit, auch in der Triangulationstechnik wurden innovative Breschen geschlagen. Viele Erfolge beruhen auf der Kooperation der unterschiedlichen Disziplinen, der Informatiker, Elektrotechniker, Physiker und Maschinenbauer. Genauso wichtig ist, dass die Studenten die Vielfalt unterschiedlicher Projekte sowie die Problemstellungen aus Sicht der Drittmittelgeber und das Umfeld, in dem sie später mal arbeiten wollen, kennen lernen.
Nach zwölf Jahren Arbeit für das ZESS habe ich den Vorstandsvorsitz abgegeben und möchte mich mehr der PMD-Umsetzung und den PMD-Fortschritten widmen. Ich bin sehr glücklich, dass in unserem Mitarbeiterteam, das Dr. Buxbaum und Herr Gollewski vorzüglich leiten, eine große Motivation und Begeisterung für die angestrebten Ziele herrscht.
Zunächst können wir nur einen kleinen Teil der möglichen Ziele angehen. PMD bietet einfach zu viele Anwendungsmöglichkeiten. Eine interessante Anwendung könnte z.B. eine Blindenhilfe auf PMD-Basis sein, mit der ich mich schon lange beschäftigt habe. Ich stelle mir einen Blindenhandschuh vor, der die besonderen Fähigkeiten des Blinden einbindet, wobei er sein taktiles Scannen mit dem Stock beibehalten kann. Der Blindenhandschuh sucht Reflexionen in einer Lichtebene parallel zur Handfläche und bildet das ebene Reflexionsbild auf der Innenseite durch eine haptische Aktorik ab. Der Blinde fühlt somit in seiner Handfläche die Entfernung zu eventuell vorhandenen Objekten. Auf den ersten Blick scheint diese Problematik des Blinden mit dem „blinden Auto“ von heute nichts gemein zu haben. Dabei haben beide prinzipiell das gleiche Problem zu lösen, die gefahrlose Bewegung im Weltkoordinatensystem.
Wir kommen immer wieder auf den Menschen. Das bringt uns zum Team zurück. Wie sehen die Arbeitsabläufe aus?
Dr.-Ing. Bernd Buxbaum
Prof. Schwarte und ich arbeiten seit 1996 zusammen. Wir haben in dieser Zeit eine Reihe von Projekten beantragt und durchgeführt. Das waren beispielsweise BMBF-Verbundprojekte, wie das noch laufende 3D-SIAM-Projekt für vorrausschauende Sicherheitssysteme im Automobil auf PMD-Basis, DFG-Schwerpunktprogramme für die automatische Sichtprüfung mit PMD und auch viele Entwicklungsprojekte mit Firmen. Wir haben diese Jahre natürlich in sehr engem wissenschaftlichen Austausch miteinander verbracht. Prof. Schwarte ist immer der Ideengeber gewesen und letztlich ja auch der Visionär für diese neue Technologie. Das passt auch zu dem Umfeld. Es war seine Vision, das Zentrum für Sensorsysteme in Siegen zu etablieren.
Ich bin heute die Schnittstelle zum Kunden, intern auch zu Torsten Gollewski, der dann, was nicht nur den Automobilbereich angeht, den Zugang zum Kunden gemeinsam mit mir bewerkstelligt. Prof. Schwarte und ich diskutieren neue Ansätze und neue Ideen, filtern auch etliches raus. Ich transportiere das Ganze nach einer Evaluierungsphase der Technologie an Torsten zur eingehenden wirtschaftlichen Analyse weiter.
Ich würde gerne noch, da das Auto ja der Deutschen liebstes Kind ist, auf den Automobilbereich zurückkommen: Was tut sich da konkret, was entwickelt sich aus diesem Prinzip?
Dr.-Ing. Bernd Buxbaum
Nun, mit dem PMD-Prinzip können wir dem Fahrzeug dreidimensionales Sehen in Echtzeit unter realen Bedingungen ermöglichen. Gerade in der aktiven Sicherheit ist das die entscheidende Information. Zum Beispiel muss bei automatischen Notbremssystemen zunächst erkannt werden, welches Objekt habe ich da vorne, wie weit ist es weg. Ich brauche Abstände, ich brauche das Bild, beides liefert der Sensor. Diese Information nehmen wir und bringen damit eine Fahrerassistenzfunktion in die Realisierung. Oder denken Sie an Spurwechselunterstützungen. Ein einfaches Beispiel: Ein Auto ist auf der linken Spur, eines auf der rechten, beide wechseln auf die Mittlere und schon kann es da zu Problemen kommen. Und genau an diese Dinge gehen wir ran. Ebenso kann man mit der dreidimensionalen Umgebungsinformation das Fahrzeug sicher in der Spur halten. Wir arbeiten daran, passive Sicherheitsmaßnahmen durch eine derartige Sensorik zu verbessern, zum Beispiel für Airbag-Systeme. Nehmen wir folgende Situation: Ein Beifahrer bindet sich die Schnürsenkel und ist dann folglich mit dem Gesicht in der Airbag-Aufblaszone. Wir wissen, dass es dann zu schlimmen Verletzungen kommen kann. Solche Fälle kann man erst mit einer 3D-Sensorik, die den Innenraum auf einen Blick erfasst, im dynamischen Fall sicher erkennen. Wir können dann den Airbag gezielter auslösen.
Wie lange dauert es, bis diese Projekte marktreif sind?
Dr.-Ing. Bernd Buxbaum
Wir gehen davon aus, dass wir mit Systemen im Innenraum oder im nahen Außenraum ab 2004 in die Serienentwicklung im Automobilbereich übergehen. Ab dann sind wir natürlich an die Entwicklungszeiten des Fahrzeuges gebunden.
Werden diese Entwicklungen bezahlbar sein?
Dr.-Ing. Bernd Buxbaum
Das ist auch ein großer Vorteil der Technologie. Wir haben auf einem Standard-CMOS-Chip eine 3D-Informationsgewinnung in kostengünstigster Art und Weise. Der Chip ist aus Silizium, die Kosten liegen im Cent-Bereich. Alle 18 Monate verdoppelt sich die Rechnerleistung in der Computertechnik, weil auf diesen Halbleiterstrukturen immer neue Fortschritte gemacht werden. Nun bringen wir eine komplette 3D-Kamera auf einer Halbleiterstruktur unter, und können den neuen Sensor wegen des günstigen Preises auch in Serie bringen. Wir profitieren also von dem enormen Preisdruck auf die Herstellungsprozesse, z.B. durch die Computerindustrie.
Dipl.-Ing. (BA) Torsten Gollewski, MBA
Bei PMDTechnologies sind wir im Moment in der Diskussion mit Laserscanner-Herstellern, die auf dem Gebiet Weltmarktführer sind. Sie setzen den gleichen Chip ein. Man muss aus mehreren Industrien die Technologie zusammenbringen - so wie man Diamanten auf mehreren Seiten schleift. Das macht die Technologie stabil.
Vom Ausland her betrachtet ist die deutsche Automobilindustrie diejenige, die die besten Autos baut, und wir reichern sie zusätzlich mit Technologien an: In der Photonik, in der Optoelektronik ist Deutschland heute noch mit an der Spitze. Genau mit solchen Erfindungen können wir unseren Vorsprung auch nach wie vor beibehalten, ausbauen und dann auch in Produkte umsetzen.
Lassen Sie uns zur Begrifflichkeit und Bedeutung der Innovation zurückkehren. Dieser Begriff ist ja viel- und auch abgenutzt. Ich würde gerne von Ihnen wissen: Welche Rahmenbedingungen braucht innovatives Schaffen heute?
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarte
Die Rahmenbedingungen für viele Wissenschaftler könnten besser sein. Wir hatten sicherlich in Deutschland zu anderen Zeiten an den Hochschulen ein besseres Niveau an Unterstützung und eine größere gesellschaftliche und politische Identifikation mit innovativen Zielsetzungen. Mehr Investitionen in die Zukunft sind unerlässlich. Dazu gehört ein entsprechend tragfähiges Bewusstsein in der Bevölkerung, das noch stärker vermittelt werden muss. Es gibt heute genügend engagierte Studenten, Mitarbeiter und Professoren, aber das Geld reicht oft nicht für eine gute Institutsausstattung und eine angemessene Arbeitsbasis, besonders in der Startphase. Ich kann mich, was die Drittmittel betrifft, nicht beklagen. Nur am Institut haben wir mehr als das zehnfache dessen, was die Hochschule oder das Land an laufenden Mitteln zur Verfügung stellt. Aber viele Hochschulinstitute arbeiten nicht so industrie- und projektnah und sind auf die Grundausstattung angewiesen. Sie möchten gerne Versuche zu ihrem Forschungsgebiet machen, aber dann fehlt oft eine entsprechende Startbasis. Hier leistet die DFG unentbehrliche Hilfe.
Ist es immer noch so, dass letztlich derjenige, der die innovative Idee hat, auch dafür sorgen muss, dass er die Mittel erhält, um sie umzusetzen?
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarte
Der Einzelne hat gerade zu Beginn einen schwierigen Start. Er fängt engagiert aber praktisch bei Null an, sperrt sich ein und erarbeitet Lösung über Lösung, diskutiert mit seinen Mitarbeitern und Diplomanden. Wenn er Glück hat, kommt etwas heraus, was aber in der Praxis meist erst über Jahre zum Erfolg führt. Ich fände es besser, wenn an der Hochschule Strukturen geschaffen würden, die die Professoren stärker in gemeinsame Aktivitäten einbinden würden, um gemeinsam und schneller Kompetenzfelder zu entwickeln. Unsere Erfahrungen im ZESS bestätigen den Erfolg dieser Struktur. Insgesamt ist die Kooperationsbereitschaft vorhanden, geht aber noch nicht weit genug und sollte gefördert werden.
Das ist ja eigentlich der klassische Werdegang des Unternehmers: Man fängt mit dem Sachthema an und entwickelt sich in das Verkaufen nach Außen. Zurück zum Stichwort: Was bedeutet Innovation für jeden Einzelnen von Ihnen?
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarte
Innovation ist für mich die erfolgreiche Umsetzung einer Idee für eine fortschrittliche technische Lösung. Ist die Idee auch tragfähig für ein neues Produkt? Das kann man erst dann einschätzen, wenn Kompetenz zur Beurteilung - möglichst in fachlicher Breite - vorliegt und erste Tests durchgeführt wurden. Da unterscheiden sich eben die Idee und das Patent von der Innovation. Eine tiefgreifende Innovation kann viele Produkte zur Folge haben, über deren Erfolg jeweils der Markt entscheidet.
Dr.-Ing. Bernd Buxbaum
Eine Innovation ist aus meiner Sicht, bezogen auf ein Applikationsgebiet, der Beginn einer neuen Ära. Durch eine Innovation werden Dinge möglich, die vorher nicht möglich waren. Das ist dann wirklich ein Quantensprung. Bei uns ist PMD der Quantensprung hin zu einer preiswerten 3D-Kamera, die auch noch schnell Tiefenbilder aufnehmen kann. Das ist mit herkömmlichen Verfahren in der Form vorher nicht möglich gewesen.
Dipl.-Ing. (BA) Torsten Gollewski, MBA
Für mich ist Innovation das erstmalige Umsetzen von Produkten, von denen man vorher geglaubt hat, dass sie nicht möglich sind, auf Basis einer ganz neuen Technologie.
Gibt es ein Motto, eine formulierbare Motivation für das, was Sie hier tun?
Dr.-Ing. Bernd Buxbaum
Es gibt aus meiner Sicht schon eine Art Firmenphilosophie. Unser Hauptwert ist das Know-how der Mitarbeiter. Der Ausbau dieses Know-hows bedingt ein gewisses Maß an persönlicher Freiheit. Die Kreativität, die man braucht, um neue Ideen zu entwickeln, erfordert das. Das leben wir auch in der Firma. Das führt dazu, dass die Leute oft auch an den Wochenenden und zu Hause an Problemen arbeiten, einfach weil sie ein Thema packt und weil sie an der Lösung forschen - und solche Ideen kann man nicht in zeitliche Rahmen pressen. Nur durch diese Bereitschaft und Selbstmotivation erhalten wir einen kontinuierlichen Know-how-Gewinn, der sich dann auch in wirtschaftlichen Erfolgen niederschlägt. Der Spaß an der Arbeit führt da hin - das ist die Philosophie.
Dipl.-Ing. (BA) Torsten Gollewski, MBA
Ich denke, dass wir alle von der Innovation PMD überzeugt sind und dass wir alle von dem Gedanken getrieben sind, diese Revolution mit zu gestalten. Das ist der Antrieb, der dahinter steckt, und der wird in vielen Punkten sehr deutlich.
Derzeit ist die wirtschaftliche Rezession das Thema, es wird viel lamentiert. Wie stehen wir im internationalen Vergleich, bezogen auf Forschung und Innovation, in Deutschland da?
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarte
Ich sehe keinen Grund zu lamentieren. Auch wenn noch vieles zu verbessern ist, glaube ich nicht, dass vor 50 Jahren die Leute effektiver gearbeitet haben. Unsere Voraussetzungen sind besser, die Leute sind genauso engagiert, arbeiten aber meines Erachtens mit einem besseren Wirkungsgrad, weil die Ausbildung und die zur Verfügung stehenden Mittel besser sind.
Herr Dr. Buxbaum, Sie als „Schaltstelle“ zwischen Wissenschaft und Wirtschaft: Wie sehen Sie das? Wie sehen Sie uns im internationalen Vergleich?
Dr.-Ing. Bernd Buxbaum
Ich denke, dass das Wichtigste, was wir haben, die Menschen sind, die Innovationen umsetzen wollen. In den jüngeren Generationen, und das merkt man eben auch an den rückläufigen Studentenzahlen im Ingenieurbereich, leidet das Technik-Interesse offensichtlich unter der großen Bandbreite des Angebots. Der klassische Ingenieur, der klassische Forscher scheint auszusterben.
Wir tun ganz konkret etwas, um dem entgegen zu wirken: Wir kooperieren z.B. mit Schulen hier im Umfeld. Wir haben im letzten Jahr mit einem Gymnasium in Wilnsdorf einen Schülerwettbewerb begleitet. Da hat sich eine Abiturklasse mit unseren Themen beschäftigt. Ich halte so etwas für einen guten Weg, das Ganze zu transferieren und die jungen Leute, die vor der Entscheidung stehen, welches Studienfach sie wählen sollen, früh mit einer High-Tec-Thematik vertraut zu machen. Prof. Schwarte hat eine Reihe von Veranstaltungen vor Schülern gemacht - so etwas kommt gut an und motiviert die Leute für diese Richtung.
Zum internationalen Vergleich muss man sagen: In Amerika ist der Weg eine Firma zu gründen fraglos leichter als in Deutschland. Das erlebe ich hier auch ganz persönlich. Es ist für mich als Techniker schon schwierig, sich mit den ganzen Dingen im Umfeld zu beschäftigen und eine Firma auf dem Weg zu halten. Anfangs hageln so viele Dinge auf einen ein, mit denen man vorher nicht gerechnet hat. Ich bin sehr froh, dass ich Torsten Gollewski und auch andere Berater und den Support von der Audi Electronics Venture an meiner Seite habe, so dass wir uns doch noch relativ ruhig auf das, was uns ja tragen soll, also auf die Innovation selbst, fokussieren können.
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarte
Wir müssen es schaffen, die jungen Menschen zu begeistern und motivierend in diese Materie einzuführen. Der Stoff, der heute vermittelt werden müsste, um auf diesem hohen Niveau neue Dinge voranzutreiben, ist so umfangreich, dass junge Leute, je nach den Randbedingungen, des Öfteren die Segel streichen. Da spielen auch die Einflüsse der Schulen und Medien eine große Rolle. Die Zusammenarbeit der Studenten und Mitarbeiter im Team ist unentbehrlich. Dann lernt es sich fast von selbst und man wächst in eine Gemeinschaft hinein.
Haben Sie Wünsche bzw. Forderungen an die Gesellschaft oder Öffentlichkeit, um Projekte durchzusetzen? Wo könnte man Barrieren entfernen?
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarte
Wir selbst haben heute diese Barrieren im Wesentlichen überwunden, aber es gibt sie. Ein Beispiel gibt zu denken: Ein ehemaliger Doktorand von mir, der eine Firma gegründet und sieben Arbeitsplätze geschaffen hat, erstickt regelrecht im bürokratischen, steuerrechtlichen und sozialrechtlichen Dschungel, trotz seiner kreativen Ideen und einem 16-Stunden-Arbeitstag. Um die Bedingungen für solche jungen Leute zu verbessern, müssten auch von der sozialen Gesetzgebung und den Steuerlasten her, diese Firmengründungen ganz anders gehandhabt werden.
Dipl.-Ing. (BA) Torsten Gollewski, MBA
Meine Wünsche an die Gesellschaft sind mehr Optimismus und Mut, nicht immer nur Diskussionen darüber, was alles nicht geht und was schlecht ist. Es macht riesig Spaß, die Leute zu sehen, mit welcher Eigeninitiative sie an den Zielen arbeiten, wenngleich die Rahmenbedingungen für eine Firmengründung schwierig sind. Es müssen Hilfestellungen, zum Beispiel bei juristischen Fragestellungen, geboten werden, damit man nicht gleich am Anfang mit einer kleineren Firma in das erste Schlagloch fährt.
Was tun Sie, wenn Sie nicht an Ihren Projekten arbeiten oder Ihre Firmen aufbauen? Mit was entspannen Sie sich, was gibt es sonst noch in Ihrem Leben?
Dr.-Ing. Bernd Buxbaum
Ich bin seit 25 Jahren begeisterter Tennisspieler, fahre gerne Mountainbike und jetzt habe ich mir das Ziel gesetzt, bald meinen ersten Marathon zu laufen. Wollen wir hoffen, dass das funktioniert. Außerdem höre ich gerne Musik. So versuche ich mich nach der Arbeit zu entspannen. Es klappt meistens.
Dipl.-Ing. (BA) Torsten Gollewski, MBA
Bei mir ist es ähnlich, auch ich entspanne mich gern mit Sport, hauptsächlich mit Joggen. Es ist wirklich ein Genuss, gerade am Sonntagmorgen ein paar Runden um den Baggersee zu laufen. Macht den Kopf frei und interessanterweise kommen mir dort immer die besten Ideen. Ansonsten bleibt relativ wenig Freizeit, gerade jetzt bei der Doppelbelastung, was sich, glaube ich, bei Bernd und mir auch auf unsere Lebenspartnerinnen auswirkt, die leiden auch. Aber das wird durch die gemeinsame Idee mitgestützt.
Herr Professor, was tun Sie denn noch außerhalb der Firma?
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarte
Der Arbeitstag ist auch bei mir ein bisschen lang und ich habe nicht so viel Freizeit. Ich kann mir keinen besseren Ausgleich vorstellen als in einer schönen Landschaft zu laufen oder Rad zu fahren, nach Möglichkeit zusammen mit meiner Frau. Die ganze Familie mit drei Söhnen liebt Bergwandern und Klettern. Weitere Hobbies, zu denen ich leider zu wenig Zeit finde, sind: Klassische Musik, Tanzen, Volleyball, Astronomie und Schach.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarte
Zunächst wünsche ich mir, dass die Firmengründung und Kooperation mit dem Konzern langfristig erfolgreich ist und dass ein großer Teil der vielen Visionen von der Umsetzung der PMD-Technologie realisiert wird. Was ich mir zudem ganz persönlich für die Zukunft wünsche, ist, zu sehen, dass das, was man vor vielen, vielen Jahren angeschoben hat, auf den Weg kommt. Es macht mich wirklich glücklich, wenn ich sehe wie Herr Gollewski, Herr Dr. Buxbaum und die anderen Mitarbeiter genau auf diesem Weg sind. Ich weiß das ist ein guter Weg, das ist eine sinnvolle Arbeit, wir werden vielen Menschen Gutes tun, wir werden ihnen helfen, wir werden ihre Gesundheit, ihr Leben schützen. Man kann sich eigentlich nicht mehr für das Leben bedanken als mit so einem Gefühl. Die Nominierung zum Deutschen Zukunftspreis war ein unerwartetes Geschenk. Sie wird uns beflügeln und den Erfolg unseres Vorhabens sicherlich begünstigen.
Dr.-Ing. Bernd Buxbaum
Beruflich wünsche ich mir, dass wir das Ziel, das wir uns 1997 gesteckt haben, konsequent weiterverfolgen. Dann werden wir es auch schaffen, die PMD-Innovationen in viele Produkte umzusetzen und einzigartige Sicherheits- und Komfortsysteme für verschiedenste Lebenslagen bereitzustellen. Wir sind auf dem richtigen Weg. In der Firma erhoffe ich mir eine angepasste Erweiterung unseres Teams, um die Mitarbeiter mit der Vielfalt der Anwendungen nicht zu überfordern und ihnen die erwähnte Freiheit und Kreativität nicht zu nehmen. Im privaten Bereich wünsche ich mir in erster Linie Gesundheit, Zufriedenheit und ein bisschen mehr Freizeit - sonst schaffe ich den Marathon doch nicht.
Dipl.-Ing. (BA) Torsten Gollewski, MBA
Auch ich wünsche mir beruflich, dass wir den Weg, den wir eingeschlagen haben, erfolgreich weiter gehen. Prof. Schwarte, Bernd Buxbaum und ich hatten 1998 den ersten Kontakt und in der Zeit macht man natürlich Höhen und Tiefen durch, das gehört dazu und schweißt auch zusammen. Insofern bin ich sicher, kann uns so schnell nichts mehr vom Weg abringen. Privat habe ich seit langem einen Wunsch. Ich habe früher mal Orgel gespielt und mit 14 Jahren aufgehört, hege aber seit mehreren Jahren den Wunsch, auch noch Klavier zu spielen. Ich weiß nicht, ob ich es zeitlich schaffe, aber das ist ein Wunsch, den ich gerne angehen möchte. Ich hoffe, dass ich dazu noch die Zeit finde.
Sie haben ja noch ein paar Jährchen bis zum Ruhestand.
Dipl.-Ing. (BA) Torsten Gollewski, MBA
Aber man darf das Ziel nicht aus den Augen verlieren.