Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Der Anteil der Beleuchtung am Stromverbrauch in hoch entwickelten Ländern liegt durchschnittlich zwischen 20 und 25 Prozent. Wenn es nur gelänge, ineffiziente Lichtquellen vollständig durch sehr effiziente zu ersetzen, könnte man einen wesentlichen Teil dieser 20 bis 25 Prozent einsparen. Die Technologie wird in Displays eingesetzt, die bereits in der Massenproduktion sind. Sie findet Verwendung in organischen Solarzellen, hier sind wir in der Pilotproduktion. Und weitere Anwendungen sind denkbar.
Basis der Anwendungen sind organische Halbleiter. Wie war der Stand in diesem Bereich, und was haben Sie mit Ihrer Arbeit erreicht?
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Bevor es organische Halbleiter gab, wurde mit anorganischen Halbleitern gearbeitet, also Silizium oder Galliumarsenid. Silizium ist das am weitesten verbreitete Material, darauf basiert die gesamte heutige Elektronik. Nun kommt die organische Elektronik hinzu: Sie ist die erste Elektronik, die auf großen Flächen effizient funktioniert, beispielsweise auf mehrere Quadratmeter großen Glasscheiben. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten.
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Die neue Elektronik ist zudem flexibel: Man kann sie auf flexible Substrate auftragen, auch auf Stoff oder Papier. Wir arbeiten hier nicht mit den üblichen kleinen, harten Einkristallen, die als Chips montiert werden, sondern wenden eine flächige Elektronik an, die auch flächig Licht führen oder flächig Sonnenlicht absorbieren kann.
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Wir sollten an dieser Stelle erklären, was der Begriff „organisch“ im Zusammenhang mit Elektronik überhaupt bedeutet, denn viele denken, organische Elektronik sei „was Biologisches“. Dem ist nicht so: Als organisch werden Kohlenwasserstoffverbindungen bezeichnet. Was wir einsetzen, sind Moleküle in ähnlicher Form, wie sie auch zum Färben von Kleidung, in Autolacken und in Fotokopierern eingesetzt werden …
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
… und auch in Lebensmitteln, etwa in Getränken.
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Richtig. Zum Teil sind es Farbstoffe. Die Farbe entsteht dadurch, dass Teile des Lichts absorbiert, also aufgefangen werden und damit nicht mehr zurückkommen. Dann sieht die Fläche nicht mehr weiß aus. Das ist die Funktionalität, die zum Beispiel für die Solarzelle gebraucht wird. Für die Leuchtdiode hingegen braucht man die umgekehrte Funktionalität, bei der Licht aus dem Anregungszustand des Moleküls abgestrahlt wird. Das sind ähnliche Moleküle, wie sie in den als „Glühwürmchen“ bezeichneten Leuchtkäfern vorkommen.
Wir haben also zwei Eigenschaften von Molekülen: Entweder sie absorbieren Licht, oder sie strahlen Licht ab. Die Kunst besteht nun darin, eine Verbindung herzustellen, die in der Natur eigentlich nicht vorkommt, nämlich dass organische Moleküle elektrische Ladung transportieren. Hierfür muss man in die Trickkiste greifen, und genau hier kommt unser Ansatz der molekularen Dotierung zum Tragen: Es wird mit gezielten kleinen Beimischungen von Fremdmolekülen gearbeitet. Ein Prozent Beimischung kann die elektrische Leitfähigkeit um den Faktor eine Million steigern. Diese dotierten Schichten erlauben es dann, die Ladungsträger effizient aus den absorbierenden Schichten heraus zu transportieren (Solarzellen) bzw. in die emittierenden Schichten hinein zu transportieren (LED).
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Diese Materialien sind zunächst einmal Isolatoren, das heißt, sie leiten kaum oder haben gar keine Ladung. Zu „Halbleitern“ werden sie, wenn man bei ihnen die Leitfähigkeit mittels Dotierung einstellen kann.
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Jan Blochwitz-Nimoth hat eingangs gesagt, dass die anorganischen Halbleiter häufig auf Kristallen beruhen. Hier lässt man bei sehr hohen Prozesstemperaturen große Einkristalle wachsen und schneidet sie anschließend in Scheiben. Daraus entstehen dann Transistoren und Bauelemente, auch Siliziumsolarzellen. Dabei geht erstens Material verloren, und zweitens brauchen diese Kristalle Temperaturen von 1 000 Grad und höher.
Im Gegensatz dazu lassen sich organische Halbleiter bei Raumtemperatur bis maximal 150 Grad abscheiden. Das ist ein riesiger Vorteil gegenüber den herkömmlichen Halbleitern, denn damit rücken kostengünstige Trägermaterialien wie das PET von Plastikflaschen in den Fokus. Um die Funktionalität bereitzustellen, brauchen wir lediglich ein halbes bis ein Gramm aktives Elektronikmaterial pro Quadratmeter.
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Damit bekommen auch die Fertigungstechnologien eine günstige Energiebilanz, weil man eben nicht diese hohen Temperaturen und nur eine geringe Menge an Material braucht.
Wie ist das Ganze entstanden? Sie beide, Dr. Pfeiffer und Dr. Blochwitz-Nimoth, waren bereits an der TU oder sind Sie als Studenten oder Doktoranden dazugestoßen? Wie liefen die Entwicklungsschritte ab?
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Das Thema gab es schon lange, bevor wir drei uns damit befassten. Bereits 1985 forschte man an organischen Halbleitern für eine eher fern liegende Anwendung: Die damalige DDR wollte ihre Bürger mit einer Farbvideokamera beglücken und ließ einen Farbfilter für Silizium-Chips, also für die klassische Elektronik, entwickeln. Eine Gruppe um Professor Böttcher hat das initiiert, und es wurden Farbstoffe, also die organischen Halbleiter, aufgedampft. Die Chips funktionierten, aber die Wende hat diese Entwicklungen für eine Videokamera beendet. Diese Arbeiten wurden dann für Solarzellen fortgeführt …
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
… und zu dieser Zeit, als Prof. Böttcher Institutsleiter war, bin ich in ein Projekt zu organischen Solarzellen eingestiegen. Die waren damals deprimierend schlecht. Da wurde versucht, Arbeiten aus der Kodak-Gruppe, die in den 80er-Jahren veröffentlicht wurden, zunächst zu reproduzieren, was sich als extrem schwierig herausstellte. Ich habe im Rahmen meiner Diplomarbeit daran mitgearbeitet, das im Prinzip Bekannte zu reproduzieren: Dann sind erste Ansätze entstanden, weiter zu gehen und den genannten Ansatz der Dotierung zu entwickeln. Ich hatte meine Diplomarbeit in einer professorenlosen Zeit angefangen und musste mir einen externen Betreuer suchen. So bin ich einmal im Monat nach Stuttgart zum „Altmeister der organischen Halbleiterei“, Prof. Norbert Karl, gereist und habe zusammen mit ihm und einer Chemiegruppe in Bremen, die an dem Solarzellenprojekt beteiligt war, einige Ideen entwickelt. Dann kam Prof. Leo an das Institut und fing für das spannende Thema sehr schnell Feuer; seitdem wird hier daran gearbeitet.
Ich hab es das erste Mal überhaupt geschafft, eine stabile Diode unter Verwendung von Dotierung zu realisieren. Eine Diode ist das einfachste Halbleiterbauelement, das sich dadurch auszeichnet, dass bei positiver angelegter Spannung viel mehr Strom durchfließt als bei negativer …
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
… zur Erklärung: Jede Leuchtdiode und jede Solarzelle ist eine Diode.
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Das war der erste Schritt. Was mich seit jeher getrieben hat, war, die Solarzelle weiter zu verbessern. Denn ich war immer schon ökologisch motiviert und habe mir gesagt, dass sich das, was ich hier treibe, im Prinzip auch für organische Leuchtdioden einsetzen lässt. Den Ansatz hat Prof. Leo aufgegriffen und einen Doktoranden beauftragt, das in die Tat umzusetzen.
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Mein Beitrag hierzu war vielleicht der Umstand, dass ich quasi ein trainierter Halbleiterphysiker war – spezialisiert auf die klassischen Halbleiter –und einen entsprechenden Hintergrund mitbrachte. Die Arbeiten fanden anfangs eher noch unter chemischen Überlegungen statt; das alles Entscheidende in unserem Fach ist, dass man Fachgrenzen überwindet – Physiker, Chemiker, Ingenieure, ihr Wissen muss zusammenkommen.
Welcher der Schritte war der anspruchsvollste? Wann wussten Sie, dass es funktioniert?
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Aus meiner Sicht kam es zum Durchbruch, als wir plötzlich Leuchtdioden mit einer viel kleineren Spannung hatten….
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Und da bin ich bin dazugekommen. Ich hatte hier schon diplomiert, aber mit einem anderen Thema, der klassischen Anorganik, mit Spektroskopie. Dann war ich in der Industrie in einem kleinen Ingenieurbüro tätig und befasste mich mit Optik, wollte aber promovieren und bin zurückgekommen. Wir saßen zusammen und haben Themen durchgeschaut. Ein Thema war, die Ergebnisse von Martin Pfeiffer für die Dotierung auch für OLEDs anzuwenden und darüber zu promovieren. Das schien spannend, und mit Licht hatte ich ja schon in meinem ersten Beruf gearbeitet Ja, und dann ging‘s los, Weihnachten 1996.
Ich habe als allererstes Experiment eine Serie von Dotierungsdichten durchgeführt – erst ohne Dotierung. Da musste man 50 Volt anlegen, und wenn man dann von oben in die Vakuumkammer schaute, sah man bei 50 Volt ein ganz schwaches, grünliches Glimmen. Mit Dotierung waren es dann plötzlich weniger als 5V!
Gab es mal einen Punkt, an dem Sie glaubten, dass das Ganze doch nicht funktioniert?
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Gezweifelt haben wir, als wir das Geld für die erste Ausgründung auftreiben mussten. Das war das Schlimmste.
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
An einen anderen Tiefpunkt kann ich mich gut erinnern: Wir hatten einen Antrag bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft gestellt, genau zum Thematik „Dotierung in Bauelementen“. Der Gutachter hat wörtlich geschrieben: „Dotierung kann Leuchtdioden und Solarzellen nur schlechter machen…“ Hieraus entwickelte sich dann aber die größte Motivation, die wir je hatten. Wir haben dann den Gutachter später überzeugt und die Projektförderung bekommen.
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Den ganz großen Rückschlag gab es nicht, aber es war schon ein recht zäher Prozess. Ich habe 1995 angefangen und wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass es 15 Jahre dauern wird, bis eine erste Solarzelle entsteht, die in die Nähe der kommerziellen Anwendbarkeit kommt, dann weiß ich nicht, ob ich damals gesagt hätte: „Ja, das halte ich durch.“ In den 90er-Jahren wurde die Fotovoltaik als eine schöne, ökologische, aber im Endeffekt brotlose Kunst belächelt. Firmen wie Siemens stiegen nach den ersten Versuchen wieder aus der Solartechnik aus. In einem Gebiet etwas zu entwickeln, das sozusagen der Seitenpfad vom Seitenpfad ist, nämlich organische Solarzellen, die damals noch viel ineffizienter als das Silizium waren – das war wie ein Marathonlauf: Man braucht einen langen Atem, um dranzubleiben.
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Festzuhalten ist: Die Dotierung in den organischen Materialien zu dem Zweck, die Leitfähigkeit einzustellen, ist relativ universell, sodass man viele verschiedene Anwendungsmöglichkeiten hat. Wir stehen hier für zwei Anwendungen: Martin Pfeiffer als Heliatek-Mitgründer und für die Solarzellentechnologie und ich als Novaled-Mitgründer für OLED (Organische Licht emittierende Dioden) für Licht-, aber auch für Displayanwendungen. Es gibt ja auch noch weitere Ideen mit organischen Halbleitern in der reinen Elektronik, die wir verfolgen. Und bei jedem Thema ist es das Gleiche: Mal geht es richtig gut voran, mal sind alle Entwicklungen langsamer.
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Im OLED-Bereich ging es schneller voran. Es zeigt sich immer wieder, dass es leichter ist, Energie zu verbrauchen, als sie zu gewinnen.
Kommen wir zu den OLEDs. Sie sind ja ein konkrete Ergebnis dessen, was Sie als Entwicklungsarbeit begonnen haben. Mit ihnen soll ein „neues Lichtzeitalter“ beginnen, sagt das Marketing. Was genau sind OLEDs, und was können sie?
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
OLEDs in der Anwendung für Leuchten sind die einzige große effiziente flächige Lichtquelle, die es gibt. Mit dem „neuen Lichtzeitalter“ sind die sogenannten Solid-State-Lichtlösungen gemeint, also Feststoff- beziehungsweise Festkörperlichtlösungen. Davon gibt es zwei Vertreter: LEDs und OLEDs.
LEDs kennt man zum Beispiel aus Autoscheinwerfern. Sie sind eine Punktlichtquelle, die aus physikalischen Gründen dann effizient ist, wenn das Licht aus einer kleinen Fläche erzeugt wird. OLEDs hingegen sind auch noch aus einer großen Fläche effizient. Das ist nicht so einfach, deswegen haben wir auch daran gearbeitet, dass die Effizienz steigt. Vorbild der idealen Lichtsituation für einen Menschen ist die Natur mit zwei Lichtquellen: der Sonne als direkte Punktlichtquelle und dem Himmel als diffuser Lichtquelle. Beides in Kombination ergibt die perfekte Wohlfühlatmosphäre. Das können wir mit der Kombination aus LED und OLED sehr natürlich nachbilden: mit OLEDs die diffuse und energiesparende Hintergrundbeleuchtung und mit LEDs das effiziente Spotlicht. Diese beiden Technologien sind das oben genannte „neue Lichtzeitalter“.
Es gibt natürlich viele weitere Anwendungen: Beispiel Displays – welch ein Unterschied zu denen von früher. Beispiel Fernseher – diese riesigen Boxen, die jetzt durch Flachbildschirme, basierend auf LCD. abgelöst worden sind.
Bleiben wir beim Beispiel Fernseher. LCD ist ein ineffizientes Displayverfahren. Hier stecken hinter einem Filter – dem Liquid Crystal, also dem Flüssigkristall – Fluoreszenzlampen oder LEDs, bei denen das Licht durch den Filter hindurchgelassen beziehungsweise nicht durchgelassen wird. Dadurch entsteht die Information, die der Bildschirm zeigt. Bei der Plasmabildschirmtechnologie hingegen wird das Licht direkt ohne Filter erzeugt; Plasmabildschirme sind aber nicht so effizient. Die perfekte Kombination aus den beiden wichtigsten Vorzügen beider Technologien bietet ein OLED-Display: Erstens strahlt es Licht selbst ab und bildet damit direkt die Informationen ohne Hintergrundlampe ab, und zweitens ermöglicht es eine sehr hoch aufgelöste Bildwiedergabe – also sehr energieeffiziente Displays mit perfekter Farbwiedergabe und großartigem Seherlebnis haben.
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Hinzu kommen die schnellen Schaltzeiten …
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
… genau, schnelle Schaltzeiten sind für Sportübertragungen wichtig, wo man schnelle Bewegungen hat. Auch die 3-D-Darstellungen brauchen schnellere Schaltzeiten, und hier sind OLEDs deutlich besser als LCD …
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
… und ein OLED-Display kann noch dünner werden als das LCD-Display. Es gibt bereits Displays auf Folie, die man biegen kann.
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Eine Vision wäre, dass man in Zukunft auf der Straße seinen Bildschirm ausrollt und dann wieder zusammenrollt.
Eine zweite Anwendung, die auf Ihrer Entwicklung basiert, sind Solarzellen. Was gibt es bisher in diesem Bereich? Was entsteht jetzt? Und wohin kann die Entwicklung gehen?
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Ausgangspunkt ist die Siliziumsolarzelle, die ursprünglich für die Weltraumfahrt entwickelt wurde. Dafür werden große Silizium-Einkristalle mit diamantbesetzten Sägen in Schichten geschnitten, die ungefähr einen Fünftelmillimeter dick sind, also noch eine makroskopische Dicke haben. Es handelt sich um relativ sprödes Material; es wird zwischen Glasscheiben gepackt, damit es hagelfest ist. Diese Siliziumkristalle müssen eine hervorragende Qualität aufweisen, damit sie effizient sind.
Seit ungefähr 20 Jahren gibt es Bestrebungen, mithilfe der sogenannten Dünnschichtfotovoltaik davon wegzukommen. Dünnschichtfotovoltaik heißt prinzipiell, dass man mit möglichst kostengünstigen Trägermaterialien arbeitet und darauf dünne Schichten abscheidet. Auch dafür gibt es wieder zwei Ansätze. Der eine ist schon länger etabliert: Es werden anorganische Halbleiterschichten aufgetragen – das kann z.B. amorphes Silizium, Cadmiumtellurid oder Kupferindiumdiselenid sein. Das sind allerdings alles Hochtemperaturprozesse, die Trägermaterialien erfordern, die hohe Temperaturen aushalten, damit die Schichten wieder hinreichend kristallin aufwachsen.
Der andere ist unser Ansatz, organische Schichten im Vakuum aufzudampfen. Das ergibt hauchdünne Schichten, die nicht, wie bei Silizium, ein fünftel Millimeter, sondern ein fünftel Mikrometer dick sind. Das ist ein Faktor 1 000 der Schichtdicke, sodass wir nur ungefähr ein halbes Gramm Halbleitermaterial pro Quadratmeter benötigen und damit die Möglichkeit haben, auch flexible Solarzellen herzustellen. Wir müssen damit nicht eine Solarzellenplatte nach der anderen durch eine Anlage zuschieben, sondern können im kontinuierlichen Verfahren eine Rolle Trägermaterial – zum Beispiel PET-Folie – auf der einen Seite in die Maschine einführen. Diese läuft dann an einer Serie von Aufdampfquellen vorbei, wird mit diesen hauchdünnen Schichten beschichtet und wieder aufgerollt – und die Solarzelle ist mehr oder weniger fertig. Das ist ein wichtiger Aspekt sowohl für die Materialausnutzungseffizienz bei der Herstellung als auch für die Prozessgeschwindigkeit, denn die Investitionskosten für die Herstellung und Kosten sind die dominierenden Aspekte für die Solarzelle.
Ein weiterer Vorteil ist das geringe Gewicht. Viele Gebäude beispielsweise werden so gebaut, dass das Dach die maximale angenommene Schneelast „gerade so“ tragen kann. Schwere Solarzellen auf großen Aufständerungskonstruktionen traut sich hier kein Architekt draufzusetzen, hier sind leichte Solarzellen gefragt. Interesse besteht auch im Automobilbereich; beispielsweise für Kühllastwagen, oder vonseiten des Transportgewerbes, das sich mit leichten Solarzellen leichter tut als mit schweren, gerade beim Export in entlegene Regionen.
Oder denken Sie an die Verfügbarkeit von Ressourcen. Die am besten geeigneten Halbleiter für anorganische Solarzellen sind Cadmiumtellurid und Kupferindiumdiselenid. Da gibt es Toxizitätsprobleme, speziell bei Cadmium. Und wenn z.B. Indium in extrem großen Mengen benötigt wird, wird es zunehmend teuer, weil es bisher ein Beiprodukt bei der Gewinnung anderer Rohstoffe ist, die in viel höheren Konzentrationen vorkommen. Insofern rechnen wir damit, dass der Indium-Preis stark ansteigen wird. In den kommenden zehn Jahren wird dieser Punkt noch nicht so sehr ins Gewicht fallen, aber wenn es um Zukunftsvisionen geht, wie man 2050 vielleicht 20 Prozent des Gesamtweltenergiebedarfs über Fotovoltaik decken will, wird es ein gewichtiger Faktor, ob Rohstoffe in diesen großen Mengen noch kostengünstig zur Verfügung stehen. Auch dieser Aspekt spricht für die organische Technologie.
Sie sprachen davon, dass man sich noch weitere Anwendungen auf Basis dieser Innovation vorstellen kann. Welche meinen Sie?
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Zurzeit gibt es, streng genommen, nur optoelektronische Anwendungen, das heißt, wir erzeugen aus Strom Licht – OLED –, und wir erzeugen aus Licht Strom mit Solarzellen. Die Technologie, die wir eingeführt haben, die Dotierung, erhöht die Leitfähigkeit von organischen Halbleiterschichten. Die Dotierung kann auch in anderen elektronischen Anwendungen eingesetzt werden. Und da kommen wir dann in den Bereich der großflächigen Elektronik. Ein Beispiel gibt es hier bei uns im Dresdner Raum, Plastic Logic, eine Firma, die E-Reader-Displays herstellt. Sie verwendet bereits organische Halbleiter für die Elektronik, die die Bildwiedergabe ansteuert. Grund ist, einen extrem niedrigen Temperaturprozess in der Herstellung zu haben und Folien als Trägersubstrat einzusetzen die erstens billig und zweitens sehr flexibel sind. Und das ist ein Schritt in die organische Elektronik.
Das Thema der großflächigen Elektronik gewinnt weltweit in der Forschung größere Bedeutung: Jede Milchverpackung könnte eine Elektronik haben, die mit dem Kühlschrank kommuniziert, wenn sich die Haltbarkeit ihrem Ende zuneigt, und sich dann neu bestellt; sie wird dann eben einfach geliefert. Und so könnten die Dinge um uns herum vernetzt sein – ein Internet der Dinge also. Dazu braucht man billige, großflächige Elektronik, und hier könnte die organische Elektronik eine wichtige Rolle spielen. Daran arbeiten wir aktiv –auch wenn wir im Vergleich zu OLEDs und OSCs hier noch eher am Anfang der Produktanwendung stehen.
Es ist toll, wenn man was gefunden hat, das zu ersten Anwendung geführt hat und trotzdem noch eine Vision beinhaltet. Es ist immer noch Potenzial da, um daraus mehr zu machen. Das muss Ihnen doch eigentlich ein ganz tolles Gefühl geben, oder?
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Das ist wunderschön formuliert, und es ist in der Tat eines der schönsten Dinge an diesem Gebiet. Es gibt weit in die Zukunft reichende Prognosen, die aussagen, dass organische Halbleiter ein größerer Markt werden als die heutige Mikroelektronik insgesamt. Ob das so eintreten wird, kann man bezweifeln, aber die Visionen sind da. Wenn man die Möglichkeit hat, überall Elektronik aufzubringen, werden neue Anwendungen entstehen, an die heute noch keiner denkt. Das ist ganz wichtig.
Demnach löst Ihre Innovation ein gesellschaftliches Problem?
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Nicht nur eines! Es ist klar, dass wir in Zukunft mit weniger Energie auskommen müssen. Wir müssen bei der Beleuchtung zum Beispiel sparsamer sein. Wir müssen Energie regenerativ erzeugen durch organische Fotovoltaik. Und wir haben eine Bevölkerung, die zusehends altert, wir brauchen im Alltagsleben Elektronik, die uns hilft. Auch dort gibt es unzählige Anwendungsbeispiele.
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Und wir müssen allgemein schonender mit unseren Ressourcen umgehen, das heißt weniger Material verwenden und das Material aus einem Kreislauf gewinnen, der langfristig trägt, eben nicht auf einzelne, seltene Elemente in der Erdkruste angewiesen sein. Aber ich würde nicht sagen, wir lösen unsere gesellschaftlichen Probleme, vielmehr tragen wir möglicherweise zu den Lösungen bei. Das hat was mit Bescheidenheit zu tun, und das ist ebenso ein wichtiger Schritt.
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Diese Lösungsansätze dürfen auch nicht rein technologischer Natur sein, man kann manche Leute mit Effizienzargumenten überzeugen. Bei Energiesparlampen gibt es Vorbehalte, weil die Leute sie nicht als angenehm empfinden. Es ist auch ein Anspruch von uns, diese Anwendungen so zu gestalten, dass sie für den Menschen attraktiv sind und ihn ansprechen. Wir möchten auch emotionale Kaufargumente bieten.
Lassen Sie uns nochmals zusammenfassen: Was ist das wirklich Innovative an Ihrem Projekt, das mit der Nominierung zum Deutschen Zukunftspreis gewürdigt wird?
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Wesentlich ist, dass wir Arbeiten durchgeführt haben, die in vielen Anwendungen, an die wir heute noch nicht denken, einen Durchbruch in verschiedenen Parametern bringen: Energie sparen, Solarlicht nutzen, elektronische Schaltungen auf organischen Halbleitern gestalten. Es ist ein sehr allgemeines und breit einsetzbares Prinzip, das aus der Grundlagenforschung entstand und in einer enorm breiten Anwendung wirksam wird.
Aus der Wissenschaft in den Markt: Wie ist der Prozess der Ausgründungen vonstatten gegangen? Sie haben bereits anklingen lassen, dass die Finanzierungssuche nicht ganz so einfach war.
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Zunächst gab es eine Ausgründung, die sich eher um die kleineren Dinge kümmerte, die an der technischen Uni anfallen. Wir hatten – Martin als Gruppenleiter – die Dotierung eingebracht und ich die OLED-Promotion und somit einen guten Stand auf Uni-Niveau. Wir hatten die Betriebsspannung wesentlich gesenkt – das war ein motivierender Durchbruch – die Leistungseffizienz erhöht, uns aber noch keine Gedanken über die Lebensdauer gemacht. Wir haben uns gefragt: Was machen wir jetzt damit? Forschen wir weiter an den Uni? Wir waren überzeugt von der Idee und wollten sie selbst kommerzialisieren.1999/2000 gab es eine erste Hype-Welle für OLED-Displays: das Display der Zukunft, biegbar, das Tapetendisplay – die Werbebranche wollte riesige Displayleinwände an die Straße stellen können, sie elektronisch beschalten und auch elektronisch reinigen. Aber die Technologie, die wir in Ansätzen hatten, fehlte diesen Firmen. Also sind wir zum Notar gegangen – das ist zehn Jahre her – und haben Novaled gegründet. Mein Geld war weg, Martins Geld war weg. Es folgten Gespräche zur Finanzierung, und kurz danach war Nine Eleven 2001; dadurch änderte sich die Finanzierungssituation grundlegend ins Negative. Und nun hatten wir eine Firma, quasi als Hülle.
2002 haben wir angefangen, ganz klassisch Business-Pläne aufzustellen, sind auf Risikokapitalsuche gegangen. Bis die stand, dauerte es bis März 2003: fünf Millionen Euro von mehreren Firmen aus Deutschland und Frankreich, die sich für solche frühen Technologiestadien interessierten. Wir waren zunächst drei, dann vier Physiker, Ingenieure, ein weiterer Gründer, und wir hatten Mini-Demonstratoren, einen Quadratmillimeter groß, Lebensdauer unspezifiziert, auf Glas – das war‘s. Also, ich würde mir keine fünf Millionen Euro dafür geben!
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Der entscheidende Durchbruch kam, als ich das erste Mal bei einem Wagniskapitalisten mit einem Musterdisplay vorsprach. Das war ein Display, das hier an der Universität bedampft worden war, die Substratstrukturierung und die Ansteuerbox waren von Fraunhofer realisiert worden. Es zeigte eine Lokomotive. Damit bin ich nach Stuttgart gefahren, hatte diese Kiste unterm Arm, und das war der Durchbruch, als die Leute gesehen haben, was die Technologie kann – seeing is believing.
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Dieser Risikokapitalgeber mit Weitblick war so begeistert, dass er auch andere überzeugt hat. Wir hatten hier lokal sehr viel Unterstützung vom Dresden-Fonds, der uns auch beim Business-Plan geholfen hat. Und die Fraunhofer-Gesellschaft war ja ebenfalls beteiligt, wie auch die TU Dresden. Das hat sehr viel Glaubwürdigkeit gebracht.
Und heute? Wie stehen die beiden Ausgründungen zurzeit da?
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Heute haben wir bei Novaled 113 Mitarbeiter und ein stetiges Umsatzwachstum. Mit einigen der weltweit größten Displayhersteller als Kunden wollen wir dieses Jahr zum ersten Mal schwarze Zahlen schreiben. Wir haben ein sehr gutes erstes Halbjahr hingelegt, besser, als wir es uns vorgestellt haben. Wir haben immer besser abgeschnitten als andere internationale Firmen in dem Marktumfeld. Und dabei gab es auch Hürden wie die Finanzkrise. Doch unsere Entwicklung hat sehr viel Vertrauen gebracht, und so wie es aussieht, kommt der Durchbruch – also Gewinne zu schreiben – jetzt.
Wie ist es denn mit dem zweiten Standbein?
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Solarzellen aus dem Ansatz zu machen stand als Ziel schon ganz am Anfang fest. Das hat wirklich sehr lange gedauert, und ich selber habe über Jahre wahrscheinlich mehr an OLED gearbeitet als an Solarzellen. An der Gründung von Novaled war ich persönlich beteiligt, auch an den Grundlagenpatenten dazu. Nachdem Novaled gegründet war, bin ich aber drei Jahre noch an der Universität geblieben, um auch die zweite Anwendung zu dem Punkt zu bringen, dass eine Ausgründung möglich wurde.
Wesentlich hierfür war eine Zusammenarbeit mit einer Chemiegruppe von Prof. Peter Bäuerle in Ulm, wo eine ganz gezielte Materialentwicklung entstand. Mit den Chemikern wurde diskutiert, welche Ansätze und Strukturen es gibt. Die haben versucht zu synthetisieren, wir haben getestet, und nach einigen Zyklen entstand ein sehr spannendes Molekül. Dann hatten wir zwei Alleinstellungsmerkmale für die Firma: Das eine ist die Dotierung. Sie läuft bei uns unter dem Stichwort „Device Architektur“ (Bauelemente Architektur) und beschäftigt sich mit der Frage, welche Art von Schichten man in welcher Reihenfolge aufeinanderdampfen muss, damit die Solarzelle effizient wird. Das andere ist letztlich das Herzstück, nämlich die Moleküle, die dafür zuständig sind, das Licht einzufangen. Diese Moleküle haben wir uns dann auch zusammen mit den Chemikern in Ulm sehr breit patentieren lassen. Und das war der Punkt für eine gemeinsame Ausgründung: An Heliatek sind sowohl die TU Dresden als auch die Universität Ulm mit einigen Prozenten beteiligt. Das war 2006. Wir hatten einen Business Angel, einen ehemaligen Infineon-Top-Manager, der für Heliatek die Rolle des ersten Interim-CEOs übernommen hatte. Es lief ein Antrag für eine Startfinanzierung beim High-Tech-Gründerfonds für die Seed-Phase – so heißt das im Fachjargon, wenn außer einer Idee und einem kleinen Team noch nichts da ist. Am Vorabend unseres Bewerbungsgesprächs beim High-Tech-Gründerfonds sind wir zum Notar gegangen und haben die Gründung vollzogen und dabei auch unser eigenes Geld investiert, einfach, um unseren festen Gründungswillen zu dokumentieren und die Brücken hinter uns einzureißen.
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Schon wieder war dein Geld weg!
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Dafür musste ich dann auch wirklich einen privaten Kredit aufnehmen, das war mehr, als die Portokasse hergegeben hat. Es hat aber sofort funktioniert; die Seed-Finanzierung hat uns erlaubt, ein Jahr lang bereits mit ersten Strukturen nach größeren Kapitalgebern Ausschau zu halten. Das war noch mal eine Ochsentour ähnlicher Art, wo wir uns den Mund fusselig geredet haben, wir konnten aber schließlich sehr namhafte Konzerne überzeugen und die Investoren BASF sowie Bosch und Wellington Partners gewinnen. Zeitgleich konnten wir ein großes, öffentlich gefördertes Projekt vom BMBF einwerben. Das hat es uns für rund zweieinhalb Jahre ermöglicht, die Technologieplattform komplett zu machen, die Effizienz weiter zu steigern, an der Lebensdauer und an ersten Aufskalierungsschritten zu arbeiten. 2009 konnten wir Demonstratoren zeigen, denn: Geld bekommt man nicht mit Powerpoints, sondern nur, wenn man Objekte in der Hand hat, die funktionieren und schön aussehen. Ende 2009 konnten wir eine wesentlich größere Finanzierungsrunde abschließen mit der Zielrichtung, eine erste Produktionsanlage aufzustellen. In dieser Phase sind wir jetzt. Die Anlage ist bestellt, es war ein langer Prozess, sie zu spezifizieren. Die Anlage soll Ende dieses Jahres abgenommen werden, um Mitte nächsten Jahres verkaufbare Produkte auszuliefern.
Das ist auch ein Unterschied im Geschäftsmodell von Heliatek und Novaled: Wir sehen uns nicht als Technologielieferanten für andere, die Displays oder Leuchten herstellen, sondern wir haben den Anspruch, die Solarzellen selbst zu produzieren, zumindest im ersten Schritt, und das auch in Sachsen zu tun. Ein anderes Geschäftsmodell wäre auch gar nicht möglich, weil es bisher auf der Welt noch niemanden gibt, den wir beliefern könnten. Der Markt muss erst entstehen, und wir sind weltweit die Einzigen, die mit diesem Ansatz an das Thema Fotovoltaik herangehen.
Wie viele Mitarbeiter sind jetzt bei Ihnen?
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Zurzeit sind wir 70.
Und wie ist das mit Wettbewerbern?
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Die Wettbewerbsfrage stellt sich schon. Wir stellen uns dem Wettbewerb, wir haben Wettbewerber am Markt. Ein Beispiel: Die Dotierung erhöht die Energieeffizienz, weil die Betriebsspannung gesenkt wird. Man kann sich aber auch nach anderen Methoden umschauen, wie man die Betriebsspannung senkt. Wir arbeiten daran, als Firma das beste Package aus Performance, Einfachheit der Handhabbarkeit, Produzierbarkeit und Service anzubieten, aber Wettbewerb besteht natürlich.
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Es wird immer von Alleinstellungsmerkmalen, USPs, geredet. Alleinstellungsmerkmale im strengen Sinn gibt es ganz selten. Man hat immer ein Paket von Eigenschaften und muss sich im Wettbewerb behaupten. Ich meine schon, dass es für die Wirkung letztlich egal ist, ob man eine organische Solarzelle oder irgendeine andere auf dem Dach hat. Wir müssen bei Effizienz, Lebensdauer, Kosten und ästhetischen Qualitäten ein attraktives Produkt machen und stehen da natürlich im Wettbewerb – selbst wenn wir uns auf unserem Gebiet weltweit einen sehr großen Vorsprung erarbeitet haben.
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Nicht so bescheiden auf beiden Seiten: Auf ihren eigentlichen Fachgebieten sind beide Firmen derzeit weltführend.
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Ja, aber Wettbewerb gibt es trotzdem. Die Arbeit, diese Führung zu behalten, ist eine Herausforderung.
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Ja, sicher, jeder Erfolg weckt auch Neider, und andere wollen das Geschäft ebenfalls haben.
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Was uns am Anfang geholfen hat, war diese Sichtweise auf die organische Elektronik und speziell die Dotierung. Wenn genügend Leute sagen, das ist ja Quatsch, was ihr da macht, und man schafft es trotzdem, dann hat man einen Vorteil. Wenn alle gesagt hätten: „Das ist ja offensichtlich, das ist ja klar, dass man das macht, so macht das ja jeder“ – dann hat man auch in der Anfangsphase einen so starken Wettbewerb, dass man es wahrscheinlich als kleine Firma, die mit einer neuen Idee kommt, nicht schafft, hier zu gewinnen.
Neue Ideen müssen ein Stück weit auf Widerstand stoßen. Entweder sie sind so neu, dass noch niemand darüber nachgedacht hat, oder sie sind so out-of-the-box, dass viele sagen, das macht ja keinen Sinn. Nur dann hat man die Basis für einen Erfolg. Gleichzeitig hat man aber auch das Risiko, dass man scheitert.
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Wir haben im Nachhinein festgestellt, dass uns die Welt sehr genau zugeschaut hat und viele große Unternehmen regelmäßig unsere Publikationen gelesen haben. Sie haben auch gesagt: „Das ist ja nett, was die machen, wird schön effizient, aber stabil kriegen die das nie hin!“, und sich zum Teil bewusst dagegen entschieden, so was Ähnliches zu tun.
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Ein paar japanische Firmen haben unsere Doktorarbeiten genau gelesen und dann noch irgendwelche Nachfolgepatente von Dingen gemacht, die wir verschlafen hatten. So etwas ist auch vorgekommen.
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Es gibt einen weiteren Punkt, bei dem wir massiv gegen den Strom schwimmen. Die Dotierung war das eine, das ist eher so ein tief sitzender technologischer, fast wissenschaftlicher Punkt. Das andere ist, dass es in der Szene das Vorurteil gibt, eine Solarzelle dürfe nichts kosten und müsse irgendwann mal ein Pfennigprodukt sein.
Die Wertschöpfung pro Fläche ist in der Tat ziemlich gering. Deswegen gibt es eine weltweite Community, die davon träumt, Solarzellen in einer Art Küchenprozess herzustellen. Von diesem Ansatz gibt es verschiedene Spielarten, inzwischen sind ungefähr 300 Millionen US-Dollar hineingeflossen. Wir sind der Meinung, dass eine Solarzelle ein Halbleiterbauelement ist, das lange leben und effizient sein muss. Das kostet eben etwas und wir setzen auf Vakuumdeposition. Das klingt zunächst teuer, aber wenn man es genau durchrechnet, stellt man fest, dass bei guten Verdampferquellen, wenn der Prozess im Vakuum schnell genug ist, die Herstellungsanlage durchaus etwas kosten darf – weil es den Gesamtpreis des Produkts gar nicht sehr erhöht. Wir sind zwar immer noch die Einzigen weltweit, die auf diesen Ansatz setzen, und schwimmen dort zunehmend erfolgreich gegen den Strom, aber wir rechnen damit, dass es bald Nachahmer geben wird.
Gegen den Strom schwimmen können im Beruf – das wünscht sich vermutlich mancher. Sie sind Physiker. Welche Berufswünsche hatten Sie als Kind oder Jugendlicher? Wann wussten Sie, dass Sie mit Ihrem Studium in diese Richtung gehen wollten?
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Meine Entscheidung, Physik zu studieren, habe ich erst um das Abitur herum gefällt. Es gab einen konkreten Anlass, bei dem ich gemerkt habe, dass erneuerbare Energien etwas Spannendes sind. Das war eine Schulstunde im Erdkundeunterricht, in der Methoden zur Energieerzeugung dargestellt wurden. Es gab Kohle, Atom und Öl – die Klassiker. Und dann gab es den Lehrsatz, den man zu lernen hatte, dass es auch alternative Energien gibt wie Wind und Sonne usw., doch die könnten immer nur eine kleine Rolle als Ergänzung spielen. Und das stand da einfach als Lehrsatz, es gab keine ordentliche Begründung. Das hat mich gestört. Von da an wollte ich mehr darüber wissen, und als sich konkret die Chance ergab, in dieser Richtung zu arbeiten, hab ich mich sofort darauf gestürzt. Ein weiterer Punkt, der mich in Richtung Physik gebracht hat, hatte eher was mit Denkstrukturen zu tun. Als mir erste Ansätze über Quantenmechanik nähergebracht wurden, habe ich gemerkt, dass es, wenn man ganz genau hinschaut, Dinge gibt, die wirklich anders funktionieren, als man es sich in seinem makroskopisch geschulten Bewusstsein vorstellt: dass irgendwie ein Teilchen auf einen Doppelspalt zufliegt, und selbst wenn man normalerweise sagen würde, ein Stein kann doch nur durch einen Spalt von zweien durchfliegen, verhält sich das Quantenteilchen irgendwie anders. Das ist faszinierend. Ich werfe auch gerne mal meine eigenen Vorurteile über den Haufen, und es war ein spannendes Studium, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen.
Was hat Sie zur akademischen Lehre gebracht?
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Das waren viele Zufälle. Ich war als Kind generell technisch interessiert und habe meine Freizeit fast ausschließlich mit dem Bauen von Flugzeugmodellen verbracht. Ich wollte dann Luft- und Raumfahrttechnik studieren, aber mein Vater, der Rechtsanwalt war – also wahrlich nicht vom Fach –, sagte: „Mach doch etwas Allgemeines, Physik, du kannst dich immer noch spezialisieren.“ Glänzender Ratschlag, würde ich jedem anderen geben. Wenn man allgemein anfängt, kann man sich spezialisieren, umgekehrt nicht. Ich studierte zunächst und hatte zwischendurch einen Durchhänger. Was mich dann wieder motiviert hat, war die Diplomarbeit zu Solarzellen. Die entstand am Fraunhofer ISE in Freiburg bei Adolf Goetzberger, einem Visionär der Sonnenenergie. Das hat mir die Motivation wiedergegeben. Dann habe ich in am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart und später in den USA andere Dinge gemacht und bin schließlich hier gelandet. Ich dachte, dass man als Hochschullehrer die Möglichkeit hat, zu forschen, zu lehren und dann auch noch in die Anwendung zu gehen. Mein ehemaliger Chef in Aachen meinte, als ich ihn fragte, ob ich mich hier bewerben soll: „Ach, fahren Sie doch mal einen Tag nach Dresden und reden Sie einfach mal mit den Leuten!“ Im Dezember 1992 kam ich hier an, war in diesen Räumen, wo noch die Wasserschäden an der Decke waren. Aber ich habe gemerkt, dass es in den Augen der Menschen leuchtet, und mir war klar, dass dies der richtige Platz ist.
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Ich muss irgendwie von meinen Eltern vorgeprägt worden sein, denn beide sind Physiklehrer Mein Vater ist dann auch Uni-Professor hier gewesen, in der Festkörperphysik. Und irgendwie lag mir das Technische. An der Uni Dresden – DDR, in den 80ern – gab es für Schüler Physikkurse, die mir gut gefallen haben. Ich bin in Dresden auf ein mathematisch-naturwissenschaftliches Spezialgymnasium gegangen, Martin-Andersen-Nexö. Ich bin auch so ein DDR-Spezialschüler. Es gab ein Auswahlverfahren, darauf wurde ich von meinem Vater „trainiert“. Das war seinerzeit sicher knapp in meinem Fall. Aber dann kam ich mehr und mehr in die Physik hinein, und das wurde mein stärkstes Fach. In einer DDR-Biografie musste man sich schon früh entschieden, was man studieren wollte. Ich hatte das beantragt, auch schon eine Zusage. Aber ich hatte mit meinem Geburtsjahr extremes Glück, genau mit meinem Abitur kam die Wende – und dann stand die Welt offen. Trotzdem habe ich dann in Dresden angefangen, bin aber anschließend nach Oldenburg an ein Institut gegangen, das auch Physik machte. Es ging um Regenerative Energiequellen, was sich mehr auf Windenergie bezog. Der Professor wechselte dann an das Fraunhofer ISE, die Neubesetzung dieser Professur stand sehr in Frage. Nach Oldenburg floss nicht so viel Geld wie nach Ostdeutschland. dann bin ich wieder nach Dresden und habe mich an der Uni umgeschaut, wo etwas Spannendes passiert. Es kam nur das Institut von Prof. Leo in Frage, weil es das Einzige war, wo einfach Drive drin war, wo jemand Dinge neu machte. In eine muffige DDR-Vergangenheit wollte ich nicht wechseln, und so bin ich hier gelandet.
Nun sind Sie vom Wissenschaftler zum Manager geworden – mit einem lachenden und einem weinenden Auge?
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Der reine Forscher, der nur an seinem Computer sitzt, bin ich nie gewesen. Ich bin eher ein Mensch für die Praxis. Bei Novaled habe ich als CTO angefangen, war als Technical Director für alles zuständig, mittlerweile als Chief Scientific Director, aber nicht mehr für das harte Tagesgeschäft verantwortlich, sondern ich kann mich mit den spannenden langfristigen Themen beschäftigen. Forschungsmanagement ist eigentlich das Feld. Ich forsche nicht mehr selbst, aber ich betreibe Forschungsmanagement: Mit einigen Leuten, die ebenfalls Ideen haben, im Team zu arbeiten, das dann zu lenken und für die Finanzierung zu sorgen, dabei das Business nicht aus den Augen zu verlieren – das ist eine gute Mischung, die mir persönlich liegt.
Herr Prof. Prof. Leo Sie waren an der Firmengründungen beteiligt und sind noch in einem Beirat. Wie ist das, wenn man das „Baby“ abgibt? Bleibt eine Beziehung dazu oder ist das dann irgendwann mal aus dem Sinn?
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Ja, bei Heliatek bin ich noch im Beirat. Natürlich, die Beziehung ist immer noch da, man freut sich über jeden Erfolg. Aber es ist in beiden Fällen ein ganz natürlicher Ablösungsprozess. Die Firmen hingen zunächst eng an der Uni, zum Teil wurden die Proben hier gemacht. Aber die Arbeitsweise ist eine andere als die einer Universität. In der Grundlagenforschung kann man auch mal unsystematisch arbeiten, Nebenwege gehen, während man als Firma viel gezielter arbeitet, auch Zeitpläne einhalten muss. Dadurch ergibt sich einfach eine gewisse Abnabelung. Aber das weiter zu begleiten, das liegt mir sehr am Herzen, und das macht mir große Freude.
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Zur Frage nach Wissenschaftler und Manager möchte ich eine Perspektive ergänzen. Ich mache inzwischen relativ viel Managementarbeit, fühle mich aber nach wie vor als Hardcore-Wissenschaftler. In gewisser Weise ist es mir sogar gelungen, in diesem industriellen Umfeld noch zielgerichteter wissenschaftlich arbeiten zu können, als ich es an der Universität konnte. Das hängt damit zusammen, dass Universitäten in Deutschland leider immer noch ziemlich stark auf Fachrichtungen festgelegt sind. Es ist schwer, eine wirklich effizient fokussierte, interdisziplinäre Forschung zu betreiben. Es funktioniert manchmal im Rahmen von öffentlich geförderten Projekten. Das machen wir bei Heliatek inzwischen anders, wir haben – das gilt für Novaled genauso – unser eigenes Chemie- und Physikteam. In deren Arbeiten stecken im Detail Geschäfte, Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, und man weiß, dass es fast ein Jammer ist, diese Erkenntnisse nicht zu veröffentlichen. Ich bin nach wie vor ein so passionierter Forscher, dass ich Wochenenden damit verbringe, mir mit quantenchemischen Rechnungen das nächste schöne Molekül auszudenken.
Und womit motivieren Sie sich?
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Die Motivation ist der Spaß an der Arbeit, derzeit ist die organische Elektronik noch so spannend und hat so viel Zukunftspotenzial für neue Anwendungen, das motiviert. Und ansonsten: immer weitermachen, letztendlich, irgendwas geht immer. Auch wenn es mal aussieht, als ginge nichts – immer versuchen, weiterzumachen.
Prof. Dr. rer. nat. Karl Leo
Das Schönste – ganz klar – an meinem Beruf ist, Talente zu erkennen und zu fördern, zu sehen, wie sie wachsen. Ich sehe junge Studenten kommen, noch ganz am Anfang ihrer Laufbahn, und man sieht, wie sie sich entwickeln, ich kann ihre Talente erkennen, ihnen Ratschläge geben und sehe, wie sie heranwachsen. Das ist unbezahlbar.
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Für mich ist es primär immer wieder, die Brücke zwischen Grundlagen und Anwendung zu schlagen. Man kann es auch so sagen: Dinge aus dem Ideenraum auf die Erde herunterziehen, bis etwas Handfestes da ist. Was jetzt, seit es Heliatek gibt, größere Bedeutung gewinnt, ist, dass es ein lebender Organismus ist. Das sind Mitarbeiter mit einem Gesicht, es ist – das klingt vielleicht kitschig – eine große Familie. Da geht es um Menschen. Und wenn ich nach einer neuen Finanzierung suche, weiß ich, dass Arbeitsplätze davon abhängen. Das ist eine Verantwortung, die mich weitertreiben und auch in der Durstrecke sagen lässt: dranbleiben!
Letzte Frage: Womit entspannen Sie sich? Was interessiert Sie noch?
Dr. rer. nat. Jan Blochwitz-Nimoth
Mit Familie und zwei kleinen Kindern bleibt nicht viel an Zeit.
Dr. rer. nat. Martin Pfeiffer
Für mich ist eine tägliche Dosis Bewegung unverzichtbar: Fahrradfahren. Ich würde das sonst nicht durchhalten, und wenn es geht, versuche ich auch noch, ein wenig Musik zu machen. Das ist leider in den vergangenen Jahren zu kurz gekommen.