Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Das Projekt entwickelte sich im Zusammenhang mit der EXPO. Wenn ich normalerweise auf eine Ausstellung oder ins Museum gehe, habe ich entweder einen Museumsführer dabei oder eines der traditionellen technischen Systeme, bei dem man eine Nummer eingeben, also aktiv etwas machen muss. Was ich mir idealer Weise wünsche, ist ein Museumsführer, der mit mir persönlich durch das Museum, die Ausstellung oder die Messe geht und mir etwas erklärt. Wir haben uns gefragt: Wie kann man so etwas technisch realisieren? Wir verstehen eine Menge von Hochfrequenztechnik und so sind wir auf die Idee gekommen. Wir haben ein Konzept erarbeitet und gesagt: Ja, so könnte es sein! Dann gibt eine Idee die andere.
Bei den alten Systemen, die es gab, musste man sich im Grunde ganz streng an das halten, was die Geräte vorgegeben haben. Mit Ihrem System ist man „frei“. Man kann selbst entscheiden, wohin man gehen möchte.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Das System erkennt, wo man innerhalb einer Ausstellung ist. Es lädt immer die Beiträge in den Speicher, die für den Bereich in der Ausstellung wichtig sind, dem man sich gerade nähert und dadurch ist man in seiner Bewegung durch die Ausstellung vollkommen frei. Wir haben damals das Muster der vierköpfigen Familie vor Augen gehabt, die über die EXPO geht. Die Mutter visiert eine Halle an, der Vater den nächsten Bratwurststand und hat dabei die Kinder an beiden Händen. Damit hat er keine Hand mehr frei für einen Plan. Wir wollten ein System schaffen, das ihn trotzdem führt. Und so sind wir auf guidePORT gekommen. Wir haben uns Gedanken über die Infrastruktur gemacht, darüber, dass das System mehr abspielen muss als im Speicher ist. Wichtig war uns auch, dass das System in der Lage sein muss, aktuelle Dinge zu verarbeiten, wenn ein Notfall auftritt. Ganz wichtig ist, dass das System das unauffällig macht, dass man sich das Ding in die Tasche stecken kann. Und dass es in vielen Sprachen funktioniert, weil viele der Projekte, die wir uns angesehen haben, internationale Ausstellungen sind, auf denen Menschen aus vielen Sprachbereichen zusammenkommen. Man muss das im Prinzip so machen, dass der Besucher hinterher beinahe vergisst, den guidePORT wieder abzugeben.
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Man kann nicht nur bis zu 32 Sprachen eingeben, man kann auch unterschiedliche Verständnislevel einstellen. Sie können also den normalen Besucher, den Experten oder auch das Kind ansprechen.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Als wir uns die Konzeption des Systems überlegt hatten, die im Grunde genommen eine zellulare Struktur ist, in der sich ein Funkempfänger bewegt, haben wir mal anders herum gedacht. Und das war, glaube ich, der große Durchbruch. Wir dachten an ein zellulares, digitales Empfängersystem. Das vom Besucher getragene Gerät enthält zwei Empfänger, einen für den Datenstrom und einen für die Ortsbestimmung. Und in den digitalen Datenstrom kann man etwas hineinlegen; das können Texte, aber auch - und das haben wir patentiert - Bilder sein. Wir hatten anfänglich auch an Mobilfunknetze, beispielsweise UMTS gedacht. Aber das kostet sehr viel Geld. Es macht keinen Sinn, einen Ausstellungsbesucher mit einem UMTS-Telefon durch eine Ausstellung gehen zu lassen, der dann vielleicht EUR 20 Eintritt und EUR 45 für das Runterladen bezahlt.
Die Innovation wurde beschrieben als die Verkettung mehrerer Funk- und Identifikationssysteme und zeitlich geschachtelte Informationsübertragung. Was ist das konkret?
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Stellen sie sich das so vor: Wir strahlen die ganze Information, die dem Besucher gegeben wird, über Funk in der Luft ab. Bei den Systemen die es bisher gab, besteht folgendes Problem: Sie kommen zu einem Ausstellungsobjekt und wollen die Beschreibung dazu von Anfang an hören. Nichts ist schlimmer, als wenn sie mitten in der Erklärung reinkommen und sich erst den Rest anhören müssen und dann den Anfang. So ist es bei den Systemen, die es schon gibt. Ein großer Teil unserer Innovation ist nun, dass wir es schaffen den Text immer von Anfang an zu übertragen. Unser System rafft z.B. einen Text von zehn Sekunden elektronisch auf eine Sekunde zusammen und überträgt ihn ganz schnell. Den Anfang des Textes wiederholen wir mehrfach. Das sind meinetwegen die ersten drei oder vier Sekunden, die kann man heute elektronisch ganz schnell übertragen. Währenddessen hat der Empfänger drei Sekunden Zeit, sich den Rest des Textes reinzuladen. Das verkettet er miteinander; er weiß, welche Informationen zusammengehören. Damit haben sie die Möglichkeit, einen Text immer von vorne anzuhören. Es ist egal, wie viele Besucher das sind - jeder bekommt zum richtigen Zeitpunkt die passende Informationen.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Das zweite Funksystem neben dem Empfänger ist ein Identifier, der am Objekt angebracht ist. Er hat eine bestimmte Nummer, die im Rechnersystem hinterlegt ist. In dem Moment, in dem der Besucher in den Funkbereich des Identifier kommt, empfängt er dessen Code und sucht sich aus seinem Speicher den passenden Textbaustein aus.
Sie hatten vorhin schon angesprochen, dass dieses System nicht nur für Sprache sondern auch für Bild- und Dateninformationen ausgelegt ist. Wie kann man sich das vorstellen?
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Das Ganze ist sogar schon vor Jahren in einem Museum in Seattle realisiert worden, dem sogenannten Experience Music Project. Allerdings ist es dort sehr aufwändig; die Box wiegt vier Kilo und deswegen nimmt sie kaum einer. Der Besucher hat eine große Kiste mit einem Bildschirm bei sich, die über das guidePORT-System erkennt, wo er sich in der Ausstellung befindet. Über den Datenstrom werden sogar ganz Musikclips reingeladen, die zum Objekt passen. Sie werden auf einem PDA-Bildschirm dargestellt. In Zukunft wird das noch „machbarer“ und besucherfreundlicher sein. Als wir damit angefangen haben, hofften wir, dass wir mal acht Megabyte Speicher auf den Empfänger bekommen. Heute laden wir ein Gigabyte darauf und können im Prinzip alle Informationen in beliebiger Tiefe und Bandbreite dazusteuern. Heute sind auch Funkverbindungen wesentlich schneller, so dass man das beliebig ausbauen kann.
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Und es gibt eine weitere Möglichkeit, die das Gesamtsystem bietet: Der Empfänger geht ja mit dem Besucher mit und kann sich merken, wo der Besucher war. In Seattle haben wir damit folgendes gemacht: Von allen Titeln, die der Besucher sich angehört hat, konnte er zum Schluss eine CD mitnehmen, und zwar mit den Titeln in der Reihenfolge, wie er durch die Ausstellung gegangen ist. Einen weiteren Vorteil hat das System für die Veranstalter: Sie wissen, welche Objekte in welcher Reihenfolge besucht wurden und welche nicht so beliebt sind.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Man kann also hinterher aus dem Speicher auslesen, welcher Identifier besucht und an welchen entlanggegangen wurde, so dass man den Weg der Besucher durch die Messe verfolgen kann; natürlich werden alle Angaben völlig anonym gespeichert. Das ist für die Planung der Veranstalter extrem wichtig. Denn wo bleibt eine Veranstaltung im Gedächtnis? Dort wo sie schlecht gewesen ist. Sie stören sich beispielsweise daran, dass es zu eng war. Die Macher können über dieses System mit Hilfe eines Zeitcodes nachvollziehen, wie viele Leute zur gleichen Zeit am gleichen Platz gewesen sind.
Das heißt ja dann noch mal Schulbank drücken für unsere Ausstellungsmacher.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Ja, aber viele deutsche Ausstellungsmacher können das nicht. Für sie spielt das keine Rolle. Disney beispielsweise arbeitet anders. Disney sagt: Damit kann ich meine Besucher anders führen. Für viele Veranstalter ist es hingegen wichtiger, noch ein Exponat mehr in die Ecke zu bringen. Das ist die Überzeugungsarbeit, die uns am Anfang, bei der EXPO nicht geglückt ist. Herr Niehoff hat das am Anfang ein bisschen verschleiert: Eigentlich ist das Projekt aus Frust über die EXPO entstanden! Wir waren dort und haben über Besucherführung gesprochen. Wir haben Steven Limpe von Acoustic Guide, das ist eine Firma, die die traditionellen Systeme vertreibt, dorthin mitgenommen. Er hat aus seiner Erfahrung dargestellt, was man alles machen könnte. Aber die Macher wussten das alles schon. Wir fragten zum Schluss, wie sie das Problem nun lösen wollen. Da hieß es: Wir machen das mit traditioneller Lautsprecherbeschallung. Ich habe gesagt: Okay, das kann ich mir gut vorstellen, zwölf Sprachen über Lautsprecher, das macht bestimmt Spaß! Und die haben gesagt: Wir brauchen nichts Neues! Als wir beide dann nach Hause gekommen sind, haben wir uns bei mir ins Büro gesetzt und gesagt: So! Und jetzt machen wir es erst recht! Und daraus ist guidePORT entstanden. Jetzt wollten wir aber kein Konzept für einen Lösungsfall machen, sondern eines, das für alle unterschiedlichen Ausstellungen passt. Darum ist auch eines der wesentlichen Teile, dass wir im Prinzip das Betriebssystem des Empfängers während der Benutzung ändern können. Wir können z.B. Musikdaten in CD-Qualität, aber auch Sprachdaten in sehr einfacher Qualität abspielen. Wir können 16 Sprachen aufspielen oder auch nur vier. Wir können einen Hintergrundkanal für Kinder haben, einen für Notfalldurchsagen oder auch nicht. Das kann sich der Betreiber einer Ausstellung selber aussuchen. Und damit ist es natürlich gerade für Festinstallationen - wir haben jetzt gerade einen Vertrag mit dem Gropius-Museum in Berlin abgeschlossen - hervorragend, weil sie sich jeder Situation anpassen können. Den Empfänger fassen sie eigentlich nur noch an, wenn sie ihn ausgeben und wieder einsammeln. Traditionelle Systeme müssen sie, wenn sie zum Beispiel neue Texte aufspielen, einzeln bearbeiten. Bei uns setzen sie neue Texte in den Rechner, der im Netzwerk ist; alle Empfänger und Sender sind über das Netzwerk verbunden und damit haben sie die Texte automatisch auf allen Empfängern.
Also ist es auch noch sehr bedienerfreundlich für die Ausstellungsmacher.
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Und sie können es auch noch während der Ausstellung verändern, das ist auch noch eine sehr innovative Sache. Wenn der Aussteller feststellt: Heute ist es besonders warm und da drängelt es sich in dieser Ecke, dann kann er während der Ausstellung die Besucher beeinflussen und sagen: Kuck mal, wo anders gibt es auch noch was Interessantes zu sehen. Er kann also den Besucherstrom steuern. Und an diese technische Vielfalt müssen sich die Ausstellungsmacher erst mal gewöhnen.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Bis heute wird das Thema Besucherführung als ein notwendiges Übel angesehen. Nur geraten heute natürlich auch die Ausstellungsmacher mehr und mehr unter Druck, dass ihre Ausstellung beliebt sein muss. Die Subventionen fallen weg, sie müssen sich über die Eintrittsgebühren selbst finanzieren und damit müssen sie aktiv werden. Das hilft uns zur Zeit.
Sie haben damit schon meine Frage beantwortet, ob es die konsequente Weiterentwicklung einer unternehmerischen Strategie war, oder ob es eine Idee war, die dann in passenden Unternehmen umgesetzt wurde. So wie Sie es gerade beschrieben haben, greift es sehr schön ineinander.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Für uns war ganz wichtig: Wir haben etwas ähnliches 1984 in Epcot für Disney gemacht. Das waren die ersten Ansätze. Und im Prinzip ist diese Technologie auf dem Stand von 1984 stehen geblieben. Aus dem einfachen Grund, weil für keinen der Ausstellungsmacher der Besucher im Vordergrund gestanden hat. Das ist dann so ein Hennen-Ei-System. Für uns war das ein ganz wichtiger Punkt: Wir wollten nicht über ein System 1995/96 nachdenken, sondern über ein System 2000 und danach. Denn im Grunde genommen muss man die Weiterentwicklung von vorneherein in ein Konzept einbeziehen. Wenn sie ein System machen, das durch die Möglichkeiten des Konzepts begrenzt ist, nützt ihnen die beste Technologie nichts mehr. Wir können unser Produkt zum einen von den Übertragungsgeschwindigkeiten her weiterentwickeln. Zum anderen sind wir gerade dabei, es auf das Format einer Scheckkarte zu verkleinern. Wir arbeiten im Moment an einem Projekt für eine religiöse Veranstaltung, mit zweieinhalb Millionen Menschen die 80 Sprachen sprechen. Die Gebete dort werden nur in einer einzigen Sprache gesprochen. Etwa 84% der Beteiligten verstehen sie also nicht. Und leider ist dort extrem viel Sonnenlicht, so dass andere Lösungen nicht umzusetzen sind. Unser System kann als einziges hier eine Lösung bieten!
Sie haben jetzt hier eine Innovation, die bereits in ein Produkt umgesetzt ist und Anwendung findet. Welche Projekte sind bereits mit dem guidePORT bestückt?
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Das erste war der Historical Theme Park El Rey in Cancún in Mexiko, ein Themenpark in dem Kindern die Tradition der Maya erklärt wird. Das zweite große Projekt ist hier in Hannover das Regenwaldhaus. Das dritte ist die Biosphäre in Potsdam. Es gibt es eine Ausstellung in Kansas über Zar Alexander I., die erste große Ausstellung der Zarenschätze in den USA, die man einfach auf Grund der Problematik, dass diese Ausstellung flächenmäßig so riesig ist, anders gar nicht hätte managen können. Es folgten weitere Ausstellungen; insgesamt sind im ersten Jahr über 20 Systeme in Betrieb gegangen.
Sind das plötzlich die Ausstellungsmacher, die besonders interessiert und marketingorientiert sind, oder wie kommen so unterschiedliche Projekte zu Ihnen? Oder liegt es an Ihrer Verkaufsstrategie, sich solche Dinge auszusuchen?
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Nein. Ich würde es mal so sagen: Das sind immer zwei Komponenten, die eine Rolle spielen. Das eine ist: Der Ausstellungsmacher interessiert sich für seine Besucher. Das ist noch nicht unbedingt der Standard. Wenn er das macht, beschäftigt er sich damit, wer solche Systeme liefert. Und auch da ist es noch ein bisschen schwierig für uns. Wir bieten ja eine ganz andere Konzeption an als die traditionellen Hersteller: Die liefern sowohl die Hardware als auch das Personal und bekommen vom Ausstellungsmacher nur die Fläche. Dafür müssen sie einen bestimmten Betrag an Lizenzgebühren an ihn zahlen. Alles andere machen sie selbst. Wir kommen ausschließlich über die Technologieschiene. Da war es unser Vorteil, dass wir über ein weltweites Vertriebsnetzwerk im Technologiebereich verfügen. Beim Mystery Park in Interlaken in der Schweiz lief es beispielsweise so: Der dortige Veranstalter, der selber ein Elektronikunternehmen besitzt, hat eigentlich nur jemanden gesucht, der ihm Kopfhörer liefert. Im Gespräch über diese Kopfhörer hat er erwähnt, dass er sie für ein Besucherführungssystem haben will, das er selbst entwickeln möchte. Ich bin dann selber bei ihm gewesen und habe ein achtstündiges Gespräch mit ihm geführt: Alles, was er machen wollte, konnte unser System. Dadurch ist auf der Technologieebene ein Geschäft zustande gekommen. Heute gibt es einfach ein Paket, das unsere Vertriebspartner verkaufen können. Es kommen noch andere Elemente hinzu, z.B. der Kostendruck, unter dem viele Veranstalter stehen. Mit diesem System können sie zum Beispiel ihre eigenen Texte, die sie vorher sehr aufwändig von einem der Anbieter generieren lassen mussten, selber machen. Sie setzen sich an den PC, nehmen ein Mikrofon und können das selber vertonen. Die Qualität dabei wage ich zum Teil ein bisschen in Frage zu stellen, aber sie können es selber machen und damit haben sie eine Kostenersparnis.
Was kostet das System?
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Das fängt in einer Größenordnung bei EUR 50.000 bis 80.000 an. Sie brauchen für eine kleine Ausstellung einen Sender, die PC-Ausstattung und ca. 100 Empfänger. Ein Empfänger kostet EUR 150.
Jetzt könnte man ja sagen, dass Information in Museen oder Freizeitparks nicht lebensnotwendig ist. Gibt es denn weitere Anwendungsmöglichkeiten für das System?
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Wir diskutieren gerade mit einer großen deutsche Stadt, die das sowohl für die Stadt-, als auch für die Museumsführung übernehmen will. Sie gehen ins Hotel, checken ein, erhalten einen Empfänger und wenn sie jetzt durch die Stadt gehen, bekommen sie automatisch eine Stadtführung. Der Empfänger kann ihnen sagen: Wenn sie nach links kucken sehen sie dieses und rechts jenes. Und wenn sie in ein Museum gehen, geht die Führung weiter. Auch als reines Informationssystem gibt es Entwicklungsmöglichkeiten für den guidePORT, z.B. im Krankenhaus.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Wir haben ein Sendesystem mit einem digitalen Datenstrom. Das können wir im Grunde genommen an allen Plätzen einsetzen, an denen Information verteilt werden muss, die räumlich bezogen ist. Diese räumliche Bezogenheit ist das Entscheidende. Bei Krankenschwestern z.B., die unter Zeitdruck stehen, gibt es das Problem, dass sie alle Informationen über einen Patienten jedes Mal neu von seinem Krankenblatt ablesen müssen: Bei dem einen Patienten dürfen sie das und bei dem anderen das nicht machen. Das System würde es erlauben, dass sie einen kleinen Hörer im Ohr hat, über den sie - wenn sie den Raum betritt - von der Datenbank die Information über den Patienten bekommt.
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Das System ist aber auch für die Patienten brauchbar: In großen Kliniken schicken sie jemanden los und sagen: Geh mal in die und die Abteilung. Aber ob der Patient den Weg findet und wann er ankommt, bekommen sie nicht mit. Schon mit diesem System, aber vor allem mit einer Weiterentwicklung, die wir auch patentrechtlich gesichert haben, kann das System verfolgen, wo sich der Patient gerade befindet.
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Und in der Zwischenzeit kann er, wenn er z.B. wartet, Informationen über seinen Gesundheitsstatus oder allgemeine Informationen über sein Krankheitsbild bekommen.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Das ist anwendbar auf alle Bereiche, wo sie jemanden leicht führen müssen, wo jemand von A nach B kommen muss, ohne dass er sich verläuft: in Behörden zum Beispiel oder Städten. Damit erreichen sie eine Effizienzsteigerung und sparen Kosten. Ein gutes Beispiel ist auch das neue Terminal in München. Ich hätte dort 15 Leute mit dem Ding rumlaufen lassen, dann wüsste ich, wo die problematischen Stellen sind.
Dieses Unternehmen ist ein Familienunternehmen. Sie haben sich dafür entschieden, hier für das Projekt neue Produktionsstätten zu generieren und eben nicht ins Ausland zu gehen. Sind solche Unternehmen wie dieses der Nährboden für Innovationen oder wird so etwas auch im internationalen Wettbewerb immer schwieriger?
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Natürlich wird es immer schwieriger, denn gute Ingenieure und kreative Menschen gibt es überall. Die Angleichung des Wissenspotenzials von deutschen und ausländischen Ingenieuren geht schneller voran als manche es glauben. Dazu trägt natürlich einerseits bei, dass wir diese Ingenieure zum Teil hier in Deutschland ausbilden. Zum anderen gehen unsere Ingenieure aber auch ins Ausland. Und: Mit den Methoden des Internets, mit der heutigen Wissensvermittlung ist der Ausgleich und der Austausch von Wissen auf weltweiter Ebene sehr einfach. Für uns ist es wichtig gewesen, uns an diesem Standort weiterzuentwickeln, weil wir hier die Symbiose haben aus der Sennheiser lebt: Innovation und Umsetzung, alles an einem Standort. Das ist für einen Mittelständler einfach unbedingt notwendig. Wir müssen Ressourcen einsparen, wo immer es geht. Und das kann man im Wesentlichen nur dann, wenn man sie an einem Standort hat. Natürlich sind wir bis zu einem gewissen Grad ein Unternehmen, das von der Innovation lebt. Wenn sie unseren Hauptgesellschafter heute fragen oder vielleicht sogar noch dessen Vater, den Firmengründer, würden beide sagen: Wir sind ein innovationsgetriebenes Unternehmen. Das stimmt heute nicht mehr ganz. Wir sind auch ein marktgetriebenes Unternehmen. Allein mit Innovationen überlebt man in diesen Zeiten nicht mehr. Denn unsere Kunden sind häufig sehr konservativ, wollen zwar die Verbesserung ihrer Produkte, aber sie wollen nicht jedes Jahr ein komplett neues Produkt. Nehmen wir mal das Deutsche Fernsehen, das hat fast ausschließlich Sennheiser Drahtlos-Mikrofone. Wenn wir nun jedes zweite Jahr ein neues Mikrofon rausbringen würden, würden die uns erschlagen.
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Bei Kopfhörern sieht es ein bisschen anders aus. Das ist ein Consumer-Markt. Da müssen wir so schnell sein.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Wir sind auch deswegen innovationsgetrieben, weil wir viele Produkte, die wir entwickeln, nicht als Bauteile oder Materialien irgendwo kaufen können, sondern wir müssen alle diese Teile selber entwickeln. Oder wir veredeln das, was andere tun und das ist eben Forschung. Es gibt heute noch zwei Professoren in Deutschland, die Elektroakustik lehren. Der eine heißt Sennheiser und lehrt in Hannover und der andere Blauert und lehrt in Bochum. Alle anderen sind inzwischen emeritiert. Elektroakustik war in Deutschland nach dem Krieg mal ein Spitzenfach! In Hannover wurde z.B. die Musikkassette entwickelt, die Basis für die CD, bei Telefunken wurden viele Sachen gemacht - all das ist weggefallen. Es gibt außer uns nur noch einen Mikrofonhersteller in Deutschland. Und was heute von der Elektroakustik übrig geblieben ist, das wird im Grunde genommen bei den Fahrzeugherstellern für die Beruhigung von Fahrzeugsystemen verwendet.
Haben Sie eigentlich Förderung in der Entwicklung dieses Projektes bekommen oder haben Sie überhaupt dran gedacht?
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Hier haben wir keine Förderung bekommen.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Das Problem ist: Wir sind kein KMU, kein Klein- oder Mittelständisches Unternehmen. Wir sind zwar Mittelständler, aber wir sind nach EG-Kriterien kein KMU-Unternehmen. Wir sind im Prinzip in der Größenordnung eines Unternehmens, das in Europa nicht gefördert wird. Wir machen sehr viel im Bereich der elektronischen Lärmreduzierung und wollten für Hochlärmanwendungen, z.B. den Flugzeugbetrieb auf Flugzeugträgern ein Projekt entwickeln, aber der Partner ist abgesprungen und wir bekamen die Förderung nicht, weil wir zu groß sind. Und für die großen Förderprojekte sind wir zu klein. Das sind immer Mainline-Projekte: Automobilindustrie, Kommunikation, etc.
Das Projekt ist durch Patente abgesichert und Konkurrenz haben Sie eigentlich nicht. Oder kommen jetzt andere, die das adaptieren oder imitieren?
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Da wird es jetzt natürlich welche geben, die das machen wollen, das ist ganz klar. Aber wir haben schon das zweite Patent dazu eingereicht. Man hat einfach den Vorlauf. Wenn man am Laufen ist, man darf bloß den Fuß nicht vom Gas nehmen.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Die Schwierigkeit dabei ist, dass wir jetzt natürlich in eine Preisdiskussion kommen. Bisher war der Markt preislich relativ konfliktfrei, weil sich die zwei, drei großen Anbieter in diesem Geschäft sehr einig waren. Dadurch ist das Geschäft auch immer sehr begrenzt gewesen. Ich habe das eben schon mal gesagt: Wir bieten heute dem Museum etwas, mit dem es selber arbeiten und gestalten kann. Damit stehen die anderen Anbieter unter Druck. Wir haben auch patentrechtliche Probleme und mussten einem der Anbieter erst einmal klar machen, dass er gegen unsere Patente verstößt. Wir sind heute in einer Situation, in der wir sagen: Wir haben eine Technologie, die wir für die nächsten fünf bis zehn Jahre weiter ausbauen können. Und das ist der große Vorteil gegenüber allen anderen. Und ein bisschen Wettbewerb, das muss man natürlich sagen, ist eigentlich nicht schlecht.
Deutschland galt ja mal als das Land der Erfinder. Nun reden wir über Deutschland als Schlusslicht, über eine wirtschaftliche Talfahrt. Innovationen sind Wachstumsmotoren, wenn man so will. Wie schätzen Sie die Innovations-potenziale in Deutschland ein - mal ein bisschen verallgemeinert - und wie stehen wir im internationalen Vergleich da?
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Ich denke, wir haben eine ganze Reihe an tollen Ideen und Erfindungen, aber was uns immer fehlt, ist, sie in die Fertigung zu bringen, sie umzusetzen - das, was uns die Japaner immer wieder vormachen. Es gibt sehr viele Dinge, die die Japaner nicht erfunden haben: Das fängt beim Videorekorder an und hört bei der digitalen Kamera auf. Aber die Japaner schaffen es fantastisch, das umzusetzen. Und das bringt uns zurück zu der vorherigen Frage: Das hier ist noch eine Unternehmensgröße, bei der sie etwas schnell umsetzen können. Wenn sie ein großes Unternehmen haben, ist das schwieriger, das kleine hat die Kraft nicht dazu. Hier kennen sich alle, wir sitzen beim Mittagessen zusammen und wenn einer eine Frage hat, selbst wenn es an ein Professor Sennheiser ist, dann kann er den ansprechen. Das ist der große Vorteil.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Ich glaube, ein ganz wichtiger Faktor liegt darin, dass man in Deutschland auch beginnen muss, wieder stolz auf die technische Innovation zu sein. Es gibt viele Dinge, zu denen wir beigetragen haben. Für mich ist eines der großen Themen, die am stärksten totgeschwiegen werden, das Thema mp3. Fragen sie doch bitte mal einen 16-Jährigen, wer das erfunden hat! Der kuckt drauf und sagt: Sony! Und das stimmt nicht. Das war Professor Brandenburg.
... der 2001 den Deutschen Zukunftspreis gewonnen hat!
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Und hinter Herrn Professor Brandenburg steht Professor Hans Georg Musmann hier in Hannover, bei dem ich selber gelernt habe. Musmann konnte das - und das ist leider ein deutsches Grundproblem - überhaupt nicht verkaufen. Am Anfang hat man uns auch ein bisschen sonderbar betrachtet als wir uns hingestellt haben und sagten: Wir sind stolz darauf, dass wir den Innovationspreis bekommen!
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Die Deutschen schämen sich ein bisschen ihrer Erfolge.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Die Amerikaner haben dieses Problem nicht. Aber wir tun uns unheimlich schwer, Innovation als etwas Schönes, Wunderbares, Tolles zu erleben. Wir selber - Herr Dr. Niehoff ist da extrem engagiert -gehen raus an die Schulen.
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Wir machen das ganz bewusst, wir gehen in Gymnasien hier in der Gemeinde oder nach Hannover. Wir machen im Jahr zwei, drei Unterrichtsstunden, um denen, die sich für den Leistungskurs Physik entschieden haben, Appetit zu machen, um zu sagen: Kuckt mal, was ihr hier lernt, kann man später auch gebrauchen. Es gibt die und die Prinzipien und daraus machen wir dann Geräte.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Wir wollen einfach vermitteln, dass Technik Spaß macht. Wir hatten beispielsweise eine Gruppe von 20 Schülern an einer Gesamtschule. Die Gesamtschule brauchte eine neue Lautsprecheranlage für ihre Aula. Dann haben wir gesagt: Wir stiften die, aber die Schüler einer Arbeitsgemeinschaft müssen sie zusammenbauen. Die konnten sich gar nicht retten vor Schülern, die das machen wollten. Die Schüler haben überhaupt keine Berührungsangst vor Technik und haben das super gemacht. Unser Mitarbeiter musste sie abends um zehn Uhr nach Hause schicken. Die wären sonst geblieben...
Sie sind ja nun beide schon mit Preisen ausgezeichnet worden. Helfen solche Auszeichnungen, Projekte voranzubringen, oder ist das etwas fürs Ego? Haben Sie eine realistische Wirkung verspürt?
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Wir haben ja diese beiden Innovationspreise der Deutschen Wirtschaft erhalten. Das eine war ein Preis für ein optisches Mikrofon, der andere für eine besondere Art der gezielten Schallwiedergabe. Und wie das so ist: Man sieht das Produkt zunächst nur aus Ingenieurssicht und kann die ganze Breite dessen, wofür es anwendbar ist, gar nicht sehen. Und dann kommt auf Grund dieses Innovationspreises die Presse. Auf einmal melden sich Leute und sagen: Kann man nicht das und das damit machen?
Gibt es also Anwendungen, die aus solchen Gesprächen generiert werden?
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Sehr viele. Da gibt es auch Ideen, die wir erst einmal gar nicht umsetzen können. Aber durch den Kontakt mit den Leuten kommt man mit ganz anderen Themen in Kontakt und das ist hochinteressant!
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Wir haben in Deutschland natürlich einen Vorteil: Wir haben als Sennheiser einen Markennamen und das sah man gerade bei den Innovationspreisen in den beiden Jahren. Über unseren Innovationspreis ist eigentlich viel mehr geschrieben worden als über die Großunternehmen. Es gibt drei Kategorien: Großunternehmen, mittelständische Unternehmen und Neugründungen. Die Neugründungen hatten möglicherweise auch das Problem, sich erfolgreich am Markt zu halten. Und bei den Großunternehmen - ob DaimlerChrysler und Aerospace jetzt so oder so schweißt - das hat eigentlich keinen so richtig von der Schiene gerissen.
Was hat Sie eigentlich dazu bewegt, das zu tun, was Sie heute machen?
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Ich bin zwar ausgebildeter Hochfrequenzingenieur, aber fragen sie bitte nicht, was das ist. Ich habe mich dafür aus einem ganz anderen Grund interessiert. Das Institut dafür in Hannover war das einzige, wo ich Zugriff auf einen leistungsfähigen Prozessrechner hatte. Ich habe auch versucht, eine Diplomarbeit darüber zu schreiben, aber die deutsche Prüfungsordnung lässt das leider nicht zu. Wenn ich Hochfrequenztechnik studiere, dann muss ich natürlich auch in diesem Fach was machen. Das Ergebnis war, dass ich - etwas an der Prüfungsordnung vorbei - meine Diplomarbeit an der Medizinischen Hochschule zum Thema „Anwendung eines Mikroprozessorsystems“ gemacht habe. Das war am ersten Intel-Rechner in Hannover überhaupt und es wurde vom Institut für Hochfrequenztechnik gesponsert. Natürlich habe ich während meines Studiums Dinge gehört, die bis heute sehr wichtig für mich sind. Zu meinen Professoren zählten Persönlichkeiten wie Walter Bruch, Professor Musmann und Professor Fritz Sennheiser. Ich bin dann nach dem Studium zu Dornier gegangen. Dort habe ich Claudius Dornier kennen gelernt. Damals war es ja noch ein Familienunternehmen. Mich hat beeindruckt, dass der alte Herr, er war zu dem Zeitpunkt ungefähr 63, jeden Abend durch die Hallen gegangen ist. Weil meine Gruppe nun mal lange in der Firma war, kam er auch an uns vorbei, blieb stehen und hat gefragt: Was macht ihr da eigentlich? Diese Identifikation mit seinem Unternehmen, wie er z.B. 30% des verdienten Geldes in irgendwelche Projekte gesteckt hat, an die kein Mensch geglaubt hat, das hat mich begeistert. Später bin ich zu IBM gekommen und das war natürlich ein Kulturschock! Sie kommen von Dornier in die hochadministrierte IBM. Auch dort habe ich ein bisschen ungewöhnliche Sachen gemacht. Irgendwann stand mein Chef vor mir und sagte: Das können Sie nicht tun. Und dann habe ich gesagt: Wieso nicht? Es funktioniert doch! Er wieder: Das dürfen Sie aber nicht, das machen wir hier nicht. Das führte dann dazu, dass ich sein Chef wurde. Aber wir sind hervorragend miteinander ausgekommen. Nach einem Abstecher in die USA wurde ich angesprochen, dass bei Sennheiser die Position eines technischen Leiters zu besetzen war. So bin ich hierher gekommen. Und ich muss sagen, es war vom ersten Tag an eine wahnsinnige Faszination. Natürlich war es ein Problem, dass ich nach 13 Jahren in der Großindustrie und drei Jahren in der Eigenständigkeit hier in ein mittelständisches Familienunternehmen kam. Und selbst Herr Niehoff und ich haben eineinhalb Jahre gebraucht bis wir einigermaßen geradeaus miteinander reden konnten. Aber guidePORT war der Aufhänger für uns beide anders zu arbeiten. Rückblickend kann ich sagen: Es machte Sinn diesen Weg zu gehen. Eigentlich würde ich heute jedem empfehlen generalistisch zu arbeiten und verschiedene Typen von Unternehmen kennen zu lernen.
Wie war das bei Ihnen?
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Ich habe mich schon immer für Technik interessiert, habe Radios gebaut, gebastelt, mit den ersten Transistoren, das hat mich immer schon interessiert. Ich wollte natürlich auch Hochfrequenz studieren. Da waren aber keine Studienplätze frei. Da wurde mir gesagt, ich sollte Akustik machen. Das habe ich dann missmutig angefangen, ohne zu wissen, wie sich das entwickelt. Später habe ich dann beides gemacht und habe gemerkt, dass es viele Gemeinsamkeiten gibt. Dann bin ich in einem Betrieb in Dresden gewesen, der hauptsächlich Nachrichtenmesstechnik für Übertragungsleitungen, aber auch Akustik gemacht hat. Dort haben wir uns gesagt: Wir wollen wenigstens innerhalb des Ostens die Besten sein. Und das haben wir im großen Stil geschafft. Es war ein Betrieb mit 400 Leuten, also nicht so ein ganz kleiner. Wir haben sehr viele interessante Dinge gemacht, z.B. zusammen mit Manfred von Ardenne gearbeitet, der ja auch unwahrscheinlich vielseitig war. Von ihm stammt der Satz: Man muss alle fünf Jahre etwas anderes machen. Die sind bei mir schon wieder rum, die fünf Jahre.
Wir reden jetzt die ganze Zeit von Innovation. Was verstehen Sie persönlich unter Innovation?
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Da diskutieren wir im eigenen Hause sehr oft darüber. Der eine sagt: Eine gute Idee, die sich erfolgreich am Markt durchgesetzt hat. Das hätten wir hier: Wir sind dabei, guidePORT durchzusetzen. Es gibt viele andere Ideen, die fantastisch von der Idee her sind, aber der Markt ist noch nicht reif dafür. Da nutzt die beste Idee nichts. Ich denke, eine Innovation muss etwas sein, das sich am Markt durchsetzt, das wirklich ein Kundenbedürfnis befriedigt und das man in dem Moment vielleicht noch nicht gesehen hat oder erst aufbauen muss. Nehmen Sie den Videorekorder, der ist auch erst nicht losgegangen. Oder Handys. Was der Kunde nicht braucht, wird man ihm auch nicht mit den besten Marketingmethoden andrehen können.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
In meinen Augen ist Innovation das Treiben eines Erneuerungs- und Veränderungsprozesses, der sicherstellt, dass man die Möglichkeiten, die Bedürfnisse eines Kunden, nicht nur aus der Sicht von heute versteht, sondern auch aus der Sicht von Morgen und Übermorgen und in der Lage ist, ihm darauf Antworten zu geben. Das ist ein Teil des deutschen Problems: In Deutschland wird die Innovation zum Teil wegen der Innovation gemacht. Und dann stellt man hinterher fest: Das ist alles nett und schön, aber dafür gibt es keine Kunden, bzw. ein anderer hat das Ganze viel einfacher gemacht, längst nicht so innovativ, aber kundenorientierter. Das Thema Kundenbedürfnisse hat in dem, was wir in den letzten Jahren gemacht haben, immer eine große Rolle gespielt. So ein Konzept wie guidePORT hat uns in der Entwicklung bis wir wirklich in Hardware gegangen sind, viele Stunden gekostet, viel Zeit, viel Papier, aber immer noch nicht diese große, technologische Investition. Wenn man dann in das Thema reingeht - das machen wir ja auch, wenn wir neue Fertigungsverfahren für Mikrofone entwickeln -, dann kann man nicht mehr zurück. Und da muss man schon auch sicher stellen, dass ein Bedürfnis da ist.
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Ich denke auch: Eine Innovation muss nicht zwingend was Technisches sein. Für mich gibt es auch andere Innovationen; eine ist der Vertriebsweg von Aldi.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Allein der Prozess, mit dem wir hier Mikrofone fertigen, ist eine Rieseninnovation. Das ist auch etwas, was wir nicht so nach außen verkaufen, aber wir haben im Grunde genommen das Mikrofon neu erfunden. Wir standen an einem Scheideweg: Entweder wir kaufen Mikrofone in Asien ein, weil wir sie in Deutschland zu den Preisen, die der Markt erfordert, nicht mehr herstellen können. Oder wir finden einen Weg, sie hier zu dem Preis zu fertigen. Dafür mussten wir Materialkosten einsparen und der einzige Weg war: Wir müssen das Ding komplett neu erfinden.
Eine Frage an Sie beide: Gibt es so etwas wie ein Motto oder eine formulierbare Motivation für das, was Sie hier tun?
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Spaß haben.
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Spaß an der Sache! Das hätte ich jetzt auch gesagt. Ich glaube, anders kann man die Belastung auch nicht aushalten.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Wir sind Mittelständler. Und wir haben beide einen Wochenablauf von 60, 70 Stunden. Hier ist jeder immer erreichbar. Ich habe das gerade schmerzlich in meinem Urlaub wieder mitgemacht. Vor ein paar Wochen hat Boston Consulting hier eine Umfrage gemacht. Die haben die Ergebnisse drei Mal durchgezählt und gesagt: Wir haben diese Umfrage noch nie mit einer derartig hohen Mitarbeitermotivation gesehen! Hier ist jeder mit Leib und Seele dabei.
Sie haben zwar nicht viel Zeit, aber mit was entspannen Sie sich oder was gibt es denn noch Wichtiges in Ihrem Leben?
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Ich fotografiere bei allen möglichen Gelegenheiten. Aber mein Lieblingshobby ist Fliegen. Das ist das Entspannendste, was es gibt. Leider hat die Überregulierung in Deutschland dazu beigetragen, dass ich nur in Amerika fliegen kann, weil ich einen amerikanischen Flugschein habe.
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Ich gehe sehr viel Schwimmen, Radfahren und Skifahren im Winter. Und Musik hören ist auch ganz wichtig. Musik genießen mit gutem HiFi-Equipment, das macht schon Spaß.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Herr Niehoff ist auch an den Schulen sehr engagiert und ich mache da auch mit, weil wir ganz einfach der Meinung sind, dass wir mit unserem Hintergrund und Wissen an solchen Stellen helfen können. Wir sehen uns nicht nur als diejenigen, die ein paar gute Ideen haben, sondern die auch anderen Mut machen wollen, das Gleiche zu tun.
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Wenn wir in 10 oder 15 Jahren gute Ingenieure haben wollen, müssen wir jetzt an die Schulen gehen und denen sagen: Kuck mal, das könnt ihr später damit machen. Da kann man nicht nur ganz gut davon leben, sondern es kann auch sehr viel Spaß machen.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Wir haben vor sechs Jahren angefangen mit Schulen zu arbeiten. Daraus ist ein Arbeitskreis entstanden, der inzwischen über ganz Hannover und Niedersachsen verbreitet ist, in dem Schulen und Unternehmen zusammenarbeiten. Lehrer lernen etwas über die Unternehmen, die Unternehmen gehen in die Schulen. Wir hatten vor Jahren noch das Problem, dass wir auf Grund dieser Einödlage hier für gewerblich Berufe bei neun Lehrstellen 15 Bewerber hatten. Heute haben wir bis zu 90!
Eine letzte Frage an Sie beide: Was ist Glück für Sie und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Gesundheit! Ich denke, alles andere kann man allein gestalten. Glück ist: Ein Arbeitsplatz, der einem Spaß macht, eine Familie und die Ehe. Das muss man alles zusammenfassen. Wenn das eine nicht klappt, klappt das andere auch nicht so richtig, zumindest nicht über lange Zeit, denke ich. Und wenn man sich bei dem einen ärgert, dann wirkt sich das auf das andere aus.
Und wie ist die Zukunft? Gibt‘s da noch Wünsche?
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Es sind noch einige Ideen da und ich wünsche mir, dass wir die noch umsetzen können.
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Wir reisen hin und wieder zusammen und dabei kommen wir dann auf solche Ideen.
Dr.-Ing. Wolfgang Niehoff
Wir schauen immer, was wir tun könnten. Irgendwie sind wir nicht so normal wie wir aussehen.
Und was haben Sie für einen Zukunftswunsch, Herr Meyer?
Dipl.-Ing. Rolf Meyer
Also für mich persönlich gibt‘s eine große Vorstellung: Ich möchte einfach, dass das, was wir machen, bekannter wird. Ich fange Vorträge immer damit an, dass ich mich vor die Zuhörer stelle und einen Stummfilm spiele. Und dann schauen mich alle an und sagen: Ist der krank? Dann erkläre ich: Wenn keine Sennheiser-Mikrofone da sind, dann mache ich das grundsätzlich, dann haben hier nämlich alle Horror, dass das Mikrofon kaputt ist. Und ich sage als zweites: Leute, ihr seht jetzt hier einen wunderschönen Vortrag ohne Ton. Wie viele Informationen, die hier rüberkommen, bekommt ihr demnach auf akustischem Wege mit und wie viel auf visuellem? Ihr glaubt immer alle, dass die wunderschönen, bunten Bilder, die ihr seht, auch das ist, was ihr hinterher noch wisst. Aber 68% dessen, was ihr euch gemerkt habt, habt ihr gehört. Und dieses Bewusstsein, wie wichtig Ton ist, möchte ich noch verstärken. Der andere Wunsch ist, weiterhin abends so zufrieden und richtig erschöpft nach Hause zu gehen, wie ich das heute tue. Und mit Kollegen, mit der Arbeit so viel Spaß zu haben, wie ich es jetzt habe. Noch ein paar Patente machen. Ein paar blöde Ideen haben. Ein paar Preise gewinnen.