Print-Logo Deutscher Zukunftspreis

Preisträger 1998

GMR Effekt

Die Entdeckung des GMR Effektes

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg (+)
Forschungszentrum Jülich

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg (+)

Der Berg an digitalen Daten auf Festplatten in Computern türmt sich immer höher auf. Wie kann man trotzdem jederzeit schnell und zuverlässig auf die benötigten Daten zugreifen?

Entscheidend ist die Präzision des Sensors, der die gespeicherten Daten ausliest. Peter Grünberg gelang es, diese Präzision mithilfe einer speziellen „Sandwich-Technologie“ deutlich zu verbessern. Peter Grünberg arbeitet am Institut für Festkörperforschung des Forschungszentrums Jülich.

Empfindliche Sensoren für die Flut an Daten

Auf Festplatten, Disketten und Magnetbändern werden riesige Datenmengen gespeichert. Dabei sind die Daten in einem Flickenteppich aus Ja-Nein-Schaltern codiert.

Jeder Schalter ist ein winziger magnetischer Bereich. Um der Inflation der weltweit anfallenden Datenmengen Herr zu werden, müssen diese Bereiche immer enger zusammenrücken - die Speicherdichte wächst rasant. Doch Daten verwandeln sich erst in verwertbare Information, wenn sie auch ausgelesen werden können. Daher steigen die Anforderungen an eine besonders „scharfsichtige“ Sensortechnik.

Die Grundlage dafür sind von Peter Grünberg und seinem Team entwickelte Schichtstrukturen aus magnetischen Materialien mit mindestens drei Etagen. Das erste und das dritte Stockwerk bestehen aus einem ferromagnetischen Material wie Eisen oder Kobalt. Sie werden getrennt von einer Zwischenschicht, etwa aus Chrom oder Kupfer, die nur ein paar Atomlagen dünn ist. Die magnetischen Ausrichtungen der Eisen- oder Kobalt-Ebenen sind über die trennende Zwischenschicht hinweg gekoppelt und weisen normalerweise stets in dieselbe Richtung.

Kleine Ursache, riesige Wirkung

Grünberg fand jedoch heraus, dass in einem Eisen-Chrom-Eisen-Sandwich bei bestimmten Chromdicken die Magnetisierungen im Eisen entgegengesetzt ausgerichtet sind. Wenige Atomlagen Chrom mehr oder weniger lassen sie von der parallelen in die antiparallele Stellung springen. Der technisch interessante Clou: Die Schichtstruktur hat einen Riesenmagnetowiderstand. Das heißt: Der elektrische Widerstand des Schichtmaterials ist bei antiparalleler Magnetisierung viel größer als bei paralleler. Und: Es genügen schwache Magnetfelder, um die Orientierung der Magnetisierungen umzuschalten. Eine kleine äußere Ursache führt also zu einer großen Wirkung - das Charakteristikum eines empfindlichen Sensors und ideal für einen Lesekopf.

Ende der 80er Jahre ließ Grünberg seine Technologie patentieren. IT-Unternehmen übernahmen die Vermarktung. 1998 waren bereits 95 Prozent aller Festplatten mit solchen Leseköpfen ausgestattet. Lizenzgebühren bescheren dem Forschungszentrum Jülich jährlich Einnahmen in zweistelliger Millionenhöhe.

Das Vorschlagsrecht zum Deutschen Zukunftspreis obliegt den führenden deutschen Einrichtungen aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie Stiftungen.

Das Projekt „Die Entdeckung des GMR-Effektes“ wurde vom Deutschen Verband Technisch-Wissenschaftlicher Vereine vorgeschlagen.

"Der GMR-Effekt ist ein neuer Magnetowiderstandseffekt. Unter Magnetowiderstandseffekt versteht man, daß sich der Widerstand eines Materials durch Anlegen eines Magnetfeldes oder wenn das Material in ein Magnetfeld gebracht wird, ändert."

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg

Fragen an den Nominierten

Ihr Projekt „Entdeckung des GMR-Effektes“ wird als „neues physikalisches Quantenphänomen“ hoch gelobt, ist also Grundlagenforschung. Bitte für den Laien und auch für jene, für die der Physikunterricht schon etliche Zeit zurückliegt: Was ist der GMR-Effekt?

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg
Der GMR-Effekt ist ein neuer Magnetowiderstandseffekt. Unter Magnetowiderstandseffekt versteht man, daß sich der Widerstand eines Materials durch Anlegen eines Magnetfeldes oder wenn das Material in ein Magnetfeld gebracht wird, ändert. Diese Änderung war beim herkömmlichen (anisotropen Magnetowiderstands-) Effekt nur klein, in der Größenordnung von 3%.

Anders beim GMR-Effekt: Für den GMR-Effekt nutzt man mindestens zwei magnetische Schichten, die parallel zueinander angebracht werden und eine Zwischenschicht, die präpariert ist. Man kann auch mehrere magnetische Schichten nutzen, aber man braucht mindestens zwei.

Der GMR-Effekt besteht darin, daß sich der Widerstand einer solchen Schichtung ändert. Für einen Strom, der in der Schichtebene fließt - das ist der Normalfall - ändert sich der Widerstand dieser Schichtung in Abhängigkeit von der relativen Ausrichtung der Magnetisierung in den beiden Schichten.

Dieser Effekt ist am größten, wenn die beiden Schichten antiparallel magnetisiert, und am kleinsten, wenn sie parallel zueinander magnetisiert sind; der erzielbare Wert liegt heute bei maximal 14%. Das ist attraktiv für das Auslesen von Daten aus einem Datenträger, was wiedrum über die Anbringung eines Sensors an die Schichtung erfolgt.

Andere Anwendungen für Magnetfeldsensoren sind Kontrollfunktionen bewegter Teile z.B. in einer Waschmaschine.

Die Entdeckung des GMR-Effektes liegt nun schon etwas länger zurück, sie wird aber als Initialzündung für eine Reihe von Entdeckungen oder Erfindungen im Bereich der Magnetoelektronik bezeichnet.
Der Deutsche Zukunftspreis ist der Preis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation. In welchen kausalen Zusammenhang, in welche Rangreihe haben wir die Magnetoelektronik einzuordnen?

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg
Es ist richtig, daß der GMR-Effekt eine Entwicklung ausgelöst hat. Es fing mit dem GMR-Effekt an, jetzt diskutiert man einen „TMR-Effekt“, den Tunnel-Magnetowiderstandseffekt, und - wenn man mit dem TMR-Effekt nicht weiterkommt - es gibt da noch große Schwierigkeiten, wird man möglicherweise auf den GMR-Effekt wieder zurückkommen. Der Begriff „Magnetoelektronik“ bezieht sich zunächst einmal auf die erwähnte Sensorfunktion : eine weitere Möglichkeit ist, daß man Speicher für Computer nach diesem Prinzip bauen kann. Bei den jetzigen Speichern ist ein großer Nachteil, daß die Information verloren geht, wenn man den Computer ausschaltet; die Speicher basieren auf Halbleiterbasis und die Information muß ständig wieder aufgefrischt werden. In Zukunft denkt man daran, Speicher zu bauen, die den Magnetowiderstandseffekt nutzen; damit bleiben die Informationen permanent aktiv.

Ich werde immer wieder danach gefragt, was wir von der Magnetoelektronik noch weiter erwarten können. Es gibt eine Reihe vager Vorstellungen. Wir haben von all diesen Untersuchungen gelernt, daß sich Elektronen in solchen magnetischen Schichtungen bewegen können, und daß spinabhängige Reflexionen an den Grenzflächen stattfinden. Weiterhin haben wir erfahren, daß in Abhängigkeit von den Schichtdicken auch Interferenzeffekte von Elektronen auftreten können. Dies sind sehr interessante physikalische Vorgänge und Phänomene, aber wir wissen noch nicht, ob wir das wirklich für eine Magnetoelektronik außer in der Sensoranwendung, die ich geschildert habe, nutzen können.

Ihre Entdeckung ist frühzeitig patentrechtlich geschützt worden und es sind Anwendungen/Produkte entwickelt. Können sie bitte noch mal sehr exakt definieren, um welche Produkte und Produktbereiche es sich dabei handelt und welchen konkreten Nutzen hat der Konsument davon?

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg
Die Produktbereiche sind vor allem die Festplattenlaufwerke. Für uns war eine erste Lizenznahme von IBM bahnbrechend, die dann andere Lizenznahmen ausgelöst hat.

IBM hatte eine lange eigene Entwicklung auf dem Gebiet und hat auch eine Reihe interessanter Beiträge dazu geleistet. Soweit ich weiß, sind zum Beispiel die Lizenznahmen der Japaner bei uns immer auch mit einer Lizenznahme bei IBM verbunden, weil die eben wesentliche Elemente dazu geliefert haben.

Festplattenlaufwerke sind eine große Anwendung, es gibt auch andere in der Robotik. Mit Siemens konnten wir einen Lizenzvertrag abschließen, Siemens setzt solche Sensoren für bewegte Teile in Automobilen ein. Für die Kontrolle bei ABS-Systemen zum Beispiel. Das macht man mit Bewegungssensoren, dabei wird der Sensor mit einem Permanentmagnetchen gekoppelt.

Produkte oder Märkte sind heute nicht mehr isoliert zu sehen, das sind globale Ansätze. Wie ist Ihr Projekt, wie sind die Produkte, die sich daraus entwickelt haben , auf dem europäischen Markt bzw. auf den Weltmärkten zu sehen?

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg
Die Produkte sind im Prinzip erst entstanden, nachdem der Effekt bekannt war; hier sind dann viele aktiv geworden. Ich sollte vielleicht erwähnen, daß unsere Entdeckung parallel in Paris, in Orsay, gemacht wurde. In Orsay hat man gleich Multischichten genutzt, weil der Effekt in den Multischichten sehr viel stärker ist und bis zu 100% Widerstandsänderung gebracht hat. Daher kommt auch der Name GMR, Riesen-Magnetowiderstandseffekt, der bezieht sich auf den Effekt in einer Multischicht.

Wir sind allerdings seinerzeit gleich aktiv geworden mit einer Patentanmeldung, die sehr umfassend war; dadurch sind wir auch bei der Lizenzvergabe sehr viel besser zum Zuge gekommen.

Der Magnetoelektronik wird prognostiziert, daß sie Bereiche, die heute von der Halbleitertechnik bestimmt werden, ersetzen kann. In welchen Größen-, Mengen-, Umsatzrelationen, in welchen Zeitabständen hat sich der Konsument so etwas vorzustellen?

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg
Das ist sehr schwer abzuschätzen. Diese Hoffnung begründet sich auf die Elektronendichten in Metallen im Vergleich zu Halbleitern. Es muß sich ja mindestens ein Elektron bewegen, wenn Strom fließen soll. In guten Metallen wie Kupfer kommt auf jedes Atom etwa ein freies Elektron, bei Halbleitern nur etwa auf jedes Hundertste oder Tausendste. Das bedeutet, wenn man Bauteile weiter miniaturisieren will, muß man auf Metalle zurückgreifen. Um dies zu realisieren, will man „Magnetismus“ nutzen. In Halbleitern hat man zwei Arten von Ladungsträgern, analog könnte man den „Spin“, das magnetische Moment des Elektrons, als weiteren Informationsträger einsetzen. Das alles sind bisher nur relativ vage Ideen, man muß abwarten, wie sich das weiter entwickelt.

Liest man die Unterlagen, dann stellt es sich so dar, daß es einen Moment X gab, da war der GMR-Effekt da und dann ging es in die industrielle Umsetzung. War das wirklich so ein „glatter Gang“?

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg
Ja, das kann man sagen. 1988 - wenn ich mich recht erinnere, im Januar - haben wir diesen Effekt gesehen. Die Zeit lief, wir haben sofort ein Patent eingereicht. Im Mai hörten wir von den Franzosen, daß sie ähnliches mit den Multischichten entdeckt hatten. Man muß vor allem schnell sein. Das Erkennen, daß dieser Effekt für Festplattenlaufwerke tauglich ist, war eigentlich keine große Leistung. Das lag auf der Hand.

Sie waren auch immer überzeugt, daß es funktioniert.

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg
Nein, das kann ich nicht sagen. Daß man sofort ein Patent anmelden muß - wenn man einen schönen Magnetowiderstandseffekt hat - das war eigentlich klar. Aber daß er wirklich zur Anwendung gelangt, das war für mich auch ein bißchen eine Überraschung. Es ging auch relativ schnell. Ich selbst habe keine Erfahrung damit gehabt, für mich war es das erste Mal.

Lassen sie uns bitte zu dem Team kommen, das an diesem Projekt gearbeitet hat oder es jetzt weiter entwickelt. Wie setzt es sich zusammen, welche Qualifikationen haben die Mitarbeiter. Und was uns auch interessiert, gibt es Frauen in Ihrem Team, die Wissenschaft ist immer noch eine sehr männlich dominierte Ecke?

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg
Weil sie das mit den Frauen ansprechen: als erste hat eine Frau den Effekt im Labor gesehen, eine Diplomandin; sie hat uns dann allerdings für eine Stelle in der Wirtschaft bald verlassen. An jedem einzelnen dieser Schritte waren etliche Diplomanden oder Doktoranden beteiligt. Die Entscheidung, wer an einem Patent beteiligt ist, behielt sich unser damaliger Institutsleiter vor und wurde nach dem Kriterium der geistigen Urheberschaft gefällt. Wir haben in der Folge weitere Patente gemacht, zum Beispiel zu speziellen Materialkombinationen bei denen die Effekte noch etwas stärker sind. Bei diesen Patenten habe ich meine Mitarbeiter beteiligt. Sie haben auch sehr große Verdienste beim Aufbau unserer Anlagen. Mit einzelnen der Mitarbeiter verbindet mich eine sehr lange Zusammenarbeit, fast seit den ersten Jahren in Jülich und ich bin jetzt schon mehr als 25 Jahre hier.

Ich denke hier besonders an Reinert Schreiber, Franz Josef Koehne und Christian Sauer. Bei den anderen Mitarbeitern haben wir die übliche Fluktuation, es sind Doktoranden, Diplomanden.

Es ist aber eigentlich ein kleines Team?

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg
Wir sind zehn Mitarbeiter, trotz der Fluktuation ist diese Zahl seit Jahren konstant.

Ihr Projekt wurde schon mit unterschiedlichen Preisen ausgezeichnet. Wie macht sich eine Preisvergabe für das Projekt bemerkbar?

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg
Ich denke, in erster Linie einfach dadurch, daß wir an diesem Thema weiter arbeiten konnten. Diese Preise kamen zum richtigen Augenblick. Magnetismus - unsere Arbeiten - wurde auf diese Weise gewürdigt. Es kamen auch noch die Lizenzeinnahmen aus den Patenten dazu; aus diesem Geld wurden weitere Anlagen angeschafft. Die Fortführung dieses Projektes kam wohl letztlich durch Preise und durch Lizenzeinnahmen zustande.

Der Deutsche Zukunftspreis ist sehr gut ausgestattet, eine halbe Million Mark ist ja eine nicht unerhebliche Summe. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, was Sie mit dem Geld anfangen?

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg
Darüber habe ich mir schon Gedanken gemacht - nicht erst durch den Preis, sondern schon länger. Die Lizenzeinnahmen für das Patent gehen hauptsächlich an das Forschungszentrum, ich bin mit einem gewissen Prozentsatz beteiligt. Mit diesem - und möglicherweise dem Preisgeld - möchte ich etwas Vernünftiges anfangen. Ich habe einige Ideen, wie man solche Sensoren für Bewegungsabläufe im Sportbereich - für Trainingszwecke - einsetzen kann. Ich möchte aber darüber nicht weiter reden; zum einen aus patentrechtlichen Gründen zum anderen wäre das ein „Gackern über ungelegte Eier“.

Lassen Sie uns noch mal zum Allgemeinen kommen. Der Bundespräsident definiert Innovation als eine Schlüsselfunktion einer jetzt dringend notwendigen Entwicklung für dieses Land. Wie interpretieren Sie, und Ihr Team „Innovation“?

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg
Vor allem als etwas ganz Natürliches. Es ist fast nur ein anderes Wort für Evolution, obwohl es meist auf die technische Evolution beschränkt wird. Der andere Teil ist die Evolution des Wissens, sprich die Grundlagenforschung. Wenn man sich allerdings ansieht, welche Themen dabei aufgegriffen werden, so kommt mit Sicherheit noch der Wunsch hinzu, erfolgreich zu sein. Ich habe es bei mir und auch an anderen beobachtet: Die Menschen machen im Prinzip das, was möglich ist, nicht unbedingt das, was nötig ist.

Ich hätte mir eigentlich mehr gewünscht, daß ich im Bereich Energieeinsparung, im Bereich Umwelt eine Entdeckung mache oder etwas voranbringe; das ist immer noch mein Wunsch. Wenn man - als Beispiel - Bewegungsabläufe mit Sensoren gut kontrollieren kann, erzielt man eine gute Ökonomie im Kraftstoffverbrauch. Ich würdemir wünschen, daß die Sensoren in diesem Bereich etwas bringen. Grundsätzlich habe ich den Eindruck, daß die Forscher berühmt werden wollen, sie wollen Erfolg haben. Das ist das Hauptkriterium und wir richten unsere Handlungen danach. Wir denken nicht zuerst darüber nach, was jetzt unbedingt nötig ist: Unbedingt nötig wäre, das Ozonloch zu beseitigen, daran wird natürlich auch gearbeitet. Mich freut es auch, daß man Magnetfeldsensoren zum Beispiel im medizinischen Bereich einsetzen kann, z.B. zum Nachweis von Hirnströmen oder bei endoskopische Eingriffen. Das ist eine wichtige Anwendung, über die wir bisher noch nicht gesprochen haben.

Gibt es Wünsche oder Forderungen, die Sie an die Politik, den Gesetzgeber oder die Gesellschaft haben, um Projekte wie Ihres durchzusetzen?

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg
Man könnte antworten: „Fördert die Wissenschaft!“ Es ist aber vielleicht wichtiger zu wissen, wo man dort fördern soll. Die Wissenschaftler, Forscher müssen entscheiden, wo sie fördern bzw. gefördert werden wollen. Deshalb geht meine Aufforderung gar nicht so sehr an die Politiker sondern eher an die Forscher.

Die Politiker können nur allgemein Mittel bereitstellen, die Wissenschaft muß die Prioritäten setzen! Da in diesem Zusammenhang oft die Frage nach angewandter oder Grundlagenforschung auftaucht noch folgendes Gedankenspiel: Man könnte auf der Suche nach der Anwendung bei jedem Forschungsthema die Frage „wozu?“ stellen. Wenn man sich aber fragt, was die eigentlichen Ziele menschlichen Handelns sind so landet man letztlich bei der Reproduktion und bei der Evolution des Wissens. Nach einer langen Kette von „wozu‘s“ käme man dann zu dem Schluß, daß Grundlagenforschung die eigentliche wahre und letzte Anwendung ist. Aber wenn ich die Frage mal ein bißchen bezogen auf Aufgabenstellungen abändern darf. Wo man fördern soll, meine ich, ist z.B. die Materialpräparation. Wenn man nicht gut präparieren kann, wird man nicht zu neuen Materialien kommen, keine neuen Effekte sehen. Das halte ich für sehr wichtig. Die Analyse kommt als zweites - bei der Analyse kann man sich überlegen, was brauche ich denn für Analysemethoden, brauche ich z.B. wirklich große Geräte dazu. Aber zunächst einmal ist Präparation und Strukturierung von Materialien, alles was direkt mit dem Material oder der Probe zu tun hat wichtig; das würde ich als ersten Förderbereich ansetzen.

Gibt es für das Team ein gemeinsames „Motto“?

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg
Es hat sich bei mir eigentlich immer alles kontinuierlich entwickelt, das Neue hatte immer reichlich Überlapp mit dem Alten. Daher wäre sicher „Kontinuität“ ein gutes Motto.

Wir würden gerne noch etwas über Sie und die anderen Beteiligten persönlich erfahren. Was gibt es außerhalb der Magnetoelektronik, mit was entspannen Sie?

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg
Am liebsten mit Sport! Früher habe ich ziemlich viel Musik gemacht, ich habe viele Jahre intensiv klassische Gitarre gespielt; heute brauche ich als Ausgleich den Sport.

Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft?

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg
Daß ich gesund bleibe, daß ich weitermachen kann. Wenn ich in sechs Jahren in den Ruhestand gehe, hoffe ich, daß sich meine kleine Firma realisieren läßt, und daß ich das dann noch lange weitermachen kann.

Weitere Details

Lebensläufe

Prof. Dr. rer. nat. Peter Grünberg

18. Mai 1939
geboren in Pilsen (Tschechische Republik)
1946
Emigration nach Lauterbach/Hessen
1946 – 1959
Schule, Abitur in Lauterbach
1959 – 1963
Studium der Physik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main; Vordiplom 1962
1963 – 1969
Studium der Physik an der Technischen Universität Darmstadt Diplom 1966 Promotion 1969
1969 – 1972
Postdoktorandenstudium Carleton University in Ottawa / Canada
seit 1972
Forschungszentrum Jülich; Institut für Festkörperforschung (IFF)
1984
Habilitation an der Universität zu Köln
1984 – 1985
Forschungsaufenthalt Argonne National Laboratory, Dept. for Materials Science and Technology, Argonne, Ill. USA
1992
Professur an der Universität zu Köln
2004
Emeritierung

Ehrungen:

1994
APS International Prize for New Materials
1994
IUPAP Magnetism Award
1996
Technologiepreis der „Freunde und Förderer der KFA“
1997
Hewlett Packard Europhysics Prize gemeinsam mit A. Fert, Paris und S. Parkin, Almaden
1998
Deutscher Zukunftspreis
2002
Ehrendoktor Dr. rer. nat. h.c. der Ruhr-Universität BochumAuswärtiges Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft
2003
Ritter-von-Gerstner-Medaille der Sudentendeutschen Landsmannschaft
2004
Manfred von Ardenne-Preis für Angewandte Physik der EFDS (European Society of Thin Films), Dresden
2006
Europäischer Erfinder des Jahres, Auszeichnung der Europäischen Kommission und des Europäischen Patentamts
2007
Stern-Gerlach-Medaille der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG)
2008
Großes Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

Kontakt

Projektsprecher:

Prof. Dr.rer. nat. Peter Grünberg
Forschungszentrum Jülich GmbH
Wilhelm-Johnen-Straße
52425 Jülich
Tel.: +49 (0) 2461 / 61 32 86
Fax: +49 (0) 2461 / 61 44 43

Pressekontakt:

Dr. Ulrich Breuer
Stabsstelle Öffentlickeitsarbeit
Forschungszentrum Jülich GmbH
52425 Jülich
Tel.: +49 (0) 2461 / 61 46 61
Fax: +49 (0) 2461 / 61 46 66

Beschreibung der Institute und Unternehmen zu ihren nominierten Projekten

Grundlagenforschung mündet in technologische Anwendung
Ein Klick auf die Maus, die Scheibe dreht sich, der Arm schwenkt herüber: Binnen Millisekunden findet der Lesekopf sein Zielsegment auf der Festplatte und decodiert das magnetische Flickenmuster, das er vorfindet, wieder zurück in Texte, in Videoclips, in Opern von Mozart.

Auf Festplatten in Computern, auf Disketten und Magnetbändern werden große Datenmengen gespeichert - oder besser: codiert. In den Speichermedien sind die Daten in einem Meer von Ja-Nein-Schaltern verschlüsselt. Jeder Schalter ist ein winziger magnetischer Bereich. Die Gesamtheit aller Schalter: ein gigantisches Flickenteppichmuster. Um der Inflation der weltweit anfallenden Datenmengen Herr zu werden, müssen die gespeicherten Daten immer enger zusammenrücken. Es ist zu erwarten, daß in den wenigen Jahren, bis zum Ende des Jahrhunderts, die technisch realisierbaren Speicherdichten zehnmal höher als heute sein werden. Doch diese Daten verwandeln sich erst zu verwertbarer Information, wenn sie nicht nur gespeichert, sondern auch ausgelesen werden können. Entsprechend zunehmender Speicherdichte steigen die Anforderungen an die „lesende“ Sensortechnik. Besonders „scharfsichtige“ Sensoren müssen hierfür entwickelt werden.

Den Weg zur technologischen Anwendung ging eine Erfindung des Physikers, Prof. Dr. Peter Grünberg, vom Institut für Festkörperforschung des Forschungszentrum Jülich. Die Grundlagenforschungen von ihm und seinen Mitarbeitern, an magnetischen Materialien, führten zu neuartigen Schichtstrukturen, die für höchstempfindliche Sensoren benutzt werden können. Das präzise Lesen außerordentlich hoher Dichten magnetisch gespeicherter Daten wird mit ihnen möglich. Nachdem das Patent auf Grünbergs Erfindung seit Ende der 80er Jahre sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten angemeldet ist, wurden große und namhafte Computer- und Festplattenhersteller wie IBM und Siemens auf die Erfindung aufmerksam: Lizenzverträge ermöglichen ihnen, auf Grundlage der Grünbergschen Erfindung hochsensitive Magnetfeldsensoren zu produzieren.

Magnetische Schichtstrukturen, die derartiges leisten, bestehen aus mindestens drei Stockwerken. Das erste und dritte Stockwerk ist jeweils ein ferromagnetisches Material, wie Eisen oder Kobalt. Getrennt sind diese beiden durch eine Zwischenschicht - beispielsweise aus Chrom oder Kupfer -, die nur aus wenigen atomaren Lagen besteht, so daß diese Zwischenschichtdicke in Millionstel von Millimetern gemessen wird. Trotz der trennenden Zwischenschicht können die beiden ferromagnetischen Ebenen miteinander „kommunizieren“: Ihre magnetischen Ausrichtungen sind miteinander verkoppelt.

Als erstmalig vor mehr als 20 Jahren damit begonnen wurde, solche „Sandwiches“ aus magnetischen und nichtmagnetischen Schichten zu untersuchen, fand man zunächst, daß die Magnetisierungen, in der oberen und unteren Schicht, beide stets in dieselbe Richtung zeigen. Es erschien naheliegend, als Erklärung ferromagnetische Brücken anzunehmen, die über die Zwischenschicht hinweg das erste und dritte Stockwerk verbinden sollten.

Für Aufregung sorgte daher Grünbergs Entdeckung, daß im Sandwichsystem Eisen-Chrom-Eisen bei gewissen Chromdicken die Magnetisierungen in den Eisenschichten entgegengesetzt ausgerichtet sind. Zeigte die untere etwa von links nach rechts, so die obere von rechts nach links. Für andere Zwischenschichtdicken konnten auch Kopplungen registriert werden, die zu einer senkrechten Stellung der Magnetisierungen zueinander führen. Die Art der Kopplung - parallel, antiparallel oder senkrecht - wechselt („oszilliert“) zwischen diesen drei Möglichkeiten bei Änderung der Zwischenschichtdicke. Zwei atomare Lagen Chrom mehr oder weniger lassen das System etwa von der parallelen in die antiparallele Stellung springen.

Der technisch interessante Clou liegt in einer physikalischen Besonderheit bei antiparalleler Magnetisierungsausrichtung. Die Schichtstruktur zeigt einen Riesenmagnetowiderstandseffekt: Der elektrische Widerstand des Schichtmaterials ist gegenüber dem Fall paralleler Magnetisierung stark erhöht. Bei antiparalleler Magnetisierung wird die Bewegung der Elektronen vermehrt durch Streuprozesse gestört, was sich als Widerstandserhöhung des Materials bemerkbar macht. Als Rekordwert konnte bei Schichtungen aus Kobalt und Chrom fast eine Verdoppelung des Widerstands bei Zimmertemperatur gemessen werden. Die Kräfte, die die magnetische Ober- und Unterschicht miteinander verkoppeln, sind außerordentlich klein; sie liegen im Promillebereich der Kräfte, die in einer einzelnen Schicht den Ferromagnetismus tragen. Es genügen daher schwache äußere Magnetfelder, um die antiparallele Kopplung aufzuheben und beide Schichtmagnetisierungen parallel zum äußeren Feld auszurichten. Da bei paralleler Magnetisierung die elektronische Bewegung ungestörter verläuft, führt eine kleine, äußere Ursache für den elektrischen Widerstand zu einer großen Wirkung. Eben dies ist das Charakteristikum eines empfindlichen Sensors.

Informationen und Kontakt zum Deutschen Zukunftspreis unter:

E-Mail: info@deutscher-zukunftspreis.de
Internet: www.deutscher-zukunftspreis.de

Das Vorschlagsrecht zum Deutschen Zukunftspreis obliegt den führenden deutschen Einrichtungen aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie Stiftungen.

Nominiert 1998 · TEAM 3