Dr. rer. nat. Niels Fertig
Als Plattform zur Medikamentenentwicklung. Das heute angestrebte Vorgehen ist, dass man sich eine Zielstruktur, Target genannt, aussucht und dann eine Vielzahl verschiedener Moleküle auf Wechselwirkung mit diesem Target hin untersucht. In der frühen Phase der Entwicklung hat man mehrere zehntausend, oft sogar mehrere hunderttausend Substanzen, die meist in sehr einfachen Formaten getestet werden. Dann werden die relevanten heraussortiert, und es wird weiter fokussiert, bis man vielleicht noch einige hundert hat, um dann mit höherwertigen Messmethoden vorzugehen. Später geht man in Tierversuche, dann bleiben vielleicht zehn Substanzen übrig, die in die drei klinischen Phasen eingehen, wo Untersuchungen am Menschen durchgeführt werden.
Wir können mit unserem Ansatz eine hochwertige Messmethode in der Kaskade von Screening-Verfahren weiter vorne einbringen – dorthin, wo man normalerweise noch mit niederwertigen, einfachen optischen Methoden arbeitet –, so dass jetzt schon früher hochwertige Messdaten erzeugt werden können.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Hochwertig und niederwertig – das ist eben der entscheidende Punkt. Es gibt Methoden, so wie unsere, die einem mit großer Sicherheit sagen können, ob eine Substanz wirkt oder mit der Zielstruktur interagiert. Weniger hochwertig sind z. B. die optischen Verfahren, die mit einer hohen Fehlerrate behaftet sind. Insbesondere liefern sie auch falsch-negative Resultate, d. h. sie sagen fälschlich, dass eine Substanz nichts bewirkt. Damit verpasst man mögliche Kandidatensubstanzen. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt.
Sie setzen über die Ionenkanäle in der Zellmembran an. Was passiert da?
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Die Zellmembran ist die Schnittstelle zwischen der Zelle und ihrer Umgebung. Ionenkanäle sind Proteine, die Poren in der Membran bilden und den Fluss von geladenen Teilchen und damit den elektrischen Stromfluss über die Membran steuern. Das ist für die Kommunikation von Zellen untereinander von ganz entscheidender Bedeutung.
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Wenn die Ionenkanäle kaputt sind, dann haben Menschen Krankheiten wie Herzrhythmusstörung, Diabetes, neurologische Probleme. Häufig werden dann Medikamente benutzt, die auf einen Ionenkanal wirken. Wenn man einen Zahn betäubt, wirkt die Substanz auf Natriumkanäle. Bei manchen Diabetesformen kann man einen Kaliumkanal blockieren, was dann dafür sorgt, dass das System wieder funktioniert, ohne dass man Insulin spritzen muss.
Ihre Innovation basiert auf einer speziellen Technologie, der „Patch-Clamp-Technik“. Was ist das?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Die Patch-Clamp-Technik wurde in den 70erJahren entwickelt; sie ist eine Technik, bei der mit Glas-Mikroelektroden, also mit feinen Glaspipetten, die Zellmembran kontaktiert wird, um die Ströme über die Zellmembran messen zu können. Bert Sakmann und Erwin Neher haben das Verfahren benutzt, um Ströme durch einzelne Ionenkanäle zu messen, und dafür 1991 den Nobelpreis bekommen. Das Schalten eines einzelnen Proteins in der Zellmembran, wodurch sich der Kanal öffnet oder schließt, kann also mit der Technik aufgelöst werden. Das Verfahren als solches ist von den Instrumenten her aufwendig, erfordert viele apparative Aufbauten und auch Erfahrung und Geschick bei dem jeweiligen Benutzer. Und eben da setzt unsere Innovation an.
Beschreiben Sie bitte das Wesen Ihres Projektes, was haben Sie „erfunden“, und wie ging das vonstatten?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Wir haben letztlich dieses Prinzip des Patch-Clamp von einer Glaspipette auf einen mikrostrukturierten Chip übertragen, der die Positionierung von Zellen in einem automatischen Format ermöglicht. Das Prinzip wurde umgedreht: Anstatt die Pipette unter optischer Kontrolle, unter einem Mikroskop auf die Zelle hinzuzubewegen und dann den Kontakt herzustellen, bewegen wir die Zellen. Es sind keine anderen bewegten Teile mehr notwendig. Die Zellen werden auf den Chip aufpipettiert und durch Unterdruck darauf positioniert. Die Messungen können dadurch in einem automatisierbaren Verfahren durchgeführt werden.
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Damit ist es uns gelungen, ein automatisiertes Verfahren anzubieten, das qualitativ hochwertig ist. Und das war der große Schritt. Deswegen ist die Methode für Pharmafirmen interessant; sie wäre vorher zu aufwendig gewesen und wurde nur bei Spezialanwendungen verwendet.
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Ursprünglich war nicht Intention, ein Produkt, Screening-Technologie, für die Entwicklung von Medikamenten zu machen. Die Ursprungsidee war, ein besseres, noch höher auflösendes Messverfahren zu entwickeln. Das ist eigentlich eine wissenschaftliche Arbeit und wurde in unserem Forschungsbereich an der Universität in München entwickelt. Ausgangspunkt des Ganzen war ein Brainstorming, hier an der Uni München, zwischen Herrn Behrends und Herrn Blick.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
1997 war das erste Gründungstreffen einer Initiative für einen neuen Sonderforschungsbereich. Das war eine Art Brainstorm-Meeting, wo wir uns unterhalten haben, was wir denn zusammen machen könnten. Ich als Elektrophysiologe und Neurophysiologe und Herr Blick als Halbleiterphysiker waren damals Habilitanden. Herr Blick hat seine kleinen Mikro- und Nanostrukturen, die er gebaut hat, vorgestellt, und ich habe über Patch-Clamp und über Elektrophysiologie an Zellen erzählt. Und irgendwie hatten wir das Gefühl, wir sollten was zusammen machen. Die Idee, die da entstand, war eigentlich schlicht und ergreifend: Versuchen wir doch mal die Patch-Clamp-Technik in einer planaren Mikrostruktur nachzubauen. Die klassische Technik besteht ja darin, dass man Glasröhrchen nimmt, sie in der Mitte erhitzt, dann von beiden Seiten zieht. Dadurch entstehen sehr feine Spitzen, die man trotzdem auf der einen Seite in die Hand nehmen kann. So ein Glasröhrchen ist auf der einen Seite ungefähr streichholzdick. Auf der anderen Seite hat es einen Durchmesser von nur noch einem Mikrometer, so dass man also Zellen kontaktieren kann. Die Idee war nun, das mit den modernen Methoden der Strukturierung von Festkörpern, in dem Fall Halbleitern, nachzubauen. So kam es zu der Formulierung dieses Projekts, der Sonderforschungsbereich wurde dann beantragt und ist auch bewilligt worden. Im Jahr vor der Bewilligung fing Herr Fertig als Diplomand an, auf diesem Projekt zu arbeiten. Für die Begutachtung konnten wir dann bereits einige Vorarbeiten zeigen.
Sie haben eben gesagt: Wir haben uns dann mal zusammengesetzt und mal geredet. War das wirklich so? Eine lockere Runde?
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Das war eine ganz tolle Sache. Die Initiative zu diesem SFB ging von Hermann Gaub aus, der hier in München an der LMU Professor für Biophysik ist. Er hatte einen tollen Titel: „Nanoman“, das ist die Abkürzung für den eigentlichen Langtitel dieses SFB, nämlich „Manipulation von Materie auf der Nanometerskala“. Also unglaublich breit angelegt. Er hat alle Leute zu diesem Meeting eingeladen, die irgendwas auf dem Gebiet machten. Es gab Kristallographen, Chemiker, Biochemiker, Biologen und eben Physiker. Die Intention war zuerst, die Leute einfach zusammenzubringen, dann einmal „umzurühren“ und zu sehen, was daraus entsteht. Und daraus ist unter anderem tatsächlich dieses Projekt geworden.
Wir hatten damals, wie Herr Fertig richtig sagte, eine vollkommen andere Stoßrichtung: Es ging nicht um Automatisierung und Hochdurchsatz, wir wollten eine neue, hochauflösende Messmethode für einzelne Ionenkanäle entwickeln, um Konformationsänderung, also kleine Bewegungen in den Proteinen, spektroskopisch messen zu können. Das gibt es alles noch nicht, ist nach wie vor Zukunftsmusik. Es ist trotzdem einiges aus dieser Sache geworden, wenn auch sicherlich noch nicht unbedingt das, was am Anfang intendiert war.
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Wir fingen an, mit Halbleitern zu arbeiten. Das ist am Lehrstuhl für Festkörperphysik das Material der Wahl, weil die Mikrostrukturierungsmethoden durch die Mikroelektronik weit entwickelt sind. Man kann auf verschiedene Instrumente und Methoden zur Strukturierung zurückgreifen. Nach ungefähr einem Jahr sind wir darauf gekommen, dass das Material nicht ideal ist. Uns wurde klar: Wir müssen andere Substrate nehmen. Ideal ist Glas, das man auch von der Glaspipette der Patch-Clamp-Pipette kennt. Die Mikrostrukturierungsmethoden für das Glas waren allerdings nicht in der Form ausgereift, dass man damit 3-D-Strukturierung betreiben kann, wie das beim Silizium der Fall ist.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Ehrlich gesagt gab es damals überhaupt keine Technik für Mikrostrukturierung von Glas auf dieser Größenskala.
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Wir haben zunächst eine sehr exotische Methode gewählt, um das zu realisieren, dann aber im späteren Verlauf eine Reihe weiterer Methoden etabliert, die auch skalierbar genug sind, um sie für eine Produktion zu verwenden. Entscheidend ist, dass, wie gesagt, der Ursprung der Entwicklung nicht die Anwendung war, sondern eine wissenschaftliche Entwicklung.
Es war uns dann aber allen nach ungefähr ein, zwei Jahren bewusst, dass neben der wissenschaftlichen Anwendung ein ganz neuer Aspekt für die Entwicklung von Medikamenten auftaucht. Wir sahen dann auch, dass wir nicht die Einzigen waren, die diese Richtung entwickeln. International gab es drei, vier Gruppen, die daran arbeiteten, und Firmen, die das massiv vorangetrieben haben. Mir wurde klar, dass es mir Spaß macht, an Dingen zu arbeiten, die vielleicht in eine Anwendung übergehen können. Ich habe es als große Motivation begriffen, dass man an etwas arbeitet, was auch Verwendung finden kann.
Ein wesentlicher, weiterer Schritt in die Richtung Anwendung, Technologie, Produkte und Firma war, dass wir an verschiedenen Business-Plan-Wettbewerben teilgenommen haben.
Bereits in dieser universitären Phase?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Ja, absolut. Das war mitten in meiner Doktorarbeit, da hatte ich eher damit zu kämpfen, dass mein Doktorvater, Herr Kotthaus, das zwar alles sehr gut fand und unterstützt hat, doch versuchte, mich noch zu halten. Er wollte nicht, dass man zu früh die wissenschaftliche Arena verlässt und sofort die Firma ausgründet. Was allen klar war, ist, dass Technologien einen gewissen Zeithorizont haben, innerhalb dessen sie in den Markt eintreten können, und mir war auch bewusst, dass man sehr schnell damit vorangehen musste. Wir hatten, und das ist ein wesentlicher Punkt, an verschiedenen solchen Planspielen teilgenommen. Solche Business-Plan-Spiele eröffnen die Möglichkeit, das spielerisch zu machen, ohne sich zu verpflichten, es aber trotzdem sehr ernsthaft durchzuarbeiten. Es ist schon ein größeres Unterfangen, einen Business-Plan zu schreiben, wir haben sehr viel Zeit investiert, dafür aber auch viele Kontakte mit relevanten Personen, seien es Patentanwälte oder Steuerberater, Rechtsanwälte, bekommen. Mitten in der Doktorarbeit war fast klar, dass wir eine Ausgründung machen, und wir haben sehr stark darauf hingearbeitet. Wenn man darüber nachdenkt, wie man eine Innovationsatmosphäre schafft, ein Umfeld, das solche Gründungen generiert, ist auch ein solches Feedback hilfreich. Man merkt, dass es Leute gibt, die das schon, zum Teil erfolgreich, gemacht haben.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Das war damals der Münchner Business-Plan-Wettbewerb, bei dem wir zweimal in Folge teilgenommen haben. Der ist mit der Universität vernetzt, die Aktionen fanden in der Universität statt und wurden sehr stark unterstützt. Wir haben sehr viel Zeit mit diesem Business-Plan verbracht, uns sozusagen die Nächte um die Ohren geschlagen. Die Idee war, sich Venture Capital zu besorgen. Aber die Risikokapitalsituation war zu der Zeit extrem schwierig; das war die Zeit, als es gerade richtig den Bach runterging. Wir haben letztlich auch kein Risikokapital bekommen, sondern eine Seed-Finanzierung der BioM. Und das, was wir in den Business-Plan hineingeschrieben haben, das waren eher Fingerübungen, vieles ist nicht realisiert worden. Die Ideen, wie man so eine Firma aufbaut – das ist in der Realität viel organischer gewachsen, als das in so einem typischen Venture-Szenario dargestellt wird.
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Die Seed-Finanzierung durch die BioM ist ja auch Venture Capital, aber eben nur eine Anschubfinanzierung, eine relativ bescheidene Summe. Wir wollten ein Jahr später eine große Finanzierungsrunde machen, was sich dann als recht schwierig dargestellt hat. Also haben wir erst einmal die Firma gegründet, die ersten Mitarbeiter eingestellt und begonnen, alles aufzubauen – immer mit der Intention, dass wir noch mehr Geld reinholen. Denn eigentlich war das Ziel der Firma, gleich einen Messroboter mit einem parallelen Messverfahren zu entwickeln, ein Ziel, das wir im Lauf der ersten zwei Jahre überdenken, überarbeiten und auch abändern mussten, primär wegen der Probleme, Investoren für das Projekt zu begeistern.
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Von einem unserer Berater kam dann der Vorschlag, das erst einmal als Einkanalsystem zu entwickeln. Das hat uns den Kopf gerettet. Wir haben ohne große Investitionskosten schnell Umsätze gemacht. Mit dem Geld, das reinkam, konnten wir die weiteren Entwicklungen finanzieren. Aber das war nur möglich, weil alle, die im Team mitgearbeitet haben, auf große Gehälter verzichtet haben. Von Anfang an war der Teamgeist in dieser Firma sehr groß.
Wer war das jetzt konkret?
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Das hat gewechselt. Das Team, das Nanion Technologies gegründet hat, bestand aus Herrn Fertig, Herrn Blick und mir. Der erste Angestellte war Michael George, der jetzt Leiter der Technischen Entwicklung ist und einen ganz entscheidenden Anteil an den Entwicklungen hier hat. Die Möglichkeit, ihn einzustellen und Herrn Fertig zu bezahlen, wurde übrigens unterstützt vom „Flügge“-Programm des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst. Das war entscheidend für uns. Man bekommt eine halbe Stelle für einen oder zwei Leute, die weiter am Lehrstuhl arbeiten und die Infrastruktur nutzen können; die andere Hälfte wird dann von der Firma getragen. Das war die Voraussetzung, um überhaupt zu starten.
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Ich kam erst ein Jahr nach Gründung dazu und hatte bis dahin vier Jahre für Aventis, für die andere Seite, nämlich den Benutzer dieser Geräte, gearbeitet. Ich habe die Ionenkanalplattform geleitet und brachte das Wissen mit, was der Kunde will. Direkt vor Nanion Technologies war ich bei einer Firma, die an artverwandten Dingen gearbeitet hat, dann von einer großen amerikanischen Firma gekauft und geschlossen wurde. Ich hatte Niels und Michael George auf einer Konferenz kennen gelernt – die Chemie hat sofort gestimmt. Und als dann klar war, dass ich dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stehe, bin ich hier vorbeigefahren, und wir haben gemerkt, dass ich im Grunde der fehlende Puzzlestein in der Company bin.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Fehlender Puzzlestein insbesondere auch deswegen, weil ich mich entschieden hatte, einen Ruf anzunehmen und nach Freiburg zu gehen. Das war also ein notwendiger Stabwechsel auf der elektrophysiologischen Seite. Frau Brüggemann hat darüber hinaus noch einen stärkeren industriellen Anwendungsbezug, den ich als akademischer Physiologe nicht so habe.
Worin unterscheidet sich Ihr Verfahren von den herkömmlichen? Und was ist das Innovative daran, was jetzt mit der Nominierung gewürdigt wird?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Das klassische Verfahren ist etwas, was sehr, sehr händisch funktioniert und viel Erfahrung benötigt. Unser chipbasiertes Verfahren vereinfacht die Messtechnik insoweit, als man es jemandem, der völlig unbedarft ist, innerhalb von wenigen Stunden erklären und beibringen kann.
Unsere Innovation macht dieses extrem hochwertige Messverfahren, die Patch-Clamp-Technik, automatisierbar. Das ist ein entscheidender Punkt. Der andere ist die Parallelisierbarkeit. Mit dem Chipverfahren können wir in einem Substrat mehrere Patch-Clamp-Einheiten strukturieren und dadurch in einem Chip Messungen an vielen Zellen parallel durchführen. Das ist für die Pharmaindustrie von großer Bedeutung, weil der Durchsatz eine ganz wesentliche Rolle spielt. Die wollen nicht fünf oder zehn Messungen am Tag, die möchten hunderttausend am Tag machen. Das kann man mit dem klassischen Patch-Clamp-Verfahren in keiner Art und Weise leisten.
Sie haben jetzt Vorteile definiert. Gibt es auch Nachteile in dem Verfahren?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Grundsätzlich müssen bei unserem Verfahren die Zellen beweglich sein, d. h. wir brauchen Zellsuspensionen, ein Medium, in dem die Zellen herumschwimmen, und zwar vereinzelt. Unsere Technik ist also nicht geeignet für die Beobachtung der Kommunikation zwischen Zellen, die im Gewebe zusammenarbeiten, insbesondere die synaptische Kommunikation bei Nervenzellen – das ist keine Möglichkeit für unsere Technologie. Dazu braucht man nach wie vor die klassische Patch-Clamp-Technologie. Bei der Entwicklung von Medikamenten werden weit über 90 Prozent aller Messungen an solchen Zellarten gemacht, wie wir sie auch einsetzen können; in dem Markt sind wir wunderbar aufgestellt.
Sie haben dieses Unternehmen gegründet, inzwischen gibt es Produkte. Welche sind das konkret?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Da ist zunächst der Port-a-Patch, ein sehr kleines, portables Patch-Clamp-Gerät, das einen besonderen Reiz für die Anwender hat, weil es so einfach ist. Es ruft jedes Mal bei erfahrenen Patch-Clampern ein großes Erstaunen hervor, wie klein man so was machen kann. Das haben wir 2003 am Markt eingeführt und waren bereits 2004 am Break-Even damit; es hat am Markt sehr große Akzeptanz gefunden. Unsere ursprüngliche Idee, den parallelen Patch-Clamp-Roboter, haben wir aber nicht aus den Augen verloren, das wurde parallel weiterentwickelt. Es ist aber schon so, dass man Zeit verliert, wenn man sich auf ein anderes Produkt fokussiert. Außerdem, das merkt man sehr schnell als kleine Firma: Wenn man Geräte am Markt hat, muss man sehr viel Zeit und sehr viel Ressourcen für Kundenbetreuung einplanen. Wir sind ja von Anfang an global in den Markt eingestiegen, was uns zunächst auch von Weiterentwicklungen etwas abgehalten hat.
Erst Anfang vorigen Jahres war der Roboter – wir nennen ihn Patchliner – so weit, dass wir ihn am Markt präsentieren konnten. Dabei ist das das Produkt, das die logische Konsequenz aus den technologischen Möglichkeiten ist: Skalierung, Parallelisierung und Automatisierung des Messverfahrens. Wir haben allerdings auch Accessoires-Produkte für die Instrumente mitentwickelt: Kleinere Zusatzgeräte für z. B. den Port-a-Patch oder auch neue Applikationen, um das Gerät breiter einsetzbar zu machen.
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
In der Planungsphase waren Pharmafirmen unsere Zielgruppe als Kunde. Dadurch, dass wir mit dem Port-a-Patch angefangen haben, hat sich das verändert. Wir haben gemerkt, dass ein Drittel unserer Kunden Universitäten, ein weiteres Drittel kleine Biotechfirmen sind. Gerade von Universitäten bekommt man interessante Rückmeldungen: „Wir hätten gern noch das und jenes“. Ein Riesen-Enthusiasmus: Eine solche Rückkopplung kommt von Pharmafirmen nicht. Die Ideen unserer Kunden haben uns geholfen, unser Angebot zu erweitern, indem wir Accessoires entwickelt haben.
Nun sind Sie ja ein kleineres Unternehmen. Wie funktioniert das dann? Da kommt einer mit einer Idee, und dann zieht man zwei aus dem Alltagsgeschäft ab und sagt, jetzt kümmert ihr euch mal da drum?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Wir sind von unserer Aufstellung als Firmenteam in gewisser Weise der typische Albtraum eines jeden Venture-Kapitalisten. Alle mit einem akademischen Hintergrund, alles Technologen, kein Jurist, kein Betriebswirt, all das, was einem jeder sofort vorwirft, wenn man Investoren sucht. Was aber auf der anderen Seite heißt, dass wir alle ein gutes Verständnis dafür haben, was unseren Kunden interessiert. Wir können recht schnell einschätzen, ob ein Vorschlag nicht nur relevant, sondern auch machbar ist. Wir können das mit einem gewissen Aufwand auch ausprobieren. Alle sind Generalisten, jeder macht mal alles, kann Dinge ausprobieren. Das ist – klar – kein Acht-Stunden-Arbeitstag, gerade zu Anfang hat man sehr, sehr viel Zeit rein gesteckt.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Ich bin ja selbst nicht bei Nanion Technologies, aber ich stelle mir diesen Arbeitsstil sehr angenehm vor: Es gibt in der Firma keinen, der nur Vertrieb macht, sondern alle sind immer an der Entwicklung beteiligt. Das heißt, sie erfinden auch Sachen und sind bei den neuen Entwicklungen engagiert. Die Kundenbetreuung läuft dann eher so wie in Kampagnen: Die sind ein paar Wochen unterwegs und kommen dann wieder. Das ist sozusagen sehr wenig entfremdete Arbeit, die man hier macht.
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Die Leute, die das machen, kommen aus dem akademischen Bereich, sind alle promoviert. Es wäre einerseits schwierig, mit solchen Leuten einen klassischen Vertrieb aufzubauen. Andererseits wäre es auch gar nicht möglich, dass wir mit einem klassischen Vertrieb arbeiten, weil eben die Technologie so angelegt ist, dass man sie nur auf Augenhöhe erklären kann. Wir bearbeiten einige Märkte, auch entfernte Märkte, vom Vertrieb und Marketing her selber. Alle acht Wochen ist einer von uns in den USA unterwegs, meistens zwei Wochen klassische Vertriebsreise, vielleicht ist eine Messe dabei und zwei, drei Kundenbesuche. Diese Vertriebs- und Reisetätigkeit ist aufwendig, macht aber auch Spaß. Wenn man in die USA, nach Asien oder Australien kommt, ist das sehr reizvoll, solange man es nicht dauernd und nur machen muss.
Dieses Gleichgewicht muss man für alle Leute finden, jeder soll sich wohlfühlen: Wie viel möchte ich on the road sein, wie stark möchte ich mich bei Entwicklungsprojekten einbringen? Es ist wichtig, dass sich jeder mit der Firma identifiziert. Und das liegt daran, dass die eigenen Ideen umgesetzt werden, dass neue Produkte, neue Applikationen entstehen, nur weil man das mal ausprobiert hat. Das ist eine sehr schöne Erfahrung, und man ist nicht nur innovativ bei der Gründung, sondern dauernd.
Herr Professor Behrends, tut es Ihnen leid, dass Sie nicht mehr dabei sind?
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Ich bin ja Beiratsvorsitzender und Anteilseigner der Firma und …
Dr. rer. nat. Niels Fertig
… auch Berater und Ideengeber und Entwickler natürlich.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Richtig, die Entwicklungslinien gehen weiter, auch in meinem Labor. In Freiburg gibt es sehr interessante Kontakte, z. B. zu einer großen Universitätseinrichtung, die Mikrosystemtechnik betreibt, dem IMTEK (Institut für Mikrosystemtechnik der Uni Freiburg), und dem Materialforschungszentrum. Ich hoffe, wenn das alles so klappt, dass ich auf diese Weise zur Weiterentwicklung dieses Technologiefeldes beitragen und unter Umständen die nächste Generation in dieser Entwicklung vorbereiten kann.
Denn es ist klar, dass der Durchsatz, der durch die parallelisierten Geräte erreicht wird, durchaus erweiterbar ist. Die Pharmaindustrie wäre glücklich, wenn man hunderttausend Positionen gleichzeitig messen, einen sehr viel höheren Durchsatz als im Moment erreichen könnte. Allerdings arbeiten wir im Labor natürlich auch mit den Chips von Nanion Technologies. Da geht es zum Beispiel um die Kombination von optischen und elektrischen Messungen an Ionenkanälen. Insofern profitiert meine Forschung natürlich auch sehr davon, dass es Nanion Technologies gibt. Deswegen ist für mich die Situation, würde ich sagen, fast ideal. Es ist ja auch ein bisschen eine Altersfrage. Ich bin ja auf den Tag genau neun Jahre älter als Niels und war damals in der Situation, dass ich drei kleine Kinder hatte, und da ist es nicht so, dass man alles auf diese Gründungs-Möglichkeit setzt, wenn man von anderer Seite einen Ruf erhält. Es ist ja auch sehr schön, Professor zu sein! Insofern trauere ich nicht der Geschichte nach. Im Gegenteil, ich bin extrem stolz auf diese Entwicklung. Ich finde das sehr, sehr schön.
Was hat der „normale Mensch“ eigentlich von dem, was Sie hier tun?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Er bekommt schneller bessere Medikamente, die potenziell günstiger sind. Je nach Studien dauert die Entwicklung von Medikamenten zwischen zehn und 15 Jahren. Unsere Technologie wird in der frühen Phase eingesetzt und ist etwas, was die ersten drei, maximal fünf Jahre beeinflusst, d. h. wir verkürzen nicht auf der ganzen Länge des Prozesses, sondern in der frühen Phase, in einer Größenordnung von einem halben oder dreiviertel Jahr, wenn man schon früher hochwertige Messmethoden einsetzt.
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Weiterhin ist es so, dass die Medikamente auch sicherer werden. Es gibt zum Beispiel einen Ionenkanal im Herzen, der für sehr gefährliche Nebenwirkungen verantwortlich ist. Das kann so weit gehen, dass man, wenn man ein Heuschnupfenmedikament nimmt, plötzlich Herzrhythmusstörungen kriegt und tot umfällt. Das ist natürlich dramatisch. Und viele Medikamente, Antiallergika, aber auch Antidepressiva oder Antibiotika, mussten vom Markt genommen werden, weil Leute gestorben sind. Unsere Technologie ermöglicht es, genau gegen diesen sensiblen Ionenkanal zu testen. Jedes Medikament muss, bevor es auf den Markt kommt, darauf getestet werden, das haben die FDA, die amerikanische Zulassungsstelle für Medikamente, und auch die europäische Behörde beschlossen. Unsere Technologie bietet eine Möglichkeit, neben dem konventionellen Patch-Clamp diesen Test zu machen.
Dieser Test wurde bisher am Tier in der späten Entwicklungsphase gemacht. Jetzt kann er in die frühe Phase vorgezogen werden, das heißt Medikamente, die diese Nebenwirkung hätten, werden aus dem Entwicklungsprojekt herausgenommen. Das spart eine Menge Entwicklungskosten.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Ionenkanäle gelten im Übrigen seit langem schon als unterentwickeltes Feld in der pharmazeutischen Zielstrukturentwicklung, weil es keine hochdurchsatzfähigen Testmethoden gab. Diese Technologie ist ein Schritt in Richtung einer Renaissance der Ionenkanäle als Zielstrukturen für neue Medikamente. Ionenkanäle sind nicht nur physiologisch sehr strategische Schalter, weil sie die Kommunikation zwischen Zellen regulieren, sondern sie sind als Membranproteine auch für Pharmaka gut zugänglich, auch für fettlösliche Medikamente, weil die sich in die Membran setzen. Auch von dort aus kann man an die Ionenkanäle herankommen.
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Man kann ganz klar sagen, dass das einen Paradigmenwechsel in der Ionenkanalforschung gegeben hat, dass plötzlich neue Projekte überhaupt erst möglich waren. Es geht nicht nur darum, dass man ein bisschen schneller wird, sondern dass man mit der Technologie ganz neue Projekte aufsetzen kann. Das sehen wir für den ganzen Bereich, dieser Markt entwickelt sich extrem gut.
Welche Charaktere braucht man, um eine solche Ausgründung zu wagen?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Grundsätzlich braucht man verschiedene Charaktere, die einander ergänzen. Leute, die einen gesunden Optimismus haben, an die Sache glauben, auch wenn sich alles ganz anders darstellt. Und die, die eine gewisse Skepsis mitbringen, stark hinterfragen oder eher die Schwierigkeiten sehen. Man braucht Leute, die nicht nur Ideen haben, sondern auch in der Umsetzung stark sind. Die auch schnell so Quick-and-dirty-Dinge ausprobieren, Sachen schnell hinfummeln. Man braucht Leute, die ein gewisses Gespür dafür haben, von der Technologie abgehoben, zu erkennen, was den Kunden daran reizt: Wo ist der Mehrwert, wie verkaufen wir das, wie muss das Marketing sein?
Was auch noch wesentlich ist: dass man so etwas nicht macht, um damit schnell reich zu werden, also viel Geld verdienen, an die Börse gehen – das erklärte und auch legitime Ziel von Venture Capital, der Ausstieg. Das war bei uns zu keinem Zeitpunkt der Fall. Uns war immer sehr wichtig, dass wir eine solide Entwicklung machen. Wir waren von vornherein auch sehr konservativ und haben unsere Mittel sehr effizient und zurückhaltend eingesetzt. Bei uns hieß es, wenn Entwicklungen angedacht wurden: Können wir uns das leisten, wie machen wir das? Oft kommt man auf sehr einfache, sehr gute Lösungen, die man mit mehr Geld vielleicht gar nicht in Erwägung gezogen hätte.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Manchmal hätte es allerdings schon ein bisschen mehr sein können. Wir wollen jedenfalls jetzt nicht die Botschaft ins Land senden: Gebt den Leuten möglichst wenig Geld, dann gründen sie ganz tolle Firmen. Trotzdem ist daran etwas Wahres. Die Tatsache, dass wir nicht das große Venture Capital bekommen haben, war nicht schlecht, weil wir nicht gezwungen waren, für viel Geld schnell große Dinge zu tun. Vielleicht ist es ja auch so, dass Geld einen abhängig macht oder einem auch eine Menge Zeit stiehlt: Um hunderttausend Euro sinnvoll auszugeben, muss man ziemlich lange nachdenken.
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Angenehm ist auch Folgendes: Dadurch dass wir nicht in Abhängigkeiten geraten sind, hatten wir auch bei schwer wiegenden strategischen Entscheidungen das Ruder in der Hand.
Welche Weiterentwicklungsmöglichkeiten sehen Sie für Ihre Produkte?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Das schließt an den vorhergehenden Punkt Finanzierung an. Was wir nach wie vor tun, ist das Einwerben von Drittmitteln. Bei Projekten, bei denen wir Neuland betreten, versuchen wir, entsprechende Fördermittel zu akquirieren.
Das haben wir bisher sehr erfolgreich getan, und es war wesentlich in der Finanzierungsstruktur der ersten Jahre. Wir haben Gelder z. B. vom BMBF, von AIF, vom Land Bayern bekommen. Aktuell arbeiten wir an Projekten, die die Grundlagen für Technologien legen, die vielleicht in drei bis fünf Jahren Produkte werden können. An Ideen mangelt es uns nicht. Es ist eher die Frage, was wirklich relevant ist, welche am besten mit dem bestehenden Team zu meistern sind. Man kann hier nicht einfach zwei Leute mehr einstellen. Es ist einfacher, Projekte umzusetzen, die auf verlässliche Kompetenzen, die da sind, zurückgreifen, und dann damit zu wachsen.
Dr. Andrea Brüggemann
Die derzeitigen Projekte zielen zum einen auf den höheren Durchsatz. Zum anderen geht es darum, sich etwas breiter, was die Targets angeht, aufstellen zu können.
Wie entwickelt sich die Mitarbeiterstruktur?
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Da gibt es eine interessante, neue Entwicklung: Unsere Firma war bisher sehr akademikerlastig. Wir sind sechs Promovierte, dann noch drei weitere Ingenieure oder Studierte, und wir haben Bachelor und auch Diplomanden, Doktoranden oder Leute, die Praxissemester machen – alle sind aus dem akademischen Bereich. Neu ist, dass wir jetzt auch Lehrlinge ausbilden.
Das, glaube ich, gibt uns viel zurück; unser Ziel ist, die Lehrlinge dann zu übernehmen. Ganz aktuell haben wir einen Lehrling für Mechatronik, und zum September fängt der zweite Lehrling als Chemielaborant an.
Wir haben in dieser kleinen Mannschaft viele Frauen gesehen ...
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Ja, viele. Das ist vielleicht auch mein Ressort. Witzigerweise hat bei Vorstellungsgesprächen die Frau immer auch am besten ins Team gepasst. Alle Elektrophysiologinnen, die zum Kunden gehen und das Gerät in seiner Anwendung weiterentwickeln, sind promovierte Naturwissenschaftlerinnen: Physikerin, Biologin, Biochemikerin, Chemikerin.
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Team ist ein wichtiges Stichwort. Bei einer Firmengründung müssen sowohl Technologie als auch Finanzierung stehen, aber letztlich hängt es an den Leuten, die es umsetzen. Das war bei uns, als wir anfangs zu dritt waren, das Gefühl: Hey, wir bewegen richtig viel, wir ziehen alle an einem Strang, das macht richtig Spaß! Das haben wir uns glücklicherweise bisher erhalten können, obwohl wir inzwischen doch ein paar mehr Leute geworden sind: Das Team ist das Haupt-Asset, das wir aktuell haben. Wir können mit den Leuten sehr viel bewegen, und alle haben Spaß daran.
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Sie sehen ja hier die Küchenzeile, wir kochen auch abends, wenn es mal wieder spät geworden ist. Eine kleine Gruppe geht abends mal joggen, andere gehen klettern oder wandern …
Dr. rer. nat. Niels Fertig
… wir trinken auch gern mal ein Bier zusammen, wir können es ruhig sagen…
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
… oder eure Kinder – von Michael und Niels, die gehen in den gleichen Kindergarten.
Irgendwo ist das schon eine Familie, das geht über die normalen Firmenaktivitäten hinaus.
Wir haben hier eine sehr flache Hierarchie, jeder muss Verantwortung übernehmen. Das klappt sehr gut; sogar unsere jüngeren Mitarbeiter, die hier ihr Praxissemester machen, müssen ihre Aufgaben selber zusammenstellen. Sie sind froh über diese Verantwortung und stolz darauf, wenn sie es dann hinbekommen.
Die Entwicklung der Firma sieht aus, als sei sie ohne Probleme verlaufen. Gab es denn unerwartete Ereignisse, oder im Umkehrschluss: Muss man negative Erfahrungen haben, um Erfolg zu haben?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Das klingt so, als wäre es ein glatter Durchmarsch gewesen. Das ist natürlich nicht ganz richtig. Es gibt sehr wohl lange Durststrecken und Phasen, in denen man sich der Sache überhaupt nicht sicher war. Sowohl vor als nach der Gründung. Ich habe meine Diplomarbeit und Doktorarbeit gemacht, zusammen rund dreieinhalb Jahre an der Sache gearbeitet, eh die Gründung anstand. Dabei gab es viele Stunden, in denen ich mich gefragt habe: Wird das alles? Kann das überhaupt gehen? Das kann ja alles nicht, weil ... Es gibt sehr viele Gründe, warum es nicht gehen kann. Auch als die Firma gegründet war, gab es durchaus Phasen, in denen wir von der technologischen Seite, aber auch von der Finanzseite das Gefühl hatten, es könnte eng werden. Was wäre denn gewesen, wenn das Geld nicht gereicht hätte? Aber es gab dann ganz klar irgendwann einen Punkt, an dem wir gemerkt haben, dass das erste Produkt am Markt boomt, dass wir das haben, was man so klassischerweise Cash Cow bezeichnen würde. Der Port-a-Patch bringt einfach eine Menge Umsatz und ermöglicht in der Weiterentwicklung die ganze Finanzierung, die Umsatzzahlen entwickeln sich nach der klassischen Hockeykurve. Wir haben, wenn wir auf die letzten Jahre zurückblicken, eine enorme Dynamik im Wachstum, da ist noch keine Sättigung abzusehen. Das ist eine gute Position, wir sehen sehr positiv in die Zukunft. Das war durchaus nicht immer so. Entscheidend ist, dass man Durchhaltevermögen hat, an sich und an die Sache glaubt und sich auch gegenseitig auffängt und motiviert. Denn jeder hat mal irgendwann einen Durchhänger.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Ich erinnere mich gut, daß es in der Anfangszeit schon frustrierende Phasen gab. Aber ich glaube, Frustrationstoleranz ist etwas, das man in der wissenschaftlichen Arbeit gut lernt.
Sie haben ja nun in der Entwicklung des Projektes Unterstützung bekommen: BMBF, Land Bayern, EU, AiF. War das ausreichend oder hätten Sie sich da manchmal mehr gewünscht?
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Anfänglich gab es schon einige Anträge, die wir gestellt hatten, die noch nicht mal zur Begutachtung angenommen wurden. Das hat sich schon sehr geändert …
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Nachdem wir die erste Periode des SFB-Projekts aus unserer Sicht extrem erfolgreich beendet hatten, wurde es nicht verlängert. Das war sehr erstaunlich.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Das war allerdings überraschend, weil wir recht gut publiziert und auch tatsächlich einen ganz klaren sachlichen Erfolg vorzuweisen hatten.
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Seit der Gründung oder vielleicht ein Jahr nach der Gründung war es so, dass die Fördermöglichkeiten für KMU vielfältig waren – ob ausreichend, sei mal dahingestellt. Wir hatten auch den Vorteil, dass wir an der Schnittstelle Nano – Mikrosystemtechnik – Life Science standen und bei vielen Aspekten positiv auffielen.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Ein Problem ist bei den KMU gegeben: die Gegenfinanzierung. Das BMBF beispielsweise verlangt, dass insgesamt die Förderquoten am besten unter 50 Prozent bleiben. Das als kleines Unternehmen hinzukriegen ist oft schwierig.
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Insgesamt gibt es im Nano-Biotechnologie-Bereich eine Reihe von Fördermöglichkeiten, gerade für Start-up-Unternehmen, die ich auch alle für wichtig und richtig halte. Ich glaube, dass in diesem Bereich sehr viel passiert und langfristig etwas geschaffen werden kann. Das Potenzial ist noch deutlich größer als das, was zur Zeit realisiert wird. Ob das nun proportional mehr wird, wenn mehr gefördert wird, das wage ich nicht zu beurteilen.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Für die Kleinunternehmen jedenfalls ist diese öffentliche Förderung extrem wichtig.
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Ich bin auch erstaunt, wie schnell sich das dann auch wieder rechnet. Wir sind als Firma ja gerade mal fünf Jahre alt, haben eine Menge sehr hochwertiger Arbeitsplätze geschaffen und zahlen inzwischen horrende Steuern. Das fließt also alles wieder zurück.
Sie sind bereits mehrfach mit Auszeichnungen geehrt worden. Bringen solche Auszeichnungen etwas?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Ja, klar. Es ist das, was wir ja gerade machen: Öffentlichkeitsarbeit. Einer der Aspekte bei Fördermitteln ist, dass man als Unternehmen, das innovativ und dynamisch ist, wahrgenommen wird, das macht es sicherlich leichter. Hinzu kommt, dass wir über solche Preise den einen oder anderen Kontakt bekommen haben. Zu Anfang, bei den Business-Plan-Wettbewerben, war es auch nicht unwesentlich, dass Preisgelder geflossen sind, die in der Frühphase, noch vor der Seed-Finanzierung, entscheidend waren. Zum Beispiel: Unser erstes Investment, was wir überhaupt gemacht haben, war eine tolle Espressomaschine. Außerdem wurden damit meine ersten Reisen in die USA zu Kongressen bezahlt. Das hätte ich sonst nicht machen können. Hunderttausend Mark, die wir bei einem Mikrosystemtechnik-Wettbewerb gewonnen haben, waren zwar nicht zur freien Verfügung, wir konnten sie aber für Projekte einsetzen und haben davon einen Roboter gekauft. Das war schon sehr hilfreich.
Ist es auch eine Empfehlung, sich an diesen Wettbewerben zu beteiligen, sie trotz der Arbeit, die damit verbunden ist, wahrzunehmen?
Alle
Ja, unbedingt, absolut.
Wir reden über Innovation, über innovative Projekte. Was verstehen Sie unter Innovation?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Der Prozess des Umsetzens von etwas Neuem, einer Erfindung oder einer Idee, in etwas, was einen Mehrwert liefert, was am Markt Erfolg hat. Das muss nicht unbedingt etwas Technisches sein. Das kann auch ein Marketingkonzept sein, eine neue Herangehensweise, die aber über eine Idee hinausgeht in die Umsetzung und in Akzeptanz.
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Etwas noch nicht Dagewesenes schaffen, was andere brauchen oder gerne benutzen möchten.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Man kann sich fragen: Würde die Welt anders aussehen, wenn ihr das nicht gemacht hättet, was ihr gemacht habt. Und wenn man diese Frage mit Ja beantwortet, dann hat man offensichtlich eine Innovation geleistet. Das wäre meine Definition: ein wenig die Welt verändern und erneuern. Das ist ja die eigentliche Bedeutung des Wortes.
Ihre Tätigkeit erstreckt sich auf verschiedene Kontinente, Sie können den Vergleich ziehen. Wie steht es derzeit um das Klima für Innovationen in Deutschland?
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Positiv, in Bayern auf jeden Fall. Bayern hat eine Vorreiterrolle, wenn man beispielsweise das Center for NanoScience sieht, die vielen, kleinen Firmen, die entstanden sind. Es gibt nicht nur einen Keim, sondern ganz viele. Und es gibt auch die bayerischen Fördermittel, von denen wir viele genutzt haben.
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Bayern war – schon in den Jahren, in denen Innovationsthemen nicht so im Vordergrund standen – immer recht gut darin, Initiativen ins Leben zu rufen. Insgesamt befindet sich Deutschland bei den Hochtechnologien, mit denen wir uns am besten auskennen, in einem Aufschwung. Es gibt es bundesweit Zentren: seien es in Münster das CenTech, der Berliner Adlershof, wo diese Schnittstelle – Wissenschaft – Wirtschaft – Start-up-Unternehmen im Vordergrund steht und das sehr erfolgreich umgesetzt wird. In den Universitäten schlummert ein Riesenpotenzial, und sicher auch in den Firmen. Dieser Prozess, aus Wissenschaft und Technologie Produkte zu machen, steht in Deutschland im Moment sehr stark im Fokus. Und da kann man natürlich noch an sehr vielen Schrauben drehen, um das zu optimieren, aber auf dem Weg ist man auf jeden Fall. Wir haben ja jetzt auch Jahre der Depression hinter uns, gerade im BiotechBereich.
Das haben wir sehr stark in München hier miterlebt, da sind sehr viele Firmen nicht mehr dabei oder fusioniert usw … Aber auch da ist man wieder im Aufwind.
Zurück zu Ihrer Firma: Wie viele Arbeitsplätze sind es jetzt, und wie sieht Ihre Planung aus?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Wir haben jetzt 16 Vollzeitstellen. Wir werden vielleicht zum Jahresende zwei, drei mehr haben. Und wir haben noch rund zehn Leute, die auf Teilzeitprojekten arbeiten.
Und es wird hier produziert?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Es wird hier produziert. Wir leisten einen sehr großen Teil der Wertschöpfungskette in der Firma, einige Teile kaufen wir ein, einiges decken wir mit Zulieferern ab, etwa mechanische Arbeiten oder Schaltungsplatinen. Das ist in München in Fahrradnähe.
Können Sie sich vorstellen, dass Sie das auslagern?
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Wir sind in einem sehr sensitiven Bereich, was Qualität angeht. Und ich glaube, dass es aus dem Grunde für uns sehr schwierig ist, das auszulagern.
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Wir arbeiten in einem Hochtechnologiebereich und haben eine klare Premium-Strategie. Wir gehen davon aus, dass wir einen großen Mehrwert liefern und den beim Kunden auch abschöpfen. Wir haben keinen Zwang, an der Kostenschraube drehen zu müssen.
Wie sieht die Patentsituation aus? Sind Sie gesichert?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Wir sind gesichert, wir haben unsere eigenen Anmeldungen sehr früh gemacht, inzwischen auch Patente dazugekauft und sind in einer sehr gut abgesicherten Position.
Wenn Sie zurückschauen: Würden Sie das wieder machen?
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Eindeutig. Ganz klar.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Ja, auf jeden Fall. Das ist auch positive Suchterzeugung, die da passiert. Wenn man so eine Sache erfolgreich auf den Weg gebracht hat, das kann man ja wohl mindestens sagen, dann hat man jederzeit Lust, sowas noch mal zu tun.
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Die Entscheidung, so ein Unternehmen zu gründen, würde ich auf jeden Fall wieder treffen. Ich würde mir aber mit dem jetzigen Wissensstand vielleicht noch mehr Sorgen machen. Man weiß, an welchen Stellen es überall passen muss, damit man so weit kommen kann. Und das ist in vielen Situationen sehr viel Glück: Es hängt davon ab, wen man gerade zufällig getroffen hat, um Informationen zu bekommen. Ja, das habe ich mir damals einfacher vorgestellt oder bin es vielleicht blauäugiger angegangen.
Aber auch mit dem gleichen Wissensstand würde ich es sicher noch mal machen. Ganz klar.
Wir würden jetzt gerne von Ihnen noch etwas Persönliches erfahren: Was wollten Sie eigentlich als Kind werden?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
So die klassischen Sachen, die man als Junge werden will. Aber ich wollte auch ziemlich lange Erfinder werden.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Ich fürchte, ich wollte eine Zeit lang gerne Musiker werden. Und dann wollte ich im Grunde das werden, was ich jetzt bin. Also Wissenschaftler.
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Es ist bei mir auch schon sehr früh klar gewesen, dass ich Physik studiere und in die Forschung wollte.
Gab es Vorbilder oder Ereignisse, die Ihre berufliche Laufbahn irgendwo beeinflusst haben?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Ich habe nach dem Vordiplom ein Jahr in San Diego studiert und einen Kurs über neuronale Netze bei Professor Robert Hecht-Nielsen gehört. Das war jemand, der ebenfalls aus wissenschaftlichen Arbeiten heraus eine Firma gegründet hatte und auch Professor war. Ein echter Charismatiker: Er hat sehr gut verstanden, Leute zu begeistern, Technologie zu vermitteln und auch wirtschaftliche Aspekte einzubringen. Das war jemand, der mich dazu brachte, über solche Dinge mehr nachzudenken.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Mich haben gegen Ende der Schulzeit die Erkenntnistheorie und die Philosophie, insbesondere das sogenannte Leib-Seele-Problem, interessiert, wodurch ich die Arbeiten von John Eccles, einem bedeutenden Elektrophysiologen, kennengelernt habe. Ich war dann relativ bald nach Beginn des Medizinstudiums bei einem Geburtstagssymposium zu Eccles‘ Achtzigstem; auch der Philosoph Karl Popper war da. Und es gab Diskussionen mit vielen Elektrophysiologen, die über ihre Arbeiten berichteten. Das hat mich in dem Entschluss bestärkt, in diese Richtung zu gehen, weil mich diese Art der wissenschaftlichen Arbeit, bei der man live eine Zelle belauscht und deren Reaktion sofort sieht, fasziniert. Das ist eben nicht so wie in der Biochemie, wo man etwas zusammenmixt, eine Woche in den Kühlschrank stellt und dann ist es entweder blau geworden oder nicht. Sondern man hat sozusagen die Hand am Puls einer lebenden Zelle. Das ist eine Lieblingsbeschäftigung: Zellen patchen. Das ist immer noch etwas Wunderbares.
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Ich muss weiter zurückgehen. Ich bin mit vier Brüdern aufgewachsen und habe schon immer gerne mit ihnen an meinem Fahrrad oder später vielleicht am Auto herumgebastelt: Mich hat der technische Aspekt interessiert und dass es was zum Anfassen war. Im Studium bin ich dann auf eine tolle Vorlesung über Biochemie gestoßen. Das war eigentlich neben meinem Fach. Der Professor, Olaf Pongs, erhielt einen Ruf nach Hamburg, ich bin mitgegangen und habe dort meine Diplomarbeit begonnen. Da hatte ich einen Ionenkanal kloniert, das war fürchterlich kompliziert. Und dann haben sie mich mit dem Kanal nach Göttingen geschickt, an das Max-Planck-Institut, an dem es ein Jahr vorher den Nobelpreis gegeben hatte. In diese enthusiastische Atmosphäre zu kommen war toll: Da gab es Geld ohne Ende und auch tolle Leute sind dorthingekommen, um ein Sabbatical zu machen. In dieser Atmosphäre seine Doktorarbeit schreiben zu können, das war gigantisch.
Was treibt Sie denn heute an?
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
In dieser Firma der Teamgeist und der Erfolg unserer Produkte sowie die Begeisterung, die einem auch von außen, von Kunden entgegengebracht wird.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Vorrangig das wissenschaftliche Interesse. Ich bin zunehmend, auch jetzt durch diese Erfahrung, darin bestärkt worden, dass viele entscheidende Fortschritte in der Naturwissenschaft tatsächlich methodischer Art sind. Und ich sehe im Moment immer mehr, dass die Verquickung von Mikrostrukturierung und zellulärer Physiologie ein Bereich ist, in dem man noch viele, viele Dinge tun kann. Und dazu versuche ich jetzt in Freiburg weiter beizutragen.
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Ich habe sehr viel Spaß daran, an der Schnittstelle zwischen wissenschaftlichen Arbeiten und Anwendungen zu stehen, und fühle mich in dieser Situation sehr privilegiert. Wir haben Ressourcen, wissenschaftliche Arbeiten zu machen, ohne dabei auf Projektmittel warten zu müssen. Wir können relativ schnell etwas ausprobieren. Wir haben ein sehr gutes Team, um Dinge umsetzen zu können. Zudem bedeutet es mir sehr viel, dass diese Technologie im Markt auch Akzeptanz findet. Das ist einfach eine schöne Erfahrung, wenn wir in z. B. in Japan oder irgendwo sind und sehen, dass Leute mit den Sachen, die man sich irgendwann mal ausgedacht hat, arbeiten und damit glücklich sind und einem viel Enthusiasmus entgegenbringen.
Welche Charaktereigenschaften haben Ihnen beruflich geholfen? Und welche waren besonders hinderlich?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Ich habe ein relativ gutes Durchhaltevermögen. Das Stichwort war Frustrationstoleranz: Dass man an der Sache lange arbeiten kann, ohne dass man ständig Erfolg hat und positives Feedback bekommt. Ich bin sicherlich ehrgeizig. Das ist nicht per se was Positives oder Negatives, es kann hilfreich, aber auch mal hinderlich sein.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Bei mir ist auch so eine gewisse Persistenz entscheidend: dass man nicht aufhört, weitermacht, auch wenn es eine Zeit lang so aussieht, als würde es vielleicht nicht so erfolgreich sein. Dazu gehört auch Offenheit. Wenn man Gefahr läuft, sich an Teilproblemen zu verbeißen, sollte man sich irgendwelche anderen Dinge anschauen. Dann kommt von irgendwoher plötzlich eine Inspiration für eine mögliche Lösung. Wichtig ist also: Frustrationstoleranz, gepaart mit Offenheit und einem gewissen Spieltrieb. Die anfängliche Idee – lasst uns das doch mal basteln aus einem Halbleiter – war reiner, kindlicher Spieltrieb.
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Ich bin da manchmal der Gegenpol von Jan. Ich arbeite doch eher sehr strukturiert, natürlich offen für Ideen. Ich kann meinen Kollegen manchmal mit meiner Struktur, die ich ihnen aufdrücken will, auf die Nerven gehen: Ich bin diejenige, die dann sagt: Wir müssen auch ein bisschen Ordnung in das Chaos bringen. Davon haben wir genug. Ich gehöre auf jeden Fall zu den optimistischen Menschen, die erst mal mit Enthusiasmus an eine Sache rangehen, das Positive sehen.
Was tun Sie gegen Stress, oder womit entspannen Sie sich?
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Gleitschirm fliegen.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Ich musiziere viel mit meinen Kindern und fahre von Zeit zu Zeit im Schwarzwald Fahrrad. Was wunderschön ist, aber man braucht Zeit dazu.
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Ich war früher viel beim Windsurfen. Das ist jetzt durch München und vor allem auch durch den Zeitmangel weniger geworden. Ich laufe seit zehn, zwölf Jahren regelmäßig längere Strecken, auch Marathon. Seit drei, vier Jahren ist die Familie besonders wichtig. Es gibt, glaube ich, wenig, bei dem man schneller auf andere Gedanken kommt, als wenn man nach Hause kommt und zwei kleine Kinder einem erfreut entgegen springen.
Gibt es denn einen Traum, den Sie sich noch erfüllen möchten?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Das klingt vielleicht pathetisch, aber eigentlich finde ich unsere Situation im Moment traumhaft. Ich habe seit einigen Jahren das Gefühl, dass sehr viele Dinge, die in meinem Leben passieren, mir sehr gut gelingen oder mir sehr gut zufallen. Sei es die Firma, sei es die Familie, ich bin sehr glücklich. Ich habe keinen konkreten Traum, auf den ich sehr stark hinarbeite. Ich bin in einer sehr guten Situation.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Mir geht es, ehrlich gesagt, ähnlich. Sowohl was den Beruf angeht als auch die Familie, bin ich eigentlich sehr, sehr glücklich. Ein paar wissenschaftliche Träume habe ich schon, ein paar Großexperimente, zwei, drei Sachen, wenn ich die irgendwann hinkriege, dann wäre ich sehr froh. Und dazu die nötigen Fördergelder einzuspielen, das wäre sehr gut.
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Auf die Firma bezogen bin ich genauso zufrieden wie meine Kollegen. Privat gibt es ein kleines Hindernis, dass nämlich mein Lebensgefährte 350 Kilometer entfernt ist. Er ist zurzeit hier. Er macht unsere Chipproduktion, weil er sich für ein halbes Jahr hat beurlauben lassen, aber es ist noch nicht klar, wie das weitergehen wird. Und, so sage ich mal, Familienzusammenführung wäre noch nett.
Was ist Glück für Sie? Und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Dr. rer. nat. Niels Fertig
Glück hat viel mit Zufriedenheit zu tun, mit Ausgeglichenheit. Einzelne Dinge wie Gesundheit oder Familie sind sicherlich auch etwas, bei dem ich sehr viel Glück empfinde. Das gilt auch für die weitere Familie, meine Eltern, meine Geschwister. Mit denen Zeit zu verbringen, gute Freunde zu haben, ist sicherlich Glück. Für die Zukunft ist es mir wichtig, dass wir diesen Weg mit Nanion Technologies weitergehen. Es wäre schön, wenn er so erfolgreich weiterginge, wie er gestartet ist, da sind wir auf einem guten Weg.
Prof. Dr. med. Jan Behrends
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt müssen wir uns, glaube ich, als glückliche Menschen bezeichnen. Wenn man vier Kinder hat, ist es klar, was man sich für die Zukunft wünscht. Dass nämlich diese Kinder glücklich aufwachsen. Und ansonsten wünsche ich mir für die Zukunft noch viele Jahre voll von fröhlicher Wissenschaft.
Dr. rer. nat. Andrea Brüggemann
Ich werde in meinem Umfeld gerne als Glückskind bezeichnet. Und das ist wahrscheinlich auch wahr. Irgendwie klappt das, was ich in die Hände nehme, ob beruflich oder privat. Ich würde mich freuen, wenn es einfach so bleibt, Gesundheit und Lebensfreude. Und das Schöne ist, glaube ich, dass ich das Glück auch genießen kann. Dass ich nicht das Negative, sondern immer das Positive sehe. Ich hoffe, dass das so bleibt.