Dr. med. Steffen Mitzner
Das Thema Leberversagen hat uns seit Mitte der 80er Jahre an der Klinik für Innere Medizin in Rostock beschäftigt. Der Hintergrund ist, dass sich die Forschungsgruppe in der Klinik mit extrakorporalen Blutbehandlungsverfahren auseinander gesetzt hat. Darunter versteht man so etwas wie die Nierendialyse, wobei man versucht, bei kranken Menschen, Giftstoffe im Blut zu finden, die man dann außerhalb des Körpers entfernen kann - mit der Hoffnung, dass es dem Patienten besser geht. Beim Leberversagen ist das ein ähnlicher Fall. Es gibt viele Giftstoffe, die man kennt, andere allerdings noch nicht. Die Idee war, ähnlich wie bei der Nierendialyse, die außerhalb des Körpers stattfindet, dem Patienten auch bei der Entfernung dieser Stoffe zu helfen.
1990 fand eine nationale Tagung in Deutschland statt, die Artificial Liver Support, die damals sehr bekannt war in den Forscherkreisen. Sie findet alle zehn Jahre statt und wir konnten, nachdem die Mauer gefallen war, das erste Mal daran teilnehmen. Natürlich sind wir hingefahren! Organisiert wurde sie von Herrn Brückner in Hannover, der selbst einer der führenden deutschen Kunstleberforscher ist. Damals konnte die Forschergemeinde das Prinzip der Kunstleber schon sehr genau beschreiben. Für die Probleme gab es allerdings noch keine Lösung. Von dieser Tagung sind wir eigentlich schon mit einer Idee im Koffer nach Rostock gefahren, die sich letztendlich in der Innovation, in dem MARS-System niedergeschlagen hat. Die Arbeiten haben dann 1990 in unseren Laboratorien begonnen und 1993 zum ersten Mal in der Klinik bei einer Patientenbehandlung Anwendung gefunden. Es ging alles sehr gut, deshalb sagten wir uns, dass wir unbedingt weiter machen sollten, sind aber auf sehr große Schwierigkeiten, vor allem technischer Natur, gestoßen. Die Idee ist das eine - ein Grundkonzept zu haben - aber ein Verfahren entwickeln und dann eine wirkliche Innovation daraus machen, dazu gehört unglaublich viel mehr. Das fängt bei der gerätetechnischen Basis, bei der Optimierung des Verfahrens an. Das macht den Unterschied zwischen Leben und Sterben am Ende aus! Das kann man tatsächlich so sagen. Und da stößt man im universitären Umfeld doch leider immer noch sehr schnell an Grenzen. Wenn man sagt, jetzt möchte ich daraus wirklich ein standardisiertes Verfahren machen. Die Mediziner sind damit etwas überfordert, wir haben also die Gruppe erweitert. Etwas, was auch nicht immer so selbstverständlich ist, dass Mediziner über ihren Tellerrand hinausblicken und sich andere Fachspezialisten dazu holen, die in unserem Fall Chemiker, Physiker und Ingenieure waren. Sie kamen in den Jahren 1993 bis 1997 dazu, so dass das Projekt so weit gedeihen konnte, dass wir über Förderung vom Bundesforschungsministerium schließlich zu den Firmengründungen gekommen sind.
Können Sie noch einmal das Prinzip des MARS-Systems kurz umreißen, was passiert hier?
Dr. med. Steffen Mitzner
Das ist eigentlich recht einfach zu sagen. Unser Körper produziert dadurch, dass er lebt, so ähnlich wie eine Großstadt, viel Abfall. Normalerweise geht das gut, wenn der Abfall regelmäßig abgeholt und in der zentralen Müllverbrennung verarbeitet wird. Im Körper ist es, auch wenn das Beispiel hinkt, ähnlich. Wir haben zwei solcher „Müllverbrennungsanlagen“, das ist einmal die Niere. In diesem Bereich fühlen wir als Team uns recht wohl, weil wir alle aus der Nierenheilkunde kommen.
Die zweite „Müllverbrennungsanlage“ ist die Leber. Die beiden teilen sich die Arbeit der Aufarbeitung von Stoffwechselendprodukten, wie wir das feinerweise sagen. Die Niere kann solche, die gut wasserlöslich sind mit dem Urin ausscheiden. Die Leber kann solche, die sich nicht in Wasser lösen mögen, etwa wie Fettaugen auf der Suppe, so verarbeiten, dass sie entweder wasserlöslich werden oder über unsere Galle in den Darm kommen.
Wenn jetzt eines der Organe nicht mehr funktioniert, hat der Patient größte Schwierigkeiten, muss in der Regel früher oder später leider daran sterben. Für die Niere ist das Problem insofern gelöst, als dass man die Nierentransplantation kennt, und für die Akutversorgung ist die Nierendialyse da. Für die Leber gibt es auch die Lebertransplantation und das galt bis heute immer noch als Therapie der Wahl, wenn ein akutes Leberversagen vorliegt. Das ist der Fall, wenn man z.B. Knollenblätterpilze isst. Dann liegt man in drei Tagen in einem tiefen Leberkoma und in fünf Tagen ist man tot. Logistisch ist Transplantieren eine große Meisterleistung, allein die Suche nach einem passenden Organ. Was es bis jetzt nicht gegeben hat, ist ein gutes Pendant zur Nierendialyse. Rein technisch sieht es so aus, dass die Gifte, die Stoffwechselendprodukte, die zur Leber gehen, in großen Transporteiweißen versteckt liegen. Deshalb kommt man nicht so leicht an sie heran. Das ist nicht so einfach wie bei der Nierendialyse. Die Lösung, die wir entwickelt haben, die schafft das. Es ist eine Gratwanderung insofern, als dass im Blut sehr viele Wertsubstanzen vorkommen. Hormone, Wachstumsfaktoren, Vitamine, diverse wertvolle Eiweiße, Antikörper, die durchaus alle im gleichen Größenbereich liegen, so dass man wie im Märchen - die Guten ins Töpfen, die Schlechten ins Kröpfchen - einen Selektionsmechanismus haben muss, um sie zu trennen.
Das ist mit dem MARS-System geglückt. Wir leiten das Blut des Patienten mit den guten und den Abfallstoffen an einer Membran vorbei, die kleine Löcher hat. Diese sind so klein, dass die Giftstoffe noch gut durchpassen, die Eiweiße, die Transporteiweiße, die wir gerne dem Körper erhalten wollen, allerdings nicht. Und auf die andere Seite der Membran platzieren wir genau solche Eiweißstoffe, wie sie auch der Körper benutzt. Da gibt es tatsächlich einen Austausch. Die mit Giftstoffen überladenen Eiweiße des Patienten geben die Giftstoffe frei. Sie öffnen sich an der Membran und geben diese wie bei einem Gefangenenaustausch frei. Die Giftstoffe machen das, weil sie auf der anderen Seite gleich wieder eingeschlossen werden. Wir können dadurch, ohne dass sich die gute Zusammensetzung des Blutes wesentlich ändert, die Giftstoffe selektiv entfernen.
Man hat beim Stichwort „Leber“ spontan immer Alkoholmissbrauch im Kopf. Sie sprachen vorhin von der Knollenblätterpilzvergiftung. Können Sie umreißen, wie viele Patienten an Leberversagen leiden?
Dr. med. Steffen Mitzner
Alkoholkrankheit ist ein Riesenproblem in Deutschland, gerade auch in dem Teil, aus dem wir kommen. Dazu kommt, was man nicht so oft hört, was aber auch ein großes Problem ist, die Virus-Hepatitis, also infektiöse Gelbsucht. Wir wissen, dass aus diesen beiden Gruppen gespeist in Deutschland im Jahr 70.000 Patienten wegen Problemen mit einer nicht mehr funktionierenden Leber in die Klinik müssen. 20.000 Patienten sterben in Deutschland jährlich an den Folgen einer chronischen Lebererkrankung. Die Gruppe der akuten Leberversagen - bei jemand der komplett lebergesund ist und sich vergiftet, z.B. durch Knollenblätterpilz, Lacke, Farben - ist zum Glück sehr viel kleiner.
Das MARS-System ist eine Überbrückung, die optimal genutzt werden kann, weil die Leber ein Organ ist, das sich gut regeneriert. Es ist eine echte Chance für den Patienten, sich zu regenerieren, ist das richtig interpretiert?
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Ja, das trifft für unser Thema sogar insbesondere zu, weil die Leber diese ganz erstaunliche Fähigkeit hat, sich zu regenerieren und das oft noch sehr lange. Die Leber kann sehr stark geschädigt sein, man sagt bis zu 80% des Lebergewebes können praktisch tot sein, trotzdem kann sich das Organ aus einer vergleichsweise kleinen Restmenge an Leberzellen komplett regenerieren. Sie kennen die Sage - Prometheus hatte Zeus gelästert, wurde an den Felsen geschlagen, jeden Tag wurde vom Adler ein Stück Leber herausgepickt und am nächsten Morgen war die Leber wieder da. Leider kam auch der Vogel wieder. Das Bild stimmt. Erstaunlicherweise, wenn denn das giftige Prinzip, das zur Schädigung geführt hat, wegfällt, wenn man nicht mehr trinkt, wenn die Viren weg sind usw., kann sich die Leber komplett regenerieren. Ab einem gewissen Punkt geht das nicht mehr, wir wollen das nicht schön reden, viele Menschen sterben leider auch daran. Das Prinzip unseres MARS-Verfahrens kann jedoch der Leber zur Selbstheilung verhelfen. Die Erfolge, die wir klinisch sehen, geben uns da auch Recht.
Es gibt den Unterschied zur Nierendialyse, denn dort ist die Konsequenz, dass irgendwann das fremde Organ her muss?
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Das ist der heutige Stand der Technik, ja. Es hat auch eine ökonomische Dimension. Die Patienten, die transplantiert werden müssen, brauchen sehr viel Geld. Organe sind sehr knapp, sind Goldstaub, und es ist eine Katastrophe aus menschlicher, medizinischer, aber auch aus ökonomischer Sicht, wenn man ein Organ verliert. Der Patient, wenn er transplantiert werden muss, ist auf die Operation vorzubereiten, auch die Nachbereitung ist eine schwere Phase für den Patienten. Die Gesamttransplantation, wenn denn schon teuer, sollte auch ein medizinischer Erfolg sein, das ist auch ein Aspekt, den man nicht vergessen darf.
Lassen Sie uns noch einmal auf den direkten Impuls zurückkommen. Sie sagten, Sie sind von der Tagung gekommen und hatten ein Prinzip im Kopf. War das der Moment, an dem Sie sagten, ja, das ist es?
Dr. Steffen Mitzner
Das ist eine gute Frage. Ich glaube, Edison hat gesagt, eine Erfindung besteht aus 5% Inspiration und 95% Transpiration. Das könnte auch aus Mecklenburg stammen, auch wenn es kaum zu glauben ist, wir können das bestätigen. Angefangen hat es tatsächlich 1990: zu sehen, wie groß der Leidensdruck ist, wirklich zu hören, dass dies ein Problem in der Medizin ist und es keine Lösung gab. Es gab Leute, die schon nahe dran waren, die das Problem gut beschreiben konnten, aber die noch keine Lösung hatten. Und dann zu sagen: Lasst uns doch das probieren, das ist sicher ein ganz wichtiger Aspekt. Aber es ist wirklich nur ein Bruchteil des Ganzen. Ich würde sagen, was zum Durchbruch geführt hat war, dass ich diese Gruppe gefunden habe. Das Projekt wäre sonst - wie viele andere nicht nur in Deutschland - eingeschlafen, wenn wir es nicht geschafft hätten, die Kompetenzen zu bündeln, zu sagen, das bleibt nicht im "Medizinerkessel". Ein einfacher Aspekt ist, dass wir allein in Rostock, das Projekt nie so weit hätten tragen können ohne die Unterstützung ganz vieler anderer Häuser. Es wären nie so viele Patienten behandelt worden und die Studien, die auch andere Kollegen überzeugten, wären nicht gemacht worden. Das geht nur, wenn man die Technologie auf einen Stand hebt, der - heute würde man sagen "zertifiziert" - vergleichbar ist an verschiedenen Häusern. Und die Idee auf diesen technologischen Sockel zu heben, lag als Phase dazwischen.
Ihre Innovation ist vereinfacht eine Mischung aus Medizin und Technik. Wie kann man sich so eine Zusammenarbeit vorstellen?
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Ich wollte da vorhin schon einhaken, weil ich auch der Meinung bin, dass hier die Mediziner in dieser Beziehung besonders sind. Das findet man nicht so oft, dass ein Mediziner sein Ego zurückstellt und sagt, wir gründen eine interdisziplinäre Gruppe. Ich erinnere mich noch gut daran, dass Herr Mitzner immer sagte, Mediziner seien auch Naturwissenschaftler, was tatsächlich so ist. Aber es gibt eine Grenze, die zwar nicht offen ausgesprochen wird, aber doch in den Köpfen vorhanden ist. Die haben wir überwunden. Wir sagten: Wir sind ein Team! Wir brauchen natürlich medizinischen Sachverstand, wenn wir eine Entwicklung machen. Den holen wir aus der Klinik, weil wir dann erst den Bedarf des Patienten sehen und erkennen, welche technologische Lösung man ansetzen kann, um diesem Patienten zu helfen. Das war damals, als die ersten Patienten behandelt wurden, und es stellte sich die Frage, ob es in diesem Setup, auf der Stufe bleiben würde, weil es nicht möglich ist, innerhalb der Klinik ein Produkt zu entwickeln. Rostock ist ja nicht sehr groß und die Universität auch nicht. Man kannte sich und das Team konnte soweit aufgestellt werden, dass zu dem Mediziner-Naturwissenschaftler auch der Physiker-Naturwissenschaftler und der Chemiker-Naturwissenschaftler dazukamen, um sich Gedanken darüber zu machen, wie man die vorhandene Technologie soweit entwickeln konnte, dass daraus ein Produkt entstehen konnte.
Wir haben zuerst an der Klinik an dem Forschungsprojekt des Bundesforschungsministeriums zusammengearbeitet und haben dann angefangen, eine Marktanalyse zu machen. Macht es Sinn, eine Produktentwicklung zu verfolgen, war die Frage. Wir haben angefangen, den ersten Businessplan zu schreiben, um mit diesem wiederum einen Antrag beim Forschungsministerium auf Unternehmensgründungsförderung zu stellen. Das war Ende 1995. Dann wurde der Antrag ein Jahr lang begutachtet und wir mussten nacharbeiten und weitere Informationen und Fakten liefern. Ende 1996 bekamen wir den Bescheid, dass wir den Zuschuss vom Ministerium bekommen.
Wir haben dann 1997 die TERAKLIN gegründet, sind hier eingezogen und haben dann sehen müssen, wo wir z.B. für das Kunststoffgehäuse Ingenieure und Techniker herbekommen, die die Konstruktion machen und ein Gerät entwickeln. Wir haben innerhalb von zwei Jahren im engen Feedback auch mit der Klinik das Gerät entwickelt, es dort vorgestellt und ausprobieren lassen. Um Fragen zu klären wie z.B. wo soll das Display sein, wo kann ich die Schere ablegen usw., Fakten, die einfach wichtig sind. Wir haben uns diese enge Kooperation auch bis heute erhalten. Die Produktentwicklung an sich war 1999 fertig, wir sind dann in die Vermarktung gegangen und sind jetzt etwas mehr marktorientiert. Die Mediziner geben weiter Input, jetzt aber mehr von der medizinischen Seite. Sie sagen, wie die Limitationen aussehen und wir unsere klinischen Studien designen müssen. Das überzeugt nachher die medizinische Community.
Sie haben beschrieben, in welchem Stadium Sie jetzt sind. Wo sind die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten, einmal von der medizinischen Seite, und wie geht das weiter in der technischen und auch der wirtschaftlichen Vermarktung?
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Wir haben jetzt ein Produkt, das man auf einem Zeitstrahl gesehen weiter wirtschaftlich entwickeln kann. Wir erreichen immer mehr Leberkranke durch gute Studien und den Nachweis der klinischen Effizienz, das ist das eine. Wir können mit dem bestehenden Produkt die Indikationen erweitern oder die bestehende Indikation weiter ausdehnen, mehr Patienten behandeln, eine Produktneuentwicklung machen oder auch eine Produktverbesserung für die gleichen Klienten, die wir bereits haben, ist das andere. Das machen wir im Moment, wir arbeiten daran, das Verfahren an sich noch zu verbessern, dass die Biokompatibilität erhöht wird, dass wir die Behandlungszeiten verkürzen, die Effektivität erhöhen können. Vor allem arbeiten wir an der Handhabbarkeit. Es ist ein technisches Gerät, es muss für den Klinikbetrieb aufgebaut und bedient werden können. Das ist anders als wenn der Arzt morgens bei der Visite eine Tablette verordnet.
Sie haben jetzt ein Produkt entwickelt, jetzt könnte man auch sagen, es interessiert mich nicht mehr, es geht jetzt raus. Ist das Team weiter in den Entwicklungsprozess und auch in den Verbesserungsstufen involviert?
Dr. med. Steffen Mitzner
Die Arbeit ist auch für die Kliniker nicht weniger geworden. Wir kümmern uns weiter um die Medizin, die Patientenerforschung in den Laboratorien, aber vor allem um die Patientenbehandlung selbst. Ganz viele Fragen kommen gerade dann, wenn ein Produkt „droht“ zu funktionieren, dann will man es natürlich ganz genau wissen. Die Fachwelt will es wissen, es hängen Fragen daran wie, wer soll das alles bezahlen, es kommen die Kassen. Man muss sich schon gut vermessen lassen in allen Dimensionen. Das findet im Wesentlichen in den Kliniken statt und wir haben gut zu tun. Vor allem aber mit der Behandlung von Menschen. Wir kriegen Anrufe aus aller Welt und jemand fragt, habt ihr so etwas schon mal behandelt, ich habe hier den und den Fall. Also, Telefonberatung und -seelsorge sind ein wesentlicher Bestandteil.
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Man muss dazu sagen, dass wir das Know-How, das wir geschaffen haben - einmal von der klinischen und auch von der technischen Seite - jetzt für ein neues Produkt nutzen, das sich nicht primär mit der Leber beschäftigt, sondern mit dem Immunsystem. Man lässt Patienten, die sich in einem septischen Schock befinden, auch über eine extrakorporale Blutbehandlung eine Blutreinigung zukommen und entfernt Schadsubstanzen aus dem Blut. Das machen wir über einen Bioreaktor. Der befindet sich in der Entwicklung und hat die Tierversuche sehr gut überstanden. In diesem Bioreaktor befinden sich immunkompetente Zellen, die sehr spezifisch auf Patientenplasma reagieren können. Wir nutzen die Kombination neuer Technologien mit lebenden Zellen - vorher hatten wir einen Filter - auch für die Bioreaktoren. Im nächsten Jahr wollen wir die ersten Patienten behandeln.
Noch einmal zu Ihrem Team. Stellen Sie bitte die Einzelqualifikationen noch einmal dar und wie es sich zusammengesetzt hat.
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Das Kernteam, das vier Personen umfasst, besteht zum einen aus den Medizinern: Steffen Mitzner ist Facharzt für Innere Medizin, hat hier in Rostock studiert und ist einfach ein echter Kliniker. Er hat die Patienten auf der Station gesehen und hat gesagt, für die müssen wir was tun. Ebenso Jan Stange, auch Facharzt für Innere Medizin mit Fachspezialisierung extrakorporale Blutbehandlung, so dass hier auch das technische Know-How, wie man Blut außerhalb des Körpers behandeln kann, da ist. Beide sind mit einem gesunden Forscher- und Innovationsgeist ausgestattet. Sie sagen nicht, ich mache jetzt meinen Klinikdienst, dann gehe ich nach Hause, sondern erhalten mit hohem Zeitaufwand - nach dem Dienst und vor dem Dienst und am Wochenende - diese Forschung am Leben und bringen sie zum Erfolg. Ich glaube, Ausdruck dessen ist ja, dass beide damals den Nachwuchsforscherpreis des Bundesforschungsministeriums für junge Forscher bekommen haben, die keine C3- oder C4-Professur haben, aber so viel Potenzial, dass sie ihr eigenes Labor haben sollten. Der Preis war damals mit zwei Millionen Mark ausgestattet und war der Grundstock für die Tätigkeit der gesamten Arbeitsgruppe. Da waren sie noch 24 oder 25 Jahre alt und in dem Alter ein Zwei-Millionen-Projekt zu bekommen, ist nicht alltäglich.
Das sind die beiden Mediziner und dann gehört dazu der Physiker Walter Gerike, das ist unser größter, er ist zwei Meter groß. Er ist Experimentalphysiker, versteht etwas von Automatisierungstechnik, Geräte- und Elektrotechnik und hat auch einen gesunden Menschenverstand. Ich bin der Vierte im Bunde, bin Chemiker, habe auch in Rostock studiert und habe innerhalb des Studiums Wissen erworben im Bereich Stofftransport, Adsorption, Filtration, was ich sehr gut anwenden konnte. Insofern war das Team komplett. Wir haben die medizinische Seite, die technische Seite und die biotechnologisch-chemische Seite abgedeckt. Das hat den Grundstock für die Unternehmensgründung gebildet, bei der wir die Kernkompetenzen dargestellt haben. Wir sind damit auch sehr gut bis 1999, bis das Produkt fertig war, gefahren. Dann wurde uns klar, dass zur Vermarktung die nächste Triebwerkstufe gezündet werden mus. Wir haben angefangen, den Vertrieb aufzubauen. Wir haben kompetente Leute gesucht, die Know-How auf dem Vertriebsgebiet hatten. Inzwischen haben wir die Firma so weit gebracht, dass wir Tochtergesellschaften in großen europäischen Ländern und in den USA sowie ein Repräsentationsbüro in Shanghai haben und eigentlich auch in allen anderen Teilen der Welt verkaufen. Für die Teile, für die noch eine Zulassung notwendig ist, führen wir klinische Studien durch, um zur Zulassung zu kommen.
Ihr Projekt ist ja ein Verbundprojekt zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Sie haben Erfolg, nicht nur die Patentsituation, sondern auch bereits in vielen Ländern. Wie hat sich das entwickelt? Den Schritt in die Vermarktung anzugehen, selber den Impuls zu geben, eine Firma zu gründen, Leute einzustellen und die Hand darauf zu halten, das ist ja nicht ganz normal für Leute aus dem Wissenschaftsbereich?
Dr. med. Steffen Mitzner
Das stimmt. Auch weil Sie vorhin fragten, wo die Innovation liegt, oder wo sie anfängt. Ein wesentlicher Aspekt ist, dass mehrere Personen, in diesem Fall die vier aus dem normalen Rahmen ausgebrochen sind. Damit meine ich auch das universitäre Setting, in dem alle vier sich befanden - und alle vier waren nicht ohne Chancen für den vorgezeichneten deutschen akademischen Weg.
Bei uns anzufangen, als Mediziner in Deutschland, sicherlich in Rostock speziell, eine Firma zu gründen und zu betreuen, war zumindest damals etwas sehr Ungewöhnliches. Es war nicht ganz einfach, auch Verantwortung für Angestellte zu übernehmen, sich zu sagen, die werden nicht mehr aus dem öffentlichen Dienst bezahlt, sondern, wenn es nicht gut läuft und du das Geld nicht besorgst, dann wird jemand arbeitslos. Das war sehr neu. Insbesondere für die beiden, für Stephan Aldinger und Walter Gerike, die sich komplett entschieden haben, die universitäre Laufbahn zu beenden. Sie sind auf dieses Torpedo gestiegen und fragten, wo geht die Fahrt eigentlich hin? Das ist ein Sprung ins unbekannte Gewässer. Ohne das wäre es nicht gegangen, und im Nachhinein würde man sagen, ich weiß jetzt, wie es geht. Bei der zweiten Firma fällt einem das schon leichter, aber am Anfang ist das unglaublich schwer.
Vorher hat man die Vorstellung, das ist das Projekt, dann machen wir das nächste, aber dass es sich in diesen Ausmaßen so entwickelt, war damals nicht vorstellbar.
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Wenn mich vor vier Jahren jemand gefragt hätte, wo sitzt du in vier Jahren, dann hätte ich gesagt, ich sitze immer noch da und wir haben eine Kooperation, wenn es gut läuft, und das Produkt ist fertig. Und hoffentlich haben wir schon das nächste Projekt in Aussicht, so dass wir durchfinanziert sind. Aber dass wir 60 Mitarbeiter sind und weltweit verkaufen und tatsächlich Umsätze machen, war damals nicht abzusehen. Vor allem, was alles dazu gehört, welche Struktur man aufbauen, welchen Apparat man bewegen muss.
Hat diese konsequente Umsetzung in den Markt hinein mit Aufbruchstimmung nach der Wende zu tun? Denn, was Sie gerade sagten, gibt es ja an vielen Universitäten oder Instituten: Da ist das Projekt, dann wird noch ein kleiner Spin-Off gemacht aber dann versandet es. Wirklich in den Markt zu wollen, hat das was mit dieser Zeit zu tun?
Dr. med. Steffen Mitzner
Das liegt natürlich nah, das ist eine gute Frage. Weil es zeitlich zusammenpasste. 1990 ging die allererste Fahrt, die ich überhaupt über die Grenze machte, zu dieser Tagung, zufälligerweise. Und ich glaube, dass Ihre Vermutung richtig ist, weil wir ja doch in einem, wenn man es freundlich sagen will, „behüteten“ oder einem vorgeordneten System groß geworden sind. Man hätte mit 18 schon voraussagen können, wie es bis zur Rente weitergeht. Das hat sich sehr geändert. Das Auftun dieser Möglichkeiten nach der Wende war ein weiterer Schritt. Das fing 1990 an, mit den Möglichkeiten zu reisen, woanders zu arbeiten, zu forschen, Leute zu treffen. Solche Möglichkeiten anzunehmen, wäre in der DDR sicher unmöglich gewesen.
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Ich glaube, dass die Konsequenz, mit der wir unser Ziel verfolgt haben, in dem Gründerteam liegt, dass jeder Einzelne wirklich daran geglaubt hat und es mit aller Kraft vorangetrieben hat. Wir ergänzen uns auch psychologisch ganz gut. Der eine ist sehr hartnäckig und unnachgiebig, der andere ist kompromissbereiter. Ohne die Hartnäckigkeit hätte man z.B. früher Kompromisse gemacht und wäre heute nicht an dieser Stelle. Das bedeutet manchmal auch Kampf zwischen den Parteien, aber wenn man zurückblickt, haben wir es richtig gemacht. Das ist eine gute Konstellation. So ergänzt sich das Team sehr gut und wir sind dadurch bis dahin gekommen, wo wir stehen. Jeder hat immer vorbehaltlos für dieses Ziel gekämpft und nicht gesagt: Ich hör jetzt lieber auf und mache Uni weiter, ich habe keine Lust mehr, mir ist alles zu viel.
Ihr Projekt ist, was die wirtschaftliche Seite angeht, für die Kostenträger vorteilhaft, wenn wir von Transplantation und Folgekosten usw. sprechen. Haben Sie in der Entwicklungszeit hier Unterstützung erhalten? Haben die Kostenträger gemerkt, was sich hier tut?
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Man muss fairerweise sagen, dass es in der Entwicklungszeit nicht in deren Zuständigkeit fällt. Das Projekt aber hat erstaunlich früh Beachtung gefunden, wir bekamen Nachfragen von verschiedenen Stellen in Deutschland auf Kostenträgerebene. Dass wir konkret angesprochen wurden, auch Unterstützung bekommen haben, das ist jetzt in den letzten Jahren erst losgegangen. Das ist eine zweiseitige Sache. Die Firma musste sich projektseitig darum kümmern. Wir sind bei den Kostenträgern auf erstaunlich offene Ohren gestoßen. Nichtsdestotrotz ist das ein Riesenproblem. Ich hatte vorhin die Patientenzahlen erwähnt. Das sind große Zahlen, auch kostenseitig, deshalb verwenden wir in der Firma und in dem wissenschaftlichen Umfeld in der Klinik viel Zeit darauf, genau zu beschreiben, wer davon profitieren kann. Was bekommen die Kostenträger, was bekommt die Menschheit für das eingesetzte Geld? Die Daten sehen sehr gut aus, gerade schließen wir eine Studie mit der Uni Greifswald ab, die das auf einem wissenschaftlich hohen Niveau untersucht. Und jetzt sind die Kostenträger mit im Boot. Wir stehen zwar noch sehr am Anfang, wir sind nicht unzufrieden, aber es gibt noch viel zu tun und noch viele offene Wünsche.
Bekommen Sie Vorgaben, sagen die Kostenträger Ihnen, das darf nur soundsoviel kosten, dann können wir es anwenden?
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Nein, so ist es nicht. Die Kostenträger haben gute Standards, an die wir uns auch halten. Man fragt z.B., was kostet es, das deutsche Gesundheitswesen um ein Lebensjahr zu erhalten, was kostet es, den Patienten dieses Jahr bei guter Lebensqualität bei uns zu halten? Das macht es z.B. möglich - es gibt auch andere Verfahren - Kosten zu objektivieren, eine Kosten-Nutzen-Analyse zu machen. Von daher gibt es ganz allgemeine Vorgaben und bei diesen Daten sieht das Maßverfahren ganz hervorragend aus. Das sind Argumente, denen sich die Kostenträger nicht verschließen können.
Dr. med. Steffen Mitzner
Es gibt Zahlen, mit denen man unser System vergleichen kann. Die Kosten von Therapien, die bezahlt werden, wie z.B. von der Dialyse, sind ja bekannt. Die können wir als Messlatte nehmen. Wenn wir Erstattung für unser Verfahren haben wollen, dann bewegen wir uns in einem bestimmten Bereich und wissen, dass auch die Kostenträger mit diesen Zahlen vergleichen.
Der Begriff Innovation ist ja viel und abgenutzt. Was verstehen Sie unter Innovation?
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Als Wissenschaftler sagt man immer, ich habe eine Innovation, sprich Erfindung gemacht. Als Chemiker habe ich immer neue Substanzen zusammengebraten, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat: Raumschiff Enterprise. Das war das Größte. Aber es konnte keiner etwas damit anfangen. Dann hatte es also keine Bedeutung, ob ich das gemacht habe oder nicht.
Für mich ist Innovation ein komplexerer Begriff. Ich habe eine Idee, die muss nicht bahnbrechend sein, ich muss nicht eine neue Galaxie entdecken, sondern ich setze sie um und jemand hat etwas davon. Das ist dann letztendlich etwas Neues. Und die ganze Konstellation, die wir hier geschaffen haben, ist eine Innovation an sich, die verschiedenen Facetten, die wir schon beschrieben haben.
Dr. med. Steffen Mitzner
Ich habe kein Problem mit dem Innovationsbegriff an sich, wir benutzen ihn in der Klinik eher weniger. Für mich ging es ganz pragmatisch von Anfang an darum, Probleme zu lösen. Gerade für uns Ärzte, die wir mit diesen Patienten umgehen müssen ist es furchtbar, wenn man vor einem Patienten steht und sieht, dem geht es schlecht, er muss vielleicht sogar sterben und wir haben nichts in der Hand. Das schafft eine sehr starke Motivation, dieses Problem lösen zu wollen und zu sagen, wenn ich irgendwo etwas bekäme um helfen zu können, ich würde es sofort einsetzen. Oder wenn niemand etwas hat für meine Patienten, dann muss man sich eben selbst etwas einfallen lassen, um das umsetzen zu können. Daher kommt diese Motivation, dass ich meine Alltagsprobleme gerne löse. Wenn das in Innovation mündet - ausgezeichnet.
Eine Zielsetzung des Preises des Bundespräsidenten ist es, den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu fördern. Was tun Sie? Tun Sie selbst etwas dazu, Ihre Projekte zu transportieren und sie einer allgemeinen Öffentlichkeit vorzustellen?
Dr. med. Steffen Mitzner
Ja sicherlich, aus Medizinersicht war der erste Schritt, das Projekt in der Medizinerwelt bekannt zu machen, besonders Herr Stange und ich und andere Ärzte in unserem Team sind praktisch ständig unterwegs im In- und Ausland. Wir haben in den letzten paar Jahren sicherlich an die 30 Länder bereist und halten Fachvorträge auf Tagungen, fahren in Häuser, sprechen mit Ärzten, publizieren in der Fachpresse und auch in der allgemeineren Fachpresse.
Der nächste konsequente Schritt war, dass wir uns an die betroffenen Patienten wenden, auch bevor sie in eine so kritische Lebenssituation kommen. Die hohe Zahl chronisch Leberkranker in Deutschland ist zum Teil sehr gut in Patientenvertretungen organisiert. Wir haben selbst einen gemeinnützigen Verein gegründet, der sich zum Ziel gesetzt hat, das Wissen um solche Blutreinigungsverfahren, wie das MARS-Verfahren gerade für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im September organisiert der Verein zusammen mit der Uni und TERAKLIN einen großen, internationalen Kongress hier in Warnemünde und es findet ein Seitensymposium ausschließlich für Patienten und interessierte Ärzte statt.
Gibt es ein Motto, eine formulierbare Motivation für das, was Sie tun? Von Ihnen, Herr Dr. Mitzner, haben wir gerade schon etwas gehört, wie steht es mit Ihnen, Herr Dr. Aldinger?
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Für mich ist es ähnlich, ich bin nun nicht der Arzt, der täglich mit den Patienten konfrontiert ist. Für mich ist natürlich eine Motivation zu wissen, dass wir eine Idee in ein Produkt umgesetzt haben, das jetzt gebraucht und von vielen anderen angewendet wird, auch international. Alle fragen nach, wenden es an und sind überzeugt davon. Das habe ich früher als Chemiker schon vermisst: den Nutzen.
Wie schätzen Sie das Klima für Innovation und Forschung in Deutschland ein und wie stehen wir im internationalen Vergleich da?
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Wir können uns nicht beschweren, wir sind dankbar für die „von oben“ organisierte Forschungsförderung. Ohne die hätte es TERAKLIN nicht gegeben. Damit meine ich das Bundesforschungsministerium im Wesentlichen und das Land Mecklenburg-Vorpommern. Wenn wir jedoch über den großen Teich schauen und uns auch mit Asien vergleichen, wo wir doch zunehmend unterwegs sind, muss man sagen, man kann es noch sehr viel einfacher haben. Damit meine ich die Flexibilität beim Zugang zu Förderungsmitteln. Wir waren gewöhnt, dicke Anträge zu schreiben, aber wenn ich daran denke, wie wir uns die Finger wund schreiben mussten, bis wir an diese Töpfe gekommen sind, da vergeht einige Zeit. „Typisch deutsch“ könnte einem auf der Zunge liegen.
Wir haben auch den zweiten Vergleich, nämlich den, dass die Firma sich selbst freischwimmen muss und sich selbst über die Eigenleistung auf dem freien Kapitalmarkt weiter finanzieren muss. Auch das ist nicht einfach. Das Verständnis, die Bereitschaft, auch ausreichend Mittel in so ein Projekt zu stecken, ist im öffentlichen Fördernetz noch etwas unterentwickelt. In Deutschland gibt es die Tendenz zu fragen: braucht ihr denn so viel? Und dann zu sagen: wir genehmigen von dem, was ihr beantragt habt, 80%, weil wir das generell so machen. Das ist in Amerika anders, man sagt, kommt ihr denn mit 100% aus? Nehmt doch 120%, ihr werdet ein besseres Ergebnis bekommen. Die Logik hat etwas für sich.
Man müsste an die Universitäten gehen und die Professoren davon überzeugen, ihren Leistungsträgern Know-How mitzugeben, zu sagen, geht raus, gründet etwas und ich bin mit 20% dabei. Doch die Mentalität ist häufig noch so, dass man die besten Leute an der Uni behalten will, damit sie wissenschaftliche Ergebnisse erzeugen. Aber sie müssen raus!
Wie sieht es mit Nachwuchs aus, haben Sie da genug Leute, die zu Ihnen kommen?
Dr. med. Steffen Mitzner
Für die universitäre Gruppe kann ich sagen, dass sie inzwischen stark angewachsen ist und wir haben großen Zulauf von jungen Studierenden, von Ärzten, von anderen Naturwissenschaftlern; die Forschungsgruppe ist gut angewachsen. Nichtsdestotrotz würden wir uns natürlich über interessierten, qualifizierten, motivierten Nachwuchs weiter sehr freuen. Wir müssen die Ausbildung innerhalb der Gruppe bis heute selbst machen. Das ist teilweise schon sehr arbeitsintensiv.
Wir sprechen Leute bereits im Studium an und binden sie an die Gruppe, wenn sie noch ihr Sechs-Jahres-Programm an der Uni abspulen müssen. Das festigt und verbindet natürlich, so dass automatisch nicht alle danach abspringen.
Haben Sie Wünsche oder Forderungen an die Gesellschaft, die Politik oder die Öffentlichkeit, um Projekte wie Ihres besser zu fördern?
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Jede Klinik sollte ein MARS-Gerät kaufen, bitte. Im Ernst: Ich denke, wir haben viel Unterstützung bekommen, vom Forschungsministerium, über AiF und die Landesregierung: Das Umfeld war gut. Aber es sagt einem letztendlich keiner, wie man es machen soll. Sie sagen, ihr habt einen Businessplan geschrieben, jetzt habt ihr Geld und jetzt macht mal. Dann muss man sich Gedanken machen, wie man überhaupt das Geschäftsmodell aufbaut, wie man an wen verkauft und wie teuer. Da scheitern dann viele. Das ist ein Grund, warum wir beim „Start-Up-Wettbewerb“ mitgemacht haben, damit McKinsey sich mit uns hinsetzt und uns berät: internationaler Vergleich, Beispielunternehmen, Informationen, an die man nicht so leicht rankommt. Es gibt Beratungsförderung, aber die ist üblicherweise in diesen Fördermitteln nicht drin. Aber gerade das braucht man, wenn man aus der Uni kommt und keine Ahnung hat.
Es ist ja etwas früh bei Ihnen, aber wenn Sie die Wahl hätten, würden Sie das, was Sie getan haben, wieder tun? Oder sagen Sie, ich hätte etwas anderes oder anders machen sollen?
Dr. med. Steffen Mitzner
Ich hätte nichts anderes machen wollen. Die Medizin, das gilt, glaube ich, auch für Herrn Stange, ist das, woher wir kommen, dabei wollen wir bleiben. Mit Patienten zu arbeiten ist einfach wunderbar und für unser Setting ist auch ganz wichtig, dass wir dieses Feedback haben.
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Ich würde das Projekt nochmal machen, genauso machen, in Nuancen vielleicht anders: dass man an vielen Stellen schneller reagiert oder früher anfängt, was aufzubauen oder früher das Geld besorgt - aber das ist normal. Ich würde es noch mal machen.
Dr. med. Steffen Mitzner
Wir haben es ja schon ein zweites Mal gemacht. Auch das nächste Mal hätten wir keine großen Sorgen. Wir haben ja auch Vorbildfunktion, darauf kann das Land sich ruhig berufen und sagen, bei uns ist das auch möglich; wir haben Leute, die von der Uni kommen und etwas aufgebaut haben. Das motiviert andere auch. Man kann auch aus Mecklenburg kommen, es muss nicht München sein.
Sie haben den Schritt in die Umsetzung selbst gewagt, ihn nicht anderen überlassen. Was tun Sie, wenn Sie hier herauskommen, womit entspannen Sie sich? Haben Sie überhaupt Freizeit?
Dr. med. Steffen Mitzner
Freizeit ist knapp und kostbar in diesen Jahren. Wir sind alle sehr viel unterwegs für das Projekt und für die Firma im wahrsten Sinne des Wortes, alle müssen ziemlich viel reisen, was übrigens auch sehr schön ist. Aber wenn man dann nachts um eins im Taxi aufwacht und man fährt gerade in Rom am Kolosseum vorbei und schläft gleich wieder ein und seufzt noch, ach, das Kolosseum - das hat Vor- und Nachteile. Sicher ist Familie ganz wichtig, für sie verwende ich einen wesentlichen Teil meiner Freizeit und ansonsten bietet sich ja in Mecklenburg an der Küste Diverses an, was mit Wasser und Landschaft zu tun hat.
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Die Zeit, die übrig bleibt, geht natürlich in die Familie. Ich habe drei Kinder und die fordern auch ihren Teil und meine Frau natürlich auch. Da bleibt nicht viel Zeit für mich persönlich. Es gibt schon mal einen Tag, wo ich denke, ich hätte mal gerne niemand um mich herum oder, dass ich mal was Ungewöhnliches machen möchte, in Ruhe ein Buch lesen, ohne, dass alle zehn Minuten einer ankommt. Aber so ist das Leben.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Dr. med. Steffen Mitzner
Dass sich das Projekt so weiterentwickelt, wie wir uns das vorgestellt haben, wovon ich auch überzeugt bin. Dass ich selber gesund bleibe, mein Umfeld gesund bleibt und keine großen Schicksalsschläge dazwischen kommen. Ansonsten läuft die Entwicklung sehr gut und ich bin zufrieden.
Dr. rer. nat. Stephan Aldinger
Ich bin auch sehr zufrieden zurzeit. Ich würde mich freuen, wenn wir einfach so wie bis jetzt weitermachen könnten, ohne große Katastrophen.
Anm.: Dr. med. Jan Stange hielt sich zu der Zeit in den USA auf, und konnte deshalb an dem Interview nicht teilnehmen.