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Nominiert zum Deutschen Zukunftspreis 2021

Quantenzählender Computertomograph – revolutionäre Einblicke in den menschlichen Körper

Einzel-O-Töne zum Download

Hier die Statements zum Projekt „Quantenzählender Computertomograph – revolutionäre Einblicke in den menschlichen Körper“.

Text zum Podcast

Anmoderation:
Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von #DZP, in der wir Ihnen heute das erste von insgesamt drei nominierten Teams vorstellen. Mein Name ist Michael Bachmann.

Wenn am Abend des 17. November in Berlin zum dann schon 25. Mal der Deutsche Zukunftspreis verliehen wird, dann ist es fast eine Tradition, dass sich auch ein Medizinthema unter den Nominierungen findet. Ob innovative Lösungen in Bereich der Wirkstoffforschung oder Hightech für diagnostische Verfahren. Immer wieder erlebten wir in den letzten Jahren Nominierte und zum Teil auch Gewinner, deren Innovationen Weltspitze waren und sind.

Und so verhält es sich auch mit einem neuen CT-Verfahren, mit dem Team 1 die Jury überzeugen konnte. Und vorstellen wird es uns dessen Sprecher.

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#DZP - Zur Person

Prof. Thomas Flohr ist beim Deutschen Zukunftspreis kein Unbekannter. Bereits 2002 stand er im Finale der besten Drei. Schon damals ging es um einen neuen Computertomographie-Ansatz.

Inzwischen ist in diesem Bereich viel passiert. Thomas Flohr gehört immer noch zu den besten CT-Forschern des Landes. Gemeinsam mit seinem Team, dem diesjährigen Mitnominierten Dr. Björn Kreisler und Dr. Stefan Ulzheimer arbeitet er bei Siemens Healthineers in Forchheim. Außerdem lehrt er an der Universität Tübingen als Außerplanmäßiger Professor Medizinische Physik.

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Frage: Herr Professor Flohr, Sie sind für den Deutschen Zukunftspreis 2021 nominiert worden, weil Sie und Ihr Team eine völlig neue Generation an CT entwickelt haben. Was genau ist das Neue?

Prof. Thomas Flohr: Unser neues СT basiert auf einem völlig neu entwickelten Detektor für Röntgenstrahlen.
Man kann sich das vereinfacht so vorstellen: Mit einem bisherigen CT hat man letztendlich unscharfe Schwarz-Weiß-Bilder der Anatomie des Patienten aufgenommen. Mit dem neuen CT schaffen wir den Übergang zu scharfen, hoch aufgelösten Farbbildern.

Frage: Das geschieht vor allem, weil Sie Cadmium-Tellurid als Detektors Material verwenden, das Sie auch selbst züchten. Erklären Sie, was sich dahinter verbirgt.

Prof. Thomas Flohr: In einem herkömmlichen CT-Detektor werden die Röntgenstrahlen absorbiert und dabei in sichtbares Licht verwandelt. Dieses sichtbare Licht wird dann in einem nächsten Schritt registriert und in Strom verwandelt. Wir haben also eine zweistufige Detektion. Die Röntgenstrahlen machen das Licht. Dieses Licht macht den Strom. Das ist nachtheilig. Unser neuer Detektor kann die Röntgenstrahlung direkt in Strompulse umwandeln. Er verzichtet also auf einen Zwischenschritt und hat dadurch all die von mir beschriebenen Vorteile. Er bietet eine bessere, räumliche Auflösung für schärfere Bilder und wir bekommen Zusatzinformationen, die man vereinfacht als Farbinformationen bezeichnen kann, mit denen wir zum Beispiel die Organe des Patienten besser charakterisieren können und sie nicht nur anatomisch abbilden.

Frage: Den Arzt, den Patienten interessiert natürlich, was für neue Dimensionen das nun eröffnet. Geben Sie uns Beispiele.

Prof. Thomas Flohr: Ich kann Ihnen Beispiele geben. Mit unserem neuen CT glauben wir, dass wir Krankheiten besser und auch früher diagnostizieren können und manchen Patienten andere zusätzliche Untersuchungen ersparen können. Ein Beispiel ist die CT-Untersuchung des Herzens der Herzkranzgefäße. Viele Patienten haben Engstellen in den Herzkranzgefäßen, die auch behandelt werden müssen. Dann muss in einem Herzkatheter zum Beispiel diese Engstelle erweitert werden. Man muss aber zunächst mal feststellen, ob der Patient auch wirklich solche Engstellen in seinen Herzkranzgefäßen hat. Das kann man heute schon mit der Computertomografie machen. Allerdings haben viele dieser Patienten auch zusätzlich Verkalkung in den Herzkranzgefäßen. Diese Verkalkungen verringern nicht unbedingt das Volumen der Gefäße. Das heißt, sie bedeuten eigentlich für den Patienten nichts. Sie sitzen auf den Gefäßen drauf, verändern aber nicht die Durchblutung. Mit einem konventionellen CT kann man aber durch diese Verkalkung nicht durchschauen. Man kann letztendlich nicht erkennen, ob sich hinter ihnen eine Engstelle befindet. Das heißt, solche Patienten müssen in die invasive Herzkatheter Untersuchung gehen. Mit unserem neuen CT können wir diese Verkalkung sicher erkennen, aus dem Bild rausrechnen und können einen Blick auf das tatsächlich verbleibende Volumen der Herzkranzgefäße erreichen. Wir können also Patienten in diesem Fall den Gang zum invasiven Herzkatheter ersparen.

Frage: Und auch im Zusammenhang mit COVID- 19 scheinen sich einige Verbesserungen bzw. Möglichkeiten zu ergeben, die es bisher nicht gab.

Prof. Thomas Flohr: Ja, es gibt ja viele Patienten, die auch nach einer überstandenen Covid-Infektion, wenn sie also eigentlich schon geheilt sind, noch Veränderungen in ihrer Lunge aufweisen. Wir können nun solche Patienten untersuchen und die anatomischen Veränderungen in der Lunge darstellen. Das sind meistens Verdichtungen des Gewebes. Wir können aber auch sagen, was diese Veränderungen zum Beispiel für die Lungen-Durchblutung bedeuten. Wir können zeigen, wenn an bestimmten Stellen der Lunge keine Durchblutung mehr stattfindet, diese Bereiche dann auch nicht mehr am Gas Austausch teilnehmen und für den Patienten wirklich ein Lungenschaden entstanden ist. Und wir hoffen, dass mit diesen Zusatzinformationen sich solche Krankheiten auch in Zukunft besser verstehen und besser behandeln lassen.

Frage: Sie hatten vorhin schon angesprochen, dass Patienten entlastet werden können, weil vielleicht mühsame Herzkatheter-Untersuchungen unterbleiben können mit ihrem Verfahren. Es gibt noch eine andere Dimension, nämlich überhaupt die Belastung von Röntgenstrahlen, die minimiert werden kann.

Prof. Thomas Flohr: Ja, heute zögert man ja bei der CT-Untersuchung bestimmter Patientengruppen zum Beispiel junger Menschen genau wegen der Strahlenbelastung. Mit unserem neuen CT können wir nun qualitativ hochwertige, schärfere Bilder erreichen und das noch bei einer um 40 Prozent reduzierten Strahlendosis. Wir glauben, dass wir so das Anwendungsspektrum der CT deutlich erweitern können, auch auf Patienten, bei denen man bisher skeptisch war bezüglich CT-Untersuchungen.

Frage: Ihre Innovation, ihre Technologie ist damit noch nicht am Ende. Es wird gerade an neuen Kontrastmittel gearbeitet, erforscht. Was verbirgt sich dahinter?

Prof. Thomas Flohr: Ja, das neue CT liefert ja neue farbige Daten mit Zusatzinformationen, mit denen man zum Beispiel die chemische Zusammensetzung der Organe darstellen kann oder auch die Durchblutung darstellen kann. Wir arbeiten jetzt mit einem führenden deutschen Kontrastmittel-Hersteller zusammen, um ein neues Kontrastmittel für die Computertomographie zu entwickeln, das speziell auf die Eigenschaften unseres neuen quantenzählenden Detektors hin optimiert ist und uns auch da neue Erkenntnisse bei der Untersuchung von Patienten bringen wird.

Frage: Wenn Sie in den nächsten Jahre blicken, Herr Professor Flohr, was ist die Vision? Was sind Ihre Ziele mit Ihrer Technologie? Was haben Sie sich vorgenommen?

Prof. Thomas Flohr: Wir haben uns zunächst mal vorgenommen, dass unsere neue Technologie nicht in einer Nische verharrt, sondern sich breit in der gesamten Radiologie verbreitet. Wir hoffen doch, dass in wenigen Jahren von jetzt fast jedes CT ein Quantenfeld-CT sein kann, weil wir von den Möglichkeiten dieser neuen Technologie so überzeugt sind.

Soweit also der Sprecher des ersten Nominierten-Teams für den Deutschen Zukunftspreis 2021, Prof. Thomas Flohr. Sprecher: Und dieses Projekt zeigt uns übrigens exemplarisch, mit welcher Ausdauer Wissenschaftler häufig arbeiten, bis sie an ihr Ziel kommen. (Teamkollege) Dr. Stefan Ulzheimer hat das verdeutlicht bei der offiziellen Nominierten-Vorstellung. Dr. Stefan Ulzheimer: Wir sind lang dran an diesem Thema, von der Grundlagenforschung haben wir einen langen Weg hinter uns gelassen. Die Grundlagenforschung begann vor knapp 20 Jahren, im Jahr 2002. Dann die ersten Bilder im Labor, knapp zehn Jahre später über die ersten Prototypen, die wir installiert haben bei klinischen Partnern im Jahr 2014 und 15 bis zu den Next Generation Prototypen im letzten Jahr. Und jetzt stehen wir kurz vor der Markteinführung eines Produktes und wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis zum Ende des Kalenderjahres 30 Systeme zu verkaufen und zu installieren. Wo stehen wir da? Wir haben eine erste Zulassung in der EU, also als Zugelassenes Medizinprodukt in der EU. Wir haben in der EU und in den USA bisher 22 Systeme installiert und wir werden bis Ende des Jahres 30 Systeme installieren. Hier ein Zitat eines engen Kooperationspartner Prof. Gabriel Krestin von der Universitätsklinik Rotterdam in den Niederlanden, ehemaliger Präsident der Europäischen Radiologischen Gesellschaft, der unsere Vision nach den ersten Erfahrungen, die er gesammelt hat, mit dem Gerät teilt, dass in wenigen Jahren jeder Computertomograph ein quantenzählender Computertomograph sein wird.

Im nächsten #DZP-Wissenschaftpodcast stellen wir Ihnen dann das zweite Team vor, das aus Löwenzahn Gummi herstellt. Lassen Sie sich überraschen oder schauen Sie schon mal auf die DZP-Webseite unter www.deutscher-zukunftspreis.de.