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Nominiert zum Deutschen Zukunftspreis 2021

mRNA-Impfstoffe für die Menschheit – erster COVID-19-Impfstoff als Beginn einer neuen Ära in der Medizin

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Hier die Statements zum Projekt „mRNA-Impfstoffe für die Menschheit – erster COVID-19-Impfstoff als Beginn einer neuen Ära in der Medizin“.

Text zum Podcast

Anmoderation:
Herzlich willkommen zu #DZP, mein Name ist Michael Bachmann. Am 17. November wird in Berlin der diesjährige Deutsche Zukunftspreis verliehen. Wir stellen Ihnen in diesen Tagen die drei nominierten Teams näher vor – heute Team 3.

Mit dem mRNA-Impfstoff entwickelten die Forscherinnen und Forscher in Windeseile im vergangenen Jahr ein extrem wirksames Mittel gegen COVID-19. Sie wurden dafür schon vielfach ausgezeichnet und erhielten von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Bundesverdienstkreuz.

Geschrieben haben die Erfolgsgeschichte Dr. Özlem Türeci mit ihrem Mann Prof. Ugur Sahin und Prof. Christoph Huber sowie Prof. Katalin Karikó, deren mRNA-Forschungen schon in die 80er Jahren zurückgehen. Nun also die Nominierung für den Deutschen Zukunftspreis. Sprecher des Teams ist Prof. Sahin.

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#DZP - Zur Person

Eigentlich lag der Forschungs-Schwerpunkt von Prof. Ugur Sahin, der mit vier Jahren nach Deutschland gekommen war, in der Krebsforschung. An den Universitäten Mainz und im saarländischen Homburg, wo er auch seine spätere Frau Özlem Türeci kennenlernte, konzentrierte er sich auf die Entwicklung von Immuntherapien mit mRNA-Molekülen. Daraus entstand zu Beginn der 2000er Jahre auch die erste unternehmerische Tätigkeit, später folgte dann die Gründung von BioNTech.

Mit Beginn der Pandemie veränderte sich die Ausrichtung schlagartig. Prof. Sahin, Dr. Türeci und ihr Team nahmen – am Ende erfolgreich – den Wettlauf im Kampf gegen das Corona-Virus auf und entwickelten in Rekordgeschwindigkeit und nicht einmal einem Jahr einen mRNA-Impfstoff.

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Frage: Herr Prof. Sahin können Sie noch mal schildern, was Anfang 2020 bei Ihnen im Team passierte, als sich das Ausmaß dieser Pandemie klar ersichtlich machte?

Prof. Ugur Sahin: Ja, wir haben im Januar Ende Januar 2020 festgestellt, dass dieser Ausbruch in China wahrscheinlich auf eine globale Pandemie hinausläuft und haben unsere Forschungsarbeiten zur Entwicklung von Impfstoffen umgestellt auf die Entwicklung eines COVID-19 Impfstoffs und haben uns dann mit dem Team, dem Vorstand, dem Aufsichtsrat auch entschieden, ein Projekt zu starten, welches die Zielsetzung hat, noch in 2020 einen sicheren und wirksamen Impfstoff zu entwickeln und die Möglichkeiten zu schaffen, dass wir diesen Impfstoff auch weltweit verfügbar zu machen.

Frage: War für Sie gleich klar, dass Sie den Schlüssel zur Bewältigung dieser Menschheits-Aufgabe haben könnten?

Prof. Ugur Sahin: Wir wussten, dass unsere Technologie das leisten kann. Wir hatten in den 20 Jahren davor unsere Technologie so aufgebaut, dass wir sehr schnell maßgeschneiderte Impfstoffe für Krebspatienten entwickeln konnten und haben diese Technologie nutzen können, weil sie eine Grundeigenschaft und die Möglichkeit bietet, innerhalb von wenigen Wochen Impfstoffe zu generieren. Aber es war natürlich nicht klar, ob wir damit erfolgreich sein würden, war zu dem Virus doch alles unbekannt und es war nicht klar, ob dieses Virus sich durch den Impfstoff überhaupt kontrollieren lässt.

Frage: Sie nannten das Projekt „Lightspeed“, also Lichtgeschwindigkeit - mit Lichtgeschwindigkeit zum Impfstoff zu kommen. Und das war es ja auch, wenn man normalerweise Zeiten anschaut, um neue Medikamente bzw. auch Impfstoffe zu entwickeln. Warum hat das funktioniert?

Prof. Ugur Sahin: Das hat funktioniert, weil wir uns nicht an die konventionellen Zeitlinien gehalten haben. Normalerweise macht man eine Entwicklung so, dass man die Resultate abwartet, um den nächsten Schritt zu initiieren. Man macht die Schritte sequenziell und wir haben die Fragen gestellt: Was können wir Menschenmögliches tun, um dieses Projekt schneller zu machen, ohne Abkürzungen zu nehmen? Das heißt, wir haben die Zeitlinien kondensiert, indem wir zum Beispiel Schichtdienst eingeführt haben - 24/7. Wir haben mit den Behörden sehr eng zusammengearbeitet. Normalerweise dauert es drei Monate, bis eine Behörde sich meldet. Und in der Pandemie war es möglich, fast im täglichen Austausch mit den Behörden diese Entwicklung voranzutreiben.

Frage: Wann war dann der Zeitpunkt, als Sie wussten, wir haben die Lösung? Und wie hat sich das angefühlt?

Prof. Ugur Sahin: Das war an dem Tag - ich glaube, das war der 9. November - als eine unabhängige Gruppe die Phase III-Daten evaluiert hat. Wir haben ja eine sogenannte randomisierte Doppel-Blind-Studie durchgeführt, wo Personen, Probanden, entweder unseren Impfstoff bekommen haben oder ein Placebo, eine Kontroll-Substanz bekommen haben. Und die zentrale Frage in so einer großen Studie mit über 40.000 Probanden ist: Hat die Kontrollgruppe mehr oder weniger Infektionen und Erkrankungsfälle als die geimpfte Gruppe? Und dabei haben wir festgestellt - wir sind an einem Sonntagabend angerufen worden - dass das Ergebnis positiv ist und viel besser ist, als wir uns das erträumen konnten. 95 Prozent Wirksamkeit mit der mit nahezu gleicher Wirksamkeit bei der jüngeren als auch bei der besonders gefährdeten älteren Population.

Frage: Wie kann man sich die Arbeit in Ihrem Team vorstellen, in dieser unglaublich intensiven Phase? Forschung auf der einen Seite, das Management, das erforderlich war, aber dann natürlich auch das Interesse der Öffentlichkeit, das Sie bedienen mussten. Letztlich dann aber auch noch der Aufbau von Strukturen, um am Ende in diesem Jahr drei Milliarden Impfdosen herzustellen… Was haben Sie getan? Wie hat das funktioniert?

Prof. Ugur Sahin: Also, das war natürlich eine gewaltige Herausforderung, sowohl einen Impfstoff in kürzester Zeit zu entwickeln als auch die Produktion hochzufahren. Das war nur möglich dadurch, dass wir ein großartiges Team haben: Mitarbeiter aus über 60 Nationen, Mitarbeiter, die mit uns teilweise über 20 Jahre schon zusammenarbeiten. Wir haben einen Vorstand, der sich die Aufgaben aufgeteilt hat, so dass Frau Türeci und ich uns um die medizinische Entwicklung des Impfstoffs gekümmert haben, Kollegen sich um das Produktionsteam gekümmert haben oder auch zum Beispiel die Finanzierung sicherstellen konnten. Dadurch, dass wir uns auch frühzeitig entschieden haben, Kooperationen einzugehen und eine Zusammenarbeit zum Beispiel mit Pfizer einzugehen, gab es uns die Möglichkeit, parallel auf zwei verschiedenen Kontinenten die Entwicklung voranzutreiben.

Soweit Ugur Sahin, Sprecher von Team 3, zu dieser atemberaubenden Erfolgsgeschichte, die damit aber nicht vorbei ist. Im Gegenteil. Für Dr. Özlem Türeci hat sie mit der Corona-Pandemie gerade erst begonnen. Denn für die mRNA-Technologie, an der seit den 1980er Jahren geforscht wird, sei das der Durchbruch gewesen, so Türeci bei der offiziellen Nominierten-Vorstellung.

Dr. Özlem Türeci: „Das war eine Feuertaufe für die mRNA, die hier zum ersten Mal gezeigt hat, dass sie das Zeug hat, ein richtiges Problem zu lösen und einen Unterschied zu machen. In diesem Fall gegen eine Pandemie, ein Virus und sich nun validiert hat. Wir glauben ganz fest daran, dass mRNA ein transformatives Potenzial hat. Es ist eine Informationstechnologie, die man für vieles mehr nutzen kann. Wir haben jetzt sehr ausführlich über Impfstoffe gesprochen und bei Impfstoffen ist es so, dass man zum einen den Steckbrief liefert - das ist dieser Bauplan. Und zum anderen aber auch und das kann man machen, weil die mRNA biochemisch diese Information auch erhält, zum anderen aber auch diesen Zellen, den Trainern des Immunsystems, die Information vermittelt: Das ist der Steckbrief und hier muss attackiert werden. Und das ist natürlich, dass der Mechanismus, den wir bei Infektionen und bei Krebserkrankungen brauchen, wo wir dann über diesen Bauplan sehr präzise gegen die richtige Struktur dirigieren können. Was wir aber auch machen können, ist, den Steckbrief zu liefern und zu sagen: Bitte hier Zurückhaltung - nicht attackieren! Und das ist genau der Ansatz, den wir bei Autoimmunerkrankungen verfolgen, wo ja das Immunsystem fälschlicherweise eine körpereigene Struktur angeht. Und auch da können wir mit dieser Informationstechnologie einiges ausrichten. Und es geht noch weiter: Wir können Informationen zur Reprogrammierung hineinbringen, zum Beispiel also bei der regenerativen Medizin, dies einsetzen.

Wir sehen also ein großes Potenzial und hoffen, dass wir all das, was wir gelernt haben in der Pandemie, nutzen können für diese weiteren Aufgabenfelder.

Sprecher: Und damit haben wir Ihnen in dieser Podcast-Reihe die Arbeiten der Nominierten für den Deutschen Zukunftspreis vorgestellt. Team 1 mit dem neuen revolutionären Computertomographen; Team 2, das Gummi aus Russischem Löwenzahn gewinnt und Team 3 mit dem mRNA-Impfstoff gegen das Corona-Virus. Die Qual der Wahl hat nun die Jury, die am 17. November die Entscheidung über das diesjährige Siegerteam treffen wird. Am gleichen Abend wird dann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Deutschen Zukunftspreis 2021 verleihen.