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#DZP – Wissenschaftspodcast

Neue Anwendungen des Carbonbeton, auch im Deutschen Museum – Interview mit Prof. Manfred Curbach

Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe unseres Podcasts. Mein Name ist Michael Bachmann.

Ja, die größte Herausforderung der kommenden Jahre, da sind sich fast alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einig, wird für die Menschheit der Klimawandel sein. Da sind Köpfe mit Konzepten und Lösungen zur Reduzierung von CO2 gefragt und einen solchen dürfen wir Ihnen heute vorstellen. Ich habe ihn im Deutschen Museum in München getroffen. Warum gerade dort, das erfahren Sie in diesem Podcast mit unserem heutigen Gast.

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#DZP. Zur Person.

Als sich Manfred Curbach in den 80er Jahren an der Universität Princeton mit dem Brückenbau in den USA beschäftigte, wusste keiner, für welch bahnbrechende Innovation der damalige Stipendiat später einmal mitverantwortlich sein würde. Als Bauingenieur und Hochschulprofessor – immer an der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis – entwickelte Curbach in kommenden Jahrzehnten den neuen Verbundwerkstoff aus Beton und Carbon. Anstelle von Stahl kommen dabei Kohlenstofffasern zum Einsatz, was eine deutliche Materialersparnis und nur die Hälfte des bisherigen CO2-Ausstoßes zur Folge hat. Außerdem ist der neue Beton viel länger haltbar. Dafür erhielt Curbach 2016 gemeinsam mit seinen Mitstreitern, den Professoren Cherif und Offermann den Deutschen Zukunftspreis. 

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Frage: Ja Professor Curbach, fünf Jahre ist es her mit dem Deutschen Zukunftspreis. Was hat der Preis damals für sie und ihr Projekt bedeutet?

Prof. Manfred Curbach: Also selbst im Nachhinein muss ich sagen, das ist der Höchstpreis den ein Bauingenieur überhaupt noch kriegen kann und entsprechend stolz war ich damals und ich gebe zu, ich bin noch immer stolz den Zukunftspreis bekomm en zu haben. Aber es hat gleichzeitig natürlich auch eine ganze Reihe von Konsequenzen gehabt. Damals ging es ja auch darum zu zeigen, dass diese Innovation so tatsächlich schon angewendet wird und wir konnten auch schon eine ganze Reihe von Projekten aufzählen. Aber dieser Zukunftspreis, der hat dann auch dem Thema viel Popularität gebracht, sodass dann Anfragen kamen, sodass wir auch ermutigt wurden dieses oder jenes zu tun und tatsächlich hat sich die Anzahl der Projekte enorm gesteigert.

Frage: Als Träger des Deutschen Zukunftspreises sind sie ja bereits im Deutschen Museum in München verewigt, weil alle Gewinner dort in der Dauerausstellung präsentiert werden. Sie glaube ich auch mit dem Modul aus Carbonbeton schon. Jetzt gibt es ein neues Projekt nämlich in der Brückenausstellung. Da entsteht eine Brücke aus Carbonbeton, erzählen sie uns dazu. 

Prof. Manfred Curbach: Also es gibt ja eine eigene Brückenbauabteilung im Deutschen Museum und ich verrate ihnen jetzt nichts Überraschendes, dass sich die schon als Student besucht habe. Da sind hervorragende Bauwerke gezeigt, zum Teil als Modelle, die große historische Bedeutung haben. Und während der Gespräche hier im Deutschen Museum, auch zu diesem Modul, da kam raus, dass eben diese Abteilung überarbeitet wird und dass man da ein Standort hätte, wo verschiedene Exponate in größerer Höhe aufgebaut werden sollten und wo bisher einfach ein Stahlträger da lag und die darauf gelegt wurden. Und so entstand die Idee, ob man nicht ein solches, ich übertreibe jetzt, Regalbrett aus Carbonbeton bauen könnte. Ja und dann habe ich angefangen eben so ein Regalbrett in Form einer Brücke zu entwerfen, Spannweite 9 ½ Meter, also es ist nicht gerade wenig, aber gleichzeitig sollte die auch all die Möglichkeiten zeigen, die man mit Carbonbeton hat. Und es ist ja jetzt so, wenn man so eine große Spannweite hat, dann kann man ja nicht nur zwei Zentimeter dünnen Beton von dem einen zum andern Ende spannen. Das wird jetzt hier nicht schlabberig, das ist ja weich und biegt sich durch und schwingt. Das heißt, man braucht auch weiterhin Steifigkeit, man muss also mit dem Carbonbeton sehr intelligent entwerfen und da ist es gut, wenn man sich nicht nur auf Carbonbeton verlässt, wenn man eine bestimmten Dicke zum Beispiel benötigt, das dann nicht komplett aus Beton zu machen, sondern nur an den Außenseiten Carbonbeton und dazwischen ein Material das diese Schichten verbindet, so eine Art mineralischer Schaum. Und da haben wir Infraleichtbeton verwendet, auch ein hoch innovatives Material, das zum Beispiel bei der Dämmung auch infrage kommt, es aber auch do gute Festigkeitseigenschaften hat, dass die diese beiden Carbonschichten richtig gut verbindet. Und diese Idee haben wir dann auch geometrisch weiter ausgearbeitet, sodass eben ein Sprengwerk entsteht an dem an jeder Stelle die optimale Querschnittsdicke und Querschnittsform ist. Diese Stützen, die man seitlich weggehen sieht, das   sind nicht einfach nur ein paar gerade Scheiben, das sind doppelt gekrümmte Tragwerke. In der einen Richtung, um Stabilität zu bekommen, in der anderen Richtung, um tatsächlich auch die Lasten optimal abzutragen, zu konzentrieren hin zum Auflager. Und dieses Bauwerk haben wir natürlich vorher mal testen wollen, was das dann trägt. Die Anforderung war nicht zu hoch, da sollten Ausstellungsteile drauf, die wegen 50 Kilogramm, also eigentlich nicht viel, aber es sollte ja tatsächlich das Symbol einer extremen schlanken und schönen Brücke sein. Und dann haben wir die dann im Labor in Dresden tatsächlich erst einmal gebaut und haben die bis zum Bruch belastet und die hat über zwei Tonnen getragen statt 150 Kilogramm. Also sensationell und die besteht im Grunde aus Fertigteilen aus Carbonbeton, die zusammengesetzt werden. Dann kommt diese Schicht aus Infraleichtbeton da drauf, die wird dann vor Ort betoniert und dann wird noch mal vor Ort dann ganz obendrauf die letzte Carbonbetonschicht aufgebracht, die natürlich eben ist. Bei einer Bücke soll man ja am Ende darüber laufen oder fahren können. Und darunter darf man die Geometrie aber optimieren und das haben wir an dieser Brücke jetzt gezeigt. Und jetzt steht diese Brücke in einer wunderbaren Tradition. Auf der anderen Seite des Raumes wird man dann, wenn die ganzen Exponate wieder zu sehen sein werden, das Modell von der peronet-ischen Brücke Pont de Neuilly aus Paris sehen. Die erste Brücke, die so extrem schlank war, ein schlanker Bogen wie ihn damals die Welt nicht gesehen hatte 1770. Dann kommt die fantastische Hängebrücke von Jörg Schlaich, die durch den Raum geht und als nächstes jetzt dann diese schlanke Brücke aus Carbonbeton. 

Frage: Also auch für diejenigen die ihr vielleicht normalerweise nicht in den Brückenbau-ausstellung gehen würden, es lohnt sich da hinzugehen und sich das anzusehen. Es ist in der Tat eines der Highlights in dem Deutschen Museum, das zurzeit generalsaniert wird, da könnte man sich vorstellen, dass es für ihren Beton vielleicht auch andere Anwendungsfälle gibt.

Prof. Manfred Curbach: Das ist richtig. Denn es hat sich herausgestellt, dass es ein Problemfall im Deutschen Museum gibt, der nicht gelöst werden konnte, und zwar betrifft es das große Treppenhaus, wo in dessen großen Auge das Foucaultsche Pendel sich bewegt. Dieses Treppenhaus geht über zehn Etagen nach oben und ist mit einem natürlich denkmalgeschützten Geländer versehen. Und dieses Geländer war nicht mehr fest in dem Beton verankert und die Gefahr bestand tatsächlich dieses Treppenhaus muss abgerissen werden und es muss ein neues gebaut werden. Da war die Idee, ob man das jetzt nicht mit Carbonbeton retten könnte. Und genau das geschieht gerade. Es ist so, dass in dem Fußpunkt dieses Geländers, oder die Halterung nicht mehr gut war, eine dünne Schicht aus Carbonbeton aufgebracht wird, also quasi nur auf diesem Randträger dieser Treppe. Um den Stäben neuen und guten Halt zu geben. Das ist ein minimalinvasiver Eingriff in dieses Treppenhaus. Man wird es nachher nicht erkennen, dass es saniert ist. Und es ist Carbonbeton, das dieses Treppenhaus gerettet hat. 

Frage: Gebaut wird zurzeit auch in Dresden, dort wo sie an der TU lehren. Da entsteht das sogenannte CUBE, ein reines Carbonbeton-Gebäude. Was verbirgt sich hinter diesem Projekt?

Prof. Manfred Curbach: Wir haben seit 2014 ein sehr großes Forschungsprojekt vom BMBF, das sogenannte 2020-Projekt „Carbon Concrete Composite C³“. Und da wurden vom BMBF 45 Millionen investiert und von den Firmen ebenfalls eine nennenswerte Summe beigetragen und wir haben dort an den unterschiedlichste Themen des Carbonbetons geforscht, mit dem Ziel dieses Material für die Praxis noch leichter anwendbar zu machen.  Und dann entstand so etwa bei der Hälfte des Projekts Überlegung, ob es nicht gut wäre, eine Menge von diesen Ergebnissen, die da erzielt worden sind, an einem eigenen Bauprojekt zu zeigen und das fanden alle gut und dann haben wir angefangen mit der Planung eines kompletten Gebäudes aus Carbonbeton und das habe wir dann CUBE genannt. Die englische Übersetzung für 10³. Und dieser Cube besteht nun aus zwei Teilen, aus zwei wesentlichen Teilen, in einer Box, die ziemlich schlicht gestaltet ist, die mit Fertigteilen erstellt wird, die auch für jedes andere Bauwerke in großer Zahl gefertigt werden könnte. Um zu zeigen, wie dünn und wie wirtschaftlich man mit Carbonbeton bauen kann. Diese Box steht übrigens jetzt schon. Und dann gibt es ein zweites Element, ein Twist, eine doppelt gekrümmte Schale, die von einer Wand in eine Decke übergeht mit allen Übergängen dazwischen. Nach dem Motto wir können Decken, wir können Wände, wir können alles dazwischen. Da sehen wir doppelt gekrümmte Schale und die geht über diese Box hinweg und liefert dann einen großen Raum innendrinnen, das wird dann ein Veranstaltungsraum sein. Und in der Box gibt es dann einige Laborräume, Büroräume, die auch genutzt werden sollen. Wir wollen nachher auch natürlich untersuchen, wie arbeitet es sich denn in einem Carbonbeton-Gebäude. Ja und Box und Twist zeigen eben die Wirtschaftlichkeit, aber auch die neue architektonische Qualität, die sich ergibt, wenn man mit diesem Material, das viel leichter beweglich ist, diesen Carbongelegen, was man mit diesen neuen Gelegen alles so bauen kann.

Frage: Sie hatten schon vorher gesagt, die Zahl der Projekte die mit Carbonbeton realisiert werden, wächst rasant im Augenblick. Was sind die spektakulärsten die sie im Augenblick am Start haben?

Prof. Manfred Curbach: Also was mich überrascht hat. Es sind schon über 130 Bauwerke gebaut worden. Da habe ich nicht mit gerechnet, dass das so schnell so viel wird und allein anhand der Anfragen, die zurzeit laufen, ist zu sehen, dass es jetzt rasant weiter geht. Da gibt es zum Beispiel drei Brücken im Frankfurter Raum, die mit Stahl gebaut worden sind, die spannungsrisskorrosionsgefährdet sind. Das heißt also, man weiß nicht genau, was mit dem Stahl passiert. Man möchte gerne, dass wenigstens diese Brücken ein Ankündigungsverhalten besitzen, damit eben, bevor ein Versagen eintritt, vielleicht große Risse das Versagen ankündigen. Dazu braucht man aber eine gewisse Menge an Bewehrung und da war jetzt die Chance, tatsächlich durch eine sehr dünne Schicht aus Carbonbeton mit sechs Lagen Carbongelege darin, genau dieses Ankündigungsverhalten herzustellen. Und deswegen wurden bereits zwei Brücken saniert. Und die dritte Brücke ist jetzt gerade in Arbeit. Das heißt es sind drei große Autobahnbrücken, die mit Carbonbeton verstärkt werden. Dann haben wir eine große Brücke in Bayern bei Donauwörth bei der beim Nachrechnen herausgekommen ist, dass da doch einige Defizite bestehen. Und so werden bei der Brücke zum Beispiel Carbonbetonfelder aufgebracht, die Torsionssteifigkeit erhöhen. Außerdem war der Hohlkasten zu schwach bewehrt, um die sogenannten Untergurte an die Stege anzuschließen. Und auch da kommt Carbonbeton zum Einsatz. Aber tatsächlich bauen wir jetzt auch die erste komplette Straßenbrücke für den Schwerlastverkehr aus Carbonbeton. Das ist eine relativ kleine Brücke in der Nähe von Bautzen. Diese Brücke ist jetzt besonders wichtig, weil in dem Moment wo die Autobahn gesperrt wird, wird das die Umgehungsstraße sein, sodass der gesamte Schwerlastverkehr darüber fahren wird. Also tatsächlich die erste Straßenbrücke im öffentlichen Straßennetz.

Aber es geht nicht nur um Brücken. Ein ganz berühmter Name unter den Stahlbeton- Leuten ist Ulrich Müther. Das war quasi der Schalenbauer der DDR. Der hat von Rügen aus, da hatte er seinen Betrieb, jede Menge Schalen in Ostberlin in Binz, Rostock und zum Beispiel Magdeburg erstellt. Und in Magdeburg steht seine zurzeit noch stehende größte Schale. 20 Jahre lang war die Halle unter dieser Schale unbenutzt, Schäden sind vorangeschritten. Aus dem Dach, diesem doppelt-gekrümmten Hyparschalendach wuchsen schon kleine Birken. Es waren teilweise schon Löcher drin, man konnte durchgucken. Aber natürlich wollte man diese Schale irgendwann mal retten. Es war nur dann immer die Frage, wer, welcher Investor, wird bereit sei,  da Geld reinzustecken. Bis schließlich die Stadt Magdeburg entschieden hat, wir wollen diese Schale jetzt sanieren und die wird jetzt grade mit zwei hauchdünnen Schichten an der Ober- und Unterseite mit Carbonbeton versehen, sodass die gesamte Schale wieder tragfähig ist. Und das tolle an solchen Schalenbauten ist eben, dass die Bewehrung tatsächlich gekrümmt sein muss und das ist mit diesem Carbongelege sehr leicht machbar. Es kommt nur sehr wenig Eigengewicht dazu, denn so eine Schale ist normalerweis so – bei Müther – acht Zentimeter dick. Die würde somit zehn Zentimeter sein, also kaum verändert. Das heißt also auch für den Denkmalschutz ein großes Argument so etwas zu verwenden. 

Frage: Wenn sie das so erzählen, die ganzen Mehrwerte des Carbonbetons, dann muss man es sich auch nochmal auf der Zunge zergehen lassen, was auch noch für dieses Material, für diesen Beton, spricht: 80 Prozent weniger Materialeinsatz, viel längere Haltbarkeit, 50 Prozent weniger CO2 Ausstoß. Außerdem ist Carbonbeton recyclebar. Was ist der Grund Herr Professor Curbach, dass heute nicht nur noch mit Carbonbeton gebaut wird?

Prof. Manfred Curbach: Also da liegt eine Ursache im deutschen Baurecht und ich möchte das nicht im Geringsten kritisch meinen, denn das deutsche Baurecht hat einen tatsächlich sehr guten Ruf was die Gewährleistung der Sicherheit betrifft. Es gibt in Deutschland so gut wie keine Schäden durch einstürzende Bauwerke. Also das deutsche Baurecht ist schon ganz gut. Das fordert zum Beispiel, dass bei jedem neuen Material, das bis dahin nicht genormt ist, das nachgewiesen wird, dass die Sicherheit wirklich genauso hoch ist wie mit jedem anderen Material. Und da gibt es dann ein sehr abgestuftes System. Das beginnt mit sogenannten Zustimmungen im Einzelfall. Wenn ich also an einem Bauwerk das mal ausprobieren will, dann muss die zuständige Landesbehörde die Zustimmung geben, dass es so gebaut werden darf und die verlangt jetzt jede Menge Nachweise dafür, dass es wirklich so ist. Die allererste Fußgängerbrücke, die wir erstellt haben in Oschatz 2005, die haben wir tatsächlich auch zweimal gebaut, so wie die Brücke in München. Das haben wir jetzt aus Eigeninteresse getan, aber damals, die allererste Brücke, die haben wir im Labor aufgebaut und bis zum Bruch belastet. Und da stand die Bauaufsicht daneben. Und als die gesehen hat, wie sicher die ist, hat sie ihre Unterschrift darunter gesetzt, dass wir dann auch in Oschatz das Original hinstellen konnten. Das muss man nicht jedes Mal so aufwendig machen, aber es dauert schon ganz schön lange bis man so eine Zustimmung im Einzelfall hält. In den Ländern, wo wir jetzt schon mehrere Bauwerke gebaut haben, wie zum Beispiel in Bayern oder Sachsen, da ist es relativ einfach mittlerweile so eine ZiE, wie sie heißt, dann zu bekommen. Die nächste Stufe nach einer „Zustimmung im Einzelfall“ (ZiE), ist eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung. Die wird von einer Bundesbehörde in Berlin erteilt, wenn also Erfahrungen durch viele ZiEs da sind, wo man sagen kann, ja das klappt alles. Dann kann man einzelne Bauteile, teilweise auch einzelne Verfahren, zulassen. Das ist dann der nächste große Schritt zur Verbreitung. Und den nächsten Schritt, und an dem arbeiten wir jetzt gerade, ist die Erstellung einer Richtlinie, die dann nicht mehr auf ein Bauwerk oder ein Bauteil gemünzt ist, sondern die dann eine allgemeine Anweisung liefert, wie man mit Carbonbeton bauen kann. Wenn diese Richtlinie herausgegeben ist, dann ist wahrscheinlich dann der echte Durchbruch vorhanden.
Das setzt natürlich auch voraus, dass all die Architektur- Ingenieurbüros, die damit arbeiten, die entsprechende Ausbildung haben. Denn, obwohl ich gefühlt jede Woche oder manchmal jeden Tag einen Vortrag halte über Carbonbeton, es gibt immer noch sehr viele Architekten und viele Ingenieure, die mit dem Begriff nicht viel anfangen können. Und wenn die sich damit beschäftigen sollen, dann ist es für die ja ein großer Zeitaufwand, der in der Regel aber nicht bezahlt wird. Also gibt es da eine natürliche Hemmschwelle und die gilt es zu überwinden. Durch Ausbildung, also alle die Studenten, die bei uns jetzt rauskommen, können natürlich jetzt mit Carbonbeton arbeiten.

Frage: Sie hatten vorhin auch die Vorzüge des deutschen Baurechtes geschildert. Wie sieht das international aus? Gibt es da gegebenfalls bei denen die Hürden nämlich nicht so hochliegen schnellere Erfolge? 

Prof. Manfred Curbach: Wir erleben das ganz häufig, dass eine Erfindung die in Deutschland getätigt wurde im Ausland zuerst probiert wird. Und wir sind da keine Ausnahme. Als diese Verstärkungsmöglichkeiten mit Carbonbeton für uns sicher war, da ergab sich plötzlich eine Chance in Prag ein Kaufhaus zu retten. In Prag gab es einen Neubau für ein Kaufhaus, da stand der Rohbau aus Stahlbeton. Und da hatten die Leute bei der Berechnung Fehler gemacht. Die Decken bogen sich um zehn Zentimeter durch. Das ist natürlich ein bisschen viel. Und da stand tatsächlich die die ganze Konstruktion kurz vorm Abriss. Und da haben wir den Vorschlag gemacht, wir füllen diese Delle aus mit Beton, damit eine schöne horizontale Fläche entsteht. Dadurch wird zwar jetzt die Decke schwerer, aber wir verstärken die auf der Unterseite mit Carbonbeton und nehmen die zusätzlichen Lasten aus dieser Füllung auf durch den Carbonbeton. Das haben die sofort angenommen und es ist ausgeführt worden. Das Kaufhaus ist kurze Zeit später eingeweiht worden und es steht noch heute. Das war unsere allererste praktische Anwendung von Carbonbeton. Und genauso ist es, dass man in der Schweiz sehr viel leichter da solche neuen innovativen Methoden anwenden darf, weil dafür dann die Baufirma haften muss, dass das in Ordnung ist. Und für Deutschland ist es dann wiederum hilfreich gewesen, dass wir schon auf Anwendungen im Ausland zurückgreifen konnten, darauf verweisen konnten, um dann in Deutschland eine Zulassung zu bekommen. Dieses Verstärkungsverfahren hat mittlerweile so eine seit 5 Jahren so eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung. Beim Verschaffen eines Überblicks darüber wieviele Projekte wir so in den letzten Jahren bearbeitet haben, habe ich dann auch mal geguckt, in welchen Ländern das geschehen ist und ich kann jetzt schon elf verschiedene Länder aufzählen. Die meisten davon in Europa, wo Carbonbeton entweder für neue Bauteile oder für die Verstärkung zum Einsatz gekommen ist. 

Frage: Das große Thema der kommenden Jahre wird der Klimawandel sein. Man sagt, dass Thema Bau für 25 Prozent des CO2-Ausstoßes mitverantwortlich ist. Bei der Zementherstellung spricht man von sieben Prozent. Die Zahlen variieren da ein bisschen, aber ungefähr in der Größenordnung wird es sein. Das heißt da haben sie auch gegebenenfalls einen Hebel, der ihnen mit ihrer Innovation helfen wird bei der Verbreitung.

Prof. Manfred Curbach: Also ich halte Carbonbeton tatsächlich für ein Mosaiksteinchen, vielleicht sogar für ein großes Mosaiksteinchen, in all den Maßnahmen, die wir ergreifen müssen, um die CO2-Emissionen zu senken. Tatsächlich ist der Bau für einen sehr großen Anteil verantwortlich. Deswegen muss man auch gucken, wo beim Bau tritt in so viel ein und was kann man da ändern. Und da ist natürlich gerade die Zementherstellung ein wunderbares Beispiel. Wenn es uns gelingt, die Massen tatsächlich so stark zu reduzieren, hat es ja sowohl einen Vorteil für den Sandverbrauch, der wird ja auch schon knapp. Aber dadurch dass ich weniger Material einsetzen, muss habe ich natürlich auch weniger Zement, ich kann darüber hinaus anderen Zement nehmen. Der jetzt zu verwendende Zement sorgt für einen hohen ph-Wert im Beton, um den Stahl vor Korrosion zu schützen. Diesen hohen ph-Wert brauche ich nicht mehr, das heißt ich kann andere Bindemittel verwenden, die ihrerseits dann weniger CO2 in der Herstellung erzeugen. Das heißt also wir können durch Reduzierung des Betons überproportional viel CO2 einsparen. Und damit ist der Bau ein wunderbarer Hebel, um mit überschaubaren Maßnahmen ganz viel zu erreichen.

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Soweit also das Interview mit Professor Manfred Curbach und einem aktuellen Stand darüber wie Carbonbeton immer mehr zu einer relevanten und nachhaltigen Baustoffalternative wird.

Ich darf ihnen noch den fünfzehnten September als Datum nennen, an diesem Tag werden die diesjährigen Nominierten für den Deutschen Zukunftspreis bekannt gegeben und sie können live dabei sein und die nominierten und ihre Projekte kennenlernen. Die Veranstaltung wird nämlich im Livestream übertragen. Alle Informationen dazu finden sie auf unserer Webseite www.deutscher-zukunftspreis.de. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.